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Vom Wesen physikalischer Gesetze (eBook)

Vorwort zur deutschen Ausgabe von Rudolf Mößbauer
eBook Download: EPUB
2017 | 1. Auflage
215 Seiten
Piper Verlag
978-3-492-97236-9 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Vom Wesen physikalischer Gesetze -  Richard P. Feynman
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Richard P. Feynman gelingt es meisterhaft, darzulegen, welche allgemeinen Prinzipien hinter den Naturgesetzen stehen, die wir heute kennen. Studentinnen und Studenten in aller Welt benutzen diese berühmten »Feynman-Lectures«, die einen ungewöhnlich gut durchdachten Querschnitt durch die Grundlagen der Physik bieten.

Richard P. Feynman, geboren 1918 in New York, gestorben 1988 in Los Angeles, Studium der Physik am Massachusetts Institute of Technology, ab 1942 Mitarbeiter am Manhattan-Projekt in Los Alamos, 1945 bis 1950 Professor für Theoretische Physik an der Cornell University, Ithaca, seit 1950 am California Institute of Technology in Pasadena. 1965 Nobelpreis für Physik.

Richard P. Feynman, geboren 1918 in New York, gestorben 1988 in Los Angeles, Studium der Physik am Massachusetts Institute of Technology, ab 1942 Mitarbeiter am Manhattan-Projekt in Los Alamos, 1945 bis 1950 Professor für Theoretische Physik an der Cornell University, Ithaca, seit 1950 am California Institute of Technology in Pasadena. 1965 Nobelpreis für Physik.

1. Das Gravitationsgesetz – Schulbeispiel für ein physikalisches Gesetz


Es ist seltsam, aber in den wenigen Fällen, da ich in der Öffentlichkeit als Trommler auftrat, hat es nie jemand für nötig erachtet, meine Tätigkeit als theoretischer Physiker zu erwähnen. Wahrscheinlich, weil wir die Künste höher veranschlagen als die Naturwissenschaften. In der Renaissance forderten die Künstler den Menschen auf, sich in erster Linie mit seinesgleichen zu beschäftigen, und doch gibt es eine ganze Reihe anderer Dinge in der Welt, die unser Interesse verdienen. Selbst die Künstler schätzen Sonnenuntergänge, den Wellengang des Ozeans und den Lauf der Gestirne am Himmel. Mit Fug und Recht können wir also gelegentlich auch über etwas anderes reden. Schon die Betrachtung dieser Dinge bereitet uns ein ästhetisches Vergnügen. Darüber hinaus durchwaltet ein Rhythmus, eine dem leiblichen Auge unsichtbare Regelmäßigkeit zwischen den Naturerscheinungen die Welt, die nur durch die Analyse sichtbar wird und die wir physikalische Gesetze nennen. Ich möchte in dieser Vorlesungsreihe das allgemeine Wesensmerkmal dieser physikalischen Gesetze vorstellen. Wir begeben uns damit, wenn Sie so wollen, auf eine noch oberhalb der Gesetze selbst liegende Ebene der Verallgemeinerung. In Wirklichkeit betrachte ich die Natur dabei als Resultat detaillierter Analysen, auch wenn ich hauptsächlich über ihre allerallgemeinsten Eigenschaften sprechen werde.

Nun läuft man bei einem solchen Thema leicht Gefahr, allzu philosophisch zu werden, und in der Tat gilt es als Ausweis hoher Philosophie, sich in Allgemeinheiten auszudrücken, die jedermann begreift. Ich für meinen Teil möchte lieber etwas spezieller bleiben, denn ich will eindeutig und nicht verschwommen verstanden werden. Deshalb werde ich in der ersten Vorlesung versuchen, mich nicht nur allgemein über physikalische Gesetze auszulassen, sondern gleich ein Beispiel anführen. Daran kann ich in der Folge die allgemeinen Aussagen von Fall zu Fall festmachen und so die Realität in eine sonst allzu abstrakte Betrachtung einbeziehen. Als Beispiel für ein physikalisches Gesetz habe ich die Gravitationstheorie, die Phänomene der Schwerkraft, auserkoren. Warum gerade die Schwerkraft, weiß ich selber nicht. Dieses große Gesetz wurde jedenfalls als eines der ersten entdeckt und hat eine interessante Geschichte. Nun sagen Sie vielleicht: »Alles schön und gut, aber das ist ein alter Hut, ich möchte etwas über die modernere Wissenschaft hören.« Über die jüngere vielleicht, aber nicht über die modernere. Die moderne Naturwissenschaft steht exakt in derselben Tradition wie die Entdeckungen des Gravitationsgesetzes. Wir würden lediglich über Entdeckungen aus jüngerer Zeit reden. Ich komme mir mit einer Vorlesung über die Schwerkraft keineswegs altmodisch vor, denn bei der Beschreibung ihrer Geschichte und Methoden, der Art ihrer Entdeckung, ihrer Eigenschaft, bin ich durchaus modern.

Dieses Gesetz wurde als »die bedeutendste Verallgemeinerung« bezeichnet, »die dem menschlichen Geist je geglückt ist«, und wie Sie nach meinen einleitenden Worten bereits ahnen, geht es mir nicht so sehr um den menschlichen Geist als um das Wunder einer Natur, die sich an solch ein elegantes und einfaches Gesetz wie das der Schwerkraft halten kann. Deshalb werden wir unser Augenmerk weniger darauf richten, wie klug wir, die wir all das herausgefunden haben, doch sind, als vielmehr darauf, wie klug die Natur ist, die es befolgt.

Das Gesetz der Gravitation besagt, daß zwei Körper eine Kraft aufeinander ausüben, die umgekehrt proportional dem Quadrat ihrer Entfernung und direkt proportional dem Produkt ihrer Massen ist. Mathematisch ausgedrückt lautet das große Gesetz:

(F = Kraft)

 

eine Konstante multipliziert mit dem Produkt der beiden Massen, dividiert durch das Quadrat der Entfernung. Füge ich nun noch hinzu, daß ein Körper auf eine Kraft durch Beschleunigung reagiert beziehungsweise seine Geschwindigkeit pro Sekunde umgekehrt proportional zu seiner Masse verändert oder, anders gesagt, daß er seine Geschwindigkeit um so mehr verändert, je geringer seine Masse ist, dann habe ich alles Wissenswerte über das Gravitationsgesetz gesagt. Alles andere entpuppt sich als mathematische Folge dieser beiden Dinge. Da ich indessen weiß, daß Sie nicht alle Mathematiker sind und deshalb die Konsequenzen dieser beiden Aussagen nicht auf Anhieb durchschauen können, möchte ich die Geschichte der Entdeckung kurz skizzieren, einige der Konsequenzen aufzeigen und darlegen, wie sich die Entdeckung auf die Weiterentwicklung der Naturwissenschaften ausgewirkt hat und welche Geheimnisse mit einem solchen Gesetz verbunden sind. Schließlich möchte ich noch einen Blick auf die von Einstein vorgenommenen Verfeinerungen werfen und soweit möglich kurz auf die Beziehung zu den anderen Gesetzen der Physik eingehen.

Die Geschichte ist schnell erzählt. Schon in der Antike hatte man die scheinbare Bewegung der Planeten am Himmel beobachtet und daraus geschlossen, daß sie zusammen mit der Erde die Sonne umkreisen. Doch mit der Zeit war diese Entdeckung in Vergessenheit geraten. Als sie später – davon unabhängig – von Kopernikus wieder gemacht wurde, erhob sich die Frage: Wie hat man sich diesen Umlauf um die Sonne genau vorzustellen? Beschreiben die Planeten einen Kreis mit der Sonne im Mittelpunkt oder irgendeine andere Kurve? Wie schnell bewegen sie sich? Und so weiter. Das zu entdecken, beanspruchte mehr Zeit. Vor allem kam es nach Kopernikus erst einmal zu heftigen Debatten, ob die Planeten und die Erde die Sonne tatsächlich umkreisten oder ob nicht vielmehr die Erde den Mittelpunkt des Universums bildete. Schließlich fand ein Mann namens Tycho Brahe[1] einen Weg, diese Frage zu beantworten. Er kam auf den Gedanken, erst einmal sehr, sehr sorgfältig zu beobachten, wo die Planeten am Himmel auftauchen, diese Beobachtungen gewissenhaft aufzuzeichnen und dann anhand dieser Aufzeichnungen die alternativen Theorien zu unterscheiden. Damit hatte er den Schlüssel zur modernen Wissenschaft gefunden. Dank diesem Einfall, die Dinge anzuschauen und die Einzelheiten aufzuzeichnen in der Hoffnung, durch die so erlangte Information auf die eine oder andere theoretische Interpretation verwiesen zu werden, begann man die Natur wirklich zu verstehen. Tycho Brahe, ein reicher Mann, der eine Insel bei Kopenhagen besaß, stattete seine Insel mit großen Messingkreisen und speziellen Beobachtungsposten aus und zeichnete Nacht für Nacht den Stand der Planeten auf. Einzig durch so harte Arbeit können wir etwas herausfinden.

Anhand dieser gesammelten Daten versuchte dann Kepler[2], die Art der Bewegung der Planeten um die Sonne zu bestimmen. Dazu bediente er sich der Methode des Ausprobierens und Ausklammerns von Irrtümern. Einmal glaubte er schon, die Lösung gefunden zu haben: Die Planeten schienen eine Kreisbahn um die nicht direkt im Mittelpunkt liegende Sonne zu beschreiben. Doch da zeigte sich, daß einer der Planeten, wenn ich nicht irre, war es Mars, acht Bogenminuten abwich, und einen derart großen Fehler traute er Tycho Brahe nicht zu. So schloß er diese Möglichkeit aus und setzte im Vertrauen auf die Präzision der Experimente seine Versuche fort, bis er schließlich dreierlei herausfand.

Erstens, daß die Planeten eine Ellipse um die in einem Brennpunkt liegende Sonne beschreiben. Eine Ellipse ist eine allen Künstlern wohlbekannte Kurve, da sie ein perspektivisch verkürzter Kreis ist. Ja selbst Kinder verstehen sie zu zeichnen nach dem Rezept: Man ziehe eine Schnur durch einen Ring, befestige die beiden Enden auf einem Blatt Papier, stecke einen Bleistift durch den Ring und fange an zu malen (Abb. 1).

Abbildung 1

 

Die beiden Punkte A und B sind die Brennpunkte der Ellipse beziehungsweise der Planetenbahn um die in einem dieser Punkte liegenden Sonne. Die nächste Frage lautet: Wie durchläuft der Planet diese Ellipsenbahn? Läuft er schneller, wenn er sich in der Nähe der Sonne befindet? Verlangsamt er sein Tempo, wenn er weiter weg ist? Auch hierauf fand Kepler die Antwort (Abb. 2).

Abbildung 2 1) Stand des Planeten im Abstand von 3 Wochen 2) Sonne

 

In einem bestimmten Zeitraum, sagen wir drei Wochen, notierte er sich den Stand eines Planeten zu zwei getrennten Zeitpunkten und wiederholte diesen Vorgang an einem anderen Ort der Umlaufbahn. Dann verband er die Sonne durch sogenannte Radiusvektoren mit diesen Punkten und stellte fest, daß die von Umlaufbahn und Radiusvektoren eingeschlossene Fläche in beiden Fällen gleich groß ist. Damit die Fläche an jedem beliebigen Ort der Umlaufbahn unter den gleichen Umständen gleichgroß sein kann, muß der Planet seine Umlaufgeschwindigkeit erhöhen, wenn er näher bei der Sonne ist und verlangsamen, wenn er weiter von ihr entfernt ist.

Einige Jahre später fand Kepler ein drittes Gesetz, das nicht nur die Bewegung eines einzigen Planeten um die Sonne erfaßte, sondern verschiedene Planeten zueinander in Beziehung setzte. Es besagt, daß die Zeit, die der Planet braucht, um die Sonne ganz zu umlaufen, von der Größe der Umlaufbahn abhängt, und daß diese Zeiten mit den Quadratwurzeln der Kuben der Größe der Umlaufbahn variieren, wobei die Größe der Umlaufbahn durch die große Halbachse bestimmt wird. Grob zusammengefaßt lauten die drei Keplerschen Gesetze: Die Umlaufbahn beschreibt eine Ellipse; in gleichen Zeiten werden gleiche Flächen überstrichen, und die Quadrate der Umlaufzeiten der Planeten variieren mit der dritten Potenz der großen Halbachsen ihrer Bahnen. Diese drei...

Erscheint lt. Verlag 1.9.2017
Übersetzer Siglinde Summerer, Gerda Kurz
Zusatzinfo Mit 33 Abbildungen
Verlagsort München
Sprache deutsch
Original-Titel The Character of Physical Law
Themenwelt Naturwissenschaften Physik / Astronomie Theoretische Physik
Schlagworte Abenteuer • Abenteurer • Anekdoten • Biografie • Buch • Bücher • Einführung • Erinnerungen • Feynman-Lectures • Grundlagen der Physik • Naturgesetze • Naturwissenschaft • Nobelpreis • Nobelpreisträger • Physik • Physiker • Professor • Quantenmechanik • Theoretische Physik • Wissenschaftler
ISBN-10 3-492-97236-5 / 3492972365
ISBN-13 978-3-492-97236-9 / 9783492972369
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