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Burnout -  Wulf Rössler,  Katja Cattapan-Ludewig

Burnout (eBook)

Krankheitsmodell, Therapie und Prävention an der Schnittstelle zwischen Medizin und Arbeitswelt
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
115 Seiten
Kohlhammer Verlag
978-3-17-043277-2 (ISBN)
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Der Begriff 'Burnout' ist seit einigen Jahren in aller Munde und wird auch im medizinischen Rahmen vielfach genutzt. Dennoch ist nicht immer klar, was genau darunter zu verstehen ist, denn eine Diagnose 'Burnout' gibt es in den gängigen medizinischen Klassifikationssystemen bislang nicht. Hier setzt das vorliegende Werk an: Es fasst das bestehende Wissen zum Burnout-Syndrom aus den Bereichen Arbeits- und Organisationspsychologie, medizinische Diagnostik und Psychotherapie zusammen und ordnet dieses innerhalb der aktuellen Diagnosesysteme ein. Das Burnout-Konzept wird im Rahmen seines medizinhistorischen und gesellschaftlichen Kontexts diskutiert und durch Fallbeispiele illustriert. In der Prävention und Therapie des Burnouts liegt der Fokus auf der Förderung der Selbstwirksamkeit von Betroffenen. Hierzu stellt das Buch wirksame ressourcenorientierte Interventionen einer supportiven Psychotherapie vor.

Prof. Dr. med. Dipl.-Psych. Wulf Rössler ist Psychiater, ehem. Direktor der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich und nach seiner Emeritierung Senior-Professor, zunächst an der Leuphana Universität Lüneburg und ab 2017 bis 2024 an der Charité - Universitätsmedizin Berlin. Prof. Dr. med. Katja Cattapan ist Psychiaterin, Chefärztin am Sanatorium Kilchberg, Privatklinik für Psychiatrie und Psychotherapie in Zürich und Titularprofessorin an der Universität Bern.

Prof. Dr. med. Dipl.-Psych. Wulf Rössler ist Psychiater, ehem. Direktor der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich und nach seiner Emeritierung Senior-Professor, zunächst an der Leuphana Universität Lüneburg und ab 2017 bis 2024 an der Charité - Universitätsmedizin Berlin. Prof. Dr. med. Katja Cattapan ist Psychiaterin, Chefärztin am Sanatorium Kilchberg, Privatklinik für Psychiatrie und Psychotherapie in Zürich und Titularprofessorin an der Universität Bern.

2 Burnout – was ist das?


Um die Frage, was Burnout eigentlich ist, zu beantworten, sollen als Einstieg beispielhaft einige Fälle aus der Praxis vorgestellt werden. Jeder der Betroffenen hat sich in meiner psychiatrischen Praxis mit der selbst gestellten Diagnose eines Burnouts vorgestellt. In der Tat gab es bei allen in und um die Arbeit herum Schwierigkeiten, die zu einer psychischen Belastungssituation wurden. Die Symptomatik und die persönlichen und Umgebungsfaktoren unterschieden sich von Fall zu Fall. Die Beispiele zeigen, dass die diagnostische Abgrenzung eines Burnouts nicht immer einfach möglich ist. Verbindend bei diesen Fällen ist, dass Erschöpfung ein zentrales Symptom ist und chronische Belastungen im Arbeits-/Leistungskontext eine wesentliche Rolle in der Ätiopathogenese spielen. Häufig sind es jedoch Mehrfachbelastungen, im Arbeits- und privaten Kontext, die dazu führen, dass jemand nicht mehr genügend Ressourcen aufweist, um den eigenen und äußeren Anforderungen standzuhalten, und Symptome entwickelt. Es zeigt sich auch, dass Persönlichkeitsfaktoren von großer Relevanz sind, wenn es darum geht, wie ich mit Stressoren umgehe.

Fall 2:

Die 25-jährige Frau (A.C.) hatte zwei Jahre zuvor ihr Volkswirtschaftsstudium abgeschlossen und relativ zügig eine Anstellung in einer Großbank gefunden. Ihre Abschlusszeugnisse waren gut und sie hatte offensichtlich ein gewinnendes Wesen. Die Voraussetzungen für den Berufseinstieg waren günstig. Während ihres ersten Jahres arbeitet sie in einem Team mit erfahreneren Kollegen, die sie versuchten in das Arbeitsgebiet einzuführen. Dies schien auch zu gelingen. Ihre Beurteilungen seitens ihrer Vorgesetzten waren ordentlich und man war allgemein mit ihrer Arbeitsleistung zufrieden. Nach mehr als einem Jahr kam es zu einem Chefwechsel im Team, der mit einiger Unruhe verbunden war. Der neue Chef war deutlich abweisender und ihrer Arbeitsleistung kritischer gegenüber eingestellt. Insgesamt waren seine Anforderungen höher. Er drohte dem Team, dass eine Auflösung der gesamten Gruppe in der Geschäftsleitung diskutiert würde. Für A.C. hatte dies in mehrfacher Hinsicht negative Folgen. Nachdem der Wettbewerb unter den Kollegen so angeheizt worden war, herrschten Misstrauen und Missgunst vor. Keiner wollte die anderen mehr an den eigenen Arbeitsergebnissen partizipieren lassen. Gleichzeitig schob man sich gegenseitig die Schuld für Fehler zu. A.C. war von ihrer Persönlichkeit her wenig für diese Art von Wettbewerb geeignet. Sie war sehr konsensorientiert und auch schon mal bereit, einen Fehler zuzugeben, möglicherweise auch, wenn eine Reihe anderer Kolleg/-innen auch daran beteiligt war. So wurde ihr schnell die Rolle des Sündenbocks in der Gruppe zugeschrieben. A.C litt natürlicherweise unter dieser Entwicklung, hatte dem aber wenig entgegenzusetzen. Sie erhielt in der Folge zwei Abmahnungen, die sie widerspruchslos akzeptierte. Es nimmt daher nicht Wunder, dass sie in dieser Situation sehr schlecht schlief. Sie wachte nachts häufig auf und ihre Gedanken drehten sich um ihre Arbeit. Ihre Selbstzweifel verstärkten sich, sie weinte häufig. Sie war sich nicht mehr sicher, ob sie überhaupt für diese Stelle geeignet war und überlegte, ob sie kündigen solle. Wenig Unterstützung erhielt sie von ihrem langjährigen Partner, der ihr Naivität vorwarf und meinte, sie müsse sich in diesem Haifischbecken mehr wehren. Sie meldete sich dann diverse Male krank, jeweils mit Abwesenheiten von 2 – 3 Tagen. Als sie in meine Praxis kam, war ihr die Kündigung angedroht worden.

Sie war depressiv, weinte und meinte, so könne sie nicht weiterleben. Auf eine medikamentöse Behandlung wurde mit Ausnahme eines schlafanstoßenden Antidepressivums verzichtet. Es wurden zwei therapeutische Gespräche pro Woche vereinbart. Zielsetzung war eine Klärung ihrer Lebensziele bzw. welche Erwartung sie an ihre berufliche Entwicklung hatte. Schon bald wurde deutlich, dass sie sich eingestehen musste, eine falsche Berufswahl getroffen zu haben. Mit einer Bewerbung im Finanzwesen war sie den Wünschen ihres Vaters gefolgt. Mit den Zielen der Bank konnte sie sich nicht wirklich identifizieren. Nach sechs Wochen reichte sie ihre Kündigung ein. Von ihrem Freund trennte sie sich, weil »keine Liebe mehr da« gewesen sei. Nach weiteren zwei Monaten hatte sie eine neue Stelle in einer NGO gefunden. Sie fühlte sich dort gut aufgehoben, schätzte den Zusammenhalt der Mitarbeitenden und identifizierte sich v. a. mit den Zielen dieser Organisation. Einen neuen Freund hat sie in der Zwischenzeit noch nicht gefunden, war aber erleichtert, dass sie wieder ihr eigenes Leben führen konnte. Nach fünf Monaten wurde die Therapie beendet.

Fall 3:

Der 46-jähriger Mann (F.R.) arbeitete seit langem in einem großen Versicherungskonzern. Seine Arbeit macht ihm im Großen und Ganzen Spaß auch in Anbetracht, dass er noch nie in einer anderen Branche gearbeitet hat. Größere Arbeitskonflikte gab es nicht, wenn auch in den letzten Jahren die Anforderungen an die Mitarbeitenden deutlich heraufgeschraubt worden waren. Eigentlich war ihm das ganz recht gewesen, weil er sich öfters über die »faulen« Kolleg/-innen geärgert hatte, die den »Dreh raus« hatten, andere für sich arbeiten zu lassen. F.R. war seit seinem 22. Lebensjahr verheiratet. Seine Frau war zwei Jahre jünger als er. Der Hochzeit vorausgegangen waren vier Jahre Freundschaft. Beide hatten keine großen Erfahrungen zuvor mit anderen Partnern gehabt. Gefragt, ob es eine Liebesheirat war, antwortete er, dass seine Frau sein bester Kumpel sei. Sie hätten drei Kinder im Alter von 18, 14 und 12. Sie hätten absichtlich nicht sofort Kinder bekommen. Ihre Kinder seien wohlgeraten. Am Wochenende würde man viel zusammen unternehmen. Gerne ginge er in die Berge zum Wandern.

Seine Krise begann, als er sich in eine jüngere Kollegin in seinem Team verliebte. Sie war 31 und entsprechend seinen Vorstellungen ziemlich unkonventionell. Er hatte den Eindruck gewonnen, dass sie mit ihm flirtete. Ein paar Mal ging er mit ihr zum gemeinsamen Mittagessen und sie unterhielten sich gut. Seine Verliebtheit brachte ihn ziemlich durcheinander. Bei der Arbeit konnte er sich nicht mehr konzentrieren, war gereizt und machte ungewohnt viele Fehler. Er wurde von seinem Vorgesetzten zum Gespräch gebeten. Was ihn wirklich belastete, war, dass sein bisheriges Leben ihm plötzlich ziemlich fad vorkam. Seine Frau betrachtete er mit anderen Augen. Auch vertrug er keine Zärtlichkeit mehr von ihr, was er ihr mit seiner Arbeitsbelastung erklärte. Er setzte sich ernsthaft damit auseinander, ob er seine Familie verlassen solle. In seiner Fantasie stellte er sich ein neues Leben mit der anderen Frau vor. Vollends in die Krise kam er, als er der anderen Frau seine Liebe gestand, die das Ganze dann allerdings für ein Missverständnis hielt. Nein, sie möge ihn gern, aber das sei es dann auch.

Für F.R. war das in mehrfacher Hinsicht eine Katastrophe. Erst hatte er sich vor der jungen Kollegin blamiert. Wahrscheinlich hatten dann auch seine Kolleg/-innen gemerkt, dass da was »am Laufen« war. Auch ihnen gegenüber fühlte er sich bloßgestellt. Er reagierte recht autoritär und kritisierte seine Kolleg/-innen auch wegen Kleinigkeiten recht heftig. Zuhause war er wortkarg, stellte aber jede Veränderung in Abrede. Er stellte sein ganzes bisheriges Leben in Frage.

Von seinem Vorgesetzten wurde er zum Betriebsarzt geschickt; er habe sich verändert und ob wohl eine Krankheit dahinterstecke. Aber auch dort konnte er nicht sagen, was ihn so sehr beschäftigte, weswegen der Betriebsarzt ihn zu einem Psychiater schickte. Auch dort war er nicht besonders gesprächig, er habe wohl ein Burnout und brauche eine Auszeit. Entgegen dem Rat des Psychiaters ließ er sich von seinem Hausarzt eine Woche krankschreiben wegen Erschöpfung. Diese Woche verbrachte er untätig zuhause. Er stritt sich viel mit seiner Frau und beschwerte sich über seine Kinder.

Erst in den nachfolgenden Wochen gelang es ihm zu berichten, was ihn denn so intensiv beschäftigte. Dabei war es nicht nur die Tatsache, abgewiesen worden zu sein, sondern v. a., dass er sein bisheriges Leben hinterfragte. Wie habe er nur so viele Jahre ein so langweiliges Leben führen können! Er müsse nun ausbrechen und all diese Konventionen hinter sich lassen. Ganz genau wusste er allerdings nicht, was er alternativ tun solle.

Erst eine ganze Reihe weiterer Gespräche konnte die Situation für ihn klären. In der Tat war ihm klargeworden, dass er einen Zielpunkt für eine Lebensänderung verpasst hatte. Er war bequem geworden und trieb so allmählich auf seine Pensionierung hin. Diese Krise manifestierte sich in seiner Arbeit. Zum einen entschuldigte er sich bei seiner jungen Kollegin, dass er die Situation wohl falsch verstanden hatte. Sie klärten, ob sie denn weiter zusammenarbeiten könnten. Sie konnten und waren zukünftig eher Verbündete bei der Arbeit. Auch sprach er mit seiner Frau, die zunächst einmal gekränkt war, dass er sich in eine andere Frau verliebt hatte. Aber der Zusammenhalt der beiden war gefestigt. Für sich selbst hatte er beschlossen, dass er aus seinem bisherigen Trott ausbrechen müsse. Mit seiner Frau hatte er...

Erscheint lt. Verlag 31.7.2024
Zusatzinfo 6 Abb.
Verlagsort Stuttgart
Sprache deutsch
Themenwelt Medizin / Pharmazie Medizinische Fachgebiete Psychiatrie / Psychotherapie
Schlagworte Arbeitspsychologie • Belastung • Erschöpfungssyndrom • Organisationspsychologie • Psychotherapie • Stress
ISBN-10 3-17-043277-X / 317043277X
ISBN-13 978-3-17-043277-2 / 9783170432772
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