Das Drogentaschenbuch (eBook)
244 Seiten
Thieme (Verlag)
978-3-13-245675-4 (ISBN)
1 Einführung in das Thema
Seit Jahrtausenden nehmen Menschen psychoaktive Substanzen in unterschiedlichen Formen und Zubereitungen ein, um ihr Bewusstsein, ihre Stimmung und ihre Wahrnehmung zu verändern. Die Ekstase, also das Aussteigen aus der alltäglichen Ordnung von Raum, Zeit und Kausalität, ist ein in allen Kulturen bekanntes Erleben. Solche veränderten Bewusstseinszustände werden durch unterschiedliche Techniken wie Fasten oder die Einnahme psychotroper Substanzen herbeigeführt. In traditionellen Gesellschaften sind die Gelegenheiten des Konsums psychoaktiver Substanzen und damit die Herbeiführung des Rausches ritualisiert, das heißt, es bestehen Regeln, wer zu welcher Zeit und zu welchem Zweck psychoaktive Substanzen einnehmen darf. Hierzu zählen bestimmte Feste der Gemeinschaft im Jahreskreis, Riten bei der Initiation Jugendlicher in die Welt der Erwachsenen oder die „Reise“ des Schamanen zu den Vorfahren.
In modernen westlichen Gesellschaften ist hingegen die kulturelle Regelung des Drogenkonsums weithin verloren gegangen. Zudem beschränkt sich die Palette der verfügbaren psychotropen Substanzen nicht mehr nur auf die legalen Suchtmittel wie Alkohol, Koffein und Nikotin, sondern umfasst im Sinne einer Globalisierung des Angebotes auch zahlreiche weitere psychotrope Substanzen. Sind z.B. Cannabis, Heroin oder Kokain zumindest noch vielen Menschen dem Namen nach bekannt, so sind durch Head Shops und das Internet auch außerhalb eines kleinen Kreises von Eingeweihten jetzt psychotrope Substanzen verfügbar, über die für potenzielle Konsumenten wie auch für Angehörige oder Mitarbeiter im Suchthilfesystem nur wenig Informationen verfügbar sind. Hier sind Orientierung und verlässliche Kenntnisse notwendig.
1.1 Zielsetzung des Buches
Ziel dieses Buches ist die sachliche Information. Dieses Anliegen ist der Überzeugung verpflichtet, dass die umfassende und offene Information grundsätzliche Voraussetzung für verantwortbare individuelle Entscheidungen ist. Dieser Grundgedanke ist in einem pluralistischen und demokratischen Gemeinwesen selbstverständlich und entspricht dem Leitbild der selbstbestimmten (autonomen) Persönlichkeit. Mitglieder offener Gesellschaften müssen damit leben, dass aus allgemein verfügbaren Informationen nicht alle die gleichen Schlussfolgerungen für ihr Handeln ziehen. Doch auch für die Drogenprävention gilt, dass eine erfolgreiche Prävention auf sachlicher Information aufbaut. Ansonsten gefährdet die Unglaubwürdigkeit der Information rasch das Erreichen der gut gemeinten Absicht. Sachliche Information ist allerdings auch eine Herausforderung an potenzielle Suchtmittelkonsumenten, sich ihrer Verantwortung für die eigene Gesundheit bewusst zu sein. Jüngere Drogenbenutzer wissen oft nicht, was die Pulver oder Pillen beinhalten, die sie illegal kaufen und einnehmen. Die verwirrende Anzahl von Drogenformen und -namen erzeugt die Illusion, dass immer neuere, bessere Drogen hergestellt werden und unbedenklich eingenommen werden können.
1.2 Bewertung der Wirkungen von Drogen
Vorab sei für die Bewertung der Drogenwirkungen ein Raster skizziert, das dem Leser die Einordnung der Informationen unter
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akute psychische Drogenwirkung,
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akute körperliche Drogenwirkung,
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chronische psychische Drogenwirkung und
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chronische körperliche Drogenwirkung erleichtern soll.
1.2.1 Akute psychische Drogenwirkung (der Rausch)
Die psychischen Veränderungen des Rausches werden vom Konsumenten angestrebt. Hierzu zählen z.B. die Intensivierung von Wahrnehmungen unter Halluzinogenen oder das Gefühl wohliger Gleichgültigkeit unter Heroin. Der Rausch kann allerdings auch in ungeplanter Weise verlaufen und den Konsumenten beispielsweise in furchtbare Angst versetzen. Solche Risiken im Hinblick auf die psychischen Veränderungen im Rausch betreffen z.B. den Konsum von Halluzinogenen wie LSD oder Psilocybin („bad trip“).
1.2.2 Akute körperliche Drogenwirkung
In der Regel treten neben psychischen auch körperliche Veränderungen bei der Einnahme psychotroper Substanzen auf. Teilweise sind diese körperlichen Veränderungen gleichsinnig zur psychischen Rauschwirkung wie die Beschleunigung des Pulses als ein Aspekt der Steigerung des Antriebs bei Einnahme von Stimulanzien wie Kokain oder die Verlangsamung des Pulses unter beruhigenden (sedierenden) Substanzen wie Heroin. In diesem Zusammenhang entstehen Risiken durch eine allzu starke Intensität eigentlich erwarteter körperlicher Begleitphänomene wie z.B. eine Steigerung des Blutdrucks bis zu einer Bluthochdruckkrise unter Kokain. Teilweise stehen die akuten körperlichen Wirkungen aber in keinem plausiblen Zusammenhang mit der psychischen Wirkung, wie etwa Übelkeit unter GHB (Gamma-Hydroxy-Buttersäure). Grundsätzlich sollte der potenzielle Konsument kritisch prüfen, welche Risiken er im Hinblick auf seine körperliche Gesundheit auf sich nimmt, um bestimmte psychische Veränderungen zu erleben.
1.2.3 Chronische psychische Drogenwirkung
In der öffentlichen Diskussion werden Rausch und Abhängigkeit als Folge des Konsums von Drogen nicht immer scharf getrennt. Der Rausch ist mutmaßlich in allen Kulturen nachweisbar und wird rituell oder kulturell gezähmt in der Regel als eine akzeptierte Form menschlichen Erlebens bewertet. Eine qualitativ andere Folge der Einnahme von psychotropen Substanzen ist die Abhängigkeit. Die Entwicklung der Abhängigkeit setzt die wiederholte Einnahme des Suchtmittels voraus. Der Abhängige verliert die Selbstbestimmung über die Einnahme des Suchtmittels. Daher sind das unabweisbare Verlangen nach Einnahme und Wirkung des Suchtmittels (Craving) sowie die Unfähigkeit, die Einnahme trotz negativer Konsequenzen zu beenden, wesentliche Zeichen der Abhängigkeit. Zudem sind Toleranzentwicklung (Dosissteigerung zum Erzielen des vom Konsumenten erwünschten Effekts) sowie das Auftreten von Entzugssymptomen bei Absetzen des Suchtmittels Zeichen der Abhängigkeit von einem Suchtmittel.
Lässt sich bezüglich des Rausches geltend machen, dass er für die psychische und körperliche Gesundheit oftmals harmlos, in bestimmten Kontexten (z.B. bei Heilungsritualen in traditionellen Gesellschaften) vielleicht sogar fördernd ist, so ist die Abhängigkeit als Verlust der Selbstbestimmung in jedem Fall als Nachteil eines (regelmäßigen) Konsums eines Suchtmittels zu bewerten. Als Beispiele seien hier die Alkohol-, Heroin- und Kokainabhängigkeit genannt.
Eine gemeinsame Eigenschaft von Drogen mit Abhängigkeitspotenzial ist die Manipulation des dopaminergen mesolimbischen Systems, des sogenannten Belohnungssystems. Durch die Manipulation des Belohnungssystems durch wiederholte Suchtmitteleinnahme werden nach aktuellen Theorien zur Entwicklung einer Abhängigkeit suchtmittelbezogene Reize – also Reize, die häufig im Zusammenhang mit Suchtmittelerwerb oder -konsum auftreten, z.B. der Anblick des Bahnhofvorplatzes – zu Hinweisreizen für mögliches befriedigendes Erleben, nämlich die Wirkung des Suchtmittels. Dies könnte das bei solchen Hinweisreizen auftretende starke Suchtmittelverlangen (Craving) der Betroffenen, also ein zentrales Symptom der Abhängigkeit, erklären. In diesem Sinne manipuliert die Einnahme eines Suchtmittels, z.B. von Heroin, das Gehirn zu weiterer Suchtmitteleinnahme.
Darüber hinaus ist zu bedenken, dass bei Einnahme bestimmter Drogen das Risiko des Auftretens psychischer Erkrankungen, wie Depressionen oder schizophrener Psychosen, erhöht ist.
1.2.4 Chronische körperliche Drogenwirkung
Suchtmittel sind zum Teil toxische, das heißt den Körper schädigende Stoffe. Dies ist im Hinblick auf die leberschädigende Wirkung von Alkohol oder den Lungenkrebs als Folge des abhängigen Rauchens von Zigaretten Allgemeinwissen. Für Drogen können in ähnlicher Weise körperliche Schäden bei abhängigem/langzeitigem Konsum nachgewiesen werden. So besteht auch beim Rauchen von Cannabis langfristig das Risiko für das Entstehen von Lungenerkrankungen. Insbesondere bei Heroinabhängigkeit sind körperliche Erkrankungen, z.B. eine...
Erscheint lt. Verlag | 6.3.2024 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Medizin / Pharmazie ► Medizinische Fachgebiete |
Schlagworte | 2C-B • 2C-T-2 • 2C-T-7 • Amphetamine • Cannabis • Designerdrogen • DMT und Ayahuasca • DOM (STP) • Drogenberatung • Drogennotfälle • Drogenscreening • Drogentherapie • Engelstrompete • Euphoria • Extasy • Fliegenpilz • GHB • Heroin • illegale Drogen • Ketamin • Kokain • Lachgas • LSD • Meskalin • Opioide • Opium • Parnefjord • Partydrogen • PCP • psychoaktive Substanzen • psychotrope Substanzen • Salva Divorium • Schnüffelstoffe • Zauberpilze |
ISBN-10 | 3-13-245675-6 / 3132456756 |
ISBN-13 | 978-3-13-245675-4 / 9783132456754 |
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