Stationen organisieren (eBook)
192 Seiten
Thieme (Verlag)
978-3-13-245545-0 (ISBN)
© Alexander Fischer |
1 Einführung
Nicole Stab, Sabine Simski
1.1 Warum ist es sinnvoll, Arbeit zu gestalten?
Die Anforderungen für Pflegende sind in den letzten Jahren stetig gewachsen und immer komplexer geworden. Dies hat zur Folge, dass die Arbeit insgesamt nicht nur in der Menge, sondern auch in der Spezialisierung erheblich zugenommen hat. Ungünstige Bedingungen zu identifizieren und ihnen mit geeigneten Maßnahmen zu begegnen, ist deshalb mehr denn je die Aufgabe des Managements in den unterschiedlichen Kliniken. Hasselhorn und Kollegen berichten bereits im Jahr 2005, dass es in Deutschland „attraktive“ Einrichtungen gibt, bei denen „die Mittelwerte für Arbeitszufriedenheit [...], Führungsqualität [...] und die Qualität der zwischenmenschlichen Beziehungen [...] günstiger liegen“ ( ▶ [6], S. 140). Darüber hinaus beschreiben sie „unattraktive“ Einrichtungen, die durch hohe Burnout-Werte und ein Missverhältnis zwischen erlebtem Aufwand und Belohnung gekennzeichnet sind ( ▶ [5]). Dies kann durch zahlreiche weitere Studien belegt werden. Daraus lässt sich schlussfolgern, dass die strukturelle Beschaffenheit des Gesundheitswesens durchaus und elementar die Arbeitsbedingungen in der Pflege beeinflusst – und dass es hier Gestaltungsbedarf gibt, wollen wir an dieser Stelle gar nicht bestreiten. Maßnahmen auf der betrieblichen Ebene haben jedoch ebenfalls einen großen Einfluss und müssen deshalb verstärkt in den Fokus der betrieblichen Akteure rücken.
▶ [7] zeigt, dass es sogar große Unterschiede bei den Arbeitsbedingungen verschiedener Stationen innerhalb eines Krankenhauses gibt, je nachdem, wie gut organisiert die jeweilige Station ist. Es kann nachgewiesen werden, dass eine gute Stationsorganisation in Zusammenhang mit niedrigeren Erschöpfungswerten und einem besseren Gesundheitszustand beim Pflegepersonal steht (s. Kasten). Das heißt also, dass durch eine günstige Arbeitsorganisation Arbeitsbedingungen verbessert und Pflegende emotional entlastet werden können. Führungskräfte haben in diesem Zusammenhang eine Schlüsselrolle.
Stationsorganisation
Abb. 1.1 Ausprägungen emotionaler Erschöpfung für die Stationsgruppen „gut gestaltet“, „bedingt gut gestaltet“ und „weniger gut gestaltet“.
(Stab, N. (2009). Form und Wirkung der Arbeitsorganisation in der stationären Pflege. Erfahrungen für die Praxis. Saarbrücken: Südwestdeutscher Verlag für Hochschulschriften (S. 109).)
▶ Abb. 1.1 zeigt Stationen, die hinsichtlich der Güte ihrer Organisation in die Gruppen „gut gestaltete“, „bedingt gut gestaltete“ und „weniger gut gestaltete Stationsorganisation“ zusammengefasst wurden. Die Gruppenzuordnung fand aufgrund von Beobachtungen durch externe Beobachter auf den Stationen statt. Diesen Gruppen wurden die Erschöpfungswerte der auf den Stationen beschäftigten Pflegenden gegenübergestellt. Die Werte wurden auf den jeweiligen Stationen mittels Fragebogen erhoben. Auf Stationen mit einer weniger guten Stationsorganisation zeigen sich zu einem hohen Anteil kritische Werte emotionaler Erschöpfung (43,4 Prozent). Dieser Anteil ist auf den bedingt gut gestalteten Stationen schon geringer (28,7 Prozent) und auf den gut gestalteten Stationen noch einmal in geringerem Ausmaß zu finden (18,8 Prozent).
1.2 Die Rolle der Führungskraft
Führungskräfte in Krankenhäusern sind vielfältigen Herausforderungen ausgesetzt. Unter den bestehenden Rahmenbedingungen müssen sie die häufig für Pflegende schwierige Vereinbarkeit von professioneller, evidenzbasierter Pflege und Wirtschaftlichkeit vermitteln, die bereichs- und persönlichkeitsspezifischen Besonderheiten im Blick behalten, Arbeitsprozesse unter Einbeziehung der Mitarbeiter steuern, die Team- und Mitarbeiterentwicklung fördern und zusätzlich das Stations- und Schnittstellenmanagement überblicken. Die Schnittstellengestaltung ist dabei nicht nur für die Qualität von Therapie, Behandlung, Pflege und Versorgung von zentraler Bedeutung, sondern auch für das Arbeits- und Belastungserleben der Pflegenden ( ▶ [4]). Bartholomyczik et al. konnten in ihrem Forschungsprojekt darstellen, dass auch die Zusammenarbeit mit angrenzenden Berufsgruppen als kritischer Belastungsfaktor gesehen werden kann. Dabei spielt die Zusammenarbeit mit anderen Berufsgruppen, v.a. dem ärztlichen Dienst, im Krankenhaus eine besondere Rolle, da sie in unterschiedlichen Abhängigkeiten und partiellen Weisungsbefugnissen seitens des ärztlichen Dienstes besteht ( ▶ [1]). Die Führungskraft ist also vielfältigen Kommunikations-, Interaktions- und Kooperationsbeziehungen auf den unterschiedlichsten Ebenen ausgesetzt und muss für eine belastungsoptimale Arbeitsatmosphäre sorgen und dabei die Teamentwicklung sowie die Förderung jedes Einzelnen entsprechend seiner Persönlichkeit berücksichtigen.
Daneben stellen die besonderen Belange der Dienstleistungspsychologie und die differenzierten Arbeitsbedingungen in den verschiedenen Bereichen eine zusätzliche Herausforderung dar. Deutlich wird, dass Führungsleistung immer auch abhängig ist von den Rahmenbedingungen, unter denen Führung stattfindet.
Die Führungssituation in Krankenhäusern stellt sich also zunehmend komplexer dar und erfordert neben Managementfähigkeiten und einer ausgeprägten Sozialkompetenz die ganzheitliche Wahrnehmung der dargestellten speziellen Arbeitsbedingungen sowie die Berücksichtigung der Besonderheiten in der personenbezogenen Dienstleistung.
Die zunehmende Leistungsverdichtung in Krankenhäusern erfordert unbedingt eine entsprechende Gestaltung der Arbeitsbedingungen, um es Mitarbeitern zu ermöglichen, ihrer Arbeit nachzukommen, ohne Schaden an ihrer Gesundheit zu nehmen.
Aus der dargestellten komplexen Führungssituation wird deutlich, dass Führungskräfte eine zentrale Schlüsselposition einnehmen und ihnen deshalb, neben einem guten Rückhalt in einer vertrauensvollen Arbeitsatmosphäre, gute und permanente Qualifizierungs- und Unterstützungsmöglichkeiten zur Verfügung gestellt werden müssen. Gute Stationsorganisation bezieht sich nicht primär auf eine Reorganisation im Sinne von veränderten, optimierten Abläufen, sondern zielt auf die Befähigung aller am Prozess beteiligter Mitarbeiter ab, Gestalter und Planer der eigenen Arbeit zu werden. Belastende Faktoren im Arbeitsalltag auf allen Ebenen zu erkennen und sich gemeinsam der Team- und Arbeitsgestaltung zu stellen, setzt ein Führungsverhalten voraus, das die Persönlichkeitsentwicklung fördert und Freiheitsgrade ermöglicht, sodass die Beeinflussbarkeit der eigenen Arbeitsbedingungen für die Mitarbeiter spürbar und erlebbar wird. Die Führungskraft ist in diesem Kontext dann also nicht mehr der klassische „Problemlöser“, sondern Förderer und Ratgeber mit einer hohen Detail- und Fachkenntnis, sodass auch alle Aspekte des klinischen Alltags berücksichtigt werden können. Es geht darum, als Team gemeinsame Ziele durch eigenständige Problemlösung und kritisches Hinterfragen von Gewohnheiten zu erreichen und die eigene Kompetenz zu stärken.
Deutlich wird in diesem Zusammenhang dann sicher auch der Qualifizierungsbedarf von Führungskräften hinsichtlich der oben genannten Kompetenzen. Eine Auseinandersetzung mit dem eigenen Führungsverständnis und Führungsverhalten wird den Prozess begleiten. Qualifizierende Maßnahmen zu ergreifen und/oder sich in dem Prozess begleiten zu lassen, sollte in die Vorüberlegungen mit einbezogen werden. Sich kollegial beraten und begleiten zu lassen, kann außerdem im Team der Führungskräfte noch einmal einen ganz neuen Zusammenhalt und ein gemeinsames Ausrichten auf zu erreichende Ziele bewirken.
Der Leitfaden „Gute Stationsorganisation“ ( ▶ [2], s. Kasten) gibt den Führungskräften zudem ein gutes „Werkzeug“ an die Hand, um gemeinsam mit ihren Teams die Arbeitsbedingungen auf der Station zu betrachten und wie oben aufgezeigt, gestalterisch tätig zu werden.
Leitfaden
Gute Stationsorganisation – Ein Leitfaden für Pflegeeinrichtungen
Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin 2016; 52 Seiten.
Der Leitfaden kann über das Internetangebot der BAuA bezogen werden: www.baua.de
Im vorliegenden Buch finden sich einige Umsetzungsbeispiele. Sie veranschaulichen Lösungsmöglichkeiten und möchten beispielhaft aufzeigen, wie Stationsteams für sich Wege gefunden haben, ihren Arbeitsalltag umzugestalten. Sicher gibt es viele weitere kreative Möglichkeiten und gute Praxisbeispiele, die darauf warten, entdeckt und dann möglicherweise in einer weiteren Auflage mit aufgenommen zu werden.
Wir wünschen uns, dass Führungskräfte durch die Lektüre ermutigt werden, mit ihren Teams den Stationsalltag neu zu betrachten, um dann in der kreativen Gestaltung neue Wege zu gehen und für die unterschiedlichen Aufgaben nach der besten Lösung für die Patienten zu suchen.
1.3 Was kann gestaltet werden?
Zunächst einmal ist es wichtig, an dieser Stelle Themen aufzuzeigen, die auf Stationen...
Erscheint lt. Verlag | 16.8.2023 |
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Reihe/Serie | CNE.Edition | CNE.Edition |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Medizin / Pharmazie ► Pflege |
Schlagworte | Dienstplangestaltung • Pflegeprozess • Pflegeteam • Prozesse • Stationsorganisation • Visite • Zusammenarbeit • Zuständigkeit |
ISBN-10 | 3-13-245545-8 / 3132455458 |
ISBN-13 | 978-3-13-245545-0 / 9783132455450 |
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