Kinderdermatologie (eBook)
Thieme (Verlag)
978-3-13-242066-3 (ISBN)
1 Struktur und Funktion der Haut
Die Haut ist das größte Organ des Menschen. Beim Erwachsenen beträgt ihr Gewicht etwa 14 kg. Ihre Oberfläche bemisst sich (unter Einbeziehung der Hautanhangsorgane) tatsächlich auf etwa 25 m². Das Organ Haut setzt sich aus vielen verschiedenen Zellarten zusammen: Fibroblasten, Langerhans- und dendritische Zellen, Gefäß- und Fettzellen entstammen dem embryonalen Mesoderm; Keratinozyten, Melanozyten und Nervenzellen dem Ektoderm. Die Koordination von Differenzierung und Wachstum der verschiedenen Zellpopulationen unterliegt komplexen, sequenziell und regional unterschiedlich regulierten Steuerungsmechanismen, die in vielfältiger Weise gegenüber endogenen oder exogenen Faktoren störanfällig sind.
Die Haut stellt eine mechanische und regulative Barriere zwischen Organismus und Umwelt dar. Sie schützt vor mechanischer, chemischer, thermischer und ultravioletter Schädigung und vor mikrobieller Invasion. Sie ist wichtig für die Thermoregulation und über die Vitamin-D-Synthese für den Kalziumstoffwechsel. Beim Früh- und Neugeborenen hat sie auch eine Bedeutung für Flüssigkeitshaushalt und Gasaustausch. Da die Hautoberfläche des Neugeborenen und jungen Säuglings – bezogen auf das Körpergewicht – 2,5- bis 3-mal größer ist als die des Erwachsenen, stellt die transkutane Resorption von Fremdstoffen, insbesondere im 1. Lebensjahr, ein nicht zu unterschätzendes Gefährdungspotenzial dar.
In diesem Kapitel werden nach einem kurzen Abriss der Embryogenese Struktur und Funktion der Haut unter klinischen Aspekten dargestellt.
1.1 Embryonale Entwicklung der Haut
Die Entwicklung von Epidermis, Dermis und Hautanhangsorganen kann in folgende 3 Abschnitte gegliedert werden, die sich zum Teil überschneiden und zeitlich grob mit den 3 Trimena korrelieren ▶ [5]:
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Organogenese (Tage 0–70)
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Histogenese (3.–5. Monat)
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Reifung und Differenzierung (ab 5. Monat)
Während der Organogenese beginnt die Entwicklung der Epidermis aus dem Ektoderm und der Dermis (überwiegend) aus dem Mesoderm. Gewebe der beiden Keimblätter treffen bei der Entwicklung der Basalmembran und der Hautanhangsorgane zusammen. In der späten Embryonalphase, etwa ab der 9. Woche, beginnt die Histogenese, die sich bis in den 5. Monat erstreckt: Stratifikation der Epidermis, Abgrenzung von Dermis und Subkutis, Differenzierung der Hautanhangsorgane und Vaskulogenese. In der Reifungsphase des letzten Trimenons erfolgt die histologische und schließlich auch die funktionelle Reifung der Haut ( ▶ Abb. 1.1).
Epidermis.
Abb. 1.1 Entwicklung der Haut und ihrer Anhangsorgane. Die Entwicklung von Hautstrukturen und Entwicklungsprozesse sind in schwarzer Schrift auf weißem Grund, die Expression wichtiger Markerproteine in Kursivschrift dargestellt. (BM: Basalmembran; BPA: Bullöses-Pemphigoid-Antigen; Cad: Cadherine; DSG: Desmoglein; HA: Haar-Anlage; K: Keratin).
1.1.1 Epidermis
In der 4. Embryonalwoche differenziert das Ektoderm in Neuroektoderm und Epidermis, die erst als einschichtiges Periderm, ab der 6. Woche dann als zweischichtige Struktur (Basalschicht und Periderm) den Körper des Embryos bedeckt. Der Zell-Zell-Zusammenhalt erfolgt durch Cadherine (E-, P-Cadherin) und „tight junctions“, die die passive Flüssigkeitsdiffusion nach außen verhindern. In der Basalschicht sind bereits die Keratine 5 und 14 exprimiert, die im Verlauf der weiteren Differenzierung durch die Keratine 1 und 10 ersetzt werden. Mit etwa 10 Wochen ist eine Intermediärschicht erkennbar, die Epidermis damit dreischichtig ( ▶ Abb. 1.2). Das Periderm wird im 5. Monat abgeschilfert. Von der 20. Woche an ist das durch Keratohyalingranula charakterisierte Stratum granulosum zu erkennen.
Ein wichtiger Schritt ist der Beginn der interfollikulären Keratinisierung in der 22.–24. Woche (in den Follikeln bereits 2 Monate vorher), die sich morphologisch durch eine Verdichtung der oberflächlichen Keratinozyten abzeichnet. Sie geht mit der Synthese von Filaggrin einher, das die Keratinaggregation fördert. In der Zellwand von Keratinozyten des Stratum corneum induziert das kalziumabhängige Enzym Transglutaminase I die Vernetzung verschiedener Proteine (Involucrin, Loricrin, Elafin, Envoplakin, Filaggrin und andere epidermale Barriereproteine sowie Keratine) zu einer kompakten, undurchlässigen Hüllschicht, die durch die Zellmembran mit epidermalen Ceramiden verbunden ist. Bis zur 16. Gestationswoche setzen sich dermale und epidermale Lipide v.a. aus Sterolen und Phospholipiden zusammen. Erst nach Synthese der entsprechenden Enzyme werden vermehrt Barrierelipide gebildet, speziell Ceramide und freie Fettsäuren. Ihre Synthese ist hormonell (Glucocorticoide, Schilddrüsenhormone, Östrogene, Androgene) und durch Rezeptorexpression („peroxisome proliferator-activated receptor“ [PPAR], Farnesol-Rezeptor [FXR]) reguliert. Eine funktionsfähige epidermale Barrierefunktion wird erst im Verlauf des 3. Trimenons erreicht.
Epidermis.
Abb. 1.2 Entwicklungsstadien der fetalen Epidermis beim Menschen. (GW: Gestationswoche).
Abb. 1.2a GW 13: dreischichtige Epidermis (mit Periderm).
Abb. 1.2b GW 20: vierschichtige Epidermis, beginnende Entwicklung des Stratum granulosum.
Abb. 1.2c GW 27: beginnende Entwicklung von Hornschicht und Reteleisten (HE, 40×).
Bis zur Mitte des 2. Trimenons besitzen noch alle Keratinozyten die Fähigkeit zur Proliferation, danach gilt dies nur noch für die Zellen der Basalschicht. Während des 3. Trimenons verlieren die oberflächlichen Keratinozyten im Rahmen ihrer terminalen Differenzierung ihre Zellorganellen; die Zahl der Hornschichten nimmt weiter zu und damit die Funktionsfähigkeit der epidermalen Barriere. Entstehung und Reifung der epidermalen Barriere erfolgen in kraniokaudaler Richtung nach einem genetisch determinierten Schema. Die epidermale Konzentration der sogenannten „natürlichen Feuchthaltefaktoren“ (Natural moisturizing Factors, Humectants), zu denen Harnstoff, Urocaninsäure, Glycerin u.a. gehören, steigt langsam im Verlauf des ersten Lebensjahres an, parallel dazu sinkt der Transepidermale Wasserverlust (TEWL). Dieser Reifungsvorgang verläuft in den verschiedenen Körperregionen unterschiedlich schnell, im Bereich der Wangen z.B. langsamer als auf den Extremitäten.
Beispiele für Entwicklungsstörungen der Epidermis
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Organogenese: Die Aplasia cutis stellt einen fokalen Defekt der Organogenese dar, der jedoch im Sinne eines somatischen Mosaizismus nur einzelne Subpopulationen embryonaler Epidermiszellen betrifft.
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Differenzierung: Der lamellären Ichthyose liegt in 30% der Fälle ein Transglutaminase-I-Defekt zugrunde. Durch die gestörte Vernetzung der Hüllproteine bilden sich festhaftende Hornschuppen. Auch die Ichthyosis vulgaris (Filaggrin-Defekt), die X-chromosomal gebundene Ichthyose (Defekt der Steroid-Sulfatase) und die Harlekin-Ichthyose (Defekt des Lipidtransporter-Gens ABCA12) stellen Störungen der epidermalen Differenzierung dar.
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Reifung: Die Unreife der epidermalen Lipidbarriere führt bei Frühgeborenen zu einem erhöhten transepidermalen Wasserverlust und zu transkutanen Infektionen.
1.1.1.1 Spezialisierte Zellen in der Epidermis
Melanozyten aus dem Neuroektoderm besiedeln die Epidermis im Verlauf des ersten Trimenons. Melanozytenklone wandern von der Neuralleiste nach lateral und ventral um den Rumpf (bzw. den Kopf) und von dort nach distal. Die Wanderungslinien der Melanozyten sind als Blaschko-Linien bei verschiedenen somatischen Mutationen erkennbar (z.B. Hypomelanosis Ito, „linear and whorled naevoid hyperpigmentation“). Die Zahl der Melanozyten steigt bis zur Geburt auf etwa 1500/mm2. Sie sind in der Basalschicht der Epidermis lokalisiert, wo jede Zelle über dendritische Ausläufer mit 30–40 Keratinozyten in Verbindung steht („epidermale Melanin-Einheit“). Die Melaninbildung erfolgt ab dem 3.–4. Fetalmonat, der Melanosomentransfer in die Keratinozyten ab dem 5. Fetalmonat. Bei Dunkelhäutigen finden sich 450–600, bei Hellhäutigen nur 2–12 Melanosomen pro Melanozyt. Eine sichtbare Pigmentierung tritt auch bei Neugeborenen von Ethnien dunkler Hautfarbe erst im Verlauf der ersten Lebensmonate ein.
Langerhans-Zellen, die antigenpräsentierenden „Wächterzellen“ der Epidermis, wandern aus dem Knochenmark ein und sind von der 6. Woche an vorzugsweise in der suprabasalen Epidermis zu finden; ihre Zahl liegt gegen Ende des 3. Trimenons bei 500–1000/mm2. Die typischen Birbeck-Granula sind...
Erscheint lt. Verlag | 17.11.2021 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Medizin / Pharmazie ► Medizinische Fachgebiete |
Schlagworte | Akne • Anogenitale Erkrankungen • Blasen • dermatologischen Differenzialdiagnosen • Ekzeme • Hautkrankheiten bei Kindern und Jugendlichen • Infektionen • Kindesmisshandlung • Magistralrezepturen • Mundschleimhaut • Pigmentmale • Rötungen • Tumoren • verschiedenfarbige Flecken |
ISBN-10 | 3-13-242066-2 / 3132420662 |
ISBN-13 | 978-3-13-242066-3 / 9783132420663 |
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