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Alzheimer und Demenz (eBook)

Grundlagen, Diagnose, Therapie

(Autor)

eBook Download: EPUB
2021 | 1. Auflage
128 Seiten
Verlag C.H.Beck
978-3-406-77558-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Alzheimer und Demenz -  Hans Förstl
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Ist «Alzheimer» eigentlich eine Krankheit? Oder doch nur eine Alterserscheinung, von der jeder irgendwann betroffen wäre, würde er nur alt genug? Demenz, der Verlust vorher vorhandener geistiger Fähigkeiten mit der Folge, dass die Bewältigung des Alltags nicht mehr wie gewohnt gelingt, ist jedenfalls keineswegs gleichbedeutend mit einer irreversiblen Alzheimer-Erkrankung. Hans Förstl, der sich seit Jahrzehnten als Arzt und Forscher mit dem Thema beschäftäigt, stellt in diesem Band die medizinischen Grundlagen, das diagnostische Vorgehen und die therapeutischen Möglichkeiten dar. Er geht auch auf die neuen Versuche ein, nicht allein Symptome zu kurieren, sondern die Probleme von der Wurzel her ursächlich zu behandeln.

Hans Förstl, Arzt für Neurologie und Psychiatrie und Geriatrie an der Technischen Universität München, ist Autor und Herausgeber mehrerer einschlägiger Bücher über Demenz, Frontalhirn, Neurobiologie und Theory of Mind.

2. Untersuchung (Diagnostik)


Krankengeschichte (Anamnese)


Wie bei fast jeder anderen Erkrankung weist auch hier vor allem die Geschichte des Patienten und seiner Beschwerden den Weg zur Diagnose. Bei einer fraglich dementiellen Erkrankung können allerdings mangelnde Erinnerungsfähigkeit, beeinträchtigte Einsicht in die Probleme, ausgesprochener Unwillen, Angst, Depression und die Peinlichkeit solcher Beschwerden einem zuverlässigen Informationsaustausch entgegenstehen. Daher kann der Fremdanamnese, der Befragung eines vertrauenswürdigen Verwandten oder Bekannten, besondere Bedeutung zukommen – falls der Patient dies zulässt. Bei starken Divergenzen in den Angaben muss auch bedacht werden, dass die Informationen durch bestimmte Interessen verzerrt werden können (z.B. Erbschaftsangelegenheiten). Daher müssen auch scheinbar zuverlässige Fremdangaben oft hinterfragt werden.

Beginn. Bei vaskulären und entzündlichen Hirnerkrankungen oder nach Schädel-Hirn-Verletzungen kann die Demenz akut beginnen: ein schwerer Auffahrunfall, eine Schlägerei, ein sportlicher Knockout mit Hirnblutung durch Aufprall im Ring können schlagartig dement machen.

Die meisten anderen vorrangig neurodegenerativ bedingten Hirnveränderungen schleichen sich ein, über Wochen, Monate oder meist Jahre. Der Mensch und sein Gehirn entwickeln dabei unbemerkt Techniken, um mit der eingeschränkten geistigen Kapazität zurechtzukommen: mehr üben, besser kontrollieren, Anstrengendes vermeiden usw. Symptome machen sich erst bemerkbar, wenn diese Strategien nicht mehr hinreichend funktionieren oder unter besonderen Stressbedingungen. Obwohl die Entwicklung meist langsam vonstattengeht, lauten die Geschichten oft ganz anders.

«Seit mein Mann dort im Krankenhaus behandelt worden ist, hat er diese Schwierigkeiten, seit der Narkose, vorher war er ganz gesund.» – «Seit dem Schlaganfall», «seit er sich mit der Grippe angesteckt hat», «seit der Impfung», «damals im Italienurlaub» fing es plötzlich an: «Er hat auf dem Campingplatz nicht mehr zum Zelt zurückgefunden und war Stunden unterwegs. Am nächsten Tag hat er sich dann auch noch verfahren und wurde von den Carabinieri aufgegriffen und begleitet.» Mit derart stressbelasteten Erlebnissen, nach Vorhaltungen und Bloßstellungen vor Familie und Freundeskreis gehen die gewohnte Selbstverständlichkeit und Sicherheit verloren. Die Betroffenen fangen häufig an, sich zwanghaft zu kontrollieren und zu prüfen. Das kostet zusätzliche Konzentration und Kraft, die dann für andere Leistungen nicht mehr zur Verfügung stehen.

Beschwerden. Klagen über die Vergesslichkeit und alles, was damit zusammenhängt, sind häufige Frühsymptome: Ärger mit der Ehefrau wegen nicht erledigter Einkäufe, schreibt und vergisst Einkaufszettel, kann Sachen nicht ausreichend lange im Kopf behalten, um sie zu notieren; findet andere Gegenstände nicht mehr, erinnert sich nicht mehr an Verabredungen, Geburtstage (falls er sich früher daran erinnert hat), will eigenen Geburtstag nicht mehr feiern (falls er das früher gerne getan hat); verliert im Gespräch leicht den Faden, nimmt nicht mehr aktiv teil; Verunsicherung, depressive Verstimmung, Wortfindungsstörungen; verfährt sich auf fremder Strecke, kleine Schrammen am Auto und Strafzettel; kann keine zwei Dinge mehr gleichzeitig im Kopf behalten oder tun (multitasking), leicht ablenkbar, fühlt sich schnell gestört, kann Absichten und Wege nicht mehr beschreiben, findet das richtige Wort für einen Gegenstand nicht mehr; vernachlässigt Hobbys, führt Aufgaben nicht zu Ende; hat neuerdings Schwierigkeiten mit Handy, Digitaluhr, Navigationssystem im Pkw, Computer, neu beschaffter Unterhaltungselektronik oder Werkzeugen, die zweckentfremdet werden. (Hierbei ist anzumerken, dass sich die Maßstäbe in der Gesellschaft verschieben: Der Cyberkrieg gegen Alte, für die neue Barrieren errichtet werden, beginnt beim Digitalradio ohne leicht begreifbare Schalter und Knöpfe und endet in einer totalitären Technologie von Netzbetreibern und Banken.) Probleme in rechtlicher und finanzieller Hinsicht müssen bei den Betroffenen oft erst erfragt werden: Bestellen unnützer Gegenstände, Teilnahme an Glücksspielen, Schwierigkeiten bei Kontoführung und Überweisungen; Hereinfallen auf Enkeltricks, falsche Polizisten oder spezialisierte Versandangebote.

Charakteristische Kleinigkeiten: Sein Leben lang hat er eine Tasse Kaffee nach dem Mittagessen getrunken, seit ein paar Wochen sind es zwei und nun sogar drei; er ist seit zwölf Jahren in Rente und gönnt sich seither acht Stunden Schlaf, seit einem Vierteljahr sind es zehn und ein Mittagsschläfchen dazu; im Stadtverkehr nickt er ein, selbst am Steuer.

Er will nichts von den eigenen Beschwerden preisgeben und nicht von anderen darauf angesprochen werden; depressiv verstimmt oder mürrisch, zieht sich zurück, will nichts mehr mit anderen zu tun haben; er kommt mit den Tabletten durcheinander, nimmt zu viel oder zu wenig.

Weniger häufige Frühsymptome. Mitunter gehen Geruchs- und Geschmacksvermögen früh verloren und damit auch der Appetit. Wurde ehedem bei der Gartenarbeit noch vernünftig getrunken, tritt jetzt die Ermattung durch Austrocknung schon am späten Vormittag ein und wird in der Nachmittagssonne zum ausgeprägten Verwirrtheitszustand. Der Gang wird kleinschrittig, die Bewegungen von Armen und Beinen werden ungeschickt und steif (Parkinson- Krankheit?). Breitbeiniger, dabei unsicher tastender Gang, insgesamt verlangsamt (SAE, subkortikale arterioklerotische Enzephalopathie?). Der (künftige) Patient fängt an, unruhig zu schlafen, boxt im Schlaf und hat seine Ehefrau dabei schon einmal verletzt (REM-Schlafstörung mit Ausagieren der Träume; kann einer Parkinson-Krankheit etc. lange vorausgehen). Er hebt die Beine nicht mehr richtig, bleibt hängen und stürzt, ohne sich abfangen zu können (progressive supranukläre Parese?).

Tagsüber ist er «ganz der Alte» und geht erfolgreich seinen gewohnten Geschäften nach. Im Gespräch sind seine Klarheit und Kompetenz über jeden Zweifel erhaben. Wenige Stunden später sieht er aber in der Dämmerung wieder Liliputaner im Treppenhaus, die er energisch mit wilden Stockschlägen vertreibt (Charles-Bonnet-Syndrom). Er hat sie eindeutig gesehen. Eine Fensterscheibe ist zu Bruch gegangen. Dies kommt nun mehrfach vor. Darauf angesprochen, erklärt er am Tage felsenfest und überzeugend, dass es sich vor Wochen um eine holographische Laserprojektion gehandelt haben könnte, die von seinem Nachbarn inszeniert worden sei. Inzwischen kämen aber tatsächlich und regelmäßig kleine Menschen in seine Wohnung, die sich geräuschlos an seinen Tisch setzen (Dinner-for-one-Syndrom). Er habe sich sogar mit einigen angefreundet. Man trinke Tee, wobei aber seltsamerweise nichts geredet werde (Demenz mit Lewy-Körperchen?). Spielschulden (nach Behandlung der Parkinson-Krankheit mit Dopaminagonisten?). Andere entwickeln Heißhunger auf Süßigkeiten oder neue Vorlieben wie die für Likör. Mitunter kann trotz reichlicher Nahrungszufuhr ein früher Gewichtsverlust eintreten.

Sehr seltene Beschwerden. Seine Hand gehorcht ihm nicht mehr und macht Sachen, die er gar nicht beabsichtigt (corticobasale Degeneration?). Plötzliche Schlaflosigkeit: Es gibt eine ganz besondere neurodegenerative Demenzerkrankung, die über Nacht beginnt und bei der die sehr wenigen Betroffenen meist sofort wissen, was auf sie zukommt (fatale familiäre Insomnie?).

Beim Arzt


Gespräch. Gründe für eine Vorstellung beim Arzt sind vor allem Vergesslichkeit, eigene Beunruhigung oder die Besorgnis der Angehörigen. Auf keine andere Leistung ist der Mensch so stolz wie auf sein geistiges Vermögen; unser Kopf birgt unsere ganzen Geheimnisse. Daher ist die Scheu vor dem intellektuellen Offenbarungseid gut verständlich. Andere Gesundheitsprobleme im Alter mögen schmerzhaft und behindernd sein – Hör- und Sehstörungen, Herz-Kreislauf- oder Stoffwechselkrankheiten, eingeschränkte Bewegungsfähigkeit –, aber die geistige Leistungsfähigkeit ist unser ganz privates Eigentum.

Vorsicht und Taktgefühl sind also bei der Aufdeckung von Schwächen angebracht. Viele Menschen wollen nicht untersucht werden, und das ist ihr gutes Recht – ein Recht auf Nichtmitmachen und Nichtwissen. (Fast) Niemand, gleich in welchem Stadium der Erkrankung, soll gegen seinen Willen zu einer Untersuchung gezwungen werden. Es sei denn, es gibt sehr gute Gründe zu der Annahme, die Untersuchung, deren...

Erscheint lt. Verlag 16.9.2021
Reihe/Serie Beck'sche Reihe
Beck'sche Reihe
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften Psychologie Klinische Psychologie
Medizin / Pharmazie Medizinische Fachgebiete Innere Medizin
Medizin / Pharmazie Medizinische Fachgebiete Psychiatrie / Psychotherapie
Schlagworte Alter • Alzheimer • Demenz • Diagnose • diagnostische Möglichkeiten • Erkrankung • Grundlagen • Krankheit • Medizinische Grundlagen • therapeutische Möglichkeiten • Therapie
ISBN-10 3-406-77558-6 / 3406775586
ISBN-13 978-3-406-77558-1 / 9783406775581
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