Nicht aus der Schweiz? Besuchen Sie lehmanns.de

Radiologie der Gewalt (eBook)

Einführung in Methodik und Begutachtung für Radiologen und Rechtsmediziner
eBook Download: EPUB
2021 | 1. Auflage
480 Seiten
Georg Thieme Verlag KG
978-3-13-221391-3 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Radiologie der Gewalt -
Systemvoraussetzungen
229,99 inkl. MwSt
(CHF 224,70)
Der eBook-Verkauf erfolgt durch die Lehmanns Media GmbH (Berlin) zum Preis in Euro inkl. MwSt.
  • Download sofort lieferbar
  • Zahlungsarten anzeigen
<p><br /><strong>Richtig befunden und gerichtsfeste Gutachten erstellen</strong></p> <p>Autopsien nehmen ab, radiologische 3-D-Rekonstruktionstechniken zu - Ihr Aufgabengebiet weitet sich aus. Dieses erste deutschsprachige Buch namhafter Experten informiert Sie umfassend &uuml;ber den derzeitigen Stand und zuk&uuml;nftige Entwicklungen zum Thema Radiologie und Rechtsmedizin.</p> <ul> <li>Vom Bild zur Ursache: Finden Sie Antworten zu allen denkbaren forensischen Fragestellungen in der Radiologie.</li> <li>Hilfestellungen und Vorlagen: Erstellen Sie gerichtsfeste Gutachten.</li> <li>Deutsche Nomenklatur: Sorgen Sie f&uuml;r Verst&auml;ndigung mit Nichtmedizinern bei Gerichtsverfahren.</li> </ul> <p>Sch&auml;rfen Sie als Radiologe Ihr rechtsmedizinisches Auge oder erlangen Sie als Rechtsmediziner die notwendigen radiologischen Kenntnisse.</p> <p>Jederzeit zugreifen: Der Inhalt des Buches steht Ihnen ohne weitere Kosten digital in der Wissensplattform eRef zur Verf&uuml;gung (Zugangscode im Buch). Mit der kostenlosen eRef App haben Sie zahlreiche Inhalte auch offline immer griffbereit.</p>

1 Einführung in die Rechtsmedizin


1.1 Forensische Radiologie aus rechtsmedizinischer Sicht


Kathrin Yen

Die Rechtsmedizin befasst sich mit Fragen, die sich in der gesamten Rechtspflege ergeben und für deren Beantwortung naturwissenschaftliche Kenntnisse erforderlich sind, insbesondere solche aus Medizin, Toxikologie und Molekularbiologie. Neben der gutachterlichen Tätigkeit und Fallarbeit zählen Lehre und Forschung zu den wesentlichen Tätigkeitsbereichen universitärer rechtsmedizinischer Institute. Weithin bekannt, auch aus zahlreichen Fernsehsendungen und Filmen, ist die „postmortale“ Rechtsmedizin, bei der es um die Feststellung der Todesart und Todesursache geht. Sie klärt auf, wie sich ein Ereignis, das zum Tod geführt hat, zugetragen hat. Letzteres wird als ▶ „forensische Rekonstruktion“ bezeichnet und stellt eine der zentralen Kernkompetenzen der Rechtsmedizin dar, die diese von allen anderen klinischen Fächern unterscheidet. Ein weiteres bedeutsames Aufgabenfeld der Rechtsmedizin ist die sog. klinische Rechtsmedizin – die „Rechtsmedizin an Lebenden“. Dazu gehören z.B. Untersuchungen und Begutachtungen nach häuslicher und sexueller Gewalt, Kindesmisshandlung und -missbrauch, aber auch forensische Altersschätzungen sowie Untersuchungen nach Folter und anderen Formen von körperlicher Gewalt.

Sowohl in der klinischen als auch in der postmortalen Rechtsmedizin spielt der objektive Nachweis von Verletzungsbefunden eine zentrale Rolle. Deshalb wird diesen beiden Bereichen auch der Nutzen radiologischer Verfahren besonders zuteil. In anderen Bereichen der Rechtsmedizin, z.B. in der forensischen Toxikologie, die sich mit der Analyse von Körperflüssigkeiten und anderen Materialien auf Alkohol, Drogen, Medikamente und klassische „Gifte“ befasst, finden bildgebende Verfahren zwar noch keine routinemäßige Anwendung, sind aber Gegenstand interessanter wissenschaftlicher Arbeiten. Selbst der Bereich Medizinrecht, der in der studentischen Lehre weitgehend durch die Rechtsmedizin abgedeckt wird, bietet Überschneidungen mit radiologischen Fragestellungen, die in den folgenden Kapiteln angesprochen werden.

Allen rechtsmedizinischen Tätigkeiten und Begutachtungen ist gemein, dass sie umso wertvoller sind, je eher sie auf objektiv erhobenen, „beweisfesten“ Daten beruhen. In Arztberichten werden z.B. oft unklar formulierte, allgemein gehaltene Angaben gemacht; so ist darin etwa von „multiplen Prellungen“ am Körper oder von „flächigen Rötungen“ am Hals die Rede. Was nützen solche Angaben, wenn später vom rechtsmedizinischen Gutachter die Frage beantwortet werden soll, ob die Befunde am Hals durch ein Würgen mit den Händen entstanden sind, durch ein Drosseln mit einem Gürtel oder etwa durch einen ganz anderen Mechanismus wie ein Reißen an der Kleidung, und ob die „Prellungen“ Folge von Faustschlägen oder Tritten sind und um wie viele davon es sich gehandelt hat? In forensischer Hinsicht sind solche Befundberichte fast wertlos, wenn sie nicht mit der morphologischen Genauigkeit und Sorgfalt verfasst wurden, die für die nachfolgende Erstellung gerichtsverwertbarer Gutachten erforderlich ist. Nicht überall besteht die Möglichkeit, bei Verdacht auf Gewalt einen Arzt oder eine Ärztin aus dem Fachgebiet der Rechtsmedizin beizuziehen, und selbst dort, wo diese besteht, wird sie oft noch unzureichend genutzt. Gerade in solchen Fällen könnten bildgebende Verfahren einen großen Nutzen bringen, wenn sie auch bei lebenden Gewaltopfern früh nach einem Ereignis angewandt werden und die vorhandenen Verletzungen objektiv, nach vorgegebenen Standards, erfassen. Dies kann zwar eine fachkundige äußere Besichtigung des Körpers nicht ersetzen, aber dennoch einen sinnvollen Beitrag zur späteren forensischen Fallbearbeitung und damit letztlich zur Rechtssicherheit leisten.

In den klinischen Fächern haben sich bildgebende Verfahren in den letzten Jahren enorm weiterentwickelt, mit heute ausgezeichneten Möglichkeiten insbesondere der CT- (computertomografischen) und der MRT- (magnetresonanztomografischen) Bildgebung. Diese werden bei vielfältigsten Fragestellungen angewendet und gehören schon längst zum fixen Angebotsspektrum in unterschiedlichsten klinischen Fächern. Auf die Rechtsmedizin hat dies erst in den letzten Jahren abgefärbt. Vielleicht liegt das an einer seit einigen Jahren zu beobachtenden Annäherung der Rechtsmedizin an klinische Fächer, die sich auch in der sprunghaften Entwicklung der klinischen Rechtsmedizin zeigt. Das früher gern gepflegte makabre, schauererregende Bild der Rechtsmedizin ist heute weitgehend einem Bild gewichen, das die moderne, wissenschaftliche Seite des Faches und dessen Bedeutung für Menschen zeigt, die von den Gutachten abhängig sind. Auch zu dieser Wandlung hat die Nutzung bildgebender Verfahren einen wichtigen Beitrag geleistet. Nicht umsonst wird in Krimis wie dem „Tatort“ immer seltener ein dunkler Kellerraum gezeigt, in dem ein grobschlächtig wirkender Rechtsmediziner ohne Handschuhe mit einer Kaffeetasse in der Hand einen Leichnam untersucht. Vielmehr stehen immer häufiger moderne, auch bildgebende Untersuchungsverfahren in modernen Untersuchungseinrichtungen im Mittelpunkt. Dass dabei die PMMRT (postmortale Magnetresonanztomografie) erst nach der Autopsie durchgeführt wird („Tatort“-Sendung aus 2015), mag den Drehbuchautoren verziehen werden – schließlich waren die Anfänge auch in der Rechtsmedizin nicht ganz einfach.

Wie im ▶ Kapitel zur Geschichte der postmortalen Bildgebung noch näher erläutert wird, reicht die Grundlage der forensischen Bildgebung schon sehr weit in die Vergangenheit zurück, nämlich bis 3 Jahre nach der Entdeckung der Röntgenstrahlen durch Wilhelm Konrad Röntgen im Jahr 1895, als entsprechend den Aufzeichnungen aus der Literatur der erste Leichnam geröntgt worden sein soll. Dass es aber weitere 120 Jahre gedauert hat, bis mit dem vorliegenden Buch nun ein Schulterschluss zwischen Rechtsmedizin und Radiologie erfolgt, dürfte an verschiedensten Faktoren liegen: Neben einer sehr unterschiedlichen fachlichen Ausrichtung und einer von klinischen Fächern weitgehend abgetrennten Rechtsmedizin in früheren Jahren sowie dem weitgehend auf postmortale Untersuchungen beschränkten Untersuchungsspektrum dürfte wohl auch eine nicht allzu ausgeprägte Offenheit für neue Verfahren sowohl in der Rechtsmedizin als auch in der Radiologie eine gewisse Rolle gespielt haben. Als Richard Dirnhofer am rechtsmedizinischen Institut in Bern die ersten Drittmittel für sein Forschungsprojekt „Virtopsy“ (virtuelle Autopsie) einwerben konnte und das neue Projekt mit einem Bild eines Skalpells, über das eine Verbotstafel gelegt war, bewarb ( ▶ Abb. 1.1), folgte ein empörter Aufschrei von Fachkollegen. Dieser war wohl Ausdruck einer Befürchtung, die klinische Radiologie könnte sich die rechtsmedizinischen Aufgaben einverleiben, wenn Autopsien künftig durch CT und MRT ersetzt würden.

Bildgebung statt Skalpell in der Rechtsmedizin.

Abb. 1.1 Ein Sonderband zum Forschungsprojekt „Digitale Autopsie“ des Instituts für Rechtsmedizin Bern aus dem Jahr 2000 zeigte auf dem Titelblatt die Abbildung eines Skalpells mit „Verbotstafel“. Das brachte damals viel Kritik ein.

(Quelle: mit freundlicher Genehmigung von Prof. Dr. med. Richard Dirnhofer, Dornbirn)

Die erste Aufregung hat sich gelegt und es werden in der letzten Zeit wieder vermehrt Stimmen laut, dass die Bildgebung möglicherweise durchaus geeignet sei, in gewissen Fällen eine Obduktion nicht nur zu ergänzen, sondern sogar zu ersetzen. Am Rechtsmedizinischen Institut in Zürich wird die Entwicklung eines „Virtobot“ vorangetrieben. Das ist eine Kombination aus bildgebenden Verfahren mit unterschiedlichen Technologien einschließlich einer computergesteuerten Biopsie, an deren Ende ein vollständig und umfassend untersuchter Leichnam und letztlich die Klärung des Falles stehen sollen. Solche Visionen sind wichtig, um die Entwicklung der forensischen Bildgebung voranzutreiben. Dass dabei sowohl Radiologen wie auch Rechtsmediziner und insbesondere deren enge Kooperation notwendig sind, wird mittlerweile kaum mehr infrage gestellt. Gerade die Entwicklungen der letzten Zeit zeigen deutlich, welch großes Potenzial eine solche Zusammenarbeit hat. Insbesondere besteht die einmalige Chance, die jahrhundertealte Technik der Autopsie durch neue, sehr vielversprechende Technologien zu ergänzen. Und am Lebenden können innere Verletzungsbefunde sichtbar gemacht werden, die bei der klassischen äußeren Besichtigung naturgemäß im Verborgenen bleiben.

Merke

Aus rechtsmedizinischer Sicht stellen die Entwicklungen der forensischen Radiologie der letzten Jahre keine Gefahr, sondern eine große Bereicherung dar. Sie beinhalten nicht nur neue Kooperationsmöglichkeiten, sondern werden vor allem einen wesentlichen Beitrag zur Rechtssicherheit leisten.

1.2 Forensische Radiologie aus radiologischer Sicht


Heinz-Peter Schlemmer

Seit der...

Erscheint lt. Verlag 7.7.2021
Sprache deutsch
Themenwelt Medizinische Fachgebiete Radiologie / Bildgebende Verfahren Radiologie
Medizin / Pharmazie Medizinische Fachgebiete Rechtsmedizin
Schlagworte Forensische Radiologie • FORENSISCHE REKONSTRUKTION • POSTMORTALE BILDGEBUNG • RECHTSMEDIZINISCHE BEGUTACHTUNG • Todesart • Todesursache • Verletzungsarten • Verletzungsmuster
ISBN-10 3-13-221391-8 / 3132213918
ISBN-13 978-3-13-221391-3 / 9783132213913
Informationen gemäß Produktsicherheitsverordnung (GPSR)
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
EPUBEPUB (Wasserzeichen)
Größe: 113,1 MB

DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasser­zeichen und ist damit für Sie persona­lisiert. Bei einer missbräuch­lichen Weiter­gabe des eBooks an Dritte ist eine Rück­ver­folgung an die Quelle möglich.

Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belle­tristik und Sach­büchern. Der Fließ­text wird dynamisch an die Display- und Schrift­größe ange­passt. Auch für mobile Lese­geräte ist EPUB daher gut geeignet.

Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise

Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.

Mehr entdecken
aus dem Bereich