Klinische Ernährung und Infusionstherapie (eBook)
500 Seiten
Thieme (Verlag)
978-3-13-203159-3 (ISBN)
1 Körperzusammensetzung
M. Pirlich, K. Norman
1.1 Bedeutung der Körperzusammensetzung
Die Bestimmung der Körperzusammensetzung (d.h. die Aufteilung der Körpermasse in fettfreie Masse und Fettmasse oder extra- und intrazelluläre Flüssigkeit, Körperzellmasse, Muskelmasse, Knochen etc.) liefert wertvolle Informationen für verschiedene klinische Anwendungen:
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Bestimmung des Ernährungszustandes bei Patienten mit Hyperhydratation (z.B. mit Ödemen, Aszites), bei denen klinische Einschätzung, Körpergewicht oder Screening-Instrumente versagen.
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Diagnostik und Quantifizierung der Mangelernährung, vor allem in frühen Stadien, wenn das Körpergewicht noch normal/unverändert ist, aber bereits ein Verlust an Körperzellmasse vorliegt.
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Diagnostik der Sarkopenie und der sarkopenen Adipositas. Der Verlust von Muskelmasse durch körperliche Inaktivität, Inflammation oder humorale Faktoren wird als eigenständiges prognostisch bedeutsames Problem definiert, in den letzten Jahren auch bei Adipositas.
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Verlaufskontrolle und Bewertung der Ernährungstherapie mit differenzierter Betrachtung bestimmter Organe und Gewebe (z.B. Zuwachs/Erhalt der Muskelmasse/fettfreien Masse bei Therapie der Mangelernährung und in Gewichtsreduktionsprogrammen).
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Schaffung von Bezugsgrößen z.B. für kalorimetrische Messungen oder Funktionsuntersuchungen (z.B. der Grundumsatz pro Kilogramm fettfreier Masse oder die Muskelkraft pro Kilogramm Muskelmasse),
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Berechnung der Dosis von Chemotherapien zur Reduktion der Toxizität (erste Studien weisen darauf hin, dass die fettfreie Masse eine geeignetere Bezugsgröße sein könnte als der derzeitige Standard, die Körperoberfläche).
1.2 Modelle der Körperzusammensetzung
Das einfachste Modell der Körperzusammensetzung unterscheidet zwischen Körperfett und fettfreier Masse ( ▶ Abb. 1.1). Differenziertere Modelle unterscheiden Körperkompartimente auf anatomischer, zellulärer oder chemischer Ebene.
Merke
Dabei besteht eine deutliche Übereinstimmung (messbar in hohen Korrelationskoeffizienten) zwischen der fettfreien Masse (2-Kompartiment-Modell), der Muskelmasse (anatomisch), der Körperzellmasse (zellulär) und dem Proteinbestand (chemisch).
Hinzufügen ließe sich noch die atomare Ebene der Körperzusammensetzung, z.B. die Bestimmung des Ganzkörperstickstoffs mittels In-vivo-Neutronenaktivierung. Atomare Modelle der Körperzusammensetzung spielen aufgrund des hohen Aufwandes außerhalb wissenschaftlicher Anwendungen derzeitig keine Rolle.
Abb. 1.1 Modelle der Körperzusammensetzung (FFM: fettfreie Masse, BCM: Body Cell Mass = Körperzellmasse, ECM: extrazelluläre Masse).
Der Goldstandard zur Bestimmung der Körperzusammensetzung ist das 4-Kompartiment-Modell, das eine differenzierte Betrachtung der Bestandteile Wasser, Protein, Mineralien und Fett erlaubt ▶ [2]. Allerdings werden für diese Bestimmung mehrere Methoden benötigt, die zeitaufwendig und teuer sind und daher nur Forschungszwecken vorbehalten sind. Die Diagnostik im klinischen Alltag erfolgt meist nicht stringent nach einem bestimmten Modell, sondern nach den jeweils verfügbaren Methoden und der Erfahrung der Anwender.
1.3 Methoden zur Bestimmung der Körperzusammensetzung
Eine Übersicht über die verschiedenen Methoden zur Bestimmung der Körperzusammensetzung mit den entsprechenden Zielgrößen und einer ungefähren Einschätzung von Präzision, Aufwand und Kosten gibt ▶ Tab. 1.1 .
Tab. 1.1 Methoden zur Bestimmung der Körperzusammensetzung (nach Daten aus ▶ [2]). Methode | Zielgröβen | Präzision a | Aufwand (apparativ oder zeitlich) | Kosten |
Anthropometrie | Fettmasse, Fettverteilung, Muskelmasse | niedrig | niedrig | sehr niedrig |
BIA, BIS | TBW (FFM und FM), BCM, Phasenwinkel | hoch | niedrig | niedrig |
Kreatininhöhenindex | Muskelmasse | niedrig | mittel | niedrig |
Densitometrie (ADP, Hydrodensitometrie) | Fettmasse (FFM) | hoch | hoch | hoch |
DXA | Fettmasse, Knochenmineralgehalt, Weichteilmagermasse, Knochendichte | hoch (bei ausgeprägter Adipositas niedriger) | hoch | hoch |
Dilutionsmethoden | TBW (FFM und FM) bei Deuterium oder Tritium ECW (ICW) bei Natriumbromid | hoch | hoch | mittel |
40Kalium-Zählung | BCM (FFM und FM) | hoch | hoch | sehr hoch |
Neutronenaktivierung | Kalzium, Natrium, Chlor, Phosphor, Stickstoff, Wasserstoff, Sauerstoff, Kohlenstoff | hoch | hoch | sehr hoch |
Magnetresonanztomografie/Computertomografie | Fettgewebe, Fettgewebsverteilung (z.B. viszerales Fettgewebe) | hoch | hoch | sehr hoch b |
a Präzision: Variationskoeffizient (VK) <3% hoch; VK >5% niedrig. b Wenn CT- oder MRT-Bilder aus der klinisch notwendigen bildgebenden Diagnostik verwendet werden, sind die Kosten gering. ADP: Air-Displacement-Plethysmografie, BCM: Body Cell Mass = Körperzellmasse, BIA: bioelektrische Impedanzanalyse, BIS: Bioimpedanz-Spektroskopie, DXA: Dual Energy X-Ray Absorptiometry = Dual-Röntgen-Absorptiometrie, ECW: Extracellular Water = extrazelluläres Wasser, FFM: fettfreie Masse, FM: Fettmasse, ICW: Intracellular Water = intrazelluläres Wasser, TBW: Total Body Water = Ganzkörperwasser |
Densitometrie (Bestimmung der Körperdichte durch z.B. Air-Displacement-Plethysmografie), K40-Messung, Isotopendilution oder Neutronenaktivierung sind technisch anspruchsvolle und teure Methoden, die im klinischen Alltag keine Verwendung finden, jedoch aufgrund ihrer hohen Präzision große Bedeutung als Referenzmethoden haben.
In der klinischen Praxis sind zwei technisch einfache und kostengünstige Methoden etabliert, um die Körperzusammensetzung zu beurteilen:
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die Anthropometrie zur Abschätzung der Fettmasse oder der Muskelmasse und
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die bioelektrische Impedanzanalyse (BIA) zur Bestimmung des Ganzkörperwassers und des extrazellulären Wassers, der fettfreien Masse, der Fettmasse und der Körperzellmasse.
Vielversprechend ist auch die Sonografie, die in jüngster Zeit z.B. zur Bestimmung...
Erscheint lt. Verlag | 7.7.2021 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Medizin / Pharmazie ► Medizinische Fachgebiete |
Schlagworte | Bilanzierte Diäten • Ernährungstherapie • INFUSIONSLÖSUNGEN • Infusionstherapie • Intensivpatient • Intensivstation • Nährstoffsubstrate |
ISBN-10 | 3-13-203159-3 / 3132031593 |
ISBN-13 | 978-3-13-203159-3 / 9783132031593 |
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Größe: 12,3 MB
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