Praxishandbuch funktionelles Training 1 (eBook)
404 Seiten
Georg Thieme Verlag KG
978-3-13-243814-9 (ISBN)
1 Funktionelles, mehrdimensionales Training
Dieses Buch wurde von Therapeuten für Therapeuten geschrieben. Es zeigt Ihnen vielfältige Möglichkeiten, mit Seilzügen oder anderen Geräten und Kleingeräten funktionelle Übungen mit Ihren Patienten zu erarbeiten. Es eignet sich ebenso als Ideengeber für Heimprogramme, um den Patienten Eigenübungen zu vermitteln, sodass sie mit wenig Aufwand zu Hause trainieren können.
Auch wenn einige Übungen recht anspruchsvoll erscheinen, so gelingt es meistens gerade durch diese Übungen, Alltagsreize zu reproduzieren, um somit z. B. im Bindegewebe eine funktionelle Faserausrichtung zu erreichen und die Wasserbindung und damit auch die Belastungsfähigkeit zu erhöhen.
Manche Therapeuten sind der Meinung, dass dies doch bei jedem Training und bei jeder Bewegung geschieht und somit ein Training mit großen Krafttrainingmaschinen weniger Gefahren für den Patienten birgt als z. B. das Trainieren mit mehreren Pezzibällen. Leider trainieren die Patienten bzw. Kunden an den Kraftmaschinen, wie z. B. Kniecurl oder Butterfly, nur einachsig in einer geführten Bewegung mit einem distalen Widerstand und einer festen Drehachse.
Anmerkung
Einachsige oder eindimensionale Bewegungen kommen im Alltag nicht vor.
Unser sensomotorisches System ist evolutionsbedingt noch auf die Anforderungen der Steinzeit ausgerichtet. Da die Alltagsreize aufgrund der modernen Lebensbedingungen aber zunehmend ausbleiben, fehlen dem sensomotorischen System ausreichend adäquate Reize und unsere sensomotorischen Funktionen nehmen immer mehr ab.
Anmerkung
Wir haben kein Kraftproblem, wir haben ein Funktionsproblem.
Kaum jemand muss noch über mehrere Etagen Treppen steigen oder kilometerlang eine Büffelherde über unsicheren Grund verfolgen. Aufgrund dieser fehlenden sensorischen Reize nehmen die Funktionen des Bindegewebes, die unwillkürlichen neuromuskulären Reaktionen und der Trainingszustand der stabilisierenden Muskulatur immer mehr ab. Dies führt zu den bekannten Problemen: Rückenbeschwerden und zunehmend früher einsetzende Arthrose, da z. B. die faszialen Anteile keine mehrdimensionalen Trainingsreize erfahren und die Gelenke muskulär nicht mehr reaktiv gesichert werden können. Das, was die Evolution über Jahrmillionen aufgebaut und entwickelt hat, geht in der heutigen Zeit durch unsere Lebensbedingungen und z. T. auch aus Bequemlichkeit verloren: „Use it or loose it.“
Zum Beispiel sind die Gelenkflächen für mehrere Bewegungsebenen ausgerichtet und werden auch in allen Ebenen durch Muskulatur und Bindegewebe, wie Bänder, Faszien oder Kapselgewebe geführt. Es handelt sich hierbei nicht nur um eine rein passive Sicherung, sondern um eine aktive Steuerung aufgrund sensorischer Impulse aus diesen Gewebeschichten.
Der Versuch, die Gelenke nur über willkürliche gesteuerte Muskelkraft zu sichern oder Gewebeverletzungen zu vermeiden/verhindern, ist nicht funktionell, da es nicht den vielfältigen Funktionen des sensomotorischen Systems entspricht.
Leider glauben Kunden in z. B. Fitnesseinrichtungen, dass die Kraft das Maß aller Dinge ist. Meiner Meinung nach muss man dem aus therapeutischer Sicht klar widersprechen. Willkürliche Kraft entsteht hauptsächlich, wenn für die Gewebsstrukturen keine „Gefahr“ besteht. Befindet sich z. B. die Gelenkkapsel des Kniegelenkes mit ihren faszialen Verbindungen zur Muskulatur im Stress, hilft die willkürliche muskuläre Aktivität aufgrund der fehlenden Innervationsgeschwindigkeit nicht ausreichend.
Aus diesem Grund kommt es in der Therapie darauf an, alltagsspezifische Belastungen für die unterschiedlichen Gewebearten zu reproduzieren. „Form follows Function“ (die Form folgt der Funktion), dieser Leitsatz muss auch weiterhin in der Therapie Anwendung finden, damit spezifische Gewebe spezifische Reize erhalten.
Keine der in diesem Buch vorgestellten Übungen mit dem Seilzug, Pezziball, Thera-Band oder mit Hanteln belastet die Gewebe durch Einachsigkeit. Sie ermöglichen damit einen funktionellen Aufbau der Strukturen.
1.1 Seilzug
Die Übungen mit dem Seilzug zeigen, wie man schwerpunktmäßig Muskeln und Muskelgruppen trainiert. Ob ein einzelner Muskel, wie der M. pectoralis minor oder der Pars descendens des M. trapezius, überhaupt gekräftigt werden muss, entscheidet jeder Therapeut aufgrund seines Befundes oder er richtet sich nach Wünschen des Patienten. Der Vollständigkeit halber sind alle wesentlichen Muskeln und Muskelgruppen aufgeführt. Die meisten Übungen sind nach den Hauptmuskeln benannt, die synergistisch wirkenden Muskeln sind nicht extra aufgeführt, sondern werden als bekannt vorausgesetzt.
Im Vergleich zu Großgeräten hat das Trainieren mit dem Seilzug deutliche Vorteile:
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Die Drehachse ist verstellbar.
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Es findet eine freie Bewegung statt.
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Der Patient trainiert gezielt bestimmte Muskeln in einer funktionellen Bewegung.
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Er kann in der offenen oder geschlossenen Kette trainieren.
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Sowohl komplexe Bewegungsfolgen als auch bestimmte Muskelketten sind trainierbar.
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Alltagsbewegungen lassen sich reproduzieren.
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Der Platzbedarf des Seilzuggerätes ist relativ gering.
Ziel ist es, den Seilzug in der Therapie möglichst funktionell einzusetzen.
1.2 Pezziball
Übungen mit Pezzibällen dienen überwiegend der stabilisierenden Funktion des sensomotorischen Systems. Das Training der intra- und intermuskulären Koordination verbessert die Gleichgewichtsfunktion mit dem Ziel, auch bei kleinsten Abweichungen das Gleichgewicht zu erhalten.
Die Schwierigkeitsgrade der einzelnen Übungen sind unterschiedlich, sodass auch Patienten mit größeren Defiziten trainieren können. Oftmals reicht schon eine kleine Veränderung der Ausgangsposition, um eine Übung massiv zu erschweren. Nicht zu unterschätzen ist der immense Aufforderungscharakter von Pezzibällen. Viele Patienten üben freiwillig zuhause oder nehmen zusätzlich an Pezziballgruppen teil. Deshalb ist es förderlich für die Motivation, den Spaßfaktor hochzuhalten. Es hat sich als günstig erwiesen, bei Erreichen des Übungsziels sofort zu steigern.
Übungen mit höheren Schwierigkeitsgraden erscheinen im ersten Moment für manche Patienten zu schwierig zu sein. In diesen Fällen können Sie die Ausgangsstellungen schrittweise so verändern, bis die Patienten die Übungen schließlich ausführen können. Für gut trainierte Patienten können Sie sich selbstverständlich zusätzliche Steigerungsmöglichkeiten ausdenken. Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt.
1.3 Thera-Band
Die Übungen mit einem oder mehreren Thera-Bändern umfassen Kräftigungs- und Stabilisationsübungen, die je nach Zielsetzung einzusetzen sind. Da der Widerstand von Thera-Bändern progessiv ist, erhalten die Muskeln den größten Widerstand in den Endpositionen der Übungen. Der Nachteil ist, dass der Muskel in dieser Verkürzungsposition am wenigsten Kraft entwickeln kann. Thera-Bänder eignen sich daher für die Mobilisation nicht so gut.
Neben der Therapie können die Übungen mit dem Thera-Band auch gut als Eigenübungen für das Heimprogramm eingesetzt werden. Unter diesem Aspekt ergänzen sie insbesondere die Seilzugübungen gut. Die Patienten übertragen dann die Höhe des Drehpunktes des Seilzugs auf die Übungssituation zu Hause und befestigen ihr Band an einer geeigneten Stelle, z. B. einer geschlossenen Tür oder zugfesten Möbeln. Mit geringem Aufwand können die Patienten so effektiv trainieren.
1.4 Hanteln
Die Freihantelübungen umfassen überwiegend reaktive Stabilisations- und Kräftigungsübungen aus unterschiedlichen Ausgangspositionen. Um zielgerichtet bestimmte Strukturen zu trainieren, benötigt der Patient eine gute Körperwahrnehmung. Anfangs ist deshalb meistens eine kontinuierliche Rückmeldung durch den Therapeuten erforderlich, bis die Bewegungen automatisiert und Bewegungsgrenzen verinnerlicht sind. Aufgrund der Schwerkrafteinwirkung ist das Hanteltraining eine sehr alltagsorientierte und funktionelle Trainingsmethode.
1.5 Weitere Therapiegeräte
Kapitel 6 dieses Buches stellt weitere Therapiegeräte vor, die ebenfalls funktionelles Üben in vielen Varianten ermöglichen und insbesondere die Koordination und das Gleichgewicht fördern:
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Terrasensa,
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Sypoba,
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Dynair Ballkissen,
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Togu-Jumper,
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Bosu,
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Multiroll,
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MFT-Trainer,
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Kippelbrett,
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Flowin,
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Gymstick,
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Aerosling,
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Präventmed,
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Posturomed.
Bei den meisten Geräten kann der Patient nicht nur in der aufrechten Position üben, sondern in ganz unterschiedlichen Ausgangspositionen, sodass immer am individuellen Leistungslimit trainiert werden kann....
Erscheint lt. Verlag | 16.9.2020 |
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Verlagsort | Stuttgart |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Medizin / Pharmazie ► Gesundheitsfachberufe |
Schlagworte | Core-Training • funktionelles Training • Physiotherapie • Propriozeptionstrainingsgeräte • Rumpfstabilität • Stabilisationstraining • Übungen |
ISBN-10 | 3-13-243814-6 / 3132438146 |
ISBN-13 | 978-3-13-243814-9 / 9783132438149 |
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