Homöopathie und... (eBook)
424 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7519-3941-6 (ISBN)
Gabriele Steinhäuser ist Psychotherapeutin und Studierende der Homöopathie. Sie arbeitet als Niedergelassene in eigener Praxis.
Geh doch, Undine!
Ingeborg BACHMANN hat einen Text mit dem Titel "Undine geht" geschrieben, der mich, obwohl ich ihm zum Teil widersprechen möchte, doch stark anzieht. Ich bin mir nicht sicher, ob es dieser Lockruf des Muschelhorns ist: Komm, komm... oder ob es andere Gründe gibt.
Mit Ihr Menschen, ihr Ungeheuer beginnt der Text, was zu implizieren scheint, dass Undine eben kein Mensch ist. Und natürlich wird direkt gesagt, dass Menschen Ungeheuer sind. Was – manchmal – stimmt12.
Manchmal kommt Undine aus dem Wasser und begegnet einem Menschen, der unweigerlich "Hans" heißt. Sie heißen immer Hans (und sie sind immer Ungeheuer bzw. Monster).
Und mit diesem Hans rechnet Undine ab, bevor sie, wie sie glaubt, endgültig geht (ich glaube es ihr nicht, vielmehr glaube ich, dass sie es immer wieder neu versucht - bis sie womöglich einen findet, der nicht Hans heißt und nicht Hans ist).
Hans...
So heißen viele Männer, aber ich meine, so sollte kein Mann heißen. Ich kenne einen Mann, der diesen Namen abgelegt hat. Ich heiße Dieter, das ist auch nicht viel besser (am schlimmsten wäre Hans-Dieter13) und auch ich habe diesen Namen, wenn auch nur Freunden gegenüber, vor kurzem abgelegt und nenne mich Albin.
Sehen wir uns assoziativ ein paar Leute namens Hans an:
Hans...
Hänschen klein, ging allein
In die weite Welt hinein.
Stock und Hut steht im gut,
Er ist wohlgemut
Doch die Mutter weinet sehr,
Hat ja nun kein Hänschen mehr,
So besinnt sich das Kind,
Kehrt nach Haus geschwind.
Hänschen klein kehrt zurück zur Mutter. Das Weinen der Mutter ist der Lockruf, der ihn zurück bringt – in homöopathisch miasmatischen Begriffen von der Psora zurück in die Carcinosinie. Gruselig finde ich diese Vorstellung. Wohl kann ich mir eine vorübergehende Regression vorstellen und wohl kann sie auch psychisch notwendig sein, um in der Regression manche Dinge zu klären und dann sozusagen "neuen Anlauf" nehmen zu können, die Betonung liegt aber dabei auf dem Wort "vorübergehend". Wir werden sehen, dass diese Rückkehr, diese Regression viel mit dem Lockruf der Undinen zu tun hat.
Hans... im Glück
Da verdient einer so viel Gold, dass man in heutigen Begriffen von einem Monatsverdienst von ca. 20.000 $14 sprechen muss, verplempert das Ganze und kehrt zurück zur Mutter. Auch hier sehen wir die ultimative Totalregression in die Carcinosinie.
Nach Hause gehen, zurück gehen, ist ein Thema von Hans, vorzüglich zur Mutter15.
Hans...
Johannes Faustus heißt er. GOETHE nannte ihn Heinrich (womöglich um die Ähnlichkeit zu seinem ersten Vornamen ein wenig zu verschleiern? Margarete/Gretchen16 ist das Gegenstück. Ich denke, dass sich Faust lange Zeit wie ein Hans benimmt (wobei sich erst noch erschließen wird, was wir mit "Hans" meinen). An dieser Stelle kann aber bereits gesagt werden, dass Fausts Beziehung zu Margarete eben eine Hans-Beziehung war. Bei Helena wird das dann ein wenig anders, aber auch nicht grundlegend.
Andere Undinen-Assoziationen im "Faust" werden noch erwähnt werden.
Hänsel und Gretel
Da heißt der Johannes nicht einmal mehr Hans, sondern - noch geringer – Hänsel. Und Margarete heißt Gretel.
Hier haben wir anfangs nicht die Verlockung des Unbewusst-Werdens, sondern die andere Art einer problematischen Carcinosinie: den Hinauswurf. Zwar soll eine Brotspur den Weg zurück weisen, aber die Welt bemächtigt sich dieser Rückkehrgarantie.
Wissend, dass es einen Weg zurück nicht mehr gibt, werden die beiden (insbesondere Hänsel) anfällig für Verlockungen, die ähnliches versprechen: KOMM, komm, es gibt wunderbare Lebkuchen! Und nicht nur das, auch weiche Betten...
Hier ist nicht das Wasser, sondern das Feuer die schließliche Bedrohung... Gemeinsam zu den Undinen-Geschichten ist aber das Verschlungenwerden. Und hier wie dort ist Hans das primäre Opfer.
Es scheint, als sei die böse Hexe der verschlingende Aspekt der Mutter. Als die Kinder die Hexe getötet haben und nach Hause zurückkehren, ist die Mutter gestorben. Die beiden bringen kostbare Edelsteine mit zurück und Perlen. Die Edelsteine sind miasmatisch kaum einzuordnen17, die Perlen hingegen gehören irgendwie (schon vom Stoff her, der Calcium carbonicum stark ähnelt) zur Psora bzw. zum carcinosinisch-psorischen Übergang. Es ist also letztendlich doch eine Rückkehr. Gold hingegen, das vom Wert her auch zu erwarten gewesen wäre, kommt nicht vor, also keine Syphilinie, keine Befreiung.
Hans
Guck-in-die-Luft
Ich mag den "Struwwelpeter" gar nicht – wegen seiner Verachtung, seiner drakonischen Strafen und seiner gnadenlosen Moral. Das Leben ist anders (oder sollte anders sein).
Den Hans Guck-in-die-Luft mag ich hingegen irgendwie. Er hat den Kopf in den Wolken, er ist nicht so richtig von dieser (sykotischen) Welt, er geht einfach seinen Weg, auch wenn er ihm zum Verderben gereicht. Dass er einen Hund umrennt, halte ich für ein Gerücht, es sei denn, dieser Hund sei alt, taub und blind. Nun gut: er fällt ins Wasser. Sozusagen ins Reich der Undinen.
Ich finde, der Hans-guck-in-die-Luft ist kein typischer Hans. Er hält nicht fest (wie auch Hans im Glück nicht). Dennoch fehlt ihm etwas, um nicht mehr Hans zu sein. Wir hoffen, dass sich dem Leser während der Lektüre dieses Buches irgendwie erschließt, was es ist, das Hans zum Nicht-Hans macht.
Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr.
Das ist eine ziemlich gruselige Formulierung, die ich der schwarzen Pädagogik zuordnen möchte. Wer diesen Ratschlag in der Erziehung befolgt, sorgt dafür, dass gewiss Hänschen zum Hans wird.
Und überdies stimmt es nicht. Wir können lebenslang lernen. Wir können sogar lernen, nicht mehr Hans zu sein.
Trotzdem bleiben wir unvollkommen.
Die Lockung der Undine – der Ton des Muschelhorns – ist es, der den Menschen (den Mann – nur den Mann?) zu ihr treibt. Eine Sehnsucht wird dadurch fühlbar, deren Inhalt gar nicht so klar formuliert werden kann: KOMM!
Die andere Sehnsucht ist die von Undine nach der Menschenwelt (was in ANDERSENs "kleiner Seejungfrau" sehr deutlich wird, aber auch hier bei Ingeborg BACHMANN).
Vielleicht ist es nur möglich, sich zu treffen, wenn die eine Bewegungsrichtung der anderen irgendwie entspricht.
Wenn ihr Undinen uns Männer ins Wasser ziehen wollt, wo wir entweder ertrinken oder uns wie Homunkulus auflösen (oder wo noch etwas ganz anderes passiert), dann mag das wohl eine gewisse Anziehungskraft haben, einer gewissen Sehnsucht entsprechen (spätestens seit FREUD wissen wir, dass die Selbstauflösung auch ein Attraktor ist), aber mit dieser Anziehungskraft ist auch eine (meist größere) Angst verbunden. Könnt ihr das verstehen?
Und, Undine, wenn du diese Angst verstehen kannst, warum verunglimpfst Du uns dann für unser Festhalten? Schließlich können wir nicht wirklich wissen, wohin uns dieses "KOMM!" führen wird. Du sagst es uns ja nicht, sondern Du lockst nur. Wir müssen es selbst herausfinden, und sei es durch die Selbstauflösung.
Oder geschieht eben das, was wir wollen? Oder eben das, wovor wir die größte Angst haben?
Zieht ihr uns herab oder kommt ihr zu uns nach oben aus dem Wasser? Auf den ersten Blick scheint das "Oben und Unten" recht schnell geklärt. Wasser ist gegenüber dem Land immer unten. Entspricht dem auch eine Ordnung innerhalb des Psychischen? Seid ihr uns Männern (selbst wenn wir Hans heißen) unterlegen, vertretet ihr eine minderwertige psychische Funktion – wie manchmal behauptet wurde? Und wir, die wir Hans heißen, die höherwertige, die Ratio? Ist es so, dass Männer für die Rationalität zuständig sind und Frauen (besonders Undinen) für das Gefühl? Welchen Blödsinn müssen wir beide sonst noch ertragen?
Aber du, Undine von Ingeborg, du gehst noch weiter. Du sprichst auch von unseren Frauen und du siehst auch sie als Ungeheuer. Ja, du sagst nicht "Ihr Männer! Ihr Ungeheuer", sondern "Ihr Menschen! Ihr Ungeheuer!".
Daran ist etwas. Wir haben uns – ob Männer oder Frauen – eingerichtet, irgendwie in einem (sykotischen) Kompromiss eingerichtet. Wir sind nicht perfekt (und ehrlich gesagt, ich möchte es auch nicht sein).
Und dann kommst du... mit deinem Muschelton... der für uns stehen kann, für all das, was wir nicht leben, nicht nur wegen des Kompromisses, sondern weil es einfach nicht geht, alles zu leben, was an Möglichkeiten in uns steckt. Die Verführung des ganz Anderen, des Ungelebten, ist das. Irgendwann merken wir aber, dass wir dafür alles loslassen müssten, was wir bisher kennen. Dass wir "entwerden" müssten.
Du nimmst uns dieses sykotische Verhaftetsein übel. Und du hast aus deiner Sicht Recht damit. Wir nehmen es uns ja...
Erscheint lt. Verlag | 30.4.2020 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Medizin / Pharmazie ► Naturheilkunde |
ISBN-10 | 3-7519-3941-5 / 3751939415 |
ISBN-13 | 978-3-7519-3941-6 / 9783751939416 |
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