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Die Experimentiergesellschaft (eBook)

Soziale Innovationen durch angewandte Psychologie
eBook Download: EPUB
2019 | 1. Auflage
344 Seiten
Rowohlt Verlag GmbH
978-3-688-11799-4 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Experimentiergesellschaft -  Hans Jürgen Eysenck
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Mit Methoden der Verhaltenspsychologie formuliert Hans Jürgen Eysenck eine Persönlichkeitstheorie, der das frappierend einfache wie bestechend schlüssige Einteilungsprinzip in Extravertierte und Introvertierte zugrundeliegt. Wie diese beiden Persönlichkeitstypen in konkreten, alltagsnahen Situationen reagieren, wie z. B. ein Wähler politisch oft ganz anders eingestellt ist als die Partei seiner Wahl, wie solche Zusammenhänge experimentell erfaßt und wissenschaftlich erklärt werden können, das zeigt Eysenck in sieben Kapiteln, die jeweils einem Fragenkomplex gewidmet sind. Darüber hinaus fordert Eysenck: mehr Experimente, mehr experimentelle Erforschung von Persönlichkeitsstruktur und Persönlichkeitseigenschaften, Umwelteinflüssen und ihres Feedbacks. Städte sollen nicht nur gebaut, sondern auch die Rückwirkung der Architektur auf die dort lebenden Menschen experimentell untersucht und für neue Entwürfe genutzt werden. Erst wenn wir zu einer Gesellschaft geworden sind, in der solchen Experimenten politische Priorität eingeräumt wird, erst wenn wir uns als eine «Experimentiergesellschaft» verstehen, werden wir fähig sein, die Probleme unserer Zeit zu lösen.

Hans-Jürgen Eysenck (1916 - 1997) lehrte als Professor für Psychologie an der Universität London und gilt als einer der führenden Repräsentanten naturwissenschaftlich-experimentell orientierter Psychologie des 20. Jahrhunderts.

Hans-Jürgen Eysenck (1916 - 1997) lehrte als Professor für Psychologie an der Universität London und gilt als einer der führenden Repräsentanten naturwissenschaftlich-experimentell orientierter Psychologie des 20. Jahrhunderts.

Einleitung


Dieses Buch könnte auch den Titel Die gesellschaftlichen Konsequenzen der modernen Psychologie tragen, denn die Psychologie ist eine Sozialwissenschaft, und wenn ihre Erkenntnisse einen Wert haben, so müssen sie auf die gesellschaftlichen Probleme unserer Zeit anwendbar sein. Allerdings sind die Sozialwissenschaften in ihren Möglichkeiten überbewertet worden: Ihr Einfluß auf Kriege und deren Verhütung, auf soziale Unruhen, Streiks und andere Konflikte ist in Wirklichkeit gering. Der übertriebene Anspruch, alle gesellschaftlichen Schwierigkeiten lösen zu können, hat die Psychologie und mit ihr die Psychoanalyse in ein Zwielicht gerückt und allgemein das Urteil entstehen lassen, daß die Gesellschaft von ihr nichts lernen kann. Ich meine, daß das nicht den Tatsachen entspricht. Die Psychologie hat in den letzten fünfzig Jahren neue Methoden erarbeitet und kann auf zahlreiche Fragen zumindest ungefähre Antworten geben. Mit einigen dieser Fragen und Antworten beschäftigt sich dieses Buch. Ob dieser Anspruch übertrieben ist, sei dem Urteil des Lesers überlassen. Da es so viele unterschiedliche Meinungen gibt, ist natürlich Vorsicht jeder einzelnen gegenüber geboten.

In Kapitel 1 (Ratte oder Couch?) soll ein Paradoxon der modernen Psychologie untersucht werden. Die Experimentalpsychologen wenden exakte wissenschaftliche Methoden auf Probleme an, die vielen trivial und steril erscheinen, während die Sozialpsychologen, Psychiater und Psychoanalytiker offenbar wichtige und gesellschaftlich relevante Probleme untersuchen, dies aber mit Methoden und Theorien tun, deren wissenschaftlicher Ernst zumindest bezweifelt werden kann. Ich werde versuchen klarzustellen, daß dieser Konflikt künstlich und überflüssig ist und daß es Konzepte gibt, in denen sich die wichtigen sozialen Aufgaben unserer Zeit mit exakten wissenschaftlichen Methoden verbinden lassen. Ein solches Konzept ist die Persönlichkeitstheorie. Ohne sie an dieser Stelle näher erläutern zu wollen, wird der Leser in ihr meine Lösung für das Paradoxon der modernen Psychologie kennenlernen und ihre Anwendbarkeit beurteilen können.

In Kapitel 2 (Sexualität und Persönlichkeit) werde ich ein anderes Problem, das mich seit geraumer Zeit beschäftigt und das ich vielfach bereits untersucht habe, behandeln: die Beziehung zwischen Persönlichkeit und Sexualität. Zur Erläuterung meiner Thesen im ersten Kapitel hätte ich an sich viele andere Beispiele wählen können, doch da ich auf diesem Gebiet neue empirische Ergebnisse erzielt habe, halte ich es für angebracht, hierüber zu berichten.

Das gleiche Thema wird auch in Kapitel 6 (Wege und Abwege der Pornographie) im Mittelpunkt stehen. Dabei liegt es mir fern, die umfangreichen Darlegungen von Politikern, Juristen, Schriftstellern und Wissenschaftlern verschiedener Disziplinen zu wiederholen, die, oft ohne auch nur einen Schimmer psychologischer Kenntnisse zu haben, über ein psychologisches Thema wie dieses schreiben. Meine Ausführungen beruhen allein auf empirischen Untersuchungen, deren Existenz gerade von ihnen vielfach bestritten wird. Es gehört zu den Ungereimtheiten des modernen Lebens, daß Leute ohne jede Fachkenntnis ein Publikum finden für Veröffentlichungen, die bemerkenswert nur durch das Ausmaß ihrer Borniertheit sind.

Kapitel 3 (Methoden der Verhaltensmodifikation in Psychiatrie und Erziehung) beschäftigt sich mit verhaltenspsychologischen Methoden und ihrer Anwendung auf verschiedene Bereiche. Hier versuche ich zu beweisen, daß die Psychologie bereits genügend fortgeschritten ist, um verschiedene Aufgaben in der Pädagogik, der psychischen Hygiene, der Kriminologie und auf anderen Gebieten zu lösen.

Kapitel 4 (Aufstieg der Mittelmäßigkeit) enthält die wesentlich erweiterte Fassung meines Aufsatzes über das Problem der intellektuellen Elite, ihrer Auswahl und Erziehung, den ich erstmals in den Black Paper on Education veröffentlicht habe. Die einen rufen nach der Mittelmäßigkeit, die anderen nach der Elite, und ich versuche, einen Weg zwischen beiden aufzuzeigen, und auf Fakten aufmerksam zu machen, die häufig übersehen werden.

Kapitel 5 (Das Paradoxon des Sozialismus: soziale Einstellung und soziale Schicht) setzt sich mit sozialen Ansichten und ihrer Bewertung auseinander und mit dem politischen Paradoxon, das daraus entsteht. Die Spitzen der beiden großen politischen Parteien Englands scheinen Standpunkte zu vertreten und zu propagieren, die nicht von ihren eigenen Wählern, sondern von denen ihrer Gegner geteilt werden. Konservative Politiker vertreten die Ansichten von Labour-Wählern aus der Arbeiterschicht, und Labour-Politiker vertreten Ansichten von konservativen Wählern aus der Mittelschicht. Die Folgen dieses tragikomischen Durcheinander werden ausführlich behandelt.

Kapitel 7 (Schießen Sie nicht auf den Verhaltenspsychologen: Er tut sein Bestes!) schließlich beschäftigt sich mit häufig vorgebrachten Einwänden gegen die wissenschaftliche Psychologie im allgemeinen und die Verhaltenspsychologie im besonderen. Ich versuche zu zeigen, daß diese Einwände weitgehend auf einem Mißverständnis beruhen.

Die einzelnen Kapitel erscheinen nicht nur unzusammenhängend, sondern jedes einzelne Kapitel ist auch weitgehend in sich abgeschlossen und kann für sich allein – und mit Gewinn – gelesen werden. Doch durch alle Kapitel ziehen sich wie ein roter Faden einige Gedanken, auf die ich kurz hinweisen möchte. Meiner ersten These zufolge ist es notwendig, gesellschaftliche Probleme wissenschaftlich zu untersuchen. Lösungen, die nicht auf wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhen, sondern auf Vermutungen, Vorurteilen oder politischen Zweckmäßigkeiten, werden kaum von dauerndem Nutzen sein. Man glaubt allgemein, daß wir schon viel zuviel Wissenschaft haben, aber das ist ein Irrtum. Wir leiden nicht daran, zuviel, sondern zuwenig zu wissen. Zudem sind unsere Kenntnisse einseitig. Unser Wissen ist heute im Bereich der Physik fast vollkommen, im Bereich der Biologie befriedigend, im Bereich der Psychologie aber fast gleich null. So werden die positiven Auswirkungen unserer wissenschaftlichen Erkenntnisse auf anderen Gebieten kompensiert durch unsere Unfähigkeit, diese Kenntnisse weise, d.h. psychologisch richtig, anzuwenden. Viele Leser werden mit mir der Ansicht sein, daß unser christliches und humanes Selbstverständnis schwer belastet wurde, als am Ende des Zweiten Weltkriegs ohne Warnung in Japan Atombomben auf Zivilisten, Frauen und Kinder abgeworfen wurden. Man hat dafür die Wissenschaftler verantwortlich gemacht, die die Bombe erfunden und konstruiert haben. Doch nicht sie, sondern die Politiker und das führende Militär hatten entschieden, Hiroshima und Nagasaki als Testgebiet für ihr neues Spielzeug zu benutzen. Wissenschaftler versuchten vergeblich, den Mord zu verhindern. Wer diese verwickelten Zusammenhänge eingehender studieren will, dem sei das Buch von Nuel Pharr Davis Die Bombe war ihr Schicksal zur Lektüre empfohlen. Darin zeigen sich die Wissenschaftler keineswegs als Heilige, sondern nur als Menschen mit den gleichen ethischen Skrupeln wie ihre Kritiker. Die Verbrecher sind Politiker und Generäle, eiskalt und nur auf Erfolg bedacht in ihrer erbärmlichen Kurzsichtigkeit. Sie haben die Erfindung für ihre eigenen egoistischen und unmenschlichen Ziele pervertiert. Und sie waren es, die auf Umwegen, durch Drohungen und glatte Lügen, die moralischen Bedenken einiger Wissenschaftler hintergingen und sie zu Komplicen ihrer mörderischen Tat machten. Es wäre zu wünschen, daß dieser Sachverhalt weithin bekannt wird und daß endlich diejenigen dafür verantwortlich gemacht werden, die dafür verantwortlich sind.

Ich werde viele Beispiele dafür bringen, daß die psychologische Forschung – wie gesagt – genügend fortgeschritten ist, um die Lösung gesellschaftlicher Probleme zu ermöglichen. Wenn eine Regierung für solche Untersuchungen ungefähr ebensoviel Mittel aufwenden würde wie für die Kernphysik, zweifle ich nicht daran, daß in relativ kurzer Zeit weit eindrucksvollere Ergebnisse erzielt würden. Ich werde aber auch Gründe anführen, warum ein solcher glücklicher Zustand kaum Wirklichkeit werden dürfte, denn die politischen Mächte sehen in der Psychologie eher einen störenden Rivalen als einen nützlichen Helfer. Vielleicht läßt sich mit der Zeit dieser tiefsitzende Argwohn überwinden. Wir müssen abwarten.

Meine zweite Behauptung ist, daß eine Hoffnung auf allgemeine, universalgültige Lösungen für viele unserer Probleme verfehlt ist. Da es tiefwurzelnde Persönlichkeitsunterschiede zwischen den Menschen gibt, müssen solche individuellen Unterschiede berücksichtigt werden. Sexuelle Normen, die für den Introvertierten annehmbar sind, werden zum Beispiel von dem Extravertierten nicht gleichermaßen akzeptiert. Ich habe eine meiner wichtigsten Aufgaben als Psychologe darin gesehen, auf die Bedeutung dieser Persönlichkeitsfaktoren hinzuweisen und sie wissenschaftlichen Messungen und Untersuchungen zugänglich zu machen. Die Ergebnisse, die bis heute erzielt wurden, zeigen eindeutig, von welch enormer Wichtigkeit sie sind, zumal sie auf genetischen Unterschieden in der Struktur und Funktion des Gehirns beruhen, und zwar des Stammhirns, des Hinterhirns und des Kortex. Experimentalpsychologen sind selten geneigt, die Existenz individueller Unterschiede zu akzeptieren oder zuzugeben, daß sie ein lohnendes wissenschaftliches Forschungsbebiet darstellen. Doch selbst in der experimentellen Psychologie habe ich beweisen können, daß diese Ansicht falsch und kurzsichtig ist und daß die Menschen bei vielen Labortests sehr unterschiedlich auf identische Reize reagieren, je...

Erscheint lt. Verlag 16.4.2019
Übersetzer Irmela Brender
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften
Medizin / Pharmazie Medizinische Fachgebiete Psychiatrie / Psychotherapie
Schlagworte Entscheidungsgrundlagen • Innovationen • Persönlichkeitsdimensionen • Psychoanalyse
ISBN-10 3-688-11799-9 / 3688117999
ISBN-13 978-3-688-11799-4 / 9783688117994
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