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Sterben in Verbundenheit (eBook)

Einblicke in die palliative Versorgung und Begleitung in Deutschland
eBook Download: EPUB
2019 | 1. Auflage
180 Seiten
medhochzwei Verlag
978-3-86216-418-9 (ISBN)

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Sterben in Verbundenheit -
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Zuhause sterben oder im Krankenhaus? Immer noch herrscht in Deutschland ein deutliches Auseinanderklaffen zwischen dem Wunsch nach einem Sterben im Kreis der Familie und der tatsächlichen Realität, nämlich im Krankenhaus zu sterben. In diesem Buch werden neueste empirische Daten über die Versorgungs- und Sorgepräferenzen in der Bevölkerung präsentiert und brisante Daten der gesetzlichen Krankenversicherung aufbereitet, die die Finanzströme in den letzten Lebensmonaten abbilden. Verbunden werden diese empirischen Daten mit Einblicken in die Wirklichkeit des Sterbens in Haushalten und einer Good Practice, aus der für hoffentlich viele Next Practice wird, wenn sie die Ideen aufgreifen: Kommunen, Pflegedienste, Hausärzte und Krankenkassen.

1 Palliative Versorgung und Begleitung in Deutschland: Studienergebnisse, Einblicke, Kommentare


1.1 Zuhause sterben: Einstellungen und Beobachtungen der Bevölkerung


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Überlegungen, wie die letzte Phase des eigenen Lebens aussehen soll und in welchem Umfeld man sterben möchte, werden heute weitaus häufiger angestellt als noch vor einigen Jahrzehnten. Öffentliche und private Erörterungen des Themas nehmen zu, und immer mehr Menschen sehen sich veranlasst, für den Fall der Entscheidungsunfähigkeit festzulegen, wie ihre Behandlung in der letzten Lebensphase aussehen soll. Inzwischen haben 25 % der deutschen Bevölkerung eine Patientenverfügung verfasst, von den 60-Jährigen und Älteren sogar 49 %.7 2009 hatten in dieser Altersgruppe erst 30 % eine entsprechende Verfügung erstellt.8 Teil solcher Verfügungen sind in der Regel auch Bestimmungen des Ortes, an dem man sterben möchte. In den Textbausteinen der Muster-Patientenverfügung des Bundesjustizministeriums wird z. B. eine Entscheidung zwischen dem Sterben im Krankenhaus, dem Sterben im Hospiz oder dem Sterben zuhause bzw. in vertrauter Umgebung nahegelegt.9

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Schon in früheren Befragungen wurde für diese Frage eine klare Präferenz festgestellt; nur eine Minderheit wollte danach im Krankenhaus sterben, eine deutliche Mehrheit der Bevölkerung aber in der eigenen Wohnung.10 Die Realität sieht vorerst jedoch anders aus: 2013 verstarben 900.000 Menschen in Deutschland, davon nach Schätzungen über drei Viertel im Krankenhaus oder im Alten- bzw. Pflegeheim. Nur etwa jede(r) Fünfte starb danach in der eigenen Wohnung.11

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Der Grundsatz „ambulant vor stationär“, der den Aufbau der Pflegeversicherung bestimmte, wird in der letzten Phase des Lebens also trotz der gegenläufigen Wünsche der meisten Betroffenen nicht immer verwirklicht. Auch wenn über 70 % der Pflegepatienten im heimischen Umfeld gepflegt werden,12 kommen viele für die letzten Tage oder Wochen ihres Lebens dann in ein Krankenhaus oder in ein Pflegeheim. Die Entscheidung dazu wird jedoch weniger von den Gepflegten selbst getroffen, sondern eher von den pflegenden Angehörigen und vom Hausarzt bzw. vom Notarzt, der bei einer Komplikation gerufen wird.

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Um die Möglichkeiten für ein Sterben im heimischen Umfeld zu verbessern, wurde 2007 die spezialisierte ambulante Palliativversorgung eingeführt. 2015 wurde die allgemeine ambulante Palliativversorgung gesetzlich noch etwas besser geregelt.13 Diese Form der Versorgung richtet sich an Patienten mit eng begrenzter Lebenserwartung, die zu Hause sterben möchten. Schmerzen, Atemnot und andere Beschwerden werden dabei so gut wie möglich gelindert. Neben angemessener ärztlicher Versorgung, Pflege und Information, auch über ein Notruf-Telefon, bietet die palliative Versorgung psychologische, soziale und spirituelle Unterstützung an. Dadurch soll nicht allein den Kranken geholfen werden, sondern auch den pflegenden Angehörigen und Freunden.14

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Obwohl alle Mitglieder gesetzlicher Krankenversicherungen für ihre letzten Lebenstage ein Anrecht auf eine solche Palliativversorgung haben, wird die Möglichkeit bis jetzt noch wenig genutzt15, auch weil es vorerst nur ein überschaubares Angebot von „Versorgungsnetzen“ mit besonders qualifizierten Ärzten sowie Pflege- und Betreuungskräften gibt.16

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Allerdings werden die Bedingungen für das Sterben zuhause nicht allein durch diese medizinisch-pflegerische Infrastruktur und die Verfahrensvorschriften, etwa für Notärzte, bestimmt. Entscheidend dafür, dass ein Mensch seinem Wunsch entsprechend im häuslichen Umfeld sterben kann, ist in der Regel auch die Bereitschaft der Pflegenden, den Gepflegten bis zu dessen Lebensende im heimischen Umfeld zu betreuen. In der großen Mehrheit der Fälle handelt es sich bei diesen Pflegenden um enge Angehörige des Gepflegten, zuweilen auch um Freunde, Nachbarn und Bekannte.

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Von daher stellt sich die bislang noch zu wenig erforschte Frage nach den Einstellungen der Bevölkerung und insbesondere der pflegenden Angehörigen zum häuslichen Sterben: Ergibt sich die häufige Verlegung von Sterbenden in das Krankenhaus vielleicht aus einer grundsätzlichen Skepsis gegenüber dem Sterben im häuslichen Umfeld? Welche Erfahrungen hat man gemacht, wenn Angehörige oder Freunde in der eigenen Wohnung starben? Wie sahen die Erfahrungen mit Todesfällen im Krankenhaus oder im Pflegeheim aus? Was hätte man sich jeweils anders gewünscht? Wer wäre grundsätzlich bereit, einen schwerstkranken Angehörigen oder Freund bis zu dessen Tod zu pflegen? In wieweit würde man sich durch eine solche Pflege überfordert fühlen? Inwieweit hätte man Angst, dabei etwas falsch zu machen?

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Diese Leitfragen wurden durch das Institut für Demoskopie Allensbach untersucht. Im Rahmen einer repräsentativen mündlich-persönlichen Bevölkerungsumfrage wurden dafür im Juli 2016 insgesamt 1.466 Personen ab 16 Jahren befragt, darunter 113 Personen, die derzeit Angehörige pflegen sowie 727 Personen, die schon einmal das Sterben von Angehörigen oder Freunden miterlebt haben.

1.1.1 Einstellungen zum Sterben zuhause


20

Tod und Sterben gehören für die Bevölkerung zu den Themen, die zwar nicht ständig präsent sind, die aber ebenso wenig vollständig ausgeblendet werden. Nur 12 % unterhalten sich öfter darüber, nur 13 % ignorieren das Thema zur Gänze. Die große Mehrzahl unterhält sich gelegentlich (29 %) oder zumindest selten (45 %) über den Tod und das Sterben: Damit ist die verbreitete Haltung in der Bevölkerung viel „natürlicher“ als oft angenommen. Meist von vollständiger „Verdrängung“ ebenso weit entfernt wie von der zuweilen auch angenommenen „Fixierung“ auf solche Fragen. Bestimmt wird die Häufigkeit derartiger Gespräche vom Alter der Befragten und – eng damit zusammenhängend – von ihren Erfahrungen mit dem Sterben von Angehörigen und Freunden. Andere Faktoren, wie etwa die soziale Schicht oder die Zugehörigkeit zu bestimmten sozialen Gruppen, wirken sich dagegen nur wenig auf die Häufigkeit solcher Gespräche aus.

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Dementsprechend haben vier von fünf Befragten Idealvorstellungen über das eigene Sterben oder das Sterben von Angehörigen. Auf Fragen, wo sie selbst einmal am liebsten sterben würden bzw. welchen Ort sie nahen Angehörigen zum Sterben wünschen, antworten 60 % der Deutschen: zuhause. 16 % würden am liebsten einmal in einem Hospiz sterben, 4 % im Krankenhaus und nur 2 % in einem Alten- oder Pflegeheim.17 Lediglich 19 % fühlen sich überfragt, Ostdeutsche (26 %) etwas häufiger als Westdeutsche (17 %; siehe Abb. 1).

Abb. 1:

Wünsche für das Sterben

Quelle: Allensbacher Archiv, IfD-Umfrage 11058, Juli 2016.

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Von den pflegenden Angehörigen, die in deutlicher Mehrzahl ihre Eltern oder ihren Partner zuhause versorgen, wünschen sich sogar 76 %, dass sie selbst oder auch ihre Angehörigen zuhause sterben können. Der nicht seltene Abbruch der häuslichen Pflege durch die Verlegung der Sterbenden in das Krankenhaus oder ins Heim unterscheidet sich also stark von den Wünschen der Pflegenden.

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Die klare Präferenz für das Sterben zuhause wird von fast allen Bevölkerungsgruppen geteilt. Personen mit hohem sozialem Status (60 %) hegen solche Wünsche nicht viel seltener als Personen mit einfachem Status (62 %). Unterdurchschnittlich viele Wünsche nach einem Sterben im häuslichen Umfeld gibt es am ehesten unter älteren Kinderlosen (53 %), die bei solchen Überlegungen offenbar schon die Probleme bei Pflege und Versorgung miteinbeziehen, wenn keine Kinder zur Versorgung mit herangezogen werden können. Von ihnen fänden es 21 % am besten, später einmal im Hospiz zu sterben.

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Auch graduelle Stadt-Land-Unterschiede lassen sich beobachten: Während in ländlichen Regionen das eher traditionelle Sterben zuhause von 66 % gewünscht wird, haben in Großstädten nur 54 % solche Idealvorstellungen. Neben der unterschiedlichen Traditionsgebundenheit dürfte dabei auch die Verfügbarkeit der noch am meisten gewünschten Alternative Hospiz eine Rolle spielen: Während in den Großstädten 18 % ein Sterben im Hospiz präferieren, tun das in den mit entsprechenden Einrichtungen schwächer versorgten ländlichen Regionen nur 12 %.

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Nur in einer einzigen Analysegruppe zeigt sich keine dominierende Präferenz für das Sterben zuhause: Bei jenen, die zuletzt das Sterben eines Angehörigen oder eines Freundes im Hospiz begleitet haben. Von ihnen würden sich lediglich 40 % wünschen, zuhause zu sterben, 44 % könnten sich gut vorstellen, später ebenfalls in einem Hospiz zu sterben (siehe Tab. 1).

Tab. 1:

Der angenehmste Ort, um zu sterben

Frage: „Im Allgemeinen denkt man darüber ja nicht nach: Aber was glauben Sie, welches ist der angenehmste Ort, um zu sterben, was würden Sie sich für sich bzw. nahe Angehörige wünschen: Zuhause, in einem Krankenhaus, in einem Alten- bzw. Pflegeheim, in einem Hospiz oder wo...

Erscheint lt. Verlag 18.3.2019
Reihe/Serie Gesundheitswesen in der Praxis
Verlagsort Heidelberg
Sprache deutsch
Themenwelt Medizin / Pharmazie Allgemeines / Lexika
Schlagworte Caring Communities • Hausärzte • Hospizarbeit • Hospiz- und Palliativgesetz • Medizin • Palliative Care • Pflege • Versorgung Strebender
ISBN-10 3-86216-418-7 / 3862164187
ISBN-13 978-3-86216-418-9 / 9783862164189
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