Nicht aus der Schweiz? Besuchen Sie lehmanns.de
Holzbein und Eisenhand - Mareike Heide

Holzbein und Eisenhand

Prothesen in der Frühen Neuzeit

(Autor)

Buch | Softcover
384 Seiten
2019
Campus (Verlag)
978-3-593-51036-1 (ISBN)
CHF 68,60 inkl. MwSt
Wie lief das Leben mit Prothesen in der Frühen Neuzeit ab? Wer erstellte die künstlichen Leibesglieder, wie funktionierten sie? Mareike Heide geht in ihrer Studie von den handwerklichen Objekten selbst aus, die als funktionaler und ästhetischer Ersatz dienten, und gelangt dadurch zu einer neuen Interpretation des durch Krankheit oder Amputation versehrten Körpers der Frühen Neuzeit: Wurden Prothesen und deren Träger in öffentlicher Inszenierung als Symbole von Hilfsbedürftigkeit und Kuriosität negativ instrumentalisiert, so verschwand die Versehrung im institutionellen Umfeld hinter der Prothese und konnte zur sozialen Rehabilitierung beitragen.
Wie lief das Leben mit Prothesen in der Frühen Neuzeit ab? Wer erstellte die künstlichen Leibesglieder, wie funktionierten sie? Mareike Heide geht in ihrer Studie von den handwerklichen Objekten selbst aus, die als funktionaler und ästhetischer Ersatz dienten, und gelangt dadurch zu einer neuen Interpretation des durch Krankheit oder Amputation versehrten Körpers der Frühen Neuzeit: Wurden Prothesen und deren Träger in öffentlicher Inszenierung als Symbole von Hilfsbedürftigkeit und Kuriosität negativ instrumentalisiert, so verschwand die Versehrung im institutionellen Umfeld hinter der Prothese und konnte zur sozialen Rehabilitierung beitragen.

Mareike Heide studierte Geschichte und Politikwissenschaften an der Universität Hamburg.

1. Einleitung 9
1.1 Relevanz und Fragestellung 9
1.2 Stand der Forschung 13
1.3 Vorgehensweise 20
1.4 Quellenlage und methodische Hinweise 23
2. Grundlagen und Vorannahmen 27
2.1 Körpergeschichte und Dis/ability History – Grundlagen und Methode 27
2.1.1 Der Körper als analytische Kategorie 28
2.1.2 Behinderung als analytische Kategorie 33
2.1.3 Der material culture-Ansatz 38
2.1.4 Zusammenfassung der Methode 45
2.2 Der Körper in der Frühen Neuzeit 46
2.2.1 Säfte, Maschinen, Organismen – Medizin und medizinische Modelle in der Frühen Neuzeit 46
2.2.2 Der Blick auf den Körper in der Frühen Neuzeit 54
2.3 Der versehrte Körper in der Frühen Neuzeit 70
2.3.1 Abgehauen, abgeschnitten, abgefallen – Gründe
für Versehrtheit in der Frühen Neuzeit 70
2.3.2 Die Amputation – ein Schreckensszenario 75
2.3.3 Der Blick auf den »imperfekten« Körper in der Frühen Neuzeit 81
2.4 Der Körper und der versehrte Körper aus religiöser Perspektive – Gottes Ebenbild und Caritas 93
3. Prothesen und Prothesenträger in der Frühen Neuzeit 107
3.1 Prothesen in der Frühen Neuzeit 107
3.1.1 Wer, wie was – Zu Herstellern und Herstellung, Trägern und Kosten von Prothesen 109
3.1.2 Holzbein und Eisenhand – die Prothesen der Frühen Neuzeit 133
3.1.3 Durchs Leben hinken? Das Leben mit Prothese 179
3.2 Der Blick des Professionellen – Prothesen und Prothesenträger aus ärztlicher Sicht 197
3.2.1 Der Stellenwert von Prothetik in medizinisch-chirurgischen Schriften 197
3.2.2 Alles für die Schönheit? Wie frühneuzeitliche Chirurgen die Prothetik beurteilten 218
3.2.3 Plastische Chirurgie – eine (gewünschte) Alternative? 237
Exkurs: Knochen als natürliche Prothese? Christian d. J. von Braunschweig-Wolfenbüttel
und sein verlorener linker Arm 252
3.2.4 Zusammenfassung – Prothesen und Prothesenträger in frühneuzeitlichen chirurgischen Schriften 258
3.3 Prothesen und Prothesenträger im öffentlich-gesellschaftlichen und institutionellen Kontext 260
3.3.1 Öffentlich-gesellschaftliche Konstruktionen 262
3.3.2 Der Umgang mit Prothesenträgern in Institutionen und Gesellschaft
der Frühen Neuzeit 298
3.3.3 Zusammenfassung und Ausblick – Prothesenträger in öffentlich-gesellschaftlicher
Konstruktion und im institutionellen Kontext 331
4. Fazit: Holzbein und Eisenhand – Prothesen und Prothesenträger in der Frühen Neuzeit 335
5. Quellen- und Literaturverzeichnis 347
5.1 Quellenverzeichnis 347
5.1.1 Archivalien 347
5.1.2 Gedruckte Quellen 358
5.1.3 Editionen und Quellensammlungen 362
5.2 Forschungsliteratur 363
Danksagung 382

1. Einleitung 1.1 Relevanz und Fragestellung »Das habe ich noch nie gehört. Wie kommt man dazu?«. »Interessant. Wieso beschäftigt man sich mit so einem ernsten Thema, wenn man nicht selbst betroffen ist?«. »Wie sind Sie denn darauf gekommen?« – Dies sind nur einige der frequently asked questions, wenn man sich der Disability History widmet. Dem ist entgegenzuhalten, dass Behinderung (und vor allem auch der Umgang damit) ein Thema ist, das die gesamte Gesellschaft etwas angeht – ob man selbst davon betroffen ist oder nicht. Zu betonen ist auch, dass Behinderung nicht gleich Behinderung ist. Inzwischen ist man zu der Erkenntnis gekommen, dass dieser Zuschreibung ein hoch komplexer und von vielen Einflüssen bestimmter, konstruktivistischer Prozess vorausgeht. Und dass Behinderung potentiell jeden betreffen kann. Doch in der Vorstellung vieler Menschen ist Behinderung »zu weit weg«, als dass sie Anlass hätten, sich damit auseinander zu setzen – oft wollen sie es auch bewusst nicht. Dabei leben wir in einer Zeit, in der Inklusion immer öfter thematisiert und eingefordert wird. 2008 trat die sogenannte Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen (UN) in Kraft, 2010 verabschiedete die Europäische Kommission die sogenannte »Strategie zugunsten von Menschen mit Behinderung 2010–2020«, um den in der UN-Konvention festgelegten Zielen eine konkrete Handlungsstrategie beizugeben. Ein Jahr vor Ablauf der definierten Frist zur Umsetzung ist allerdings noch wenig passiert. Weder konnte das Europäische Gesetz zur Barrierefreiheit er-folgreich auf den Weg gebracht werden, noch gab es Fortschritte hinsichtlich der Einführung eines EU-Behindertenausweises. Es bedarf noch wesentlich größerer Öffentlichkeit für das Thema Behinderung, um auch politisch mehr bewegen zu können. Sport erweist sich in diesem Zusammenhang als ein wertvoller Mittler. Mit der im letzten Jahrzehnt immer größer werdenden Popularität der Paralympischen Spiele erhielt auch das Thema Behinderung im Allgemeinen eine weitere wirkungsvolle Plattform, um noch immer existierende gesellschaftliche und strukturelle Probleme im Umgang mit Menschen mit Behinderung zu thematisieren. Die gestiegene Bekanntheit des Behindertensports spiegelt sich auch in der intensiveren Berichterstattung wider, in der auch das Leben und die Schicksale der Parasportler thematisiert werden. So erhalten auch mehr Menschen ohne Behinderung durch den Mittler Sport Einblick in die Lebensrealitäten von Menschen mit Behinderung. In Interviews und Print- sowie Fernsehberichten wird thematisiert, wie jemand mit seiner Behinderung aufwuchs oder nach einem Unfall mit seiner Behinderung zu leben lernte, welchen Hindernissen und Vorurteilen Betroffene gegenüber standen und stehen oder sogar, ob diese Person jemals mit seinem Schicksal haderte. Das Thema Prothesen oder prothetische Hilfsmittel wird dabei regelmäßig angesprochen: Ob es um die Frage geht, wie ein Hilfsmittel die eigene Wahrnehmung vom Grad der Beeinträchtigung beeinflussen kann – so berichtet Paralympicssiegerin Andrea Eskau beispielsweise: »Mit dem Handbike fühle ich mich gleichberechtigt. Damit kann ich alles alleine machen […]. Mit dem Schlitten bekomme ich sehr oft meine Unfähigkeit präsentiert.« – oder aber die Frage, inwieweit eine Prothese ihrem Träger Vorteile gegenüber Menschen ohne Behinderung verschafft, wie es im Fall der Teilnahme Oscar Pistorius’ an den Olympischen Spielen lange diskutiert wurde. So wird durch den Parasport zunehmend auch in der Öffentlichkeit präsent, was vor den 2000er Jahren meist nur für Betroffene und deren Angehörige bekannt war und sie beschäftigte. Dies ist ein wichtiger Schritt zu einer besseren Einbeziehung von Menschen mit Behinderung in der Gesellschaft. Dabei spielen Toleranz, Respekt und Akzeptanz auf beiden Seiten eine große Rolle. Persönliche Erfolgsgeschichten wie die von Vanessa Low oder David Behre sind in diesem Prozess ermutigend, aber auch Unterstützungsangebote sind essenziell. Denn was häufig vergessen oder in der Öffentlichkeit eben nicht ausreichend transportiert wird: Das erste Mal auf einer Prothese zu stehen, ist eine schwierige und schmerzhafte Angelegenheit. Vanessa Low beschreibt diese auch für sie überraschende Erkenntnis in einem Interview: »[…] man denkt, die [die Prothesen; MH] funktionieren einfach. Man legt sie an und geht los. Da ist man schon enttäuscht, wenn man einsteigt und gleich fünf Mal auf die Nase fällt.« Eindringlich beschreibt auch David Behre seinen Weg nach dem Unfall: »[...] all die Operationen und Schmerzen, Anstrengungen und Rückschläge […].« Eine Prothese zu nutzen – egal, ob nun Arm-, Hand-, Bein- oder Augen-prothese – bedarf immer des Trainings und ist aufwühlend. »Ich weiß nicht mehr, wie oft ich hingefallen und immer wieder aufgestanden bin und von vorne angefangen habe.« Physiotherapeuten, Ärzte, Orthopädietechniker, zuweilen auch Psychologen – eine Vielzahl von Menschen ist in den Prozess involviert, wenn es darum geht, einem Menschen den Umgang mit seiner Prothese zu lehren und zu erleichtern . All diese Angebote sind heutzutage in vielen Teilen der Welt integrativer Bestandteil der Therapie Amputierter und als solche keine Besonderheit mehr. Entwickelt haben sich diese »Selbstverständlichkeiten« allerdings erst mit dem Aufschwung der Orthopädie ab dem 19. Jahrhundert. Wie erging es folglich Prothesen-trägern vor diesem Aufschwung? Mit welchen Unterstützungsangeboten durfte man rechnen, wenn man im 18., 17. oder 16. Jahrhundert geboren worden war? Woher bekam man in der Zeit zwischen Reformation und Französischer Revolution überhaupt eine Prothese? Und musste man damit rechnen, als »Behinderter« aus der Gesellschaft ausgestoßen zu werden, weil man ein Holzbein trug? Inwieweit lässt sich zudem ein Mensch mit Prothese, der also seine Behinderung mit einem Hilfsmittel kompensierte oder verdeckte, in das frühneuzeitliche Konzept von Behinderung einordnen? Wurde er überhaupt als »behindert« wahrgenommen? Eben diesen Fragen soll in der vorliegenden Arbeit nachgegangen werden. Auf Basis der Analyse gegenständlicher, bildlicher, literarischer sowie schriftlicher Quellen wird ein Bild der Lebenswelt eines Prothesen tragenden Menschen in der Frühen Neuzeit gezeichnet. Ins-besondere im Hinblick auf die Frühe Neuzeit erweist sich die Frage nach dem gesellschaftlichen Umgang mit Prothesen und Prothesenträgern als relevant, wurden doch in keiner anderen Epoche der Geschichte so viele Kriege in Europa geführt. Der Anteil von Menschen mit Behinderung an der europäischen Gesamtbevölkerung darf für die Frühe Neuzeit als relativ hoch angenommen werden, die gegenwärtigen Zahlen (circa 10 Prozent) dürfte er in jedem Fall übertreffen. 1.2 Stand der Forschung Bisher weist die Geschichtswissenschaft einen Mangel an Forschungen zu Menschen mit Behinderung und vor allem Prothesenträgern in der Frühen Neuzeit auf. Zwar stecken die wissenschaftlichen Disziplinen Dis/ability Studies ebenso wie die Dis/ability History nicht mehr in den Kinderschuhen, doch erweist sich gerade die frühneuzeitliche Epoche als weitgehend unberücksichtigt, wenn es um die Erforschung von Behinderung respektive ihren Auswirkungen – wie das Tragen einer Prothese – geht. Sehr treffend hat es Patrick Schmidt in seiner 2017 erschienenen Habilitationsschrift ausgedrückt, als er zum Forschungsstand hinsichtlich der Lebenslage körperlich und sensorisch beeinträchtigter Menschen im 17. und 18. Jahrhundert konstatiert: »Es gibt kleine Wissensinseln in einem nach wie vor weithin unerforschten Ozean.« Das Interesse der historischen Wissenschaft an der Erforschung des Körpers, insbesondere von Körperbildern, erwachte in den 1990er Jahren und schlug sich in zahlreichen Aufsätzen und Zeitschriftenartikeln sowie einer Reihe von Sammelbänden nieder, deren Schwerpunkt auf der kulturwissenschaftlichen Analyse lag. Namentlich der Historiker Richard van Dülmen veröffentlichte zum Ende der 1990er Jahre zwei grundlegende Sammelbände mit kulturhistorischen Betrachtungen des Körpers. Besondere Erwähnung verdient zudem die umfassende Arbeit des Soziologen Dietmar Kamper in Zusammenarbeit mit dem Anthropologen Christoph Wulf. In drei Bänden beleuchten die Wissenschaftler verschiedene Aspekte des Körpers in der Geschichte. Mit ihrem Einführungswerk zur Körpergeschichte aus dem Jahr 2000 legte die Historikerin Maren Lorenz zudem ein wegweisendes Werk vor, welches noch heute zu den Grundlagenwerken des Faches gezählt werden darf. Nicht unerwähnt bleiben darf die feministische Forschung in diesem Bereich, die natürlich deutlich auf Sex- und Gender-Fragen fokussiert, aber der Körpergeschichte gerade dadurch wertvolle und umfassende Studien widmete. So sind die Veröffentlichungen Barbara Dudens und Judith Butlers seit den 1990er Jahren wegweisend für die Erforschung des Körpers im geschichtswissenschaftlichen Kontext, da diese erstmals den Körper als diskursives Konstrukt thematisierten. Erst durch Anstöße der feministischen Körperforschung rückten auch in ge-schichtswissenschaftlichen Untersuchungen Themen in den Fokus, die dort zuvor unerforscht geblieben waren: die komplexen Beziehungen zwischen Körper und Macht, zwischen Körper und Identität sowie die Wechselwirkungen mit der Gesellschaft, die Wirkmacht des Körpers in der Konstitution von Fremd- und Selbstwahrnehmung, die politische Dimension von Körperlichkeit und auch die Verletzlichkeit und Transformation körperlicher Konstruktionen (sowohl im physischen als auch intellektuellen Sinn). Mit der Erforschung des Körpers wandte sich der Blick der Forschung auch sehr bald dem kranken und versehrten Körper zu. Vor allem in der Medizingeschichte rückten zunehmend sozial- und kulturhistorische Fragestellungen in den Fokus. Immer häufiger war es auch der Standpunkt des Patienten, nach dem in geschichtswissenschaftlichen Untersuchungen gefragt wurde. Insbesondere Michael Stolberg widmete sich intensiv der Patientenperspektive und legte mit seiner Monographie zum Homo patiens 2003 ein grundlegendes Werk der Medizingeschichte zur Sicht Betroffener vor. Ausgehend von der Untersuchung kranker Körper erschienen bald auch Forschungen zum behinderten Körper, die eine eigene Forschungsrichtung, die Disability Studies, begründeten. Im Fokus dieser neuen Strömung steht das Körperliche, also die Frage, welche Rolle der Körper im Hinblick auf das menschliche Zusammenleben in der Gesellschaft spielt und wie mit Unterschieden umgegangen wird. Untersuchungsgegenstände sind dabei die »Erscheinungsformen und Wahrnehmungen spezifischer körperlicher, seelischer und geistiger Verfasstheiten«. Die Untersuchung dieser Gegenstände im Kontext vormoderner Gesellschaften ist Aufgabe der Disability History. Wie und ob der Körper beziehungswiese körperliche Abwiechungen die vormoderne Gesellschaft strukturierten und wie dabei entstehende Differenzierungskategorien etabliert wurden, sind nur zwei der Leitfragen. In welcher Weise der Körper als Medium projizierter Bedeutungen diente, welchen Einfluss er in gesellschaftlichen Formierungsprozessen hatte und inwiefern Disability als Kategorie bei diesen Prozessen eine Rolle spielte, sind weitere Fragen, deren Beantwortung sich Wissenschaftler unterschiedlicher Fachbereiche widmen. Erste essenzielle Arbeiten zur Disability History lieferten die amerikanischen Historiker Paul K. Longmore und Lauri Umanski. Ihr wertvoller Sammelband von 2001 gilt noch immer als Grundlagenwerk der Disability History. Ein Basiswerk der deutschen Disability History wurde 2010 von Elsbeth Bösl, Anne Klein und Anne Waldschmidt herausgegeben. In der für kommende Generationen von Historikern so wichtigen Disziplin der Geschichtsdidaktik ist vor allem die Arbeit Sebastian Barschs hervor zu heben, der sich eingehend und differenziert der Disability History aus pädagogischer Perspektive widmet. Besonders zu erwähnen sind darüber hinaus die Forschungen der Mediävistin Cordula Nolte. Nolte leistete Grundlagenforschung auf dem Gebiet der Disability History, indem sie sich als Leiterin der Creative Unit Homo debilis an der Universität Bremen in Zusammenarbeit mit zahlreichen Historikern um die Erarbeitung neuer, angemessener Forschungskategorien bemühte. Auf dem Gebiet der neueren Geschichte sind zusätzlich vor allem die Arbeiten Gabriele Lingelbachs und Sebastian Schlunds zu nennen, die sich zusammen mit ihren Mitarbeitern im Rahmen des DFG-geförderten Projekts »Menschen mit Behinderung in Deutschland nach 1945« an der Universität Kiel um eine ganze Reihe beachtlicher Veröffentlichungen verdient gemacht haben. Für den nichtdeutschen Sprachraum sind vor allem Susan Burch, Michael Rembis, Catherine J. Kudlick sowie Rosemary Garland Thomson und Bill Hughes zu nennen, wobei die letzteren beiden zwar vorwiegend sozialwissen-schaftlich arbeiten, dennoch auch auf dem Gebiet der Disability History wertvolle Beiträge leisteten. Ohnehin sind gerade die Disability Studies und Disability History Bereiche in denen Interdisziplinarität von besonderer Bedeutung ist. Wird Behinderung als gesellschaftliches Konstrukt verstanden das von kulturellen und historischen Gegebenheiten beeinflusst wird, ist es unabdingbar bei der Untersuchung auch die unterschiedlichen, »passenden« Disziplinen zu berücksichtigen, um die Vielschichtigkeit dieses Konstrukts angemessen erfassen zu können. Auch Transdisziplinarität sollte in der Forschung zu Disability aufgrund der großen Bereicherung, die unterschiedliche lebenspraktische Perspektiven auf diesem Feld bedeuten können, nicht vernachlässigt werden. Eine transdisziplinäre Forschungsgruppe initiierte im Jahr 2006 ein innovatives Forschungsprojekt zur gemeinsamen Erforschung und Analyse dreier frühneuzeitlicher Abbildungen von Menschen mit Behinderungen. Weitere transdisziplinäre Projekte wurden seitdem in den Disability Studies respektive der Disability History meines Wissens nicht verwirklicht. Bei der Betrachtung der erschienenen Werke sowie abgeschlossener und laufender Forschungsprojekte ist allerdings die rasante Entwicklung der Forschungen zur Disability History deutlich zu erkennen. Bisheriger Konsens der Forschung ist, dass in vormodernen Gesellschaften noch kein generalisierender Begriff von Behinderung – im modernen Sinne – etabliert war. Termini wie »behindert« oder »Behinderung« gab es nicht. Dass ein Konzept von Behinderung existierte, konnte allerdings festgestellt werden. Die Spezifik dieses Konzeptes von Disability gilt es somit noch herauszuarbeiten.

Erscheinungsdatum
Reihe/Serie Disability History ; 7
Verlagsort Frankfurt
Sprache deutsch
Maße 142 x 215 mm
Gewicht 484 g
Themenwelt Geschichte Allgemeine Geschichte Neuzeit (bis 1918)
Geschichte Teilgebiete der Geschichte Kulturgeschichte
Medizin / Pharmazie Physiotherapie / Ergotherapie Orthopädie
Schlagworte Behinderung • Chirurg • Disability History • Frühe Neuzeit • Körpergeschichte • Medizingeschichte • Prothese • Prothesen • Prothesenträger • Prothetik • Versehrung
ISBN-10 3-593-51036-7 / 3593510367
ISBN-13 978-3-593-51036-1 / 9783593510361
Zustand Neuware
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
Mehr entdecken
aus dem Bereich
Europa 1848/49 und der Kampf für eine neue Welt

von Christopher Clark

Buch | Hardcover (2023)
DVA (Verlag)
CHF 67,20