Expertise Oberer Gastrointestinaltrakt (eBook)
408 Seiten
Georg Thieme Verlag KG
978-3-13-177161-2 (ISBN)
1 Chirurgische Anatomie und Topografie des Ösophagus
H. M. Schmidt
1.1 Einleitung
Die Speiseröhre ist nach der Mundhöhle der erste Abschnitt des gastrointestinalen Transportwegs. Vereinfacht ist der Ösophagus ein ca. 25 cm langer Muskelschlauch, der den Mund mit dem Magen verbindet. Die Speiseröhre beginnt etwa auf Höhe des Ringknorpels und lässt sich anatomisch einteilen in folgende Abschnitte:
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Pars cervicalis
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Pars thoracica
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Pars abdominalis
Im Verlauf der Speiseröhre treten 3 physiologische Engen auf ( ▶ Abb. 1.1):
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zervikal des Ösophagusmundes auf Höhe des oberen Ösophagussphinkters
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thorakal an der Kreuzungsstelle des Ösophagus mit dem linken Hauptbronchus und dem Aortenbogen
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am thorakoabdominalen Übergang beim Durchtritt des Ösophagus durch das Diaphragma auf Höhe des unteren Ösophagussphinkters
Ösophagusabschnitte.
Abb. 1.1
(Quelle: Schünke M, Schulte E, Schumacher U. Prometheus. LernAtlas der Anatomie. Innere Organe. Illustrationen von M. Voll und K. Wesker. 5. Aufl. Stuttgart: Thieme; 2018)
Der Ösophagus weist 3 typische Krümmungen auf: eine obere und untere nach links (Pars cervicalis und Pars abdominalis) sowie eine mittlere nach rechts (Pars thoracica).
Um einen gerichteten Transport der Speise zu gewährleisten, besteht in der Speiseröhre ein komplexes Zusammenspiel von willkürlicher (quer gestreifter) und unwillkürlicher (glatter) Muskelaktivität. Die peristaltische Welle beginnt bei oraler Nahrungsaufnahme mit der schluckreflektorischen Erschlaffung der Muskulatur des oberen Ösophagussphinkters und der proximalen tubulären Speiseröhre. Beim willkürlichen Schluckakt verschließt die Epiglottis reflektorisch den Larynx, bevor der Speisebolus in die Speiseröhre aufgenommen werden kann. Mit dem Passieren des oberen Ösophagussphinkters ist der willkürliche Schluckakt beendet, und die unwillkürliche peristaltische Welle transportiert den Speisebolus nach distal. Hierbei führt die Dehnung des Speiseröhrenlumens durch den Bolus zu einer reflektorischen Kontraktion der proximalen Muskelfasern, so dass die eigentliche peristaltische Welle entsteht.
1.2 Anatomie des Ösophagus
1.2.1 Aufbau der Ösophaguswand
Die Struktur der Ösophaguswand folgt dem gleichen Aufbau wie dem des übrigen Gastrointestinaltrakts. Im thorakalen Anteil wird der Ösophagus auf der rechten Seite von der Pleura überzogen, während dieses auf der linken Seite nur im oberen und unteren Anteil der Fall ist. Der mittlere Abschnitt des thorakalen Ösophagus wird auf der linken Seite durch das Perikard abgedeckt.
Der abdominelle Anteil des Ösophagus ist – ab dem Durchtritt durch den Hiatus oesophageus – auf seiner Vorderseite von Peritoneum bedeckt. Im Gegensatz zu Magen, Dünn- und Dickdarm fehlt dem Ösophagus ein Serosaüberzug.
Die äußerste Schicht des Ösophagus, die Adventitia (Tunica adventitia), ist eine lockere Bindegewebeschicht und entspricht der kaudalen Verlängerung der pharyngealen Faszie ( ▶ Abb. 1.2a). Diese Adventitia erlaubt der Ösophaguswand ihre Beweglichkeit im zervikalen und posterioren Mediastinum.
Die Muscularis (Tunica muscularis) des Ösophagus besteht im oberen, zervikalen Anteil nur aus quer gestreifter Muskulatur. Mit absteigendem Verlauf nimmt der Anteil glatter Muskulatur zu, so dass die untere Hälfte des Ösophagus ausschließlich glatte Muskulatur aufweist. Die Muskularis lässt sich formal in die innere Ring- und die äußere Längsmuskelschicht unterteilen. Diese Schichten sind stark miteinander verwoben und bilden so ein strukturell und funktionell zusammenhängendes System. Seine Architektur vereint Muskelbündel, welche sich spiralartig um den gesamten Ösophagus legen. Sie sind im Bereich des unteren Ösophagussphinkters besonders ausgeprägt, um einen suffizienten Verschluss der unteren Speiseröhre zu gewährleisten (Antireflux-Barriere). Zwischen den longitudinalen und zirkulären Muskelschichten findet sich ein Gangliengeflecht aus vegetativen und multipolaren Nervenzellen, die zusammen den Plexus myentericus (Synonym: Auerbach-Plexus) bilden und in dieser Lokalisation den gesamten Gastrointestinaltrakt durchziehen ( ▶ Abb. 1.2b).
Wandaufbau.
Abb. 1.2
Abb. 1.2a Querschnitt durch den Ösophagus im kontrahierten (links) und relaxierten (rechts) Zustand mit den Schichten Mukosa, Submukosa, Muskularis und Adventitia.
(Quelle: Schünke M, Schulte E, Schumacher U. Prometheus. LernAtlas der Anatomie. Innere Organe. Illustrationen von M. Voll und K. Wesker. 5. Aufl. Stuttgart: Thieme; 2018)
Abb. 1.2b Autonomer Nervenplexus in der Ösophaguswand: Plexus myentericus (Auerbach-Plexus) in der Muskularis und Plexus submucosus (Meissner-Plexus) in der Submukosa.
(Quelle: Schünke M, Schulte E, Schumacher U. Prometheus. LernAtlas der Anatomie. Innere Organe. Illustrationen von M. Voll und K. Wesker. 5. Aufl. Stuttgart: Thieme; 2018)
Die Submukosa (Tela submucosa) besteht überwiegend aus kollagenen Fasern. Zudem finden sich vor allem im zervikalen und abdominellen Drittel muköse Schleimdrüsen (Glandulae oesophageae) zur Verbesserung des Nahrungstransports. Zudem enthält die Submukosa den Plexus submucosus (Synonym: Meissner-Plexus) des enterischen Nervensystems ( ▶ Abb. 1.2b).
Die Mukosa entspricht der innersten Schicht des Ösophagus und hat eine dreischichtige Struktur. Das mehrschichtige, unverhornte Plattenepithel bildet eine mechanisch belastbare Schleimhaut, welche sich im Bereich der Kardia scharf von dem Zylinderepithel des Magens abgrenzt (Z-Linie). In der darunterliegenden, bindegewebigen Lamina propria finden sich viele kollagene Fasern, welche mit einer Schicht längs verlaufender, glatter Muskelbündel (der Lamina muscularis mucosae) verwoben sind.
Merke
Diese Struktur aus Mukosa, Submukosa und Muscularis bildet ein elastisch-muskuläres System, das zu der permanenten Längsspannung des Ösophagus beiträgt und ein entsprechend gutes Widerlager bei ösophagealen Nähten bildet.
1.2.2 Arterielle Versorgung
In 90% der Fälle wird die Speiseröhre der Pars cervicalis von großen Seitenästen (Rr. oesophagei) der paarigen A. thyroidea inferior versorgt, die aus dem Truncus thyreocervicalis entspringt ( ▶ Abb. 1.3a). Nur in Ausnahmefällen erfolgt die Versorgung über Äste der A. pharyngealis, der A. subclavia oder der A. vertebralis. Insgesamt ist die arterielle Versorgung des zervikalen und weiteren Ösophagus mit einer guten Längsvaskularisation ausgestattet, so dass Durchblutungsprobleme bei Durchtrennung und Anastomosierung selten sind.
Die arterielle Versorgung des suprabifurkalen Anteils der thorakalen Speiseröhre unterliegt erheblichen Variationen. Häufig erfolgt die Versorgung über wenige Äste aus den Bronchialarterien des Oberlappens, typischerweise von links. In etwa 20% der Fälle versorgen Äste der 5. und 6. Aa. intercostales den Ösophagus. Zwei große ösophageale Gefäßäste können auch aus der Aorta descendens entspringen, typischerweise auf Höhe des 8.–10. Brustwirbelkörpers. Diese verlaufen im posterioren Mediastinum zur Hinterwand des Ösophagus und werden in einen R. ascendens und R. descendens unterteilt. Zudem gibt es häufig Gefäßanastomosen zu den Rr. oesophagei der Aa. bronchiales ( ▶ Abb. 1.3b).
Der infrabifurkale und der abdominale Ösophagus werden in der Regel durch Äste aus der A. gastrica sinistra versorgt, welche – aufsteigend durch den Hiatus – auch distale Anteile des thorakalen Ösophagus mitversorgen können. In der Hälfe der Fälle wird der infrabifurkale Ösophagus durch Gefäßäste aus der linken A. phrenica inferior vaskularisiert ( ▶ Abb. 1.3a).
Arterielle Versorgung des Ösophagus.
Abb. 1.3
Abb. 1.3a Ansicht von ventral auf die Hinterwand von Thorax und Abdomen.
(Quelle: Schünke M, Schulte E, Schumacher U. Prometheus. LernAtlas der Anatomie. Innere Organe. Illustrationen von M. Voll und K. Wesker. 5. Aufl. Stuttgart: Thieme; 2018)
Abb. 1.3b Ansicht von dorsal auf die Hinterwand des thorakalen Ösophagus und auf die thorakale Aorta.
(Quelle:...
Erscheint lt. Verlag | 24.2.2021 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Medizin / Pharmazie ► Medizinische Fachgebiete |
Schlagworte | Chirurgie • chirurgische Anatomie • Fehlbildungen • Funktionelle Anatomie • Komplikationsmanagement • Magen • Metastasen • Methodenkompetenz • multimodale Therapie • Onkologie • Ösophagus • Reflux • Speiseröhre • Traumatologie • Tumoren • Ulkus |
ISBN-10 | 3-13-177161-5 / 3131771615 |
ISBN-13 | 978-3-13-177161-2 / 9783131771612 |
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