Himmelsstaub
Verlag 3.0 Zsolt Majsai
978-3-95667-072-5 (ISBN)
Dr. Johannes Sieben, geb. 1953, führt seit rund dreißig Jahren eine Landarztpraxis in einem kleinen Dorf im Rheinland. Der langjährige Umgang mit Patienten, Kollegen, Krankenhäusern und Pflegeheimen, aber auch der tägliche Umgang mit Leben und Tod bewogen ihn, einen Roman zu diesem Thema zu schreiben. So entdeckte er die fantastischen Möglichkeiten, die sich einem Autor eröffnen. Sein zweiter Roman handelt von Kindesmissbrauch.
Dumpf, wie durch Watte höre ich das Martinshorn. Dieses verhasste Geräusch. Wie oft habe ich es verflucht, als ich selbst noch als Notarzt mit dem Rettungswagen den ganzen Tag und auch in der Nacht unterwegs war. Hatte selten was Gutes zu bedeuten. Wenn ich Glück hatte, war es ein Fehlalarm. Besser als ein Einsatz bei einem Verkehrsunfall. Man fühlte sich damals zwar wichtig, war man ja auch, aber es war oft wenig erfreulich. Sterbende, Tote, Verletzte. Aufgeregte Angehörige. Leid und Not. Schön war der Tag, als ich meinen allerletzten Einsatz hatte, mit dem Bewusstsein, niemals mehr solche Einsätze fahren zu müssen.
Warum höre ich jetzt wieder dieses verhasste Horn? Es nähert sich. Der Rettungswagen ist doch eben hier mit meinem Patienten Josef weggefahren. Warum kommt der zurück? Stimmt da was nicht? Ist da etwas passiert unterwegs?
Mir kommt das auch alles so seltsam vor. Warum liege ich hier auf dem Hof auf der Erde? Ich sehe nur verschwommen meine Frau, die sich über mich beugt und ständig meinen Namen ruft. Auch meine Angestellten stehen um mich herum. Das Martinshorn wird immer lauter, bis es urplötzlich verstummt.
Ich will aufstehen. Es geht nicht. Nichts kann ich bewegen, weder Arme noch Beine reagieren. Ich fühle sie aber. Sie wollen aber nicht. Was ist passiert? Ich versuche mich zu erinnern. Weiß noch, dass ich auf den Hof gegangen bin, weil mir so mulmig und schlecht war. Dann bin ich zusammengesunken. Ja, und dann? Keine Erinnerung mehr. Ich bekomme Angst. Große Angst. Das Grauen. Habe ich einen Schlaganfall oder Herzinfarkt? Eine Hirnblutung? Weitere schlimme Diagnosen fliegen durch meinen Kopf. Ist das jetzt mein Ende? Muss ich sterben? Ich muss doch noch so vieles tun! Noch für so vieles sorgen. Ich kann doch Gabi nicht allein lassen mit all dem Unfertigen auf unserem geliebten Lindenhof. Das schafft sie nicht alleine. Jeden Tag ist doch was kaputt und ich bin der Kaczmarek, der Hausmeister, der alles zu reparieren versucht und das auch meistens schafft. Lieber Gott, Vater und Mutter, lasst das nicht zu, noch nicht. In ein paar Jahren vielleicht. Aber doch jetzt noch nicht!
Zwei Männer in roten Jacken beugen sich über mich. Sie öffnen mein Hemd, kleben mir Elektroden auf die Brust. Ich friere. Ich schwitze. Es dreht sich alles. Einer misst meinen Blutdruck."EKG sieht normal aus", höre ich entfernt jemanden sagen. "Blutdruck ist normal. Kreislauf stabil."Hört sich schon mal nicht schlecht an."Keine Reflexe", sagt ein anderer. "Pupillen starr. Könnte eine cerebrale Blutung sein."Neiiiiin!!!! Das bitte nicht!"Wir müssen ihn auf schnellstem Wege in die Neurologie bringen, ins Stroke Unit!!"Sie heben mich wenig vorsichtig auf und legen mich auf die Tragbahre. So sieht also das Ende aus? Es verschwimmt wieder alles, was sowieso nicht scharf zu sehen war."Hören Sie mich?", schreit jemand.
Ja, verflucht, merkt ihr das nicht? Ich will antworten, aber es geht nicht. Ich kriege keinen Ton heraus. Ich kann den Mund nicht bewegen. Es wird wieder dunkel um mich und still, entsetzlich dunkel und still.
Es rumpelt. Ich höre wieder zwei oder drei Leute sich unterhalten. Einer legt mir eine Infusion an. Das Martinshorn schreit mich laut an. Wir fahren wohl ins Krankenhaus. Ein anderer gibt mir eine Spritze in den anderen Arm. Ich spüre das alles. Tut verdammt weh. Warum kann ich mich nicht bewegen, wenn ich doch alles fühle?"Das wird nichts mehr mit dem", höre ich den Sanitäter - oder ist es der Notarzt? - zu meiner Rechten sagen. "Pupillen reagieren nicht. Keine Reflexe!""Piks mal mit einer Nadel in den Fuß!", sagt er zu einem anderen.
Au! Verdammt, tut das weh. Ich will den Fuß wegziehen. Geht nicht. Er sticht noch zweimal kräftig zu.
Hör doch endlich auf damit, du Arschloch!!"Keine Reaktion", sagt das Arschloch. "Der is fertig! Gut, dass er uns nicht hört!"Ich höre alles, du Mistkerl! War ich auch so, als ich noch im Notarztwagen gefahren bin? Nein. Sicher nicht. Hoffentlich nicht
Erscheint lt. Verlag | 1.7.2014 |
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Reihe/Serie | Johannes Sieben |
Sprache | deutsch |
Maße | 137 x 210 mm |
Gewicht | 430 g |
Einbandart | Englisch Broschur |
Themenwelt | Literatur ► Romane / Erzählungen |
Medizin / Pharmazie ► Allgemeines / Lexika | |
Schlagworte | Apallisches Durchgangssyndrom • Gesundheitswesen • Koma • Leben • Medizin Thriller • Patienten-Missbrauch • Patientenverfügung • Pflege-Missbrauch • Robin Cook • Schädel-Hirn-Patient • Tod • Wachkoma |
ISBN-10 | 3-95667-072-8 / 3956670728 |
ISBN-13 | 978-3-95667-072-5 / 9783956670725 |
Zustand | Neuware |
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