Eine Handvoll Liebe
Manuela Kinzel Verlag
978-3-95544-010-7 (ISBN)
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Offen und bewegend erzählt Marcel aus der Perspektive des Vaters die Geschichte seiner jungen Familie. Eine Geschichte zwischen Liebe, Verzweiflung, Hoffnung und dem plötzlichen, endgültigen Ende der gemeinsamen Träume. Einem Ende, mit dem Christiane und er in eine tiefe Lebenskrise stürzen, aus der sie sich erst ganz langsam wieder einen Weg zu einem neuen, veränderten Leben erarbeiten können.
Der Kopf glüht, der Puls klopft von innen unsanft gegen die Stirn. Deutlich ist jeder einzelne Muskel meines gesamten Körpers spürbar. Die letzte Woche auf unserer Baustelle hat deutlichere Spuren hinterlassen als angenommen. Ungläubig schaue ich Christiane an, die neben mir im Bett sitzt. Trotz ihrer ebenfalls anstrengenden Arbeitswoche scheint sie nicht zur Ruhe zu kommen. Offensichtlich ist sie dabei, ihre Nachttischschublade auf den Kopf zu stellen. Schlagartig dreht sie sich freudestrahlend zu mir um und hält eine mit Geschenkschleifen umwickelte Zigarrenbox in den Händen. „Ein kleines Geschenk für Dich nach dem anstrengenden Tag.“ Verwundert schaue ich sie an. Eine Zigarrenbox am späten Abend? Umständlich entferne ich die Geschenkschleifen und öffne die hölzerne Box. Innen liegen nebeneinander drei weiße Stäbchen. Fragend schaue ich Christiane an. Sie grinst über beide Ohren. Erst beim zweiten Blick in die Box fällt mir auf, dass alle drei Stäbchen in der Mitte ein Sichtfenster mit zwei roten Linien haben. Am linken Ende der Stäbe befindet sich jeweils eine Schutzkappe. Auf einen Schlag bin ich hellwach, sitze senkrecht im Bett. Überrascht schaue ich Christiane fragend an. Sie scheint meine vorübergehende Sprachlosigkeit zu erkennen und prustet los. „Herzlichen Glückwunsch Papa! Ich habe gestern drei Tests gemacht mit gleichem Ergebnis. Zur Sicherheit war ich heute bei meinem Frauenarzt und soll Dir einen schönen Gruß ausrichten. Gratulation: Fünfte Woche! Er hat mir auch zwei Bilder mitgegeben. Quasi als Beweis. Mitte November ist der errechnete Geburtstermin.“ Riesige Freude brandet in mir auf. Glücklich liegen wir uns in den Armen. ... Nach etwas mehr als einer halben Stunde werden wir aufgerufen. Schnell verabschieden wir uns von Susi und folgen der Ärztin ins Untersuchungszimmer. Der Raum ist abgedunkelt und angenehm kühl. Auf Anhieb bin ich erleichtert über die angenehme und ruhige Atmosphäre in der Klinik. Nach der Durchsicht unserer Unterlagen beginnt die Ärztin mit der Ultraschalluntersuchung. Glücklich sehen wir Lotta zu, die wie immer außerordentlich umtriebig ist. Für mich macht es den Eindruck, als ob Lotta ein gutes Stück gewachsen ist seit der Untersuchung letzte Woche. Mittlerweile sind alle Einzelheiten gut erkennbar. Deutlich sehen wir alle Finger, Zehen, die Wirbelsäule und den Kopf. Letzte Woche bei Frau Heil konnten wir sogar viele Organe wie Leber oder Nieren erkennen. Bereits bei der Doppler-Untersuchung des Herzens macht die Ärztin einen merklich angespannten Eindruck. Obwohl ich die Auswirkung der plötzlichen Anspannung nicht abschätzen kann, merke ich, wie mein Kopf schlagartig heiß wird. Nach der Untersuchung des Blutflusses im Herz blickt sie uns sorgenvoll an. „Die Versorgung Ihres Kindes sieht leider nicht gut aus. Wie ich die Lage beurteile, haben wir keinen großen Spielraum mehr.“ Panisch schaue ich sie an. „Bis vor zwei Wochen war die Versorgung noch sichergestellt. Was bedeutet dies nun für uns?“ Sie zögert kurz. „Man hat Ihnen wahrscheinlich bei den früheren Messungen durch den damals noch ausreichenden Versorgungsstand viel Hoffnung gemacht. Die Messwerte, die ich heute sehe, sind für Ihr Kind leider eine deutliche Bedrohung. Es gibt sehr viele Eltern, die sich in dieser Situation entscheiden nichts zu unternehmen und abzuwarten.“ Schockiert schaut Christiane die Ärztin an. „Meinen Sie abzuwarten bis die Versorgung nicht mehr ausreicht und das Kind in meinem Bauch stirbt?“ Ruhig schaut die Ärztin uns an. „Ja, dies ist leider richtig. Jeder Mensch trifft seine Entscheidung in einer solch existenziellen Frage anders. Dies ist auch abhängig von persönlichen Überzeugungen wie Lebenserfahrung oder religiöser Prägung. Wir können Ihnen leider nur Handlungsmöglichkeiten aufzeigen. Die Entscheidung müssen Sie anschließend selbst treffen. Überlegen Sie sich auch, ob Sie mit der Entscheidung dauerhaft leben können. Abwarten und nichts zu unternehmen ist nicht für jedes Paar die richtige Entscheidung! Sicherheitshalber werde ich gleich einen Kollegen bitten, die Untersuchung ebenfalls durchzuführen, um sich unabhängig von mir ein Bild zu machen.“ Eilig verlässt sie den Raum. ... Als die Türe des Untersuchungszimmers aufgeht, zucke ich zusammen. Herr Prof. Dr. Kagan begrüßt uns freundlich. Auf wackeligen Beinen folgen wir ihm in den Raum. Als Christiane auf der Liege Platz genommen hat und Herr Prof. Dr. Kagan das Ultraschallgerät in die Hand nimmt, klammere ich mich krampfhaft an meinen Stuhl. Das Zimmer ist für die Untersuchung abgedunkelt. Trotz der angenehmen Raumtemperatur würde ich am liebsten aufspringen und alle Fenster aufreißen, mir Luft verschaffen. Als Lotta auf dem Monitor auftaucht, wird die Situation vollkommen unerträglich. Schon beim ersten Anblick habe ich den Eindruck, dass sie vollkommen leblos in der Fruchtblase liegt. Für mich sind keine Bewegungen erkennbar. Tot liegt sie da! Herr Prof. Dr. Kagan hingegen lächelt. „Es sieht gut aus! Das Herz schlägt. Offensichtlich hat Ihre Tochter die Behandlung sehr gut überstanden.“ Erleichtert schaut Christiane mich an. Sie wirkt auf einen Schlag vollkommen gelöst. Erst ganz langsam löst sich bei mir die Anspannung. „Lotta lebt!“, wiederholt mein Kopf immer und immer wieder. Jetzt müssen wir uns auf den Kaiserschnitt vorbereiten. Nachdem Herr Prof. Dr. Kagan die Messung von Lottas Blutversorgung durchgeführt hat, schaut er uns zufrieden an. „Herzlichen Glückwunsch, Sie haben ganz offensichtlich die richtige Entscheidung getroffen! Alle Messwerte sind durchweg besser als vor zwei Tagen. Die Behandlung scheint auch einen positiven Nebeneffekt auf die Versorgung gehabt zu haben. Alle Werte sind insgesamt noch immer kritisch – aber für den Augenblick akzeptabel. Wir können daher die Geburt noch etwas schieben. Jeder Tag, den Ihre Tochter mehr in Ihrem Bauch verbringt, gibt uns in dieser Phase immens wichtige Entwicklungsfortschritte und somit auch eine nicht unerhebliche Risikominimierung!“ Verblüfft schauen wir ihn an. Mit dieser unglaublichen Wendung hatte keiner von uns gerechnet. Dass Lotta am Leben ist und keinen Schaden von den beiden Tagen davongetragen hat, hätten wir nicht mehr für möglich gehalten und erst recht nicht einen Aufschub der Geburt! Während Herr Prof. Dr. Kagan an seinem Computer einen Bericht zu schreiben scheint, atme ich tief durch, versuche mit der rasanten Entwicklung Schritt zu halten. Nach wenigen Minuten drückt er uns die Untersuchungsakte in die Hand. „Bitte melden Sie sich auf der Schwangerenstation an.
Erscheint lt. Verlag | 31.3.2015 |
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Verlagsort | Göppingen |
Sprache | deutsch |
Maße | 148 x 210 mm |
Gewicht | 335 g |
Einbandart | Paperback |
Themenwelt | Literatur |
Medizin / Pharmazie ► Gesundheitsfachberufe ► Hebamme / Entbindungspfleger | |
Schlagworte | Biografisch • Fehlgeburt • Frühchen • Frühgeborene • Frühgeborenes Kind • Frühgeborenes Kind; Erfahrungsberichte • Kinderhospitz • Kinderhospiz |
ISBN-10 | 3-95544-010-9 / 3955440109 |
ISBN-13 | 978-3-95544-010-7 / 9783955440107 |
Zustand | Neuware |
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