Trauma und Bindung bei Flüchtlingskindern (eBook)
439 Seiten
Vandenhoeck & Ruprecht Unipress (Verlag)
978-3-647-45126-8 (ISBN)
Dr. phil. Ilka Lennertz ist Psychologin an der Klinik und Poliklinik für Psychosomatik und Psychotherapie der Universitätsklinik Dresden.
Dr. phil. Ilka Lennertz ist Psychologin an der Klinik und Poliklinik für Psychosomatik und Psychotherapie der Universitätsklinik Dresden.
Front Cover 1
Title Page 4
Copyright 5
Inhalt 6
1 Einführung 10
1.1 Sinn und Ziel der Arbeit 16
1.2 Zur Struktur der Arbeit 18
2 Flüchtlingserfahrungen in Deutschland: Das Beispiel der bosnischen Flüchtlinge 21
2.1 Krieg und Vertreibung in Bosnien-Herzegowina 21
2.2 Die soziale Realität der bosnischen Flüchtlinge in Deutschland 28
2.3 Die »Traumaregelung«: Trauma als Bleiberechtskriterium 39
2.4 Fazit 44
3 Trauma – eine kritische Begriffsbestimmung 46
3.1 Forschungsgeschichte und Begriffsentwicklung. 46
3.2 Trauma als Leiden an Reminiszenzen: Hysterieforschung 50
3.3 Trauma als zeitlicher Prozess und in der Entwicklung: Nachträglichkeit 55
3.4 Trauma als Reizüberflutung: der Erste Weltkrieg, Kriegsneurosen, Wiederholungszwang 57
3.5 Trauma als kumulativer Prozess: Objektbeziehungstheorie 61
3.6 Trauma als Extremsituation, als generationsübergreifendes Phänomen und als »kollektives Trauma«: der Holocaust 62
3.7 Trauma als sequentieller psychosozialer Prozess: das Modell von Hans Keilson 68
3.8 Trauma als Stresserkrankung: das Konzept der Posttraumatic Stress Disorder (PTSD) 72
3.9 Neurowissenschaftliche Ansätze zu Trauma und Gedächtnis: Trauma als »traumatic memory« 76
3.10 Zusammenfassung und Schlussfolgerungen für den Flüchtlingsbereich 91
4 Krieg und Flucht im Kindesalter – Forschungsstand 93
4.1 Die Studie von Anna Freud und Dorothy Burlingham: »War and Children« 94
4.2 Kriegskinder in Deutschland 98
4.3 Überblick über aktuelle Forschung 101
4.4 Fazit und Forschungslücken 110
5 Trauma bei Kindern 112
5.1 Trauma und Entwicklung 112
5.2 Entwicklungs- und altersspezifische Aspekte von Trauma 117
5.3 Typische Merkmale von Trauma bei Kindern . . 120
5.4 Trauma und Gedächtnis im Kindesalter: das Problem der biographischen Rekonstruktion . . 125
5.5 Kindheitstrauma und Hirnentwicklung: How »states« become »traits« 140
5.6 Trauma ohne Symptom und die Frage resilienter Entwicklung 144
5.7 Trauma und Familie: intergenerationale und transgenerationale Traumatisierungen 149
5.8 Zusammenfassung und Fazit 150
6 Bindungsforschung als ein Zugang zum subjektiven Umgang mit Traumatisierungen und zu intergenerationalen Prozessen 152
6.1 Bindungstheorie und Bindungsforschung 153
6.2 Methoden zur Bestimmung von Bindungsmustern und zentrale empirische Ergebnisse der Bindungsforschung 162
6.3 Trauma und Bindung 176
6.4 Klinische Aspekte der Bindungsforschung 187
6.5 Kritische Einwände und Grenzen der Bindungsforschung 189
6.6 Fazit und methodische Schlussfolgerungen 196
7 Methodische Anlage der Studie 199
7.1 Interviews zu traumatischen Erlebnissen 200
7.2 Forschen im interkulturellen Raum 203
7.3 Methodisches Vorgehen 204
7.4 Forschungsfragen 209
7.5 Beschreibung der angewandten Methoden 212
8 Fallübergreifende Ergebnisse 229
8.1 Forschungsprozess und Beschreibung der untersuchten Gruppe 229
8.2 Zur familiären und psychosozialen Situation der Flüchtlingsfamilien 233
8.3 Fallübergreifende Ergebnisse der Fragebögen und der Bindungsinterviews 241
8.4 Zusammenfassung und tabellarische Ergebnisübersicht 248
9 Exemplarische Fallanalysen 252
9.1 Alen, 12 Jahre: »Ich bemerke es nicht, wenn sie traurig ist« – Beispiel für einen pseudo-resilienten Entwicklungsverlauf 252
9.2 Katarina, 11 Jahre: »Du musst jetzt aber nicht traurig sein, nur weil ich traurig bin« – Beispiel für ein sicheres Bindungsmuster bei gleichzeitiger Angstsymptomatik 298
9.3 Nermin, 11 Jahre, »Er ist traurig von irgendwas« – Beispiel für verminderte intergenerationale Grenzbildung und unbehandelte traumabedingte Symptomatik 320
9.4 Zusammenfassende Darstellung der Fallanalysen: Drei unterschiedliche Wege der Erfahrungsverarbeitung von Flüchtlingskindern 358
10 Exilbedingte sequentielle Traumatisierungen – Das Erleben der Aufenthaltssituation in Deutschland 365
10.1 Chronische oder wiederkehrende Belastungsfaktoren 366
10.2 Angst auslösende und traumatogene Situationen im Zusammenhang mit der Aufenthaltssituation in Deutschland 375
10.3 Positive Erfahrungen und positive Aspekte des Lebens in Deutschland 380
10.4 Zusammenfassung und tabellarische Übersicht über mögliche traumatische Sequenzen 380
11 Intergenerationale Traumatisierungen – die Ergebnisse der Adult Attachment Interviews (AAI) . . 387
11.1 Bindungsforschung als Zugang zu intergenerationalen Traumatisierungen 388
11.2 Zur Frage der kulturellen Sensitivität der AAIs: Ergebnisse der Expertinnenvalidierung 390
11.3 Hinweise auf Traumatisierungen in den AAIs . . 397
11.4 Zusammenfassung 402
12 Diskussion der Ergebnisse und Schlussfolgerungen 404
12.1 Flüchtlingskinder und Trauma – das Ineinandergreifen verschiedener Prozesse 404
12.2 Die Ergebnisse der empirischen Untersuchung vor dem Hintergrund der Traumatheorie 408
12.3 Der problematische Begriff der Resilienz 410
12.4 Diskussion der verwendeten Methoden 411
12.5 Gesellschaftliche Verleugnungsprozesse im Umgang mit Flüchtlingen 415
Danksagung 421
Literatur 423
Back Cover 441
10 Exilbedingte sequentielle Traumatisierungen – Das Erleben der Aufenthaltssituation in Deutschland (S. 364-365)
Die Einzelfälle machen deutlich, mit welchen komplexen Traumatisierungsprozessen Flüchtlingskinder konfrontiert sind. Neben eigenen traumatischen Erlebnissen spielen dabei sowohl die Traumatisierung der Eltern als auch sequentielle Traumatisierungsprozesse eine Rolle. Beide Aspekte nehme ich im Folgenden noch einmal fallübergreifend in den Blick.
Dabei gehe ich zunächst auf die Schilderungen der Flüchtlinge zu ihrer Situation in Deutschland ein und diskutiere im Sinne der zweiten Forschungsfrage (siehe Kapitel 7), inwiefern das Leben im Exil eine weitere traumatische Sequenz darstellt. Theoretisch beziehe ich mich dabei auf die Spezifizierung von Becker und Weyermann (2006) zu dem Modell der sequentiellen Traumatisierung von Hans Keilson (siehe Kapitel 3).
Generell lässt sich in den Gesprächen feststellen, dass die Einführung der Traumaregelung bei den interviewten Familien zum Untersuchungszeitpunkt noch kaum zu einer Entspannung ihrer Lage beigetragen hat: Die Familien haben entweder noch keine Aufenthaltsbefugnis erhalten, obwohl das Gutachten bereits vorliegt, sie befinden sich in dem als sehr belastend erlebten Begutachtungsprozess, oder das Traumagutachten ist nicht anerkannt und ihr Antrag auf Aufenthaltsbefugnis abgewiesen worden.
Bei den Familien, die eine Aufenthaltsbefugnis erhalten haben, fällt auf, dass sie nach den langen Jahren mit sogenannter Kettenduldung nun sehr misstrauisch sind, ob ihnen die auf zwei Jahre befristete Befugnis tatsächlich verlängert werden wird, zudem wird das Problem des unsicheren Aufenthaltsstatus nun von dem Problem abgelöst, dass die Flüchtlinge, nachdem sie circa zehn Jahre lang nicht arbeiten durften, nun aufgefordert sind, sich auf dem Arbeitsmarkt zu orientieren.
Viele Flüchtlinge befinden sich damit – nach dem Modell von Becker und Weyermann – noch in der Phase der »Chronifizierung derVorläufigkeit« beziehungsweise gerade imÜbergang, zu – anerkannten – Immigranten zu werden. Dies ist sicherlich auch ein Grund dafür, dass die Kriegserlebnisse nach wie vor in den Familie sehr präsent sind: Die Phase nach der Verfolgung, die eine Bearbeitung des Erlebten erst ermöglicht, ist noch nicht erreicht. In den Gesprächen mit den Flüchtlingen wird jedoch auch deutlich, dass insbesondere die Kinder ihre Situation in Deutschland keineswegs nur negativ erleben. Die genannten Belastungen und Situationen lassen sich differenzieren in chronische oder wiederkehrende Belastungsfaktoren und in einzelne herausragende Erlebnisse, die Angst auslösend oder traumatogen waren.
Erscheint lt. Verlag | 16.11.2011 |
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Reihe/Serie | Schriften des Sigmund-Freud-Instituts |
Schriften des Sigmund-Freud-Instituts. | Schriften des Sigmund-Freud-Instituts. |
Zusatzinfo | mit 16 Abb. und 5 Tab. |
Verlagsort | Göttingen |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Geisteswissenschaften ► Psychologie ► Traumatherapie |
Medizin / Pharmazie ► Medizinische Fachgebiete ► Psychiatrie / Psychotherapie | |
Schlagworte | Bindung • Bindungsforschung • Bosnien-Herzegowina • Deutschland • Flüchtlingskinder • Interdisziplinarität • Kind • Krieg • Posttraumatic stress disorder • Psychisches Trauma • Psychoanalyse • Psychologie • Trauma • Traumabewältigung • Traumatisierung |
ISBN-10 | 3-647-45126-6 / 3647451266 |
ISBN-13 | 978-3-647-45126-8 / 9783647451268 |
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