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Leichter sprechen und sich wohler fühlen - Berthold Wauligmann

Leichter sprechen und sich wohler fühlen

Praktische Hilfen für Stotternde
DVD Video
Ausstattung: Buch
2010
Stottern & Selbsthilfe (Hersteller)
978-3-921897-59-1 (ISBN)
CHF 39,95 inkl. MwSt
1. Vom Stottern zum natürlichen Sprechen
1. Neues Sprechen
Um vom Stottern wegzukommen braucht man eine klare Vorstellung davon, wohin man möchte und wie man dort hingelangen kann. Ziel ist das neue Sprechen , ein Sprechen, das leicht fällt und bei dem man sich wohl fühlt. Es ist ein natürliches Sprechen ohne Hektik und Anstrengung. Dennoch erfordert es zunächst ein hohes Maß an Konzentration, da es ungewohnt ist. Beim neuen Sprechen geht es darum, die Dinge zu unterlassen, die zum Stottern führen und sich stattdessen an dem zu orientieren, was man anders macht, wenn man in ruhigen Situationen normal spricht.
Das gezielte Reduzieren des Sprechtempos trägt dazu bei, dass man sich in den Situationen, in denen es erforderlich ist, mehr Zeit lässt. Durch verschiedene, natürliche Arten der Verlangsamung wird mehr Ruhe ins Sprechen gebracht.
Cleveres Atmen ist der zweite Baustein des neuen Sprechens. In Situationen, in denen man sich aufregt, atmet man anders als in ruhigen Situationen. Dadurch kann zu viel Druck ins Sprechen gelangen, das tonische Stottern entsteht. Cleveres Atmen ist die Grundlage für sicheres und fließendes Sprechen.
Beim gebundenen Sprechen mit regelmäßigen Betonungen orientieren wir uns am Singen.
Dabei haben die meisten Stotternden keine Probleme. Statt abgehackt zu sprechen, verbinden wir die Wörter miteinander. Statt daran zu denken, was wir tun können, um nicht zu stottern, konzentrieren wir uns wie beim Singen darauf, wie es sich anhören soll. Bewusst sprechen wir mit sinnvollen Betonungen.
Das gezielte Reduzieren der Lautstärke hilft uns (wie das clevere Atmen) dabei, mit weniger Anstrengung zu sprechen. Leises Sprechen strengt weniger an als lautes. Dieses Wissen nutzen wir, indem wir bei den ersten wahrzunehmenden Verspannungen für einen Moment etwas leiser sprechen.
Beim Sprechen mit lockerer Mundmuskulatur spürt man, wie wenig Anstrengung zum natürlichen Sprechen erforderlich ist. Wer besonders deutlich sprechen möchte, übertreibt die Artikulation. Dieser erhöhte Kraftaufwand ist zum normalen Sprechen nicht erforderlich. Wer beim Sprechen befürchtet, ins Stottern zu geraten, der verkrampft. Wer aber darauf achtet, die lockere Mundmuskulatur beizubehalten, der bleibt entspannt und kann daher leichter sprechen.
2. Ängste abbauen
Stottern zum Thema machen, das war für mich sehr wichtig. Als Jugendlicher lebte ich sehr zurückgezogen. Ich grübelte viel und fühlte mich als Versager. Ich konnte mit niemandem über mein Stottern sprechen. Dies änderte sich erst, als ich mich mit 21 Jahren (heimlich) in psychotherapeutische Behandlung begab. Mit fast 24 Jahren schloss ich mich einer Stotterer-Selbsthilfegruppe an. Dort lernte ich Menschen kennen, die das gleiche Problem hatten wie ich. In dieser Gruppe fühlte ich mich immer wohler, denn hier machte mich das Stottern nicht zum Außenseiter. Jetzt gelang es mir immer öfter, über meine Ängste und meine Erlebnisse mit dem Stottern zu sprechen. Das tat mir gut. Die Mitglieder der Selbsthilfegruppe ermutigten mich dazu, in Alltagssituationen wieder häufiger etwas zu sagen. Lieber stottern statt schweigen! , wurde mein neues Motto. Trotz Angst zu sprechen, das wurde für mich zu einem Erfolgserlebnis, auch wenn ich dabei stotterte. Es waren Schritte in die richtige Richtung. Situationen, die ich vorher als Misserfolge eingestuft hatte, betrachtete ich jetzt als bestandene Mutproben. Mir war klar, dass ich nur dann zu einem wesentlich fließenderen Sprechen gelangen konnte, wenn ich mich auch mit meinen Ängsten auseinandersetzen würde. Vorher dachte ich immer: Lieber schweigen statt stottern! Dadurch ersparte ich mir viele unangenehme Erlebnisse. Auf Dauer war diese Strategie jedoch wenig hilfreich. Je öfter ich Sprechsituationen vermied, desto größer waren die Angst und die Anspannung, wenn ich dem Sprechen nicht mehr aus dem Wege gehen konnte.

Über den Autor Berthold Wauligmann, Jahrgang 1955, ist seit mehr als 30 Jahren Mitglied der Stotterer-Selbsthilfegruppe Münster. Von 1984 bis 1989 war er Vorsitzender des Landesverbandes Nordrhein-Westfalen der Bundesvereinigung Stotterer-Selbsthilfe (BVSS). Seit 1985 ist er als Referent bei Seminaren tätig. Für die BVSS ist er oft aktiv, um zur Stärkung der Stotterer-Selbsthilfegruppen beizutragen. Berthold Wauligmann ist verheiratet. Gemeinsam mit seiner Frau Cilli, die er bei einem Seminar der Stotterer-Selbsthilfe kennen gelernt hat, hat er zwei Söhne im jugendlichen Alter. 1996 erschien Wauligmanns erster Film “Stotternde entdecken Sprechfreude“. Neben zahlreichen Artikeln für den KIESELSTEIN (Zeitschrift der BVSS) schrieb er auch die “Ideenkiste für den Gruppenabend“. Beliebt sind seine - teilweise humorvollen - Buttons zum Thema Stottern (www.tolle-buttons.de). Beruflich war er 23 Jahre lang im Öffentlichen Dienst beschäftigt. Seine frühzeitige Pensionierung kommt der Stotterer-Selbsthilfe sehr zugute.

Inhalt des Films
Teil 1: Vorträge (57 Minuten)
1 Selbst-Mobbing? Nein, danke!
2 Neue Erkenntnisse
3 Regelmäßiges Betonen
3.1 Vom Singen zum Sprechen
3.2 Regelmäßiges Betonen
4 Gezieltes Reduzieren des Sprechtempos
4.1 Löse die Handbremse!
4.2 Sprich so, wie du Auto fährst!
5 Atmung
5.1 Stoppen bei Brustatmung
5.2 Warnsignale der Atmung (Ludwig Werle)
6 Ich kann reagieren!
7 Sprechen mit lockerer Mundmuskulatur
7.1 Flüstern und Alkohol
7.2 Selbstwahrnehmung beim Mitsprechen in einer Gruppe
7.3 Ungeformte Sätze (Sprechen ohne Artikulation )
7.4 Lauter werden durch Erhöhung des Atemdrucks
7.5 Lockerer Stimmeinsatz
7.6 Locker bleiben durch positive Gedanken
8 Positive Vorstellungen
Teil 2: Übungen (63 Minuten)
1 Begrüßung
2 Gezieltes Reduzieren des Sprechtempos
2.1 Sprich so, wie du Auto fährst!
2.2 Echte Situationen allein einüben
2.3 Sprechen in Abschnitten
3 Atmung
3.1 Entscheide selbst, wohin du atmest!
3.2 Atme nur so viel Luft ein wie du brauchst!
3.3 Sprechen mit wenig Druck
3.4 In die Ausatmung hineinsprechen
3.5 Lauter sprechen durch Erhöhung des Atemdrucks
3.6 Tipps fürs Telefonieren
4 Gebundenes Sprechen mit regelmäßigen Betonungen 4.1 Gebundenes Sprechen
4.2 Vom Singen zum betonten Sprechen
4.3 Betonungen als Ruhe-Inseln
4.4 Betonungswellen
4.5 Betonen mit natürlicher Gestik
4.6 Statt Buchstaben sehen: Betonungen hören!
5 Gezieltes Reduzieren der Lautstärke
5.1 Leiser Stimmeinsatz
5.2 Gezieltes Reduzieren der Lautstärke
6 Sprechen mit lockerer Mundmuskulatur
6.1 Ungeformte Sätze (Sprechen ohne Artikulation )
6.2 Lockerer Stimmeinsatz
7 Positive Vorstellungen
7.1 Einreden
7.2 Sprechen wie ein Schauspieler
8 Aus Misserfolgen lernen

Vorwort des Autors Mein Sprechen war eine Katastrophe Mein Stottern war arg schlimm, wie ein Monster, das mich fast ständig bedrohte. Manchmal hätte ich gerne mit einem Taubstummen getauscht. Bei dem wundern sich die Leute nicht, wenn er schweigt. Dem würde niemand sagen „Geh’ mal eben ans Telefon!“ oder „Rufen Sie einfach an!“ Wer mir so etwas sagte, der kannte mein Innenleben nicht. Woher auch, konnte ich doch bis zu meinem 21. Lebensjahr mit niemandem über mein Stottern reden, außer zu Gott. Immerhin! Raus aus der Isolation, rein in die Selbsthilfegruppe! Am 9. Dezember 1979 kam die Wende, Gott sei Dank! Ich hatte davon erfahren, dass in Münster eine Stotterer-Selbsthilfegruppe gegründet werden sollte. „Das wäre eine tolle Sache für dich!“, hatte mir mein Bruder Ludger vorher schon mal einen Tipp gegeben. Jetzt ergab sich die Chance. Zum Glück habe ich sie ergriffen. Heute ist dieser Tag für mich wie ein zweiter Geburtstag! Endlich lernte ich Menschen kennen, die dasselbe durchmachten wie ich. Ich dachte immer, ich wäre der Einzige, dem es so erginge. Dabei gibt es in Deutschland etwa 800.000 Menschen mit dem gleichen Problem. Endlich konnte ich über die Dinge reden, die mir so viele Sorgen bereiteten. Endlich fand ich Freunde, in deren Gegenwart ich mich auch beim Sprechen wohl fühlte. Endlich mal keine Angst davor, ausgelacht zu werden! Aus dem Teufelskreis in die Erfolgsspirale Ich besuchte dann auch viele Seminare. Roswitha Schöttke und Manfred Rubba vermittelten mir die Hausdörfer’sche Methode, dank Ludwig Werle und Norman Bush lernte ich das Natürliche Sprechen nach Ronald Muirden kennen. Schließlich organisierte ich selbst Seminare mit Erwin Richter, für dessen Naturmethode ich mich ebenfalls sehr begeisterte. Hausdörfer, Muirden und Richter gelang es, sich selbst von ihrem Stottern “zu befreien“. Das motivierte mich sehr, mich näher mit ihren Erkenntnissen zu beschäftigen. Ich bastelte mir meine eigene Therapie zusammen, indem ich diesen drei Methoden nach und nach das mir am besten Erscheinende entnahm und noch einige andere “Zutaten“ hinzufügte. Ich führe jetzt schon seit mehr als 25 Jahren - oft mit anderen Referenten zusammen - Seminare durch. Immer wieder kamen mir neue Ideen, die ich erst allein ausprobierte und dann anderen Stotternden vorstellte. Gerade in den letzten zweieinhalb Jahren sind mir wieder einige neue Übungen eingefallen, die mir - zusammen mit dem positiven Einreden - noch einmal zu erheblichen Fortschritten verholfen haben. Dabei spielte auch die Atmung eine wichtige Rolle. Dank intensiver Selbstwahrnehmung gelang es mir, alte “Fehler beim Atmen“ immer mehr abzustellen. In ihren Büchern hatten Muirden und Richter das “Problem Atmung“ schon näher beschrieben, aber ich hatte dem noch keine besondere Bedeutung beigemessen. Mein Dank Es ist mir ein Anliegen, meine Ideen und Erfahrungen möglichst vielen Betroffenen und (werdenden) TherapeutInnen zur Verfügung zu stellen. Zum Glück wohnt Michael Kofort in meiner Nähe! Er hat schon zahlreiche Filme zum Thema Stottern gedreht. Als ich ihm von meinem Wunsch, diesen Film produzieren zu wollen, erzählte, hätte er sagen können „Vergiss es!“ Dann wäre ihm viel Arbeit erspart geblieben. Ich bin Michael sehr dankbar dafür, dass er mir dieses Projekt ermöglicht hat, zumal er sich obendrein auch noch erfolgreich um die Finanzierung kümmerte. Bei meinen vielen Ideen war es wichtig, die weniger guten auszusortieren. Dabei haben mir Ludwig Werle und Dr. Hans Hörmann sehr geholfen. Zusammen mit Ludwig, der in der Eifel wohnt, habe ich schon viele Naturmethode-Seminare geleitet. Er ist mir ein großes Vorbild, nicht nur in sprachlicher Hinsicht. Als Arzt kann er die körperlichen Vorgänge beim Stottern sehr gut erklären. Ich bin sehr froh darüber, dass Ludwig den im Film zu sehenden Vortrag über die Warnsignale der Atmung gehalten hat. Auch das Manuskript für die Broschüre durfte ich ihm mit der Bitte um Rückmeldung übersenden. Dr. Hans Hörmann, der ebenfalls selbst stottert, ist Sprachheilpädagoge (M.A.) und als Dozent für den Fachbereich Redeflussstörungen an der Berufsfachschule für Logopädie in Augsburg tätig. Danke, Hans, für Deine Unterstützung und für das anerkennende Vorwort! Hausdörfer, Muirden und Richter hatten noch nicht die Möglichkeit, ihre Übungen im Film zu demonstrieren. Schön, dass dies heute geht! An dieser Stelle muss ich unbedingt Angela Pohlmann und Ekkehard Eysel ein großes Lob aussprechen. Die beiden gehören unserer Stotterer-Selbsthilfegruppe in Münster an und haben sich ohne zu zögern dazu bereit erklärt, im Film mitzuwirken. Beiden gelang es auf eindrucksvolle Weise, meine Vorstellungen schnell in die Tat umzusetzen. Die Zusammenarbeit mit euch hat mir sehr viel Freude bereitet. Danke! Erheblich zur Qualität des Films und der Broschüre hat Dorothea Beckmann beigetragen. Dorothea ist Logopädin, Stimmtherapeutin und Gesangslehrerin. Auch sie stottert selbst. Dank ihres enormen Fachwissens konnten so manche Schwachstellen beseitigt werden. Falls es Ihnen schwer fällt, in dieser Broschüre grammatikalische oder Rechtschreibfehler zu finden, so ist auch dies vor allem auf Dorotheas Mitwirkung zurückzuführen. Dr. Axel Kürvers ist extra nach Münster gekommen, um sich die Filmaufnahmen von den Übungen anzusehen. Dank seiner wertvollen Rückmeldungen konnten wir weitere Verbesserungen vornehmen. Axel ist leitender klinischer Sprachtherapeut an einer Reha-Klinik und Lehrbeauftragter mit Dozententätigkeit an der Universität Dortmund, Fakultät für Rehabilitationswissenschaften. Schon seit 1998 lädt er mich alljährlich ein, um an der Uni vor ca. 50 StudentInnen einen Vortrag über die Naturmethode zu halten. Das ist eine willkommene Herausforderung, der ich immer wieder gerne nachkomme. In dieser Broschüre finden Sie auch ein Kapitel über das Positive Einreden. Ich habe mich sehr darüber gefreut, dass Klaus Dieter Ritter es überarbeitet hat. Er ist Experte auf dem Gebiet der Autosuggestion (langjähriger Seminarleiter, Berater, Ausbilder, Autor, Vorsitzender von “Coué Deutschland“). Natürlich darf an dieser Stelle ein Dank an Prof. Dr. Wolfgang Wendlandt nicht fehlen. Von seinem wertschätzenden Kommentar erhoffe ich mir, dass diese Veröffentlichung mehr Beachtung findet, als es sonst wohl der Fall wäre. Wolfgang Wendlandt ist Diplom-Psychologe und war als Hochschullehrer an der Alice-Salomon-Hochschule für Sozialarbeit und Sozialpädagogik in Berlin tätig. Als Experte und erfolgreicher Autor ist er auf dem Gebiet des Stotterns international bekannt. Berthold Wauligmann Havixbeck, März 2010

1. Vom Stottern zum natürlichen Sprechen 1. Neues Sprechen Um vom Stottern wegzukommen braucht man eine klare Vorstellung davon, wohin man möchte und wie man dort hingelangen kann. Ziel ist das “neue Sprechen“, ein Sprechen, das leicht fällt und bei dem man sich wohl fühlt. Es ist ein natürliches Sprechen ohne Hektik und Anstrengung. Dennoch erfordert es zunächst ein hohes Maß an Konzentration, da es ungewohnt ist. Beim “neuen Sprechen“ geht es darum, die Dinge zu unterlassen, die zum Stottern führen und sich stattdessen an dem zu orientieren, was man anders macht, wenn man in ruhigen Situationen normal spricht. Das gezielte Reduzieren des Sprechtempos trägt dazu bei, dass man sich in den Situationen, in denen es erforderlich ist, mehr Zeit lässt. Durch verschiedene, natürliche Arten der Verlangsamung wird mehr Ruhe ins Sprechen gebracht. Cleveres Atmen ist der zweite Baustein des neuen Sprechens. In Situationen, in denen man sich aufregt, atmet man anders als in ruhigen Situationen. Dadurch kann zu viel Druck ins Sprechen gelangen, das tonische Stottern entsteht. Cleveres Atmen ist die Grundlage für sicheres und fließendes Sprechen. Beim gebundenen Sprechen mit regelmäßigen Betonungen orientieren wir uns am Singen. Dabei haben die meisten Stotternden keine Probleme. Statt abgehackt zu sprechen, verbinden wir die Wörter miteinander. Statt daran zu denken, was wir tun können, um nicht zu stottern, konzentrieren wir uns – wie beim Singen – darauf, wie es sich anhören soll. Bewusst sprechen wir mit sinnvollen Betonungen. Das gezielte Reduzieren der Lautstärke hilft uns (wie das clevere Atmen) dabei, mit weniger Anstrengung zu sprechen. Leises Sprechen strengt weniger an als lautes. Dieses Wissen nutzen wir, indem wir bei den ersten wahrzunehmenden Verspannungen für einen Moment etwas leiser sprechen. Beim Sprechen mit lockerer Mundmuskulatur spürt man, wie wenig Anstrengung zum natürlichen Sprechen erforderlich ist. Wer besonders deutlich sprechen möchte, übertreibt die Artikulation. Dieser erhöhte Kraftaufwand ist zum normalen Sprechen nicht erforderlich. Wer beim Sprechen befürchtet, ins Stottern zu geraten, der verkrampft. Wer aber darauf achtet, die lockere Mundmuskulatur beizubehalten, der bleibt entspannt und kann daher leichter sprechen. 2. Ängste abbauen Stottern zum Thema machen, das war für mich sehr wichtig. Als Jugendlicher lebte ich sehr zurückgezogen. Ich grübelte viel und fühlte mich als Versager. Ich konnte mit niemandem über mein Stottern sprechen. Dies änderte sich erst, als ich mich mit 21 Jahren (heimlich) in psychotherapeutische Behandlung begab. Mit fast 24 Jahren schloss ich mich einer Stotterer-Selbsthilfegruppe an. Dort lernte ich Menschen kennen, die das gleiche Problem hatten wie ich. In dieser Gruppe fühlte ich mich immer wohler, denn hier machte mich das Stottern nicht zum Außenseiter. Jetzt gelang es mir immer öfter, über meine Ängste und meine Erlebnisse mit dem Stottern zu sprechen. Das tat mir gut. Die Mitglieder der Selbsthilfegruppe ermutigten mich dazu, in Alltagssituationen wieder häufiger etwas zu sagen. „Lieber stottern statt schweigen!“, wurde mein neues Motto. Trotz Angst zu sprechen, das wurde für mich zu einem Erfolgserlebnis, auch wenn ich dabei stotterte. Es waren Schritte in die richtige Richtung. Situationen, die ich vorher als Misserfolge eingestuft hatte, betrachtete ich jetzt als bestandene Mutproben. Mir war klar, dass ich nur dann zu einem wesentlich fließenderen Sprechen gelangen konnte, wenn ich mich auch mit meinen Ängsten auseinandersetzen würde. Vorher dachte ich immer: „Lieber schweigen statt stottern!“ Dadurch ersparte ich mir viele unangenehme Erlebnisse. Auf Dauer war diese Strategie jedoch wenig hilfreich. Je öfter ich Sprechsituationen vermied, desto größer waren die Angst und die Anspannung, wenn ich dem Sprechen nicht mehr aus dem Wege gehen konnte. Neues Sprechen statt stottern!, das war der nächste Schritt. Die Verringerung meiner Sprechängste erhöhte meine Chancen, auch in Alltagssituationen das neue Sprechen erfolgreich anwenden zu können. Je ruhiger und selbstbewusster ich wurde, desto leichter fiel es mir, mich auf die neue Sprechweise zu konzentrieren. Es war sehr wichtig und hilfreich für mich, mit den Menschen, mit denen ich es regelmäßig zu tun hatte (Familie, Mitstudierende, KollegInnen im Büro, Freunde), über mein neues Sprechen zu reden. Sie fanden es gut, dass ich an meinem Stottern arbeitete. Die positive Resonanz erleichterte mir die sprachlichen Veränderungen. „In der Übertreibung liegt die Heilung“, schrieb schon Oscar Hausdörfer im Jahre 1933 in seinem Buch “Durch Nacht zum Licht“. Ich fühlte mich besonders sicher, wenn ich das neue Sprechen mit Übertreibung anwandte. Damals half es mir sehr, besonders langsam zu sprechen, da ich noch sehr stark stotterte. Das erforderte natürlich viel Mut, da es recht auffällig war. So diente die Übertreibung auch der Desensibilisierung, dem Lernen, mir nichts draus zu machen. Es machte mir immer weniger aus, mit meinem neuen Sprechen aufzufallen. 3. Gewohnheit Auf das “Üben im stillen Kämmerlein“ kann nicht verzichtet werden, auch wenn viele Stotternde gut sprechen können, wenn sie allein sind. Gerade bei Erwachsenen hat das Stottern eine “Macht der Gewohnheit“ erlangt. Durch häufiges Trainieren (ca. 30 Minuten täglich, etwa ein Jahr lang) kann man sich das neue Sprechen immer mehr angewöhnen. Ein Sportler, der viel trainiert, wird immer besser. So ist es auch beim Sprechen: Je öfter man das neue Sprechen übt und anwendet, desto leichter fällt es einem. Setzen Sie sich dabei aber nicht zu sehr unter Druck! Selbst dann, wenn Sie das neue Sprechen “nur“ zu 51 Prozent anwenden, tun Sie schon mehr für die neue Gewohnheit als für die alte! Beim Üben ist es wichtig, nicht nur laut zu lesen, sondern auch das freie Sprechen zu trainieren. Es funktioniert anders. Je nachdem worüber man redet, braucht man mehr oder weniger Zeit, um seine Gedanken zu formulieren (s. DVD “Übungen“ 2.2). Sehr hilfreich ist es auch, sich einen Telefonpartner zu suchen. Das bedeutet, man vereinbart mit jemandem, der seine neue Sprechweise ebenfalls üben möchte, regelmäßig zu telefonieren. Auch das Trainieren in der Stotterer-Selbsthilfegruppe kann ich sehr empfehlen! Hier findet man weitere (und auch schwierigere) Übungsmöglichkeiten. Die Selbsthilfegruppe ist ein guter Ort, um über gemachte Erfahrungen zu reden. Natürlich lohnt es sich auch sehr, Seminare zu besuchen, die - insbesondere an Wochenenden - von der Bundesvereinigung Stotterer-Selbsthilfe angeboten werden (s. www.bvss.de). So erlebt man Erfolge und bekommt weitere Hilfen. Die “Übertragung in den Alltag“ ist oft das Hauptproblem bei der Bewältigung des Stotterns. Es reicht nicht aus, das neue Sprechen nur im Schonraum zu praktizieren. Schritt für Schritt ist es in den Alltag zu übertragen. Rollenspiele, die man gut in einer Selbsthilfegruppe durchführen kann, sind eine wirksame Möglichkeit, um sich auf bestimmte Situationen vorzubereiten. Der nächste Schritt sind In-Vivo-Übungen (= Übungen im richtigen Leben). In der Stotterer-Selbsthilfegruppe bzw. in einer Gruppentherapie lernt man Leute kennen, mit denen man sich zum Trainieren von Alltagssituationen in der Stadt verabreden kann. Gemeinsam fällt es leichter, solche Übungen durchzuführen. Außerdem hat man jemanden, der einem wertvolle Rückmeldungen geben kann. Man freut sich zusammen über Gelungenes und kann sofort darüber sprechen, wenn etwas nicht so geklappt hat, wie man es sich erhoffte. 4. Positive Vorstellungen Ein Stotternder kann Sprechen neu lernen wie ein Schauspieler, der eine neue Rolle einstudiert. Ein Schauspieler muss sehr viel proben, um schließlich vor Publikum souverän auftreten zu können. Wer sich aus der “Rolle des Stotternden“ entfernen und in die “Rolle eines Normalsprechenden“ schlüpfen möchte, braucht vor allem eine klare Vorstellung von seinem neuen Sprechen. Wichtig ist es auch, sich typische Stottergedanken abzugewöhnen. Ziel darf es nicht mehr sein, nicht zu stottern. Die Gedanken sind darauf zu richten, sich ein bestimmtes Sprechen anzugewöhnen. Ein Stotternder braucht Zuversicht statt Angst. Wer befürchtet, beim Sprechen an einer bestimmten Stelle oder in einer bestimmten Situation hängen zu bleiben, der wird dann sehr wahrscheinlich auch tatsächlich stottern. Die Absicht, in einem bestimmten Augenblick unbedingt fließend sprechen zu wollen, hilft nicht. Ganz im Gegenteil: Wer sich beim Sprechen zu sehr unter Druck setzt (Stichwort “Selbst-Mobbing“), trägt damit zum Stottern bei. „Nicht der Wille, die Vorstellungskraft ist die leitende Kraft im Menschen. Sind Wille und Vorstellung nicht gleichgerichtet, siegt ausnahmslos die Vorstellungskraft.“ (Emil Coué) Und Befürchtungen sind machtvolle Vorstellungen. Statt der Angst davor, ins Stottern zu geraten, benötigen wir Zuversicht. Wer fließendes Sprechen erwartet, wird auch meistens fließend sprechen. Das Einüben des neuen Sprechens ist schon deshalb sehr wichtig, weil wir dadurch eine genaue Vorstellung davon bekommen, was wir tun können, um natürlich zu sprechen. Mit jedem Erfolgserlebnis erhöhen wir die Zuversicht, in immer mehr Situationen fließend sprechen zu können. Die Sorge, ins Stottern geraten zu können, lässt nach. Durch das Einreden beeinflussen wir unser Unterbewusstsein. Dort sind u. a. die Erlebnisse mit dem Stottern gespeichert, wodurch die Veränderung des Sprechens erschwert wird. Durch Erfolgserlebnisse mit dem neuen Sprechen verliert jedoch Vergangenes nach und nach an Wirkung. Das Unterbewusstsein unterscheidet oft nicht zwischen Dingen, die man sich nur vorgestellt oder die man tatsächlich erlebt hat. Daher wirkt das Einreden ähnlich positiv wie erzielte Erfolge. Die Automatisierung des neuen Sprechens wird beschleunigt. Das Einreden trägt auch dazu bei, dass man in Alltagssituationen immer öfter an die Dinge denkt, auf die es beim neuen Sprechen ankommt. Erfolge zu genießen ist wichtig. Freuen Sie sich auch, wenn Sie “nur“ 90 Prozent Ihrer Ziele erreichen! Erwarten Sie nicht immer, dass gleich alles gelingt! Setzen Sie sich kleine Ziele, die erreichbar sind. Ärgern Sie sich nicht über Misserfolge! Auch ein Hochspringer schafft nicht jede Höhe beim ersten Versuch. Aus Fehlern zu lernen, das wird Ihnen weiterhelfen! Fragen Sie sich, was in dieser oder jener Situation zum Stottern geführt hat und was Sie ändern können, damit es vielleicht beim nächsten Mal klappt. Stottern kann verschwinden! Reden Sie sich nicht ein, dass Sie Ihr Leben lang ein Stotternder bleiben werden! Das kann Ihnen nur schaden. „Man kann nur das erreichen, was man sich auch vorstellen kann“, heißt es bei der Autosuggestion. Kein Therapeut kann die Heilung vom Stottern versprechen! Das wäre nicht seriös. Allerdings habe ich immer wieder mal Menschen getroffen, die mir glaubhaft erzählt haben, dass sie früher auch gestottert hätten. Es gibt ja auch einige Prominente, von denen man weiß, dass sie früher gestottert haben. Es ist also möglich, Stottern zum Verschwinden zu bringen! Man kann es nicht planen, man sollte eine Heilung aber auch nicht ausschließen, zumal das die Motivation, an seinem Sprechen zu arbeiten, negativ beeinflusst. Selbst wenn man es nicht so weit schaffen sollte: Allein in der Stotterer-Selbsthilfe gibt es viele gute Beispiele dafür, dass man sein Stottern erheblich verringern kann. Man wird selbstbewusster und kann das sagen, was man sagen möchte – und das ist sicher der wichtigste Punkt bei der ganzen Sache.

Erscheint lt. Verlag 11.6.2010
Mitarbeit Kameramann: Michael Kofort
Nachwort Wolfgang Wendlandt
Vorwort Hans Hörmann
Zusatzinfo 120 Minuten mit Begleitbroschüre, 64 Seiten
Sprache deutsch
Maße 180 x 240 mm
Gewicht 240 g
Einbandart DVD-Box
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Gesundheit / Leben / Psychologie Alternative Heilverfahren
Sachbuch/Ratgeber Gesundheit / Leben / Psychologie Krankheiten / Heilverfahren
Medizin / Pharmazie Gesundheitsfachberufe Logopädie
Schlagworte Behinderung • DVD, Video / Ratgeber/Gesundheit/Erkrankungen, Heilverfahren • Selbsthilfe • Stottern • Stottern; Ratgeber • Stottern; Ratgeber (DVD)
ISBN-10 3-921897-59-9 / 3921897599
ISBN-13 978-3-921897-59-1 / 9783921897591
Zustand Neuware
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