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Die Welt in den Wolken - Jay Amory

Die Welt in den Wolken

Roman

(Autor)

Buch | Softcover
448 Seiten
2009
Blanvalet Taschenbuch Verlag
978-3-442-24473-7 (ISBN)
CHF 12,50 inkl. MwSt
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    keine Neuauflage
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Fesselnde All-Age-Fantasy aus England!


Az hat keine Flügel. Was ihn in der Welt über den Wolken, deren Bewohner auf den Winden reiten, zum Außenseiter macht. Doch als vom Erdboden Gefahr für die Himmelswelt droht, schlägt für Az die große Stunde: Er wird in die unbekannte Tiefe geschickt, wo nur ein flügelloser Junge nicht auffällt – in eine Welt, die ganz anders ist, als Az sie sich vorgestellt hat. Anders und viel gefährlicher ...


Jay Amory ist das Pseudonym eines erfolgreichen britischen SF-Autoren.

Der Luftbus landete vor dem Museum der Künste, Wissenschaften und Geschichte, öffnete die Tür und ließ dreißig Schüler der Himmelshaven-Oberschule aussteigen. Einige stürzten sofort los und flogen mit kurzen, ruckartigen Flügelschlägen auf den Museumseingang zu. Ihnen konnte es gar nicht schnell genug gehen. Andere hatten es weniger eilig. Für sie gab es nichts Langweiligeres, als den ganzen Tag verstaubte Ausstellungsstücke anzuschauen und das Geleier der Kuratoren über sich ergehen lassen zu müssen. Sie schwebten träge über das Landefeld und hielten sich mit minimalstem Kraftaufwand gerade so in der Luft. Einige wenige liefen sogar, um ihre Lustlosigkeit zu demonstrieren. Als Letzter stieg Az aus dem Luftbus. Auch er ging zu Fuß, aber nicht, weil er cool und lässig wirken wollte. Er wäre liebend gern geflogen, wenn er es gekonnt hätte. Mit hängenden Schultern, die Hände in den Taschen vergraben, schlurfte Az zum Eingang hinüber, wo Miss Kabnielsdotter, die Klassenlehrerin, ihre Schüler um sich scharte und die Köpfe abzählte. »Ich habe etwas für euch!«, verkündete sie und begann, Fragebögen zu verteilen. Vielstimmige Seufzer liefen durch die Reihen der Schüler. »Wie, habt ihr etwa geglaubt, ich würde euch ziellos herumbummeln lassen? Ich kenne euch doch. Wenn ihr könntet, würdet ihr den ganzen Tag im Museumscafe sitzen und Kaffee trinken oder euch ins Sieben-Träume-Einkaufsparadies verdrücken. Wohingegen ich erwarte, dass ihr eure Zeit sinnvoll nutzt.« »Im Einkaufszentrum rumhängen ist sinnvoll«, bemerkte ein Witzbold. Einige Schüler lachten, aber Miss Kabnielsdotter ignorierte den Spruch. »Also, auf dem Bogen stehen fünfzig Fragen, die sich auf Ausstellungsstücke im Museum beziehen. Durch genaues Hinsehen werdet ihr die Antworten finden. Aber seid gewarnt — ich habe einige knifflige Fragen daruntergeschmuggelt, um euch auf Trab zu halten. Azrael?« Miss Kabnielsdotter reichte Az einen Bogen. »Du beantwortest so viele du schaffst«, sagte sie mit gesenkter Stimme. Az kniff die Augen zusammen. »Ich krieg's schon hin, Miss. Ich brauche keine Sonderbehandlung.« »Trotzdem. Im Gegensatz zur Schule ist das Museum nicht adaptiert, damit du dich darin frei bewegen kannst. Ich würde es verstehen, wenn du nicht so viel schaffst wie deine Mitschüler.« »Ich krieg's schon hin«, wiederholte Az und schob den Fragebogen in die Hosentasche. »Ich bin kein komplett hoffnungsloser Fall.« Miss Kabnielsdotter überlegte, ob sie ihn ermahnen sollte, denn normalerweise tolerierte sie keine Widerrede von ihren Schülern. Aber bei Az Gabrielson musste man schon mal eine Ausnahme machen. Obwohl sie versuchte, ihn wie alle anderen zu behandeln, konnte sie nicht anders, als für den armen Jungen Mitleid zu empfinden. »Und jetzt ab mit euch«, sagte sie zur ganzen Klasse. »Wir treffen uns um eins im Zwischengeschoss. Und damit meine ich Punkt eins.« Die Schüler strömten durch das kreisrunde Eingangsportal und teilten sich in Dreier- und Vierergruppen. Az schob sich an Miss Kabnielsdotter vorbei und zog alleine los. Gebaut als riesige Kugel, unterteilte sich das Museum der Künste, Wissenschaften und Geschichte in zehn Stockwerke, die wie Reifen ein zylindrisches Atrium umschlossen, das oben und unten verglast war. Die oberen Etagen waren der Technik und Kultur gewidmet, die unteren berühmten Ereignissen und Persönlichkeiten aus der Luftling-Geschichte. Die meisten von Az' Klassenkameraden schwebten im Atrium nach oben, um sich den Doppeldecker-Prototyp der Casmaronson-Brüder und die Wachsfigur der berühmten Konzertharfenistin Talia Israfelsdotter anzusehen. Az zog es dagegen in die entgegengesetzte Richtung. Am Rand des Atriums gab es eine schmale Treppe für die Alten und Gebrechlichen. Er stieg sie hinunter, bis es nicht mehr weiterging. Ins unterste Stockwerk verirrte sich nur selten ein Besucher. In der Tat war Az heute ganz alleine dort, abgesehen von einem schwarz gekleideten Mann mittleren Alters, der auf der anderen Seite des Raumes herumschwebte. Von einem früheren Museumsbesuch mit seiner Familie wusste Az, dass im untersten Stockwerk die Anfänge des Luftling-Volkes behandelt wurden — die Periode, die der Großen Katastrophe folgte, als die Überlebenden der weltweiten Zerstörungen die Himmelsstädte erbaut und sich dort niedergelassen hatten, um dem Schatten der Wolkendecke zu entfliehen, die allmählich den gesamten Planeten umhüllte. Verschiedene Modelle und Schaubilder zeigten den Bau der Himmelsstädte, eine ebenso brillante wie rasend schnell erfolgte Meisterleistung der Ingenieurskunst. Die Architekten hatten die Innovationen erdacht, die Arbeiter hatten sie gebaut, und alle miteinander hatten sie Lösungen für monumentale Probleme gefunden und geschuftet, wie Menschen noch nie zuvor geschuftet hatten. In unfassbarem Tempo waren gewaltige Betonsäulen in die Höhe geschossen, auf denen riesige Städte entstanden, jede anders gestaltet, jede einzigartig, einige funktional, andere extravagant, einige auf nur einer, andere auf mehreren Säulen. Von seinem ersten Besuch erinnerte sich Az aber an einen anderen Bereich der Ausstellung, zu dem es ihn nun zog. Dort war eine Szene aus dem Alltagsleben der Menschen zu sehen, die nicht in die Himmelsstädte ausgewandert, sondern am Boden geblieben waren. Die Erdlinge. Das Exponat zeigte den Innenraum einer kleinen Holzhütte, in der eine vierköpfige Familie lebte. Die Möbel waren primitiv, kaum mehr als zusammengenagelte Holzbretter, und die einzige Licht- und Wärmequelle bestand aus einer offenen Feuerstelle, die in einen simplen Rauchabzug mündete. Flammen aus orangefarbener Seide flatterten über einem Haufen nachgemachter Kohlebrocken und züngelten am Boden eines Kupferkessels, der an einem Haken über dem »Feuer« hing. Durch die offene Tür sah man eine gemalte Landschaft, die Impression eines nebligen Waldes unter einem unheilvoll düsteren Himmel. Die Familie selbst bestand aus vier Wachsfiguren: Vater, Mutter, Sohn und Tochter. Der Vater schärfte am Wetzstein die Klinge einer Holzfäller-Axt, die Mutter kochte, die Tochter zwirbelte am Spinnrad Garn zu einem Knäuel, und der Sohn spielte mit einem pelzigen, vierbeinigen Tier, das, der Informationstafel zufolge, eine domestizierte »Katze« war. Alle vier trugen Lumpen und sahen verhärmt und unterernährt aus, besonders die Eltern. An ihren sorgenvollen Mienen erkannte man, dass sie um die Zukunft ihres Volkes wussten. Sie schienen zu ahnen, dass ihr entbehrungsreiches, primitives Dasein sie auslaugen und zermürben würde, dass sie dem Untergang geweiht waren und dass es schon bald keine Erdlinge mehr geben würde. Az empfand Mitleid für sie, aber mehr noch verspürte er einen schmerzlichen Anflug von Verbundenheit. Denn die Erdlinge hatten keine Flügel. Das war es, was ihn an der nachgestellten Szene so faszinierte. Das war der Grund, warum er an die Absperrkordel vor dem Exponat stieß, warum er so gebannt auf die wächsernen Erdling-Nachbildungen starrte.

Erscheint lt. Verlag 15.7.2009
Reihe/Serie Blanvalet Taschenbuch
Übersetzer Joannis Stefanidis
Sprache deutsch
Original-Titel The Fledging of Az Gabrielson
Maße 115 x 183 mm
Gewicht 335 g
Einbandart Paperback
Themenwelt Literatur Fantasy / Science Fiction Fantasy
Schlagworte Fantasy
ISBN-10 3-442-24473-0 / 3442244730
ISBN-13 978-3-442-24473-7 / 9783442244737
Zustand Neuware
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