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Kind des Raben - Jennifer Roberson

Kind des Raben

Cheysuli 4 Roman
Buch | Softcover
992 Seiten
2008
Heyne, W (Verlag)
978-3-453-52487-3 (ISBN)
CHF 15,30 inkl. MwSt
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Die Rückkehr der Magie – der atemberaubende Höhepunkt der „Cheysuli“-Saga


Einst standen die Cheysuli an der Seite des Königs von Homana. In Gestalt von Wölfen oder Falken dienten sie ihm mit ihrer Magie. Doch dann wurden sie verbannt und verfolgt, Homana zerfiel ohne ihre Macht. Eine Prophezeiung lautet, dass nur das Kind eines Cheysuli und eines Menschen beide Völker vereinen und das Reich retten kann. Ist die Tochter des letzten Herrschers die Auserwählte?


Magisch, zeitlos, geheimnisvoll – Jennifer Robersons Epos um das einzigartige Volk der Cheysuli ist ein Meisterwerk der Fantasy


Jennifer Roberson, geboren 1953, ist Journalistin und Autorin von mehr als 20 Romanen, unter anderem von zwei sehr erfolgreichen Fantasy-Zyklen, die in zahlreiche Sprachen übersetzt wurden. Sie war eng mit Marion Zimmer Bradley befreundet und lebt heute i

Er war so klein, viel zu klein, aber die Verzweiflung verlieh ihm Kraft. Das Verlangen verlieh ihm Kraft, wenn auch die Angst und die Anspannung sie zu untergraben drohten. Er legte seine kleinen Hände an die gehämmerten Silbertüren und stemmte, so fest er konnte, wobei er vor Anstrengung stöhnte. Er stemmte mit all seiner Kraft. Die Tür öffnete sich ein wenig. Dann fiel sie langsam wieder zu, während seine schwache Kraft schwand. »Nein«, murmelte er zwischen zusammengebissenen Zähnen laut. »Nein, ich werde es dir nicht erlauben.« Er drückte erneut sehr fest. Dieses Mal spähte er durch die Öffnung, bevor sich die Tür wieder schließen konnte. Vor Entsetzen und Angst keuchend warf sich Aidan durch den Spalt. Sein Nachtgewand zerriss, aber es kümmerte ihn nicht. Es war nicht wichtig. Er war endlich drinnen. Kaum hineingelangt erstarrte er. Die Große Halle erinnerte ihn an eine Höhle. Dunkler als die Nacht - eine schwere dichte Schwärze, die ihn zerdrücken wollte. Dunkelheit und etwas, was ihn rief. Er würde nicht zerdrückt werden. Er würde es nicht - und doch verkrampfte sich sein Magen. Wer war er, dass er dies tun wollte? Wer war er, dass er in die Große Halle seines Großvaters kam und sich dem Löwenthron gegenüberstellen wollte? Kleine Hände zogen an Haaren, ließen eine Locke durch die Finger gleiten. Schwarzes Haar bei Nacht, am Tage ein dunkles Rostbraun und im Sonnenschein rot. Er spähte die Halle hinab und spürte das kalte Gestein unter seinen Füßen. Seine Mutter hätte ihm gesagt, er solle Hausschuhe anziehen. Aber das Verlangen war so groß gewesen, dass nichts sonst zählte, nur, dass er dem Löwen gegenübertrat - und dem Ding im Schoß des Löwen. Er zitterte. Nicht vor Kälte: vor Angst. Er bewegte sich wie unter Zwang. Aidan stöhnte leise. Er wollte die Halle verlassen. Er wollte dem Löwen, dem großen schwarzen Tier, das darauf wartete, ihn zu verschlingen, den Rücken kehren. Aber das Verlangen wollte es nicht zulassen. Keine Kerzen brannten mehr. Die Kohlen in der Feuergrube glühten nur noch schwach. Der Mondschein fiel nur unregelmäßig durch die Fenster, und sein gitterförmiges Licht wurde von bunten Glasscheiben verzerrt. Wenn er nur etwas sehen könnte. Nein. Er wusste es besser. Wenn er den Löwen sehen könnte, würde er ihn noch mehr fürchten. Oder nicht? Das Tageslicht änderte nichts. Der Löwe bleckte weiterhin die hölzernen Zähne. Jetzt konnte er kaum sehen, wie er auf dem Marmorpodest kauerte. Aber war er imstande, ihn zu sehen? Aidan biss sich auf einen Finger. Seine Blase drückte. Er brauchte das Nachtgeschirr. Aber er war ein Prinz und auch ein Cheysuli. Wenn er jetzt umkehrte, würde er das Blut in seinen Adern entehren. Aber, oh, wie gern wäre er gegangen! Aidan wiegte sich ein wenig hin und her. »Jehana ...«, flüsterte er und war sich nicht bewusst, dass er es ausgesprochen hatte. Der Löwe wartete in der Dunkelheit. Und noch etwas anderes. Aidan atmete dreimal keuchend ein, was in der Stille sehr laut klang. Der Druck in seiner Blase nahm zu. Er biss sich erneut auf den Finger und machte dann einen vorsichtigen Schritt. Einen. Dann zwei. Dann drei. Er zählte nicht weiter. Aber schließlich führten ihn alle Schritte zusammen die Halle entlang, bis er dann vor dem Löwenthron stehen blieb. Er betrachtete die Augen, die Zähne, die Nase. Alles aus Holz, alles. Er bestand aus Fleisch und Blut. Er würde über den Löwen herrschen. Aidan bemühte sich, auf den Schoß des Löwen zu blicken. Etwas schimmerte im schwachen Licht. Es war eine goldene Kette. Schweres, gehämmertes Gold voller Verheißungen. Mehr als Reichtum oder Macht: Die Kette verwies auf das Erbe. Seine Vergangenheit und seine Zukunft. Das Vermächtnis der Götter. Er griff gebannt danach, wollte sie, verlangte danach, wusste, dass sie ihm gehörte. Aber als sich seine zitternde Hand um ein Glied von der Größe des Handgelenks eines großen Mannes schloss, verwandelte sich die Kette in Staub. Er schrie auf. Urin befleckte sein Nachtgewand. Scham überflutete ihn, aber auch Verzweiflung. Sie war genau dort gewesen. Jetzt war da nichts mehr. Überhaupt nichts war geblieben. Der Staub - und die Kette - waren verschwunden. Er wollte nicht weinen, aber die Tränen kamen dennoch. Wodurch er nur noch mehr weinte, da er sich schämte. Sich seiner Schwäche schämte. Seines sichtlich homanischen Verhaltens. Cheysulikrieger weinten nicht. Aber er war mehr als nur ein Cheysuli. Und das ließ ihn niemand je vergessen. Nur eine Blutlinie war noch nötig. Eine weitere Kreuzung, und die Prophezeiung würde sich erfüllen. Aber selbst er mit seinen sechs Jahren wusste, wie unmöglich das war. Er hatte es in den Gängen Homana-Mujhars oft genug gehört. Kein Cheysulikrieger wird jemals mit einer Ihlini schlafen und ein Kind mit ihr zeugen. Aber selbst er, ein Junge, wusste es besser. Ein Cheysulikrieger hatte es getan. Tatsächlich hatten es sogar zwei getan: der Bruder seines Großvaters, Ian, und sein eigener Vater, der Prinz von Homana, der eines Tages Mujhar sein würde. Er wusste es sogar mit seinen sechs Jahren schon. Und er wusste, wofür er bestimmt war, welches Blut in seinen Adern floss. Aber all das war sehr verwirrend. Er empfand neuerlichen Kummer. Ich will meine Kette. Aber die Kette - seine Kette - war verschwunden. Eine Spur von Grausamkeit mischte sich in seine Gedanken: Ich will meine KETTE... Eine der Türen öffnete sich. Aidan zuckte zusammen und fuhr unsicher herum, während er sein durchnässtes Nachtgewand mit beiden Händen umklammerte. Es war seine Mutter, das wusste er. Wer sonst würde nach einem Jungen suchen, der nicht in seinem Bett lag? Und sie würde sehen, sie würde wissen ... »Aidan? Aidan ... was machst du hier? Deine Schlafenszeit ist weit überschritten!« Er errötete vor Scham. Er kämpfte gegen neuerliche Tränen an und zitterte. Sie war blass, erregt, auch wenn sie es zu verbergen versuchte. Er wusste, was sie empfand, konnte es spüren, als stecke er in ihrer Haut. Aber sie versuchte so sehr, es zu verbergen. Der vertraute erinnische Akzent hallte in der Großen Halle wider. »Was machst du hier, mein Junge? Huldigst du dem Löwen?« Sie lachte gezwungen. »Er wird dir gehören, eines Tages - du brauchst ihn dir nicht bei Nacht anzusehen!« Sie meinte es gut, das wusste er. Sie meinte es immer gut. Aber er spürte ihre Angst, ihre Qual unter der erzwungenen Heiterkeit. Sie eilte die Halle entlang, wobei sie den Saum ihres schweren Gewandes hob. An den Türen stand ein Diener mit einer Lampe. Licht strömte in die Halle. Der Löwe sprang aus den Schatten. Aidan wich zurück, hob schützend einen Arm und erkannte dann, dass er nicht mehr war als sonst: ein von Menschen gestaltetes Stück Holz. Und dann war seine Mutter neben ihm und stellte ihm ängstlich Fragen, bis sie die Zügel ihrer Sorge ergriff und sie festband. Sie sah, wie er die Hände in sein durchnässtes Nachtgewand krallte. Sie sah den Urinfleck. Qual flammte erneut auf - er spürte es sehr genau -, aber sie sagte nichts darüber. Sie kniete sich nur neben ihn und legte eine Hand auf seine Schulter. »Aidan - warum bist du hier? Dein Kindermädchen kam zu mir, erzählte von einem Albtraum ..., aber als ich dann zu dir ging, warst du fort. Was machst du hier?« Er sah ihr ins Gesicht, während sie neben ihm kniete. In Augen, so grün wie Glas, so grün wie erinnisches Gras. »Sie ist fort«, erklärte er ihr einfach, wobei er ungewollt ihren Akzent aufnahm. Sie trug ein blaues Hausgewand über einem weißen Leinennachthemd. Ihr Haar war für die Nacht geflochten: ein einzelner dichter, roter Zopf, der ihren Rücken hinabhing. »Was ist fort, mein Junge?« »Die Kette«, erklärte er, obwohl er wusste, dass sie es nicht verstehen würde. Niemand verstand es. Niemand konnte es verstehen. Die plötzliche Qual war überwältigend. Er sehnte sich ebenso sehr nach Beruhigung wie nach Verständnis. Ersteres konnte er bekommen. Als die verhassten Tränen erneut flossen, ließ er sich bereitwillig von ihr umarmen. Sie presste ihre Wange an sein Haar und schlang ihre Arme um die schmalen Schultern, um das zitternde Schluchzen zu stillen.

Erscheint lt. Verlag 5.9.2008
Reihe/Serie Cheysuli-Zyklus
Heyne Bücher
Illustrationen Geoff Taylor
Überarbeitung Natalja Schmidt
Übersetzer Karin König
Sprache deutsch
Original-Titel Flight of the Raven / A Tapestry of Lions
Maße 118 x 187 mm
Gewicht 594 g
Einbandart Paperback
Themenwelt Literatur Fantasy / Science Fiction Fantasy
Schlagworte Fantasy
ISBN-10 3-453-52487-X / 345352487X
ISBN-13 978-3-453-52487-3 / 9783453524873
Zustand Neuware
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