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Der Weitseher - Robin Hobb

Der Weitseher

Roman

(Autor)

Buch | Softcover
624 Seiten
2009
Heyne, W (Verlag)
978-3-453-52481-1 (ISBN)
CHF 20,95 inkl. MwSt
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Die Abenteuer von Fitz dem Weitseher


Es gibt Fantasy-Helden, die man nie vergisst. Helden, deren magische Gabe Kontinente bewegt, deren Mut den Lauf des Schicksals verändert. Wie J. R. R. Tolkiens Ringträger Frodo oder Sonea, Trudi Canavans mutige Magier-Schülerin. Einer darf hier nicht fehlen: Fitz, Bastard eines Prinzen, und auserwählt, das Erbe der legendären Weitseher anzutreten.


Mit „Der Weitseher“ beginnt eines der erfolgreichsten und beliebtesten Fantasy-Epen aller Zeiten.


Robin Hobb ist das Pseudonym einer erfahrenen Autorin, die große Erfolge auf dem Gebiet der phantastischen Abenteuerliteratur erzielte. Sie lebt und arbeitet mit ihrem Mann und vier Kindern im US-Bundesstaat Washington

Die Chronik der Sechs Provinzen ist notwendigerweise auch eine Chronik ihres Herrschergeschlechts, der Weitseher. Eine vollständige Aufzeichnung würde bis in die Zeit vor der Gründung des ersten Herzogtums zurückreichen und von Outislandern berichten, die als Piraten zu diesen Gestaden gelangten und sie einladender fanden als die eisigen Küsten der Fernen Inseln, woher sie kamen. Jedoch sind die Namen jener frühesten Vorfahren in Vergessenheit geraten. Wie auch von dem ersten wirklichen König kaum mehr als sein Name und einige fantasievoll ausgeschmückte Sagen künden. Als Nehmer steht er in den Annalen verzeichnet, schlicht und einfach, und vielleicht begann damit die Tradition, dass den Töchtern und Söhnen seines Geschlechts Namen gegeben wurden, die ihr Leben und ihren Charakter prägen sollten. Der Volksglaube behauptet, bei der Namensgebung sei Magie im Spiel, und diese Sprösslinge königlichen Blutes könnten ein Leben lang nicht wider die Tugend handeln, nach der sie benannt waren. Durch Feuer getragen, in Salzwasser getaucht und dem freien Wind dargeboten - so wurden die Kinder mit ihrem Namen verbunden. Erzählt man. Ein hübscher Glaube, und es mag sein, dass es einst ein solches Ritual gab, aber die Geschichte zeigt, dass es nicht immer genügt hat, um ein Kind der Tugend zu verpflichten, auf die es getauft war ... Die Feder entgleitet meinen knorrigen Fingern und hinterlässt eine geschlängelte Linie auf Fedwrens Papier. Ein weiterer Bogen des kostbaren Materials einem, wie ich befürchte, sinnlosen Unterfangen geopfert. Ich frage mich, ob ich diese Chronik schreiben kann oder ob jede Seite insgeheim von einer Bitterkeit getränkt sein wird, die ich längst überwunden glaubte. Zwar halte ich mich für befreit von dem Groll, doch sobald ich die Feder ansetze, blutet mit der Meerestinte der Schmerz eines Knaben auf das Papier, bis mir jeder sorgfältig gemalte schwarze Buchstabe wie Schorf eine alte, purpurne Wunde zu verdecken scheint. Sowohl Fedwren als auch Philia legten so große Begeisterung an den Tag, wann immer das Thema einer geschriebenen Geschichte der Sechs Provinzen zur Sprache kam, dass ich mir einredete, die Verfassung einer solchen wäre ein lohnendes Unterfangen. Ich sagte mir, die Arbeit würde mich von meinem Schmerz ablenken und dazu beitragen, dass die Zeit schneller verginge. Doch jedes historische Ereignis, mit dem ich mich befasse, erweckt unfehlbar meine dunklen Erinnerungen von Einsamkeit und Verlust. Ich fürchte, ich habe keine andere Wahl, als entweder diese Arbeit ganz aufzugeben oder mich den Erinnerungen an all das auszuliefern, das mich zu dem gemacht hat, der ich bin. Unschlüssig beginne ich wieder und wieder von neuem, nur um jedes Mal festzustellen, dass ich von meinen eigenen, statt den Anfängen dieses Landes berichte. Ich weiß nicht einmal, wem ich mich zu offenbaren versuche. Mein Leben ist ein Netz von Geheimnissen gewesen; Geheimnissen, die selbst jetzt noch besser im Dunkeln blieben. Soll ich sie alle dem geduldigen Papier anvertrauen, auf dass daraus Feuer und Asche entstehen? Vielleicht. Mein Blick in die Vergangenheit reicht bis zu meinem sechsten Lebensjahr zurück. Davor ist nichts, eine absolute Leere, die keine Anstrengung meines Bewusstseins je zu füllen vermochte - als hätte ich erst an jenem Tag in Mondesauge zu existieren begonnen. Doch an dem Zeitpunkt setzt die Erinnerung schlagartig ein, mit einer Schärfe und Deutlichkeit, die mich überwältigt, aber auch Zweifel weckt an ihrer Glaubwürdigkeit. Entstammen die Bilder meinem eigenen Gedächtnis oder den dutzendfachen Wiederholungen aus dem Mund von Mägden, Küchenjungen und Stallburschen, die sich gegenseitig meine Anwesenheit erklärten? Vielleicht habe ich die Geschichte so oft gehört und von so vielen Seiten, dass ich sie für meinen ureigenen Besitz halte. Lassen sich die vielen Einzelheiten dadurch erklären, dass ein Junge von sechs Jahren mit offenen Augen und Ohren alles ringsum in sich aufgenommen hat? Oder ist die Präzision der Erinnerungen eine Auswirkung der Gabe und der späteren Drogen, die ein Mann nimmt, um seine Sucht zu beherrschen, und die ihrerseits Schmerzen und Abhängigkeiten erzeugen? Letzteres ist durchaus möglich, sogar wahrscheinlich. Aber ich hoffe, es verhält sich nicht so. Die Erinnerungen sind beinahe körperlich: das frostige Grau des zu Ende gehenden Tages, der schneidende Wind, der meine Kleidung durchdrang, das nassglänzende Kopfsteinpflaster der Straßen in der fremden Stadt, selbst die hornige Rauheit der großen Hand, die meine kleine umfasst hielt. Wenn ich über den Griff dieser Hand nachdenke, so war er nicht grob, nicht unduldsam. Nur fest. Er ließ mich nicht auf dem glatten Pflaster ausrutschen, ließ mich aber auch spüren, dass es kein Entkommen gab. Er war unerbittlich wie der kalte Regen, der den zertrampelten Schnee auf dem Kiesweg vor dem Portal des festungsähnlichen Gebäudes mitten in der Stadt mit einer glitzernden Eisschicht überzog. Das Portal war hoch, nicht nur für einen Knirps von sechs Jahren, sondern wie für ein Geschlecht von Riesen gemacht, so dass selbst der hagere alte Mann, der mich weit überragte, davor klein wirkte. Und es kam mir fremd vor, obwohl ich keine Vorstellung davon habe, welche Art von Eingang oder Behausung mir damals vertraut gewesen wäre. Ich weiß nur, diese eisenbeschlagene Flügeltür, geschnitzt und verziert mit einem Bockskopf und einem Klopfer aus Messing, gehörte zu Dingen außerhalb meines Erfahrungsbereichs. Graupel und Schneematsch hatten meine Kleidung durchnässt, auch die Schuhe. Dennoch kann ich mich an keinen weiten Fußmarsch durch diese letzten Unbilden des Winters entsinnen, oder dass mich jemand getragen hätte. Nein, hier fängt alles an, vor den Türen der Stadtfestung, meine Kinderhand gefangen in der des großen Mannes. Fast mutet es an wie der Beginn zu einem Puppenspiel. Ja, so kann ich es sehen. Der Vorhang teilte sich, und da standen wir vor dem Portal. Der alte Mann hob den Messingklopfer und ließ ihn fallen, einmal, zweimal, dreimal. Wie zur Antwort ertönte eine Stimme, aber nicht aus dem Inneren des Hauses, sondern hinter uns, aus der Richtung, aus der wir gekommen waren. "Vater, bitte", sagte die Frauenstimme flehend. Ich drehte mich nach ihr um, doch es schneite wieder, ein feines, pulvriges Geriesel, das an Wimpern und Mantelärmeln haften blieb. Gesehen habe ich niemanden, jedenfalls taucht in meiner Erinnerung kein Gesicht auf. Auch machte ich keinen Versuch, mich loszureißen, noch rief ich: "Mutter, Mutter!"

Erscheint lt. Verlag 14.4.2009
Reihe/Serie Heyne Bücher
Realms of the Elderlings
Weitseher-Zyklus
Illustrationen Paolo Barbieri
Sprache deutsch
Original-Titel The Farseer 1: Assassin's Apprentice
Maße 135 x 206 mm
Gewicht 796 g
Einbandart Paperback
Themenwelt Literatur Fantasy / Science Fiction Fantasy
Schlagworte Fantasy
ISBN-10 3-453-52481-0 / 3453524810
ISBN-13 978-3-453-52481-1 / 9783453524811
Zustand Neuware
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