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Verblendung (1)

Spiegel-Bestseller
Roman

*****

(Autor)

Buch | Softcover
704 Seiten
2007
Heyne, W (Verlag)
978-3-453-43245-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Verblendung (1) - Stieg Larsson
CHF 13,90 inkl. MwSt
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Eine Familiengeschichte, die einen nicht mehr loslässt

Was geschah mit Harriet Vanger? Während eines Familientreffens spurlos verschwunden, bleibt ihr Schicksal jahrzehntelang ungeklärt. Bis der Journalist Mikael Blomkvist und die Ermittlerin Lisbeth Salander recherchieren. Was sie zutage fördern, lässt alle Beteiligten wünschen, sie hätten sich nie mit diesem Fall beschäftigt.

An seinem 82. Geburtstag erhält der einflussreiche Industrielle Henrik Vanger per Post anonym ein Geschenk. Das Paket enthält eine gepresste Blüte hinter Glas, genau wie in den 43 Jahren zuvor. Vangers Lieblingsnichte Harriet hatte ihm 1958 zum ersten Mal dieses Geschenk gemacht, doch dann verschwand sie spurlos. Ihr Leichnam wurde nie gefunden.
In einer letzten Anstrengung beschließt Vanger herauszufinden, was dem geliebten Mädchen tatsächlich zustieß. Er engagiert den Journalisten Mikael Blomkvist, der, getarnt als Biograf, bald auf erste Spuren stößt. Unterstützt wird er von der jungen Ermittlerin Lisbeth Salander, einem virtuosen Computergenie mit messerscharfem Verstand. Je tiefer Blomkvist und Salander in der Vangerschen Familiengeschichte graben, desto grauenvoller sind ihre Enthüllungen.

Ausgezeichnet mit dem skandinavischen Krimipreis.

Stieg Larsson, 1954 geboren, war Journalist und Herausgeber des Magazins EXPO. 2004 starb er an den Folgen eines Herzinfarkts. Er galt als einer der führenden Experten für Rechtsextremismus und Neonazismus. 2006 wurde er postum mit dem Skandinavischen Krimipreis als bester Krimiautor Skandinaviens geehrt.

"Ein Thriller mit sehr hohem Suchtfaktor." Bild am Sonntag

Prolog Freitag, 1. November Es wiederholte sich allj�lich. Der Empf�er der Blume feierte seinen zweiundachtzigsten Geburtstag. Sowie die Blume bei ihm angekommen war, �ffnete er das Paket und entfernte das Geschenkpapier. Danach griff er zum Telefonh�rer und w�te die Nummer eines ehemaligen Kriminalkommissars, der sich nach seiner Pensionierung am Siljan-See niedergelassen hatte. Die beiden M�er waren nicht nur gleich alt, sie waren sogar am selben Tag geboren, was in diesem Zusammenhang nicht einer gewissen Ironie entbehrte. Der Kommissar wusste, dass der Anruf um elf Uhr morgens nach der Postzustellung eingehen w�rde, und trank Kaffee, w�end er wartete. Dieses Jahr klingelte das Telefon bereits um halb elf. Er nahm den H�rer ab und sagte hallo, ohne sich mit Namen zu melden. �Sie ist angekommen.� �Was f�r eine ist es dieses Jahr?� �Keine Ahnung, was das f�r eine Blume ist. Ich werde sie bestimmen lassen. Wei�ist sie.� �Kein Brief, nehme ich mal an?� �Nein. Nur die Blume, sonst nichts. Der Rahmen ist derselbe wie letztes Jahr. So ein Billigrahmen zum Selberzusammenbauen.� �Poststempel?� �Stockholm.� �Handschrift?� �Wie immer, alles in Gro�uchstaben. Gerade, ordentliche Buchstaben.� Damit war das Thema ersch�pft, und ein paar Minuten sa�n die beiden schweigend am jeweiligen Ende der Leitung. Der pensionierte Kommissar lehnte sich am K�chentisch zur�ck und zog an seiner Pfeife. Er wusste jedoch, dass von ihm keine erl�sende oder bestechend intelligente Frage mehr erwartet wurde, die ein neues Licht auf diese Angelegenheit h�e werfen k�nnen. Diese Zeiten waren seit vielen Jahren vorbei, und das Gespr� der beiden alternden M�er hatte beinahe schon den Charakter eines Rituals � eines Rituals um ein Mysterium, dessen L�sung keinen anderen Menschen auf der ganzen Welt interessierte. Ihr lateinischer Name lautete Leptosperum (Myrtyceae) Rubinette. Ein wenig imposantes Strauchgew�s mit kleinen, heidekraut�lichen Bl�ern und einer zwei Zentimeter gro�n wei�n Bl�te mit f�nf Kronenbl�ern. Sie war ungef� zw�lf Zentimeter hoch. Das Gew�s stammte urspr�nglich aus den australischen Busch- und Gebirgsgegenden, wo es in kr�igen B�scheln wuchs. In Australien nannte man es desert snow. Sp�r sollte eine Expertin von einem botanischen Garten in Uppsala feststellen, dass es sich um eine ungew�hnliche Pflanze handelte, die nur selten in Schweden gezogen wurde. In ihrem Gutachten schrieb die Botanikerin, dass die Rubinette mit der Rosenmyrte verwandt war und oft mit ihrer viel h�iger auftretenden Cousine, Leptospermum Scoparium, verwechselt wurde, die in Neuseeland sehr verbreitet war. Wie sie erkl�e, bestand der Unterschied darin, dass die Rubinette ein paar mikroskopisch kleine rosa Punkte an der Spitze der Kronenbl�er aufwies, was ihnen einen leichten Rosaschimmer verlieh. Die Rubinette war im Gro�n und Ganzen eine verbl�ffend anspruchslose Blume. Wirtschaftlichen Wert hatte sie �berhaupt nicht. Soviel man wusste, besa�sie keine Heilkr�e und enthielt auch keine halluzinogenen Substanzen. Man konnte sie weder essen noch als Gew�rz verwenden, und f�r die Erzeugung pflanzlicher Farbstoffe war sie ebenfalls wertlos. F�r die australischen Ureinwohner, die Aborigines, hatte sie hingegen eine gewisse Bedeutung, da diese das Gebiet und die Flora rund um den Ayers Rock traditionell als heilig betrachteten. Der einzige Daseinszweck dieser Blume schien also darin zu bestehen, ihre Umgebung mit ihrer unbest�igen Sch�nheit zu erfreuen. In ihrem Gutachten schrieb die Botanikerin, dass der desert snow in Australien schon ungew�hnlich war, in Skandinavien aber geradezu eine Rarit� Sie selbst hatte noch nie ein Exemplar zu Gesicht bekommen, doch als sie Kollegen zurate zog, erfuhr sie, dass man versucht hatte, diese Pflanze in einem Garten in G�teborg einzuf�hren, und dass es denkbar war, dass sie hie und da privat angepflanzt wurde, von Blumenliebhabern und Amateurbotanikern in ihren eigenen kleinen Gew�sh�ern. Die Blume war in Schweden nur schwer zu ziehen, weil sie ein mildes und trockenes Klima ben�tigte und w�end des Winterhalbjahres in einem geschlossenen Raum stehen musste. F�r kalkhaltigen Boden war sie ungeeignet. Das Wasser musste ihr von unten her zugef�hrt werden, direkt an die Wurzeln. Man musste schon ein H�chen f�r sie haben. Dass diese Blume in Schweden derart selten war, h�e die Suche nach ihrer Herkunft theoretisch erleichtern m�ssen, aber praktisch gesehen war das eine unl�sbare Aufgabe. Man konnte weder in Registern nachschlagen noch Lizenzen �berpr�fen. Niemand wusste, wie viele private Blumenz�chter sich �berhaupt darum bem�ht hatten, eine so schwer zu kultivierende Blume zu ziehen � alles war m�glich, von einem einzelnen bis hin zu mehreren hundert Blumenfans, die Zugang zu Samen oder Pflanzen hatten. Die konnten entweder privat gekauft oder �ber den Postweg von einem anderen Z�chter oder jedem beliebigen botanischen Garten in Europa bestellt werden. Man konnte sie sogar direkt von einer Australienreise mitbringen. Mit anderen Worten: Unter den Millionen von Schweden, die ein kleines Gew�shaus oder auch nur einen Blumentopf im Wohnzimmerfenster hatten, ausgerechnet diesen einen Z�chter herauszufinden, war ein hoffnungsloses Unterfangen. Diese Blume war nur eines der vielen r�elhaften Exemplare, die jedes Jahr am 1. November in einem gef�tterten Umschlag eintrafen. Jedes Jahr war es eine andere Art, aber es waren stets sch�ne und meistens relativ seltene Blumen. Wie immer war die Blume gepresst, sorgf�ig auf Aquarellpapier gelegt und hinter Glas in einem einfachen Rahmen mit dem Format 29 x 16 Zentimeter befestigt worden. Das Geheimnis um die Blumen war den Massenmedien oder der Allgemeinheit nie bekannt geworden, sondern nur einem ausgew�ten Kreis. Vor drei Jahrzehnten war das j�liche Eintreffen der Blume Gegenstand von Analysen des Staatlichen Kriminaltechnischen Laboratoriums gewesen; Experten f�r Fingerabdr�cke und Grafologen, Ermittler und ein paar Verwandte und Freunde des Empf�ers hatten sich mit dem R�el besch�igt. Nun bestand der Kreis der Akteure nur mehr aus drei Personen: dem alternden Geburtstagskind, dem pensionierten Polizisten und nat�rlich dem Unbekannten, der das Geschenk geschickt hatte. Da sich zumindest die beiden Erstgenannten bereits in einem so respektablen Alter befanden, dass es Zeit wurde, sich auf das Unausweichliche vorzubereiten, w�rde sich der Kreis der Interessierten bald noch verkleinern. Der pensionierte Polizist war ein mit allen Wassern gewaschener Veteran. Er w�rde niemals seinen ersten Einsatz vergessen, bei dem er einen gewaltt�gen und schwer betrunkenen Anlagenmechaniker festgenommen hatte, bevor dieser sich selbst oder anderen weiteren Schaden zuf�gen konnte. Im Laufe seiner Karriere hatte er Wilderer, pr�gelnde Ehem�er, Betr�ger, Autodiebe und anges�elte Autofahrer eingesperrt. Er war Einbrechern, R�ern, Dealern, Sexualverbrechern und mindestens einem mehr oder weniger geisteskranken Sprengstoffattent�r begegnet. An neun Ermittlungen in Mord- beziehungsweise Totschlagsf�en war er beteiligt gewesen. Davon waren f�nf so verlaufen, dass der T�r selbst die Polizei angerufen und voller Reue gestanden hatte, er habe seine Frau oder seinen Bruder oder einen anderen ihm nahe stehenden Menschen get�tet. Von den Morden wurden zwei nach ein paar Tagen aufgekl� und einer nach zwei Jahren mit Hilfe der Reichskrimininalbeh�rde. Der neunte Fall war aus polizeilicher Sicht gel�st, sprich, die Ermittler kannten den M�rder, aber die Beweislage war so unsicher, dass der Staatsanwalt beschlossen hatte, den Fall ruhen zu lassen. Die Angelegenheit wurde dann zur Erbitterung des Kommissars f�r verj�t erkl�. Aber im Gro�n und Ganzen konnte er auf eine erfolgreiche Karriere zur�ckblicken und h�e mit seiner Arbeit zufrieden sein k�nnen. Doch er war alles andere als zufrieden. F�r den Kommissar steckte Der Fall mit den Gepressten Blumen in seinem Berufsleben wie ein kleiner Stachel, den er einfach nie hatte entfernen k�nnen � ein frustrierender Fall, dessen L�sung immer noch ausstand, obwohl er ihm, verglichen mit anderen F�en, doch am meisten Zeit gewidmet hatte. Die Situation war umso komplizierter, da er nach buchst�ich Tausenden von durchgr�belten Stunden w�end und au�rhalb seiner Dienstzeiten nicht einmal mit Sicherheit sagen konnte, ob �berhaupt ein Verbrechen begangen worden war. Wie die beiden M�er wussten, hatte die Person, die die Blumen gepresst und gerahmt hatte, Handschuhe getragen, denn weder auf dem Rahmen noch auf dem Glas waren Fingerabdr�cke zu finden. Sie wussten, dass es unm�glich war, den Absender aufzusp�ren. Sie wussten, dass man solche Rahmen in Fotol�n oder Schreibwarengesch�en auf der ganzen Welt kaufen konnte. Es gab einfach keine Spur, der die Ermittler h�en folgen k�nnen. Und die Poststempel wechselten st�ig: Meistens kamen sie aus Stockholm, je zweimal aus Paris und Kopenhagen, je einmal aus Madrid, Bonn sowie � was sicherlich das gr��e R�el war � aus Pensacola, USA. Im Gegensatz zu den anderen Namen war Pensacola so unbekannt, dass der Kommissar die Stadt in einem Atlas nachschlagen musste. Nachdem sie sich verabschiedet hatten, blieb der zweiundachtzigj�ige Jubilar eine Weile ganz still sitzen und betrachtete die sch�ne, aber bedeutungslose Blume, von der er noch nicht einmal den Namen kannte. Dann hob er den Blick zur Wand �ber seinem Schreibtisch. Dort hingen dreiundvierzig gepresste Blumen hinter Glas in ihren Rahmen; vier Reihen mit jeweils zehn Blumen und eine noch nicht abgeschlossene Reihe mit f�nf. In der obersten Reihe fehlte eine. Platz Nummer zehn war ebenfalls leer. Desert Snow w�rde die Nummer vierundvierzig werden. Zum ersten Mal geschah aber etwas, was das Muster der fr�heren Jahre durchbrach. Ganz pl�tzlich und ohne jede Vorwarnung begann er zu weinen. Er wunderte sich selbst �ber diesen j�n Gef�hlsausbruch nach fast vierzig Jahren. 20. Dezember bis 3. Januar 1. Kapitel Freitag, 20. Dezember Der Prozess war unbestreitbar vor�ber, und alles, was es zu sagen gab, war bereits gesagt worden. Er hatte keine Sekunde daran gezweifelt, dass er verurteilt werden w�rde. Das schriftliche Urteil war am Freitagmorgen um zehn Uhr ergangen, und nun stand nur noch der abschlie�nde Bericht der Reporter aus, die im Korridor vor dem Gerichtssaal warteten. Mikael Blomkvist sah sie durch die ge�ffnete T�r und z�gerte kurz. Er wollte den Urteilsspruch, der gerade �ber ihn verh�t worden war, nicht diskutieren, aber die Fragen waren unvermeidlich, und wenn irgendjemand wusste, dass sie gestellt und beantwortet werden mussten, dann er. So f�hlt es sich also an, ein Verbrecher zu sein, dachte er. Auf der falschen Seite des Mikrofons zu stehen. Er streckte sich verlegen und versuchte, sich ein L�eln abzuringen. Die Reporter l�elten zur�ck und nickten ihm freundlich, fast ein wenig versch� zu. �Mal sehen � Aftonbladet, Expressen, TT, TV4 und � wo bist du denn her � ach ja, Dagens Industri. Ich muss ber�hmt geworden sein�, stellte Mikael Blomkvist fest. �Geben Sie uns ein Statement, Kalle Blomkvist�, sagte der Reporter der einen Abendzeitung. Mikael Blomkvist, dessen vollst�iger Name Carl Mikael Blomkvist lautete, unterdr�ckte den Impuls, die Augen zu verdrehen, wie immer, wenn er seinen Spitznamen h�rte. Vor zwanzig Jahren, als er im Alter von dreiundzwanzig gerade seine Journalistenkarriere mit einer ersten Vertretung begann, hatte Mikael Blomkvist � eigentlich ohne eigenes Verdienst � eine Bankr�erbande hochgehen lassen, die innerhalb von zwei Jahren f�nf aufsehenerregende Dinger gedreht hatte. Dass es in allen F�en dieselbe Bande war, stand v�llig au�r Zweifel; ihre Spezialit�bestand n�ich darin, in kleinen Gemeinden aufzutauchen und dort mit milit�scher Pr�sion eine oder zwei Banken auf einmal zu �berfallen. S�liche Beteiligte trugen Walt-Disney-Masken aus Gummi und wurden mit nicht ganz abwegiger Polizeilogik auf den Namen �Donald Duck-Bande� getauft. Die Zeitungen �erten diesen Namen in �Die Panzerknacker�, was ein bisschen ernsthafter klang und dem Umstand Rechnung trug, dass die Bande bei zwei �erf�en planlos und ohne jede R�cksicht Warnsch�sse abgefeuert und Passanten oder neugierige Gaffer mit der Waffe bedroht hatte. Den siebten Coup landete sie in �terg�tland mitten im Hochsommer. Ein Reporter vom Lokalradio hatte sich rein zuf�ig in der Bank aufgehalten, als der �erfall stattfand, und zeigte eine Reaktion wie aus dem Diensthandbuch f�r Journalisten. Sowie die T�r die Bank verlassen hatten, ging er zu einer Telefonzelle vor der Bank, rief seinen Sender an und gab die Nachricht live durch. Mikael Blomkvist hatte damals eine Weile als Vertretung bei einer Lokalzeitung gearbeitet und verbrachte gerade mehrere Tage mit einer weiblichen Bekannten im Sommerh�chen ihrer Eltern in der N� von Katrineholm. Wie er eigentlich auf die Querverbindung zwischen seinen Beobachtungen und dem Fall gekommen war, konnte er selbst nicht sagen, als ihn die Polizei befragte. Aber als er die Nachrichten h�rte, fielen ihm sofort die vier Typen ein, die in einem zirka hundert Meter entfernten Sommerh�chen wohnten. Ein paar Tage zuvor, als er auf dem Weg zum Eis-Kiosk mit seiner Freundin bei ihnen vorbeigegangen war, hatte er sie im Garten Federball spielen sehen. Alles, was er gesehen hatte, waren vier blonde, durchtrainierte junge M�er in Shorts mit nacktem Oberk�rper gewesen. Ganz offensichtlich betrieben sie Bodybuilding, und irgendetwas an diesem Bild mit den vier Federball spielenden jungen M�ern hatte ihn ein zweites Mal hinsehen lassen � vielleicht, weil sie sich ihr Match in gnadenloser Sonnenglut lieferten, mit einer gewaltsam konzentrierten Energie, wie er fand. Irgendwie sah das Ganze nicht nach harmlosem Zeitvertreib aus. Es gab keinen rationalen Grund, sie f�r Bankr�er zu halten, aber trotzdem war er zu einen Spaziergang aufgebrochen und hatte sich auf einen H�gel gekauert, von dem aus er ihre H�tte im Blick hatte. Nach ungef� vierzig Minuten kam die Clique in einem Volvo angefahren und parkte den Wagen auf dem Grundst�ck. Sie schienen es eilig zu haben, und jeder von ihnen schleppte eine Sporttasche, was an und f�r sich nichts bedeuten musste, denn sie konnten ja genauso gut irgendwo beim Baden gewesen sein. Aber einer von ihnen ging noch einmal zum Auto zur�ck und holte einen Gegenstand heraus, den er schnell mit einer Sportjacke verh�llte. Sogar von seinem relativ weit entfernten Beobachtungsposten aus konnte Mikael feststellen, dass es sich um eine ziemlich alte AK4 handelte, genau den Typ Gewehr, der vor nicht allzu langer Zeit w�end des einj�igen Wehrdienstes sein st�iger Begleiter gewesen war. Er rief also die Polizei an und erz�te ihnen von seiner Beobachtung. Das war der Auftakt zu einer drei Tage dauernden, von den Medien intensiv verfolgten Belagerung des Sommerh�chens gewesen. Mikael stand im Rampenlicht und erhielt ein gro��gig bemessenes Freelancer-Honorar von einer der beiden Abendzeitungen. Die Polizei richtete ihr Hauptquartier n�ich in einem Wohnwagen ein, der auf dem Grundst�ck des Sommerh�chens stand, in dem Mikael wohnte. Der Fall mit den �Panzerknackern� verschaffte Mikael genau den Starstatus, den er als junger Journalist in der Branche ben�tigte. Die Kehrseite des Ruhmes war, dass die andere Abendzeitung es sich nicht verkneifen konnte, mit �Kalle Blomkvist hat den Fall gel�st� zu titeln. Der sp�ttische Text stammte von einer �lichen Kolumnistin und enthielt ein Dutzend Verweise auf Astrid Lindgrens kleinen Detektiv. Obendrein hatten sie noch ein grobk�rniges Foto abgedruckt, auf dem es so aussah, als w�rde Mikael einem uniformierten Polizisten mit erhobenem Zeigefinger irgendwelche Anweisungen erteilen. Dabei hatte er ihm nur den Weg zum Plumpsklo beschrieben. Es spielte keine Rolle, dass Mikael Blomkvist seinen ersten Namen, Carl, niemals verwendet und auch keinen Artikel jemals mit Carl Blomkvist unterzeichnet hatte. Von diesem Moment an war er zu seiner Verzweiflung bei den Kollegen als Kalle Blomkvist bekannt � ein Spitzname, den man sp�ttisch stichelnd benutzte, nicht unfreundlich, aber auch nicht wirklich freundlich. Nichts gegen Astrid Lindgren � er liebte ihre B�cher, aber er hasste seinen Spitznamen. Es brauchte mehrere Jahre und weitaus gewichtigere journalistische Verdienste, bis sein Spitzname langsam in Vergessenheit geriet. Trotzdem zuckte er immer noch zusammen, wenn dieser Name in seiner Anwesenheit fiel. So wie in diesem Moment. Er zwang sich zu einem L�eln und sah dem Reporter der Abendzeitung in die Augen, der sagte: �Ach, komm, denk dir doch einfach was aus. Du dichtest dir deine Texte doch immer zusammen.� Der Ton war nicht unfreundlich. Sie waren ja alle mehr oder weniger miteinander bekannt, und au�rdem waren Mikaels schlimmste Kritiker gar nicht erst aufgetaucht. Mit einem von ihnen hatte er fr�her zusammengearbeitet, und auf einem Fest vor ein paar Jahren w� es ihm beinahe gelungen, eine andere aufzurei�n � eine Mitarbeiterin von TV4. �Sie haben ja ganz sch�n was auf die Nase bekommen da drinnen�, kam es von Dagens Industri � ganz offensichtlich hatten sie eine junge Sommeraushilfe geschickt. �Tja, das muss man wohl so sagen�, gab Mikael zu. Etwas anderes konnte er schlecht behaupten. �Wie f�hlt sich das an?� Trotz der ernsten Lage konnten es sich weder Mikael noch die �eren Journalisten verkneifen, bei dieser Frage den Mund zu verziehen. Mikael tauschte einen Blick mit TV4. Wie f�hlt sich das an? Das war nach der einhelligen Meinung aller seri�ser Journalisten die Standardfrage, die bescheuerte Sportreporter hinter der Ziellinie atemlosen Sportlern stellten. Aber dann wurde er gleich wieder ernst. �Ich kann nat�rlich nur bedauern, dass das Gericht nicht zu einem anderen Urteil gekommen ist�, antwortete er f�rmlich. �Drei Monate Haft und 150 000 Kronen Schadenersatz sind eine empfindliche Strafe�, sagte die Journalistin von TV4. �Ich werd�s �berleben.� �Werden Sie Wennerstr�m um Entschuldigung bitten? Ihm die Hand geben?� �Nein, das glaube ich kaum. Meine Meinung zu Herrn Wennerstr�ms Gesch�smoral hat sich nicht nennenswert ge�ert.�

Prolog

Freitag, 1. November
Es wiederholte sich allj lich. Der Empf er der Blume feierte seinen zweiundachtzigsten Geburtstag. Sowie die Blume bei ihm angekommen war, ffnete er das Paket und entfernte das Geschenkpapier. Danach griff er zum Telefonh rer und w te die Nummer eines ehemaligen Kriminalkommissars, der sich nach seiner Pensionierung am Siljan-See niedergelassen hatte. Die beiden M er waren nicht nur gleich alt, sie waren sogar am selben Tag geboren, was in diesem Zusammenhang nicht einer gewissen Ironie entbehrte. Der Kommissar wusste, dass der Anruf um elf Uhr morgens nach der Postzustellung eingehen w rde, und trank Kaffee, w end er wartete. Dieses Jahr klingelte das Telefon bereits um halb elf. Er nahm den H rer ab und sagte hallo, ohne sich mit Namen zu melden.
Sie ist angekommen.
Was f r eine ist es dieses Jahr?
Keine Ahnung, was das f r eine Blume ist. Ich werde sie bestimmen lassen. Wei ist sie.
Kein Brief, nehme ich mal an?
Nein. Nur die Blume, sonst nichts. Der Rahmen ist derselbe wie letztes Jahr. So ein Billigrahmen zum Selberzusammenbauen.
Poststempel?
Stockholm.
Handschrift?
Wie immer, alles in Gro uchstaben. Gerade, ordentliche Buchstaben.
Damit war das Thema ersch pft, und ein paar Minuten sa n die beiden schweigend am jeweiligen Ende der Leitung. Der pensionierte Kommissar lehnte sich am K chentisch zur ck und zog an seiner Pfeife. Er wusste jedoch, dass von ihm keine erl sende oder bestechend intelligente Frage mehr erwartet wurde, die ein neues Licht auf diese Angelegenheit h e werfen k nnen. Diese Zeiten waren seit vielen Jahren vorbei, und das Gespr der beiden alternden M er hatte beinahe schon den Charakter eines Rituals eines Rituals um ein Mysterium, dessen L sung keinen anderen Menschen auf der ganzen Welt interessierte.
Ihr lateinischer Name lautete Leptosperum (Myrtyceae) Rubinette. Ein wenig imposantes Strauchgew s mit kleinen, heidekraut lichen Bl ern und einer zwei Zentimeter gro n wei n Bl te mit f nf Kronenbl ern. Sie war ungef zw lf Zentimeter hoch.
Das Gew s stammte urspr nglich aus den australischen Busch- und Gebirgsgegenden, wo es in kr igen B scheln wuchs. In Australien nannte man es desert snow. Sp r sollte eine Expertin von einem botanischen Garten in Uppsala feststellen, dass es sich um eine ungew hnliche Pflanze handelte, die nur selten in Schweden gezogen wurde. In ihrem Gutachten schrieb die Botanikerin, dass die Rubinette mit der Rosenmyrte verwandt war und oft mit ihrer viel h iger auftretenden Cousine, Leptospermum Scoparium, verwechselt wurde, die in Neuseeland sehr verbreitet war. Wie sie erkl e, bestand der Unterschied darin, dass die Rubinette ein paar mikroskopisch kleine rosa Punkte an der Spitze der Kronenbl er aufwies, was ihnen einen leichten Rosaschimmer verlieh.
Die Rubinette war im Gro n und Ganzen eine verbl ffend anspruchslose Blume. Wirtschaftlichen Wert hatte sie berhaupt nicht. Soviel man wusste, besa sie keine Heilkr e und enthielt auch keine halluzinogenen Substanzen. Man konnte sie weder essen noch als Gew rz verwenden, und f r die Erzeugung pflanzlicher Farbstoffe war sie ebenfalls wertlos. F r die australischen Ureinwohner, die Aborigines, hatte sie hingegen eine gewisse Bedeutung, da diese das Gebiet und die Flora rund um den Ayers Rock traditionell als heilig betrachteten. Der einzige Daseinszweck dieser Blume schien also darin zu bestehen, ihre Umgebung mit ihrer unbest igen Sch nheit zu erfreuen.
In ihrem Gutachten schrieb die Botanikerin, dass der desert snow in Australien schon ungew hnlich war, in Skandinavien aber geradezu eine Rarit Sie selbst hatte noch nie ein Exemplar zu Gesicht bekommen, doch als sie Kollegen zurate zog, erfuhr sie, dass man versucht hatte, diese Pflanze in einem Garten in G teborg einzuf hren, und dass es denkbar war, dass sie hie und da privat angepflanzt wurde, von Blumenliebhabern und Amate

Erscheint lt. Verlag 9.5.2007
Reihe/Serie Millennium ; 1
Überarbeitung Knut Krüger
Übersetzer Wibke Kuhn
Sprache deutsch
Original-Titel Män Som Hatar Kvinnor
Maße 118 x 187 mm
Gewicht 434 g
Einbandart Paperback
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror
Schlagworte Galaxy British Book Awards • M. Blomkvist & L. Salander • M. Blomkvist & L. Salander, Schwedischer Krimipreis, Skandinavische Krimis • Schweden; Krimis/Thriller • Schwedischer Krimipreis • Skandinavische Krimis • Skandinavischer Krimipreis
ISBN-10 3-453-43245-2 / 3453432452
ISBN-13 978-3-453-43245-1 / 9783453432451
Zustand Neuware
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