Das zweigeteilte All (eBook)
340 Seiten
p.machinery (Verlag)
978-3-95765-710-7 (ISBN)
Ralph Alexander Neumüller wurde 1980 in Linz, Österreich geboren. Er beschäftigt sich beruflich und privat mit Wissenschaft, sowie deren Auswirkung auf die Gesellschaft. Er studierte Humanbiologie an der Universität Wien und forschte an der Harvard University, der Ludwig-Maximilians-Universität und im privaten Sektor. Sein literarisches Interesse gilt den Genres Science-Fiction und Thriller. Das Stoffuniversum ist sein Debütroman. Weitere Informationen finden sich im Netz (www.ralphneumueller.at). Neben seiner wissenschaftlichen und literarischen Arbeit ist er Gitarrist im Postrock-Kollektiv Thalija (www.thalija.com).
Ralph Alexander Neumüller wurde 1980 in Linz, Österreich geboren. Er beschäftigt sich beruflich und privat mit Wissenschaft, sowie deren Auswirkung auf die Gesellschaft. Er studierte Humanbiologie an der Universität Wien und forschte an der Harvard University, der Ludwig-Maximilians-Universität und im privaten Sektor. Sein literarisches Interesse gilt den Genres Science-Fiction und Thriller. Das Stoffuniversum ist sein Debütroman. Weitere Informationen finden sich im Netz (www.ralphneumueller.at). Neben seiner wissenschaftlichen und literarischen Arbeit ist er Gitarrist im Postrock-Kollektiv Thalija (www.thalija.com).
Prolog
»Warum soll ich laufen, wenn ich sooo schnell krabbeln kann?«
Herr Peterson lachte, zog die kleine Emma zu sich und stupste mit seiner Nase an ihre.
»Ich finde das nicht lustig.« Seine Frau schüttelte den Kopf. Sie griff nach ihrer Tochter, drückte ihr einen Schmatz auf die Stirn und stellte sie vor sich auf die Beine. Emma torkelte eine Weile. Dann sackte sie mit dem Hintern auf den Boden und kroch zu einer Kiste mit Holzklötzen.
»Bitte entschuldige, Rob. Mein Mann redet … Unsinn. Er will nicht begreifen. Sie geht keinen Schritt!« Frau Peterson senkte den Blick und hielt den Handrücken an ihren Mund. Ihr Körper zitterte. »Clarissa ist genau so alt wie Emma und läuft seit fast einem Jahr.« Sie strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht und wischte Tränen von den Wangen. Dann atmete sie einige Male tief ein und aus. »Müssen wir uns Sorgen machen?«
Rob rückte in seinem Sessel nach vorne und beugte sich zu Emma. Sie hatte die Kiste inzwischen ausgeleert und schob die Klötze mit beiden Armen am Boden herum. Er strich ihr mit der Hand über den Kopf. Sie drehte sich zu ihm und plapperte los: »Iste. Iste.«
»Sie ist jetzt fast zwanzig Monate alt«, flüsterte Frau Peterson und presste ihre Lippen zusammen, sodass alle Farbe aus ihnen wich. Ihre Augen waren gerötet und die Venen an ihrem Hals traten hervor.
Ihr Mann rückte zu ihr, nahm sie an der Schulter, wollte sie zu sich ziehen, doch Frau Peterson wand sich aus der Umarmung und starrte Rob an.
Emma kroch über einige Klötze hinweg, hinein in die Kiste, sodass nur ihre strampelnden Beinchen zu sehen waren. »Iste. Iste. Eini.« Sie griff nach einem der Bauklötze und schlug gegen den Boden der Holzkiste. »Eini.«
»Ihr müsst euch keine Sorgen machen.« Rob lehnte sich im Sessel zurück, der unter seinem Gewicht ächzte. Er überschlug die Beine und sagte nichts, während er Emma beobachtete. Sie kroch zu ihrer Mutter, die sie auf den Schoß zog. »Sie lässt sich eben Zeit. Oft finden die wichtigsten Schritte des Lebens im Verborgenen statt.« Rob lächelte. »Drängt sie nicht. Gebt ihr Raum, sich zu entwickeln. Sie wird ihren Weg finden und ihn dann auch gehen. Ich bin mir sicher, dass sie euch bald überraschen wird.« Er nickte kaum merklich und schloss die Augen.
Frau Peterson überhäufte ihre Tochter mit Küssen auf die Wangen, doch Emma wand sich im Griff ihrer Mutter und streckte die Hand nach der Holzkiste aus. »Iste. Eini.«
»Ja, wir räumen die Klötze dann ein«, flüsterte Frau Peterson und strich mit ihrer Nasenspitze über Emmas Wangen.
»Ist sie spät dran?«, fragte Rob und rückte erneut im Sessel nach vorne. »Ja. Durchaus. Aber eure Tochter ist kerngesund. Ihre Entwicklung ist noch in der normalen Schwankungsbreite.« Er fuhr mit seinen Händen über die Armlehnen. »Die Ergebnisse der letzten Proben sind unauffällig. Alles ist in Ordnung. Emma wird sich gut entwickeln. Sie ist hoch intelligent und geht vielleicht deshalb noch nicht: Weil sie so schlau ist, sich lieber tragen zu lassen.«
Frau Peterson lächelte, doch sie verzog nur ihren Mund. Der Ausdruck in ihren Augen blieb besorgt. Sie zupfte ihr Hemd zurecht, das Emma gleich wieder über die Schulter zog, als sie nach dem Kinn ihrer Mutter griff, um ihren Kopf zur Kiste zu drehen.
»Danke, dass du vorbeigekommen bist«, sagte Frau Peterson, während Rob aufstand. »Ich bringe die kleine Maus jetzt ins Bett.« Mit ihrer Tochter auf dem Arm verließ sie den Raum, ohne sich nach ihrem Mann umzusehen.
Peterson begleitete Rob bis vor die Tür, hinab zum Gartentor und weiter zum Grundstück der Nachbarn.
»Entschuldige ihr Benehmen«, sagte er und rieb sich mit seiner Hand, die in einen Verband gewickelt war, das Kinn. »Sie macht sich Sorgen. Unsägliche Sorgen.«
»Ich war das vierte Mal wegen Emma bei euch.« Robs Schritte knirschten am Kies.
Peterson stapfte durch die Wiese neben dem Weg und schwieg.
»Ich sage euch jedes Mal das Gleiche. Ich habe sie untersucht. Auch die Gene. Es ist alles in Ordnung. Menschen sind keine Maschinen. Gebt ihr Zeit!«
»Ich weiß. Meine Frau ist manchmal hysterisch.«
»Wie so viele hier«, entgegnete Rob und hielt inne. Er sah Peterson eine Weile an, dann legte er ihm die Hand auf die Schulter. »Das wird schon. Macht euch um eure Tochter keine Sorgen. Ihr seid zu ängstlich. Es wird alles gut. Sie ist gesund.«
Peterson griff nach seiner Hand und drückte sie, soweit das die Verletzung zuließ. »Danke.«
»Schmerzen?«
Peterson betrachtete den Verband. »Es wird mit jedem Tag besser.«
Rob nickte, wandte sich ab und winkte zum Abschied. Er ging am Zaun der Nachbarn entlang. Die weiß gestrichenen Bretter schimmerten im Dämmerlicht wie gefletschte Zähne. In einigen Häusern flackerte Kerzenlicht und irgendwo bellte ein Hund.
Rob verbrachte die Nacht mit Schrauben, Löten und Programmieren. Schmale Rauchsäulen stiegen von der Werkbank durch den Kegel der Tischlampe hinauf in die Dunkelheit. Vor ihm blinkte ein Cursor. Rob diktierte Anweisungen, die der Computer in formalisierte Instruktionen übersetzte. Er sandte Berichte, setzte einen Chip in eine Speicherbank und prüfte die Erweiterung des Laufwerks mit einigen Befehlen. Dann tauschte er die Linse einer Kamera und sicherte die Aufnahmen auf dem zentralen Rechner. Er würde sie am folgenden Tag durchsehen. Gerade zog er eine Karte aus seinem Kasten und griff nach einem Stift, um die neuen Wasserrohre einzuzeichnen, die er mit Steffen verlegt hatte, da bekam er die Nachricht.
»Töten Sie alle!«
Rob prüfte den Befehl. Alles war ordnungsgemäß unterzeichnet. Der Ausschuss für Ethik, das Komitee für Sicherheit und biologische Diversität, alle hatten das Urteil unterstützt. Die digitalen Siegel waren echt.
Ohne zu zögern, öffnete Rob den Waffenschrank. Er nahm vier Gewehre und genau zweihundertzweiundzwanzig Schuss Munition heraus, stopfte alles in eine Tasche und verließ die Wohnung.
Das Dorf lag friedlich in der Morgensonne. Hühner gackerten und Hunde streunten zwischen den Hütten umher. Etwas weiter entfernt hörte Rob die Kühe der Petersons und ein quietschendes Gartentor. Wieder knirschte der Kies unter seinen Schritten, als er vom Marktplatz in eine der Seitengassen bog.
Wie es das Protokoll vorgab, schraubte er den Schalldämpfer auf ein Gewehr und öffnete die Eingangstür des ersten Hauses. Nichts rührte sich bis auf den Staub, der im Morgenlicht herumwirbelte. Auf dem Esstisch lagen Holzperlen und Zettel mit Kindergekritzel. Neben der Feuerstelle hingen Geschirrtücher und Schürzen. Töpfe, Holzteller und Gläser standen auf der Anrichte, penibel nach Größe und Farben geordnet. Darüber baumelten Knoblauchzwiebeln, Hartwürste und getrocknete Kräuter von einem Balken. Rob ging daran vorbei und lud das Magazin. Er war oft in dem Haus gewesen und kannte jeden Winkel.
Die Tür zum Schlafzimmer war nicht verschlossen. Er schob sie auf und sah Peterson im Bett liegen. Erst vor einer Woche hatte er ihn verletzt aus dem Kuhstall gezogen. Rob betrachtete den Verband, der den Daumen stabilisierte. Dann zielte er zwischen die Augen und drückte ab. Er wartete einige Sekunden, lauschte in die Stille des Hauses, doch nichts regte sich. Also ging er weiter.
Im Kinderzimmer lag die kleine Emma neben ihrer Mutter. Ohne zu zögern, zielte er zuerst auf Frau Peterson. Ihr Kopf fiel nach hinten und das Kissen färbte sich rot. Emma lag auf dem Bauch und bewegte sich, griff nach ihrer Mutter. Rob schoss ihr in den Hinterkopf. Noch zweihundertneunzehn.
Durch die Terrassentür trat er ins Freie. So, wie er es in den letzten Jahren immer getan hatte, ging er um die Gemüsebeete der Petersons herum, trat nicht auf die Salatpflanzen und die Möhren. Die Gießkanne lag zwischen den Blumen. Frau Peterson musste sie liegen gelassen haben. An jedem anderen Tag hätte er sie aufgehoben, aufgefüllt und neben die Regentonne gestellt. Heute ging er weiter.
Das Haus der Ebners grenzte an den Holzzaun. Rob bemerkte das offene Fenster im Erdgeschoss und entschloss sich, nicht durch die Hintertür zu gehen. Drinnen war es still. Die Katze lag auf dem Schaukelstuhl und schlief. Als er an ihr vorbeiging, drehte sie ihre Ohren und begann, zu schnurren. Auf dem Tisch lagen Gestecke und Blumensträuße. Die Stricknadeln hatte Frau Ebner in ein rotes Wollknäuel gesteckt und es neben der kleinen Weste, die sie für Emma strickte, abgelegt. Der Boden knarzte leise, und Rob bemühte sich, auf die Teppiche zu treten.
Als er der Treppe näherkam, hörte er, dass im ersten Stock jemand duschte. Rob wechselte in den Laufschritt, nahm zwei Stufen auf einmal und drückte die Tür auf. Frau Ebner stand mit dem Rücken zu ihm nackt in der Dusche. Ein Schuss in den Hinterkopf. Ein dumpfer Knall erfüllte den Raum, als ihre Stirn gegen die Wand schlug. Leblos glitt ihr Körper in die Wanne, in der sich das Blut mit dem Wasser vermischte und in den Abfluss rann. Nur das Prasseln der Dusche war zu hören. Zweihundertachtzehn.
Er prüfte die Zeit, es war nach sechs Uhr morgens. Er musste schneller vorankommen. Wenn die Menschen aufwachten, würde es Schreie geben, sogar eine Panik. Am Ergebnis würde das jedoch nichts ändern.
Zwanzig Minuten später. Einhundertvierzig. Nichts regte sich. Keine Panik. Keine Schreie. Der alte Müller war aufgewacht und hatte ihn mit großen Augen angeblickt. »Warum?«, hatte er gefragt und seine Hände wie zu einem Gebet gefaltet. »Lass meinen Sohn am Leben!« Rob hatte ihm durch die Stirn geschossen. Eine Minute später hatte er die Tür zum Kinderzimmer geöffnet und das Kind getötet.
Als er...
Erscheint lt. Verlag | 16.12.2024 |
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Verlagsort | Winnert |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Fantasy / Science Fiction ► Science Fiction |
Schlagworte | Bastion • Beschützer • Expeeriment • Flucht • Freiheit • Grenzen • KI • Künstliche Intelligenz • Nietzsche • Selbstbestimmung • Wildnis • Zarathustra |
ISBN-10 | 3-95765-710-5 / 3957657105 |
ISBN-13 | 978-3-95765-710-7 / 9783957657107 |
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