Neloris (eBook)
418 Seiten
tredition (Verlag)
978-3-384-16036-2 (ISBN)
Mareike M. Dietz wurde 1996 in Sinsheim geboren. Fantastische Geschichten haben sie bereits als Kind in ihren Bann gezogen. Sie hat früh damit begonnen, sich selbst Geschichten auszudenken und diese zu Papier zu bringen. Daran hat sich bis heute nichts geändert.
Mareike M. Dietz wurde 1996 in Sinsheim geboren. Fantastische Geschichten haben sie bereits als Kind in ihren Bann gezogen. Sie hat früh damit begonnen, sich selbst Geschichten auszudenken und diese zu Papier zu bringen. Daran hat sich bis heute nichts geändert.
5
Arva
Arva saß an dem langen Tisch, der sich in der weitläufigen Halle der Schatzkammer befand. Drei große, eiserne Kronleuchter erfüllten den steinernen Raum mit warmem Licht. Arva gegenüber saß Zhinon, der Hehler der Schattenläufer. Er drehte das Amulett, das sie auf dem Markplatz gestohlen hatte, zwischen seinen Fingern und begutachtete es mit einem Schmunzeln. Sie wandte kurz den Kopf, sah zu Victor und Alyx hinüber, die mit etwas Abstand zu Zhinon und Arva gerade die Spezialität Syphars – gebratenen Fisch mit Kartoffeln – verspeisten. Und weiter hinten, am Ende der Halle, direkt neben dem Schrein der Göttin Eyada, tuschelten drei jüngere Schattenläufer aufgeregt miteinander. Arvas Blick blieb an der Bronzestatue der Göttin der Dunkelheit hängen. Sie war eingehüllt in einen Umhang und hatte die Hände vor der Brust gefaltet. Ihr Gesicht war zur Hälfte von einer Maske bedeckt und eine Kapuze verbarg ihre Augen. Die Statue wich ein wenig vom offiziellen Eyada Schrein im Tempeldistrikt ab. Dort trug die Göttin weder eine Maske noch eine Kapuze. Aber die Menschen Syphars wussten trotzdem, dass sie nicht nur die Göttin der Dunkelheit, sondern auch die Beschützerin der Diebe war.
»Gute Arbeit, wirklich«, lobte Zhinon und lachte.
»Mach dich nicht über mich lustig.« Arva warf ihm einen warnenden Blick zu, konnte sich ein Schmunzeln aber nicht verkneifen, als sie das breite Grinsen des Hehlers sah.
»Das würde ich nie«, beteuerte er süffisant und schob ihr fünf Goldstücke über den Tisch zu. Drei für das Amulett und zwei für die Ringe, die sie dem verliebten Paar abgenommen hatte.
Ihr Lächeln verschwand und sie wurde wieder ernst. »Jeder Anfänger hätte diesen Auftrag erfüllen können.« Sie deutete auf die drei jungen Schattenläufer.
Zhinon runzelte die Stirn. »Hast du etwas getan, was den Schattenkönig verärgert hat?«
Arva warf ihm einen bösen Blick zu. »Natürlich nicht.«
»Warum hat er dir dann diesen lächerlichen Auftrag gegeben? Das Amulett ist nicht einmal wichtig. Irgendeine verflossene Geliebte der Zielperson will es haben.« Er warf seine langen schwarzen Haare zurück und zog eine perfekt geschwungene Augenbraue nach oben. Arva kannte niemanden, der so auf sein Äußeres achtete wie Zhinon. »Das wüsste ich selbst gern. Wenn du mich jetzt entschuldigen würdest.«
Zhinon verstand, erhob sich von seinem Stuhl und ließ die Tashéya allein. Er mied sie nicht wie viele der anderen Schattenläufer, dennoch wusste Arva, dass er ein wenig Angst vor ihr hatte.
In diesem Augenblick kam Haden in die große Halle. Sie nickte ihm zu und er setzte sich neben sie.
»Na«, begann er und kratzte sich verlegen am Kinn. »Wo warst du heute unterwegs?« Er fixierte sie mit seinen haselnussbraunen Augen.
Sie wusste sofort, worauf er hinauswollte. »Auf dem Markt und im Kronenviertel. Du?« Im Moment hatte sie keinen Nerv dazu, dieses Thema mit ihm zu besprechen. Klar, sie waren Freunde – vielleicht war er sogar ihr einziger Freund – aber über so etwas sprachen sie nicht. Niemals.
»Ach, witzig«, druckste er herum. »Ich war auch im Kronenviertel.«
Hochkonzentriert starrte sie ihr Glas an und brummte zustimmend. Sie hatte noch genau vor Augen, wie Haden diese blonde Frau geküsst hatte. Arva war nicht eifersüchtig und stand auch nicht auf ihn, aber trotzdem fühlte es sich seltsam an, dass er etwas ohne sie tat. Wenn er sie doch wenigstens in sein Geheimnis eingeweiht hätte.
»Komisch, dass wir uns nicht gesehen haben«, setzte Haden nach.
»Wieso?«, entgegnete sie. »Das Kronenviertel ist ziemlich groß.«
Wenn er doch einfach damit aufhören würde.
»Hm, ja. Da hast du auch wieder recht.« Er tätschelte Arva die Schulter.
Dafür erntete er einen vielsagenden Blick von ihr. Sie konnte nicht begreifen, warum die Menschen ständig andere berühren wollten. Ohne triftigen Grund! Bei einem Taschendiebstahl war das etwas ganz anderes. Da hatten Berührungen einen Sinn, sie dienten als Ablenkung. Sie sah von der Hand auf ihrer Schulter zu Haden. Ihr Blick blieb an der Narbe unter seinem linken Auge hängen. Für einen kurzen Moment betrachtete sie ihn einfach nur. »Kannst du dich noch daran erinnern, wie wir uns kennengelernt haben?«, brachte sie plötzlich hervor.
»Wie könnte ich das je vergessen? Du warst die Einzige, die damals nicht über mich gelacht hat.«
»Verdient hättest du es.« Ein Lächeln umspielte ihre Lippen. »Du hast ohne jegliche Vorbereitung oder Erfahrung versucht, einem Adeligen den Ring vom Finger zu stehlen.«
Haden verschränkte die Arme vor der Brust. »Obwohl … Hattest du mich nicht einen Trottel genannt?«
»Das habe ich«, gab sie zu und grinste breit. »Und ich habe deine Wunde versorgt, nachdem dich dieser Typ mit seinem Messer erwischt hatte.« Sie deutete auf Hadens Narbe.
»Das hast du«, sagte er sanft. »Und ich habe erkannt, dass das lilafarbene kleine Mädchen mit den Hörnern vielleicht doch ganz in Ordnung ist.«
Für einen kurzen Moment schwiegen sie und sahen sich einfach nur an. Dann brachen sie in helles Gelächter aus. Victor und Alyx warfen ihnen fragende Blicke zu.
Haden erhob sich von seinem Platz und zwinkerte Arva zu. »Ich geh dann mal zu Zhinon und hol mir meinen Lohn.«
»Tu das.«
Nachdem er außer Sichtweite war, stand sie ebenfalls auf. Sie hatte lange genug gewartet. Jetzt war es an der Zeit, mit dem Schattenkönig zu sprechen. Sie musste wissen, warum er ihr heute diesen schrecklich langweiligen Auftrag gegeben hatte. Sie ging am Schrein von Eyada vorbei und verließ die große Halle durch den breiten, mit Gravuren verzierten Rundbogen. Der anschließende Gang war hier mit schwarzen Teppichen ausgelegt und wurde von kleinen, runden Laternen erhellt, die in kurzen Abständen an der kantigen Steinwand befestigt waren. Zu Arvas Rechten führte ein schmaler Gang zu den Unterkünften der Frischlinge. Während ihrer einjährigen Ausbildung waren alle neuen Schattenläufer in den Gemeinschaftsunterkünften untergebracht. Links von ihr führte ein Gang zu den Trainingsräumen, wo die neuen Rekruten den Umgang mit Waffen lernten, das Schlösserknacken übten und ihre Balance verbessern konnten. Weiter vorn führte ein weiterer Gang zu den Unterkünften der ausgebildeten Schattenläufer. Dort befand sich unter anderem Arvas Zimmer, private Baderäume und ein Gemeinschaftsraum mit einem Flügel. Sie hatte sich schon immer gefragt, wie das riesige Instrument in die Schatzkammer gekommen war. Es gab nur den einen Eingang und der war definitiv zu schmal für so etwas Großes.
Aber an der Abzweigung zu den Quartieren ging sie heute vorbei, bis sie an eine zweiflügelige Tür gelangte, die zur Unterkunft des Schattenkönigs führte. Ihr Herzschlag beschleunigte sich und sie holte noch einmal tief Luft, dann klopfte sie an. Nichts. Sie klopfte erneut. Als immer noch keine Antwort aus dem Inneren kam, drückte sie die Klinke nach unten und öffnete eine der Türen.
»Vater?«, rief sie ins Zimmer. Er schien tatsächlich nicht da zu sein. Trotzdem trat sie ein. Das Quartier des Schattenkönigs bestand aus drei Räumen – dem Eingangsbereich mit mehreren mit dunklem Samt überzogenen Sofas, einem Schlafzimmer auf der rechten Seite und einem Arbeitszimmer auf der linken. Die Türen zu beiden Räumen standen offen und Arva steuerte auf das Arbeitszimmer zu. Vielleicht konnte sie sich ein paar spannende Aufträge schnappen. Sie würde nicht noch einmal die Arbeit von Anfängern erledigen.
An der hinteren Wand standen deckenhohe Regale, mit einer breit gefächerten Auswahl an Büchern. Links und rechts hing jeweils ein Gobelin. Der eine zeigte einen Dreimaster mit weißen Segeln auf dunklem Wasser, der andere stellte einen Teil des Hafenviertels mit seinen Stegen und Stelzenbauten dar. Arvas Blick glitt zu dem breiten Schreibtisch in der Mitte des Raumes. Dort lagen unzählige Dokumente und eine Karte von Neloris, neben einer runden Box mit Stiften stand eine kleine Eyada Statue. Für einen Außenstehenden hätte es wie das reinste Chaos ausgesehen, doch Arva konnte die Ordnung darin erkennen. Oft genug hatte sie ihrem Vater hier bei der Arbeit zugesehen. Sie trat hinter den Schreibtisch und studierte die Karte mit ihren Augen. Kleine farbige Nadeln markierten einzelne Punkte im Land.
Die sind neu, dachte sie und fuhr mit dem Finger über Neloris, das im Westen und Osten vom Meer eingerahmt wurde und zwischen zwei Ländern lag. Sie wanderte mit dem Zeigefinger erst nördlich nach Lerindas, dann strich sie fast schon zärtlich nach Süden. »Azenwe«, flüsterte sie. Ihre Heimat, das Land der Tashéya. »Irgendwann«, raunte sie und folgte mit dem Finger den Flüssen, die die zwei großen Seen von Neloris mit dem Meer verbanden. Wie Adern zogen sie sich über die Karte. Ihr Blick wanderte kurz zur Hauptstadt von Neloris – Athrolon hatte sie noch nie besucht, aber neben Syphar war sie einer der wichtigsten Handelspunkte des Landes.
Arva löste sich von der Karte und nahm ein paar der Briefe in die Hand. Alles Anfragen von Menschen, die die Dienste der Schattenläufer erbaten.
Alles langweilig, dachte sie.
Unter dem großen Haufen von Dokumenten fand sie jedoch einen Brief, dessen gebrochenes Wachssiegel sie kannte. Es war das Siegel von Lord Tharvalon. Er war einer der wichtigsten Männer in Neloris, galt als Vertrauter König Steltons und war der mächtigste Mann Syphars. Er kontrollierte die Stadt. Dass ihr Vater einen Brief von ihm erhalten hatte, konnte nur zwei Dinge bedeuten. Entweder steckten die Schattenläufer in ernsten Schwierigkeiten oder ihr Einfluss war um einiges gestiegen. Thomas...
Erscheint lt. Verlag | 29.11.2024 |
---|---|
Reihe/Serie | Neloris |
Mitarbeit |
Cover Design: Mareike Markheiser Sonstige Mitarbeit: Ann-Kathrin Möbius |
Verlagsort | Ahrensburg |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Fantasy / Science Fiction ► Fantasy |
Schlagworte | Ancient setting • found family • good vs evil • hidden truth • orphan heroes • romantic subplot • the quest |
ISBN-10 | 3-384-16036-3 / 3384160363 |
ISBN-13 | 978-3-384-16036-2 / 9783384160362 |
Informationen gemäß Produktsicherheitsverordnung (GPSR) | |
Haben Sie eine Frage zum Produkt? |
Größe: 1,9 MB
DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasserzeichen und ist damit für Sie personalisiert. Bei einer missbräuchlichen Weitergabe des eBooks an Dritte ist eine Rückverfolgung an die Quelle möglich.
Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belletristik und Sachbüchern. Der Fließtext wird dynamisch an die Display- und Schriftgröße angepasst. Auch für mobile Lesegeräte ist EPUB daher gut geeignet.
Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise
Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.
aus dem Bereich