Reise zu den Schwarzen Korallen
trafo Literaturverlag
978-3-86465-195-3 (ISBN)
- Noch nicht erschienen (ca. Januar 2025)
- Portofrei ab CHF 40
- Auch auf Rechnung
- Artikel merken
Gilt diese Aufforderung eines Don Carlos noch?
Und sind schlechte Taten, die einer guten Sache dienen, zu rechtfertigen?
Diese Fragen stellt sich eine alte Frau, die sich, schwer erkrankt, auf die Reise
nach Mexiko macht, um nach ihrer Jugendliebe zu suchen.
Auf dem Kreuzfahrtschiff trifft sie interessante Menschen, erlebt Abenteuer, gelangt zu Einsichten.
Aber sie schöpft auch Hoffnung, gesund zu werden, und erkennt, dass es nie zu spät ist, sich auf den Weg zu machen.
Dass Carola vor weiteren medizinischen Untersuchungen ausgerechnet auf dieser Schiffsroute reiste, hing mit einem alten Wunsch aus ihrer Jugend zusammen: sie wollte einen Ort in Mexiko besuchen, der schon lange ihre Phantasie beschäftigte. So trug sie im Gepäck eine Ansichtskarte der mexikanischen Insel Cozumel, die sie vor fast fünfzig Jahren von der Mutter einer ehemaligen Mitschülerin bekommen hatte. Auf der Karte war der Strand von Cozumel abgebildet und in die rechte untere Ecke hatte der Gestalter das kleine Foto eines filigranen, fächerförmigen Gebildes, einer Schwarzen Koralle, eingefügt. Die Abbildung dieses dunkel gefärbten Lebewesens war Carola zum ersten Mal in ihrer Jugend in einem bebilderten Zeitungsartikel begegnet. Harry hatte ihn ihr gezeigt und sie beide träumten sehnsuchtsvoll davon, eines Tages jenes Land zu bereisen, wo diese Korallen wuchsen, Mexiko. Der Fotograf hatte diese geheimnisvollen Gebilde effektvoll in Szene gesetzt und auch ihre Lebensweise erklärt – sie, schön wie Blumen, kommen in tropischen Meeren in mehr als hundert Metern Tiefe vor. Carola hatte viele Einzelheiten behalten: sie bestehen aus einzelnen Polypen, die sich von vorbeischwimmenden Lebewesen ernähren, indem sie ihre Beute mit klebriger Flüssigkeit umschließen und anschließend verdauen. Ihre schöne Farbe, die von sehr dunklem Blau über Braun bis zum tiefsten Schwarz reichen kann, so der Verfasser, erhielten die Korallen von den bunten Algen, mit denen sie eine für beide Organismen lebenswichtige Symbiose eingehen. Daran, so mahnte er, solle sich der Mensch stets erinnern. Am Schluss des Artikels hatte der Autor erwähnt, dass die Verarbeitung dieser seltenen Korallen zu teurem Schmuck auch der Finanzierung der Armutsbekämpfung diene – Einzelheiten hatte er nicht erklärt. Seitdem beschäftigten diese Korallen Carolas Phantasie. Dass sie Teil jener riesigen, geheimnisvollen und größtenteils unerforschten Welt waren, die sich nun vor dem Balkon ihrer Kabine ausbreitete, faszinierte sie und lenkte von ihrer Krankheit ab. Auch der Gedanke, dass unter der Wasseroberfläche – der Kapitän sprach zuweilen von mehr als zehntausend Metern Tiefe – vieles lauerte, was niemand kannte und das sicher alle an Bord unterschätzten, beschäftigte sie: waren es außer Schwarzen Korallen aggressive Tiefseelebewesen und unterirdische Vulkane? Oder lag das Tiefe, Unberechenbare vor allem in den Menschen selbst, die an Bord waren? Als Psychotherapeutin glaubte sie an die Gefährlichkeit von Menschen, schließlich hatte sie jahrelang Straftäter therapiert. Nun genoss sie das Schweigen, wer schwieg, log immerhin nicht. Obwohl sie eher streng wirkte, hatte sie eine Ausstrahlung, die Menschen dazu verleitete, ihr weiterhin ihr Leben zu erzählen, auch wenn Carola lediglich zuhörte. Selbst zu schweigen hatte sie sich in der ärztlichen Praxis angewöhnt. Sie war gern allein, wollte sich nicht in einem der Restaurants stundenlang an einen weißgedeckten Tisch setzen. Deshalb ging sie ins Büfett-Restaurant, nahm dort auf einem der Barhocker Platz und schaute aufs Meer. Manchmal tauchten zwischen Suppe und Dessert vor dem Fenster kleine Inseln auf. Vor allem die unbewohnten, und das waren die meisten, regten ihre Phantasie an. Wer oder was versteckte sich dort? Reiche Leute? Aussteiger? Seeräuber? Entflohene Sträflinge? Diese großen Fenster erinnerten sie an Kinoleinwände und wenn sie in einem der tiefen Sessel saß, schaute sie auf die Welt da draußen aus einer Art Froschperspektive. Carola nahm an Vorträgen teil, die an Bord angeboten wurden, unter anderem über den Panama-Kanal, die Geschichte Kolumbiens und den Drogenhändler Pablo Escobar, der 1993 erschossen worden war und den noch viele Menschen als Wohltäter verehrten. ... In ihren Träumen war Carola wieder jung. Mit dem Betreten des Schiffes glaubte sie, das Leben mit seinen Verwicklungen und Ängsten hinter sich gelassen zu haben. Aber die Vergangenheit war nicht überwunden und die Einsamkeit angesichts des Meeres ein guter Nährboden für die Phantasie. Carola war in ihrem Leben oft umgezogen, hatte sogar im Ausland gelebt, war mehrfach verheiratet gewesen und hatte Männer geküsst, deren Namen ihr schon entfallen waren, aber es waren die Kindheits- und Jugendjahre, die in ihrem Unterbewusstsein präsent waren und, wenigstens während des Traums, die Gewissheit vermittelten, wieder jung zu sein und am Anfang glorreicher Zeiten zu stehen. Die Kindheit und die Jahre der Schulzeit kamen ihr immer wieder in den Sinn, das, was sie Kindheitssoftware nannte. Das Schiff war für sie luxuriös, denn als Kind hatte sie mit ihren Eltern in Berlin in einer Kolonie von Behelfsheimen gewohnt, die nach dem Krieg gebaut worden waren. Dort lebten jene Familien, die im Krieg alles verloren hatten. Manche Berliner schauten auf die Leute aus dieser Gegend herab, auch Mitschüler. Das Wort „Behelfsheim“ drückte einen Stempel auf. So blieben die dortigen Bewohner lange Zeit unter sich. Hier half man sich gegenseitig, die einfachen Häuschen, oft nur aus Holz und ursprünglich einheitlich gestaltet, waren kreativ verändert worden und sahen mitunter sehr abenteuerlich und geheimnisvoll aus. Das hing in der Nachkriegszeit und der frühen DDR von den Möglichkeiten der Bewohner ab. Wer auf dem Bau arbeitete, hatte ein paar Steine für einen Anbau abzweigen können, Maler verfügten über Anstreichfarbe, um die Fassade verschönern zu können, Straßenbauer über Gehwegplatten für einen repräsentativen Eingang. Das Schönste aber waren die Gärten, auf die große Sorgfalt verwendet wurde. Dort gab es neben Gemüse, Erdbeeren und Kirschbäumen viele Blumen. Auch Carolas Eltern bewirtschafteten einen Garten, im Frühling schäumten dort die Kirschblüten, im Sommer dufteten weiße Nelken in den Rabatten, die den Hauseingang säumten. Und dann gab es noch einen Walnussbaum. Vielleicht war sein Stamm zu dick gewesen, um ihn in Kriegszeiten fällen zu können, oder jemand hatte Mitleid mit dem pflanzlichen Überlebenden der Bombenangriffe gehabt, jedenfalls hatte Carolas Vater am unteren Ast eine Schaukel befestigt. Auf ihr schaukelte Carola gern. Die Fußspitzen gen Himmel gerichtet, schwebte sie den Wolken entgegen und träumte. Jetzt, wo das Meer sie mit seinen hohen Wellen wiegte, dachte sie an ihre Höhenflüge und den Jungen, der damals die Schaukel anstieß und dessen Namen sie nie vergessen hatte: Harry. Er ging in ihre Klasse und alle Mädchen schwärmten für ihn. Kurz vor dem Abschluss der zehnten Klasse war er verschwunden und nie wieder hatte jemand etwas von ihm gehört. Jahrelang hatte sich das Gerücht gehalten, er sei umgebracht worden, dann wieder erzählte jemand, er sei nach dem Westen „abgehauen“, wie es damals hieß, und von Westberlin aus nach Mexiko ausgewandert, nach Cozumel. Es wurde behauptet, er habe sich einer revolutionären Bewegung angeschlossen, die mit Kokain handelte und Kontakt zu Fidel Castro, Ernesto Che Guevara und Angehörigen des Medellín-Kartells unterhielt. Dann wieder hieß es, er sei tot, im Dschungel abgestürzt, aber vielleicht war er auch einfach beim Brand im Tanzlokal gestorben – bloß an diese Möglichkeit wollte keiner glauben.
Erscheint lt. Verlag | 15.1.2025 |
---|---|
Verlagsort | Berlin |
Sprache | deutsch |
Maße | 125 x 190 mm |
Gewicht | 310 g |
Themenwelt | Literatur ► Comic / Humor / Manga ► Humor / Satire |
Schlagworte | Gegenwart • Mexiko • Reise auf der Spur der Jugendträume • Reise auf Kreuzfahrtschiff • Roman einer Reise |
ISBN-10 | 3-86465-195-6 / 3864651956 |
ISBN-13 | 978-3-86465-195-3 / 9783864651953 |
Zustand | Neuware |
Informationen gemäß Produktsicherheitsverordnung (GPSR) | |
Haben Sie eine Frage zum Produkt? |
aus dem Bereich