Die Schatten der Hexenbucht (eBook)
246 Seiten
epubli (Verlag)
978-3-8187-1092-7 (ISBN)
Der 1964 geborene Nordkehdinger Jung, Karl-Heinz Brinkmann, wurde vom stets kräftig wehenden Wind der Elbe geprägt. Rau, aber herzlich und humorvoll sind Begegnungen mit ihm. Durch seinen Beruf als Postbeamter kam er mit vielen Menschen und deren Geschichten in Berührung, die ihn nicht nur faszinierten, sondern auch inspirierten. Anfangs füllte er Vereinswebseiten mit Inhalten. Später schrieb er nebenberuflich für die Lokalzeitung. Heute versorgt der leidenschaftliche und langjährige Fotograf und Videoblogger seine eigenen Kanäle mit Inhalten, denn als Familienvater von vier Kindern ist Zeit ein kostbares Gut. Dennoch schaffte er es in seiner knappen Freizeit, sich ehrenamtlich zu engagieren. Den Akku füllt der reiselustige Autor beim Radfahren, Wandern oder beim Bogenschießen wieder auf.
Der 1964 geborene Nordkehdinger Jung, Karl-Heinz Brinkmann, wurde vom stets kräftig wehenden Wind der Elbe geprägt. Rau, aber herzlich und humorvoll sind Begegnungen mit ihm. Durch seinen Beruf als Postbeamter kam er mit vielen Menschen und deren Geschichten in Berührung, die ihn nicht nur faszinierten, sondern auch inspirierten. Anfangs füllte er Vereinswebseiten mit Inhalten. Später schrieb er nebenberuflich für die Lokalzeitung. Heute versorgt der leidenschaftliche und langjährige Fotograf und Videoblogger seine eigenen Kanäle mit Inhalten, denn als Familienvater von vier Kindern ist Zeit ein kostbares Gut. Dennoch schaffte er es in seiner knappen Freizeit, sich ehrenamtlich zu engagieren. Den Akku füllt der reiselustige Autor beim Radfahren, Wandern oder beim Bogenschießen wieder auf.
1
»Papa, Papa, was sind das für Besen?«, rief Jonas, ein aufgeregter achtjähriger Junge aus dem Ruhrgebiet. »Sie sehen aus wie umgedrehte Hexenbesen, die im Wasser stecken! Sind da vielleicht Hexen abgestürzt?«
»Stimmt, so könnte man es sehen«, antwortete sein Vater knapp. Jonas spürte die Anspannung in seiner Stimme und drückte seine Hand fester.
»Komm, lass uns zurück zu deiner Schwester gehen«, schlug sein Vater vor. Jonas nickte, Angst und Abenteuerlust kämpften in seinem Inneren.
Es war der erste Urlaub, nur mit den Kindern, auf der Suche nach dem perfekten Ort zum Entspannen und Vergessen. Warum es ihn an die Oste, einen Fluss voller Mystik und Geschichte, verschlagen hat, konnte er nicht sagen.
Wie eine riesige Schlange schlängelt er sich durch die Landschaft, ein Relikt aus vergangenen Zeiten. In grauer Vorzeit war die Gegend ein Labyrinth aus Bäumen und Sümpfen, bewohnt von wilden Tieren und undurchdringlichen Wäldern.
Dann kamen die Menschen. Sie rodeten die Wälder, entwässerten die Moore und machten das Land urbar. Es war ein harter Kampf gegen die Natur, aber mit der Zeit entstand eine neue Ordnung.
Aus der wilden, unwegsamen Wildnis wurde ein kultiviertes Paradies - geschaffen von Menschenhand. Doch tief unter der Oberfläche lauerten noch die alten Geschichten, verborgen in den stillen Wassern der Oste und den dichten Wäldern am Ufer.
Meist fließt die Oste still dahin, mal schlank wie eine Ballerina, dann wieder breit wie ein Sumo-Ringer, eingezwängt von Erdwällen zum Schutz vor Hochwasser. Doch manchmal zeigt sie sich auch launisch wie ein störrischer Esel. Ihre Stimmung kann sich plötzlich ändern, und sie bricht aus ihren Ufern hervor, als wollte sie die Menschen hinter den Deichen auf die Probe stellen. Es ist ein ständiges Ringen zwischen Mensch und Natur, zwischen Kontrolle und Chaos.
Sturmfluten hatten in der Vergangenheit ganze Dörfer weggespült. Das Leben der Menschen hier wird von den Gezeiten bestimmt. Sie leben im Einklang mit den Rhythmen der Natur, die ihnen mal Fülle und Fruchtbarkeit schenkt und dann wiederum Herausforderungen und Gefahren bringt. Doch trotz der Mühen und Risiken, die das Leben an der Oste mit sich bringt, bleibt der Traum von einem idyllischen Paradies erhalten.
Ein Ort, an dem das Gras grüner als anderswo ist und die Sorgen des Alltags verwehen wie Nebelschwaden im Morgendunst.
Heute, in der modernen Zeit, versucht der Mensch, die Natur zu kontrollieren. Mit Deichen und Dämmen kämpft er gegen die Fluten, um seine Häuser und Felder zu schützen. Doch trotz aller Bemühungen ist die Oste ein paradiesischer Ort geblieben. Ihre unberührte Schönheit und ihre vielfältige Tier- und Pflanzenwelt trotzen den menschlichen Eingriffen. Es ist ein ständiges Wechselspiel zwischen Mensch und Natur, zwischen Kontrolle und Demut vor den Kräften, die größer sind als wir. Ein Wochenmagazin betitelte die Oste sogar als ‚Amazonas hinterm Deich‘[Fußnote 1].
Es gibt zwar keine undurchdringlichen Dschungel, aber die Menschen sind manchmal genauso geheimnisvoll. Sie haben ihre Eigenheiten und halten an Traditionen fest, die Fremden oft rätselhaft erscheinen.
Ein solches Rätsel ist die korrekte Aussprache des Flussnamens. »Es heißt Ooste«, sagen sie dann und zwinkern dabei freundlich. Es ist, als würden sie ein kleines Geheimnis hüten, das nur denen offenbart wird, die bereit sind, sich auf ihre Welt einzulassen.
Es werden viele Geschichten im Osteland erzählt, doch nur wenige von der Hexenbucht. Die aber, die erzählt werden, lassen einem das Blut in den Adern gefrieren. Und wer weiß, vielleicht steckt hinter diesen, oft als Märchen abgestempelten Geschichten mehr, als man denkt.
Waldemar, der Vater des kleinen Jonas, weiß es, will es aber nicht zugeben. In seinen Augen glimmt manchmal ein geheimnisvoller Funke, als wüsste er etwas, was jenseits der Realität liegt. Vielleicht birgt die Geschichte der Hexenbucht doch mehr Wahrheit, als die Menschen glauben wollen. Und während die Kinder am Lagerfeuer Geschichten lauschen und sich gruseln, hütet Waldemar sein Geheimnis wie einen kostbaren Schatz.
Vater und Sohn gingen entlang der Deichkrone in Richtung der Gemeinde Osten, wo sich ihre Ferienwohnung befand. Links erstreckten sich saftige Wiesen und ertragreiche Felder, soweit das Auge reichte. Ein Meer aus satten Grüntönen, das die Seele mit seiner Frische umhüllte. Rechts schlängelte sich majestätisch die Oste, ein malerischer Fluss von unvergleichlicher Schönheit. Ihre sanften Wellen funkelten wie Diamanten im Sonnenlicht. Die Strömung der Oste war kraftvoll, unaufhaltsam, ein lebendiges Band, das sich durch die Ostemarsch wand.
Die Sonne, die sich am Horizont erhob, tauchte die Landschaft in ein goldenes Licht, das sich auf der glitzernden Oberfläche des Flusses widerspiegelte. Tausend Sterne tanzten auf dem Wasser. In der Ferne erklangen die melodischen Gesänge der Vögel, die mit ihrer Musik die Luft erfüllten und eine Aura der Ruhe und Gelassenheit über das Land legten. Es war, als wäre die Welt im Einklang und alle Sorgen des Alltags vergessen.
Die sanften Melodien der Vögel erstarben abrupt, als ob ein unsichtbares Wesen seine Hand über ihre Kehlen legte. An ihre Stelle trat das grässliche Krächzen einer Horde Krähen, die sich wie eine schwarze Wolke über die Hexenbucht schoben. Ihre schwarzen Federn flatterten im Wind wie düstere Vorboten des Unheils. Sie warfen drohende Schatten auf das Land, während ihre durchdringenden Rufe durch die Luft hallten und eine unheimliche Stille zurückließen, die sich wie ein düsterer Schleier über die feuchten Wiesen legte.
Nur wenige Augenblicke später trug der Wind eine blecherne Stimme herbei. Jonas blickte zurück zur Hexenbucht und sah ein Schiff auf der Oste heranfahren. »Sieh mal, Papa, da kommt ein Schiff!« Er ließ die Hand seines Vaters los und winkte mit beiden Armen dem Schiff zu.
Ein lautes Tuten drang über den Fluss. Enten flatterten aufgeschreckt davon, als dieses dröhnende Geräusch die Stille durchbrach. Es war, als hätte jemand einen Stein ins Wasser geworfen und die Ruhe des Flusses zerschlagen. Die Vögel, die sich friedlich auf dem Wasser niedergelassen hatten, flogen in wildem Aufschrei davon, als ob sie einem unsichtbaren Feind entkommen wollten. Es war ein Moment der Unruhe, der die Atmosphäre am Ufer der Oste durchdrang und eine Spannung in der Luft hinterließ, die man förmlich spüren konnte.
Der Kapitän der ›Latona‹, ein Mann mit wettergegerbtem Gesicht und grauem Rauschebart, nahm es gelassen. Mit einem breiten Grinsen erwiderte er auf seine Art den Gruß des kleinen Jungen auf dem Deich. Er hob die Hand zum Salut und sein Horn ertönte zum zweiten Mal, bevor er sich wieder dem Steuerrad zuwandte. Für ihn war es Routine, entlang der Oste zu navigieren. Die Begegnung mit den Bewohnern am Ufer gehörte dazu wie der Wind zur Küste. Sämtliche Passagiere winkten zurück, und Jonas tanzte vor Freude. »Papa, da möchte ich auch mal mitfahren, bitte!«, flehte er. »Morgen?«
»Mal sehen was deine große Schwester dazu sagt«, wiegelte Waldemar ab.
»Och man, bitte, Papa, ich möchte so gern mit dem Schiff fahren. Das würde Manuela bestimmt auch gefallen.«
»Ich sagte doch, mal sehen! Und jetzt hör auf zu quengeln!«, knurrte Waldemar mit strenger Stimme. Seine Worte hallten wie ein donnerndes Echo in Jonas’ Ohren nach.
Wütend stampfte der Junge ins Gras. Sein Gesicht war ein Spiegelbild seines Zorns: Augen, die vor Wut funkelten, und Hände, die sich zu Fäusten ballten. In ihm tobte ein Sturm, der alles niederzureißen drohte, was ihm im Weg stand. Besorgt beobachtete sein Vater die Szene, unsicher, wie er mit der aufkommenden Wut seines Sohnes umgehen sollte und erinnerte sich, wie wütend er als Kind werden konnte.
Da ertönte die blecherne Stimme erneut, vom Wasser getragen über den Fluss: »Hey, kleiner Mann, möchtest du mitfahren?« Jonas stand wie versteinert auf dem Deich. Sein Herz pochte vor Aufregung.
»Dann warten wir beim ›Rostigen Anker‹ auf dich.« Mit einem lauten Hupen schob sich die ›Latona‹ weiter flussaufwärts. Die Vögel stimmten ihren Gesang erneut an, als wäre nichts gewesen. Doch ihre Stimmen klangen jetzt seltsam gedämpft und unheilvoll, als ob sie eine düstere Botschaft in den Wind schickten.
Anna, eine junge Journalistin, lauschte gespannt den Worten des Kapitäns, während er voller Leidenschaft über die Hexenbucht erzählte. Obwohl sie bereits einmal über das Schiff berichtet hatte, war es ihre erste Tour damit. Als Cuxhavenerin war sie nicht oft in diesem Landstrich unterwegs, aber die Ostemarsch mit ihren Dörfern und geselligen Menschen faszinierte sie von Neuem. Besonders aber ihre Geschichten.
»Es heißt, dass sich in der Hexenbucht, mitunter in lauen Vollmondnächten, seltsame Dinge ereignet haben sollen. Fest steht jedoch, dass in der Johannisnacht hier etwas Ungewöhnliches vorgefallen sein muss. Seit Urzeiten traut sich in der Nacht zum 23. Juni kein Mensch mehr an diesen Ort. Aber zunächst möchte ich euch erklären, was eine Hexe überhaupt ist.«
Der Kapitän machte eine Pause, um Spannung in seine Geschichte zu bringen. Das beherrschte er meisterhaft, wenn er einen guten Tag hatte. Und heute war so ein Tag. Er lächelte verschmitzt und ließ die Stille einen Moment lang wirken, bevor er fortfuhr: »In den geheimnisvollen Nächten, wenn der Mond sein silbriges Licht über die düsteren Wälder ergoss, wurde sie als nachtfliegende Unholdin gefürchtet. Lautlos glitt ihre düstere Gestalt durch die Lüfte, ihre Augen feurig wie glühende Kohlen in der Finsternis. Ihr Körper wurde von den...
Erscheint lt. Verlag | 4.11.2024 |
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Verlagsort | Berlin |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Romane / Erzählungen |
Schlagworte | Küstenkrimi • Küstenthriller • Mystery • Nordsee • Nordseeküste • Nordseethriller • Thriller |
ISBN-10 | 3-8187-1092-9 / 3818710929 |
ISBN-13 | 978-3-8187-1092-7 / 9783818710927 |
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