Jannis Frank und Die Kinder von Maa (eBook)
550 Seiten
tredition (Verlag)
978-3-384-25896-0 (ISBN)
Ben Castelle studierte Germanistik, Philosophie und Soziologie und lebt heute als Redakteur und freier Autor in der Eifel. Er schreibt Romane, Erzählungen, Kurze Prosa, Jugendbücher und Haikus. Bei 'tredition' erschienen in den vergangenen Jahren zwölf Romane, zwei Erzählbände und ein Haiku-Band.
Ben Castelle studierte Germanistik, Philosophie und Soziologie und lebt heute als Redakteur und freier Autor in der Eifel. Er schreibt Romane, Erzählungen, Kurze Prosa, Jugendbücher und Haikus. Bei "tredition" erschienen in den vergangenen Jahren zwölf Romane, zwei Erzählbände und ein Haiku-Band.
Obwohl sich Jannis und seine Freunde nicht hatten immunisieren lassen – Professor Sterling hatte ihnen davon abgeraten, da sie wie niemand sonst auf dem Schiff dem Bakterium ausgesetzt gewesen waren – sendete er ihnen vorsichtshalber ein Zertifikat auf ihre Glastafeln, das ihnen eine Immunisierung gegen Sterling 19 bescheinigte. Angeblich sei für sie damit vieles leichter, da man auf Maa weder mit Politkern noch mit irgendwelchen Bürokraten über den Unterschied zwischen dem Nachweis eines Bakteriums, einer Infizierung, einer Erkrankung, einer schweren Erkrankung oder gar einer tödlichen Erkrankung sprechen könne. Ein positives Testergebnis reiche aus und man zähle als Erkrankter, selbst wenn man kerngesund sei. Die Freien Humanen, so nannte sich die neue politische Partei rund um Jorge Stankow, seien da leider nicht viel intelligenter als die Humanökologen, wenn man bei Politikern denn überhaupt von Intelligenz sprechen wolle. Es habe keinen Sinn, sich dagegen aufzulehnen. Dieser Mischung aus Dummheit und bewusster Falschinterpretation von Wissenschaft, gestützt von einigen regierungsabhängigen Gelehrten, ähnele der Mobilen Abschirm-Mauer von General Sheridan, die alles platt walze, was sich ihr in den Weg stelle, um dadurch immer breiter, höher und unüberwindlicher zu werden.
Ein paar Tage später landete ein weiteres Shuttle auf dem Shuttle-Port der Prometheus. Es war deutlich größer als das, mit dem Professor Sterling und sein Team an Bord gekommen waren, und erinnerte vom Bau her an die Argo. Mit diesem Schiff sollte die Besatzung nach knapp acht Jahren Reise wieder zurück nach Lageeso zurückgebracht werden. Es war allerdings zu klein, um alle Reisenden auf einmal aufzunehmen, so dass es einer ganzen Reihe von Flügen bedurfte, bis das Schiff evakuiert war. Auch konnten noch nicht alle Menschen sich von der Prometheus entfernen, einige Techniker und auch die Kommandantin blieben, bis eine geordnete Übergabe des Schiffes gewährleistet wäre. Besonders die Goldvorräte, das mitgebrachte Saatgut und all die Gesteins- und Pflanzenproben, die während der Reise gesammelt worden waren, mussten genauestens katalogisiert und zunächst einer Risikoabwägung unterzogen werden, um festzustellen, ob ihre Einfuhr nach Maa Komplikationen schaffen könnte.
Ein besonderes Problem stellten die Karnidonaren im Gartensektor dar, die mittlerweile bis zur Glaskuppel hinaufgewachsen waren und kurz davor standen, das Dach des Raumschiffs anzuheben. Mit Motorsägen wurde ihnen der Garaus gemacht, ein Anblick, der Florian Goldoni so sehr schmerzte, dass er heimlich viele Tränen vergoss und behauptete, er leide neuerdings an einer Augenentzündung, die wiederum manche für ein Anzeichen von Sterling 19 hielten und daher einen weiten Bogen um ihn machten, was ihm allerdings sehr recht war.
Die ehemalige Maraldi-Klasse ging gemeinsam von Bord. Es herrschte große Aufregung, alle redeten durcheinander und einige hatten sich plötzlich mehr zu sagen als während der gesamten Reise. Man sprach von jährlichen Treffen, die man zu organisieren versprach, und davon, dass man in lebenslangem Kontakt bleiben wolle. Einige, von denen man es am wenigsten erwartet hätte, weinten aufgrund des bevorstehenden Abschieds vor Ergriffenheit, andere sahen mit kaltem Blick zum Bugfenster des Shuttles hinaus in einen noch kälteren Weltraum.
Auch June Farrow, die noch auf einen der folgenden Transporte warten musste, kam zum Shuttle-Port, um sich von Jannis zu verabschieden.
»Du hast vergessen, mich zu besuchen«, sagte sie, während sich beide, June hatte Jannis lange suchen müssen, plötzlich in dem Gewimmel auf dem Port gegenüberstanden.
»Nein, habe ich nicht«, antwortete Jannis, »ich habe dich ganz bewusst nicht besucht.«
June nickte verständnisvoll, blickte einmal auf das Shuttle, dann wieder auf Jannis. »Darf man einen Magister Primus eigentlich zum Abschied umarmen?« fragte sie.
»Unbedingt«, antwortete Jannis und breitete seine Arme aus.
Der Weltraumhafen in Lageeso war für die Heimkehrenden festlich geschmückt. Damion Dagwood hatte nicht zu viel versprochen. Statt der grünen Fahnen mit der Taube, die einen Pfeil im Schnabel trug, wehten überall rote Fahnen, in deren Mitte sich ein goldener Kreis befand. Niemand, außer Jorge Stankow, der diese Fahnen in Auftrag gegeben hatte, ahnte, was es mit diesem goldenen Rund auf sich hatte.
Am Rande des Landeplatzes standen tausende von Menschen, die mit kleinen Tüchern winkten, die denselben roten Farbton besaßen wie die Fahnen. Und auf einer Empore, die sich über das Flugfeld erhob, thronten Damion Dagwood, Jorge Stankow und die Mitglieder des Wissenschafts- und Ethikrats. Man hatte die Humanökologen verjagt, doch ihre Herrschaftsformen kritiklos übernommen.
Während die ehemaligen Schülerinnen und Schüler der Maraldi-Klasse die Treppen des Shuttles hinabstiegen, jubelte die Menge so frenetisch, dass es den meisten Heimkehrenden ein wenig peinlich war, weil sie das Gefühl hatten, der Jubel sei einstudiert worden. Die Regierungsmitglieder erhoben sich sodann von ihren Bodenkissen, winkten ebenfalls von ihrer Empore herab, und schließlich trat Damion Dagwood an ein Mikrophon und rief den Ankommenden entgegen: »Willkommen im Zentrum der menschlichen Zivilisation, willkommen auf Maa!«
Viel mehr sagte er allerdings nicht, sondern ließ sich danach sogleich wieder zu Boden fallen, wahrscheinlich, um auf das nächste Shuttle zu warten. Statt des Präsidenten sprach jetzt Jorge Stankow zu den Heimkehrenden. Nach einer herzlichen Begrüßung sagte er:
»Einst wurde euch versprochen, dass ihr bei eurer Wiederkehr in die Geschichts- und Schulbücher von Maa eingehen werdet. Doch die, die euch dieses Versprechen gaben, sind heute nicht mehr hier, um es zu erfüllen. So gebe ich euch denn mein Wort, dass euer Einsatz niemals vergessen werden wird und eure Namen noch in hundert Jahren am Räteturm zu lesen sein werden, wo ich eine Tafel mit allen dreihundert Schülernamen habe anbringen lassen.«
Wieder grölte die Menge frenetisch, und erst als Jorge Stankow die linke Hand hob, kehrte wieder Ruhe ein.
»Auch wurde euch versprochen, dass euch bei eurer Heimkehr ein Platz unter den führenden Wissenschaftlern, Politikern und Ethikern sicher sein werde. Nun, ihr alle seid uns in den Reihen der Freien Humanen willkommen. Jeder wird seinen Platz bekommen. Wir erfüllen alle Versprechen, die euch gegeben wurden, nicht, weil wir dazu verpflichtet wären, sondern weil es uns eine Herzensangelegenheit ist. Aber nun kehrt erst einmal heim zu euren Familien, zu euren Eltern und Großeltern und feiert eure Wiederkehr und erzählt ihnen von euren Erlebnissen. Wir werden uns zu gegebener Zeit bei euch melden, um alles Weitere mit euch zu besprechen.«
Erneut wurden die roten Tücher geschwenkt, während ein paar Ordnungsleute in blauen Overalls die Ankömmlinge vom Shuttle-Port hinab in eine der leeren Werfthallen geleiteten, von wo sie in das ehemalige und grässlich heruntergekommene Ausbildungszentrum von Lageeso gebracht wurden, das einst das modernste Gebäude am Platz gewesen war, und wo ihre Eltern bereits auf sie warteten.
Ein paar Tage später, die Feierlichkeiten waren längst verrauscht, und Jannis saß mit seinem Großvater und seinen Eltern beim Tee zusammen, da wunderte er sich, dass sich Bluluna zum Abend hin gar nicht mehr in ein azurblaues Licht tauchte.
»Es ist so«, versuchte der Großvater zu erklären, »was uns damals immer so begeistert hat, als du noch ein Kind warst, das war nichts anderes als ein besonderes Suchlicht, mit dem jeden Abend auf dem Gefängnismond nach Gefangenen gefahndet wurde, die versucht hatten, aus dem Gefängnis zu fliehen. Das Licht überflutete den gesamten Mond und offenbarte so jedes Versteck. Fliehen konnten die Gefangenen ohnehin nicht, aber manche versuchten es trotzdem und irrten tagelang in den weglosen Staublandschaften des Mondes herum, bis man sie wieder einkassiert hatte.«
»Und jetzt?« fragte Jannis, »werden die Geflohenen in Ruhe gelassen?«
»So würde ich das nicht nennen. Es kümmert sich nur niemand mehr um sie. Den Freien Humanen ist es gleichgültig, ob jemand aus dem Gefängnis flieht. Die Überlebenschancen in der Wüste sind ohnehin nur sehr begrenzt.«
»Wie kräftig du geworden bist«, sagte Jannis Mutter nun schon zum gefühlt siebten Mal an diesem Abend. »Und dann Magister Primus. Ich kann es noch gar nicht fassen.«
»Ich auch nicht«, gab Jannis zu. »Ich könnte im Übrigen gut darauf verzichten.«
»So etwas sucht man sich nicht aus«, bemerkte der Großvater, der etwas verärgert darüber schien, dass seine Schwiegertochter ihn schon zum wiederholten Male bei seinem Gespräch mit Jannis unterbrochen hatte. Dabei hatten sich die beiden doch so viel zu erzählen.
»Du wirst in diese Aufgabe schon hineinwachsen«, bemerkte Jannis‘ Vater, weil ihm ansonsten nichts Tröstendes einfallen wollte. »Auch Thelonious Arden war nicht von heute auf morgen der große Meister, den jetzt alle in ihm sehen.«
»Nun, ein Meister wollte er nie sein«, erklärte Jannis, »eher das Gegenteil: ein ewiger Schüler.«
»Zu viel Bescheidenheit ist in dieser besonderen Stellung auch nicht gut«, warf der Vater ein. »Du musst schon selbstbewusst auftreten. Allerdings empfehle ich dir, nicht permanent die Konfrontation mit dem Präsidenten und dem Rat zu suchen, wie es der Alte getan hat. Halte dich lieber etwas zurück.«
Daraufhin wollte Jannis wissen, wie der »Übergang« – er sagte bewusst »Übergang« statt »Revolution« vonstattengegangen war.
»Das ging sehr...
Erscheint lt. Verlag | 30.10.2024 |
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Reihe/Serie | Jannis Frank |
Verlagsort | Ahrensburg |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Fantasy / Science Fiction ► Science Fiction |
Schlagworte | Akzeptanz • Coming-of-age • Entdeckungsreise • Erwachsenwerden • Freundschaft • Gesellschaftskritik • Jugendabenteuer • Jung und Alt • Sinnsuche • Soft Science-Fiction • Sprachkritik • Vielfalt • Zukunftsabenteuer |
ISBN-10 | 3-384-25896-7 / 3384258967 |
ISBN-13 | 978-3-384-25896-0 / 9783384258960 |
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