Schokolade mit Hakenkreuzgeschmack (eBook)
302 Seiten
epubli (Verlag)
978-3-8187-0539-8 (ISBN)
Hans Fegert ist 1947 geboren und lebt in Ingolstadt. Seit 1986 verfasste er zahlreiche Bücher über Ingolstadt. Für seine kulturelle Arbeit wurde er 2022 von der Stadt Ingolstadt mit der 'Simon-Mayr-Medaille' ausgezeichnet. Im gleichen Jahr begann er mit seinem Roman-Erstlingswerk 'Schokolade mit Hakenkreuzgeschmack - Die Kinder von Ampersried'.
Hans Fegert ist 1947 geboren und lebt in Ingolstadt. Seit 1986 verfasste er zahlreiche Bücher über Ingolstadt. Für seine kulturelle Arbeit wurde er 2022 von der Stadt Ingolstadt mit der 'Simon-Mayr-Medaille' ausgezeichnet. Im gleichen Jahr begann er mit seinem Roman-Erstlingswerk 'Schokolade mit Hakenkreuzgeschmack – Die Kinder von Ampersried'.
Die erste Zigarette
Der heutige Juli-Tag ist für die meisten Ampersrieder ein Tag wie jeder andere. Doch für Simon, dem einzigen Sohn der Sternbergers, ist heute ein ganz besonderer Tag, er feiert seinen 10. Geburtstag. Von den Eltern hat er ein aufziehbares rotes Bing-Blechauto bekommen. Seine Freude darüber ist grenzenlos. Gleich nach dem Frühstück eilt er zu seinem Freund Karli, um ihm das neue Auto vorzuführen. Das Haus des Bürgermeisters befindet sich direkt gegenüber dem Krämerladen. Karli bekommt beim Anblick des Autos glänzende Augen und freut sich mit Simon. Im großflächigen Flur des Euringer-Anwesens, dem sogenannte Fletz, lassen die beiden das rote Auto mehrere Runden kreisen. Irgendwann kommt auch Ade hinzu, er gratuliert nur ganz beiläufig, sein Augenmerk gilt jedoch ausschließlich dem neuen glänzenden Spielzeugauto. Ade lässt es sich nicht anmerken, aber ihm befällt sofort ein Gefühl von Neid. So ein schönes Spielzeug wird er in Anbetracht seiner ärmlichen Lebensumstände niemals besitzen. Die drei Buben verlagern nun ihre Teststrecke auf die unbefestigte Dorfstraße. Nach kurzer Zeit stößt auch die 9-jährige Resi mit der 4 Jahre jüngeren Kathi an der Hand auf die Jungs. Die kleine Kathi jauchzt freudestrahlend »Sooo ein schönes rotes Auto« und Resi gratuliert dem Geburtstagskind freudig. Resi ist zwar fast doppelt so alt wie die Kathi, trotzdem sind die beiden unzertrennliche Freundinnen. Vermutlich sieht Resi in Kathi aufgrund deren Kleinwüchsigkeit eine Art lebende Puppe.
Die fünf Kinder stromern nun ziellos über die Felder. Am Waldrand lassen sie sich im Gras nieder und genießen die warme Juli-Sonne. Zu aller Überraschung kramt Ade plötzlich eine völlig deformierte filterlose Zigarette mit Streichhölzern aus seiner Hosentasche. Ziemlich selbstbewusst steckt er sich die 'Zuban' in den Mund und zündet sie an. »Du darfst doch noch gar nicht rauchen – das ist doch nur für Erwachsene«, zuckt es entsetzt aus Karli heraus. »Für euch Kleinkinder ist das sicher noch nichts, aber ich darf das«, kommt von dem ein Jahr Jüngeren als Antwort zurück. Kaum ausgesprochen befällt ihn ein Hustenanfall, als würde er jeden Augenblick einen Erstickungstod erleiden. Mit großen Augen beobachten die vier Freunde den 'Sterbenden'. Die kleine Kathi bekommt Angst und beginnt gedämpft zu weinen. Resi versucht das Kind zu beruhigen und droht Ade: »Das sag ich deinem Vater.« Der wiederum hat sich von seinem Hustenanfall schnell erholt und entgegnet ihr: »Wenn du das tust, dann bekommst du eine ordentliche Tracht Prügel von mir.« Genüsslich wie ein Erwachsener zieht er völlig entspannt im Gras liegend an seinem Glimmstängel weiter und bläst ziemlich gekonnt herrliche Rauchringe gegen den Himmel. Kathi hat sich allmählich wieder beruhigt und die anderen bewundern den kleinen Raucher immer noch ziemlich erstaunt. Etwas unsicher versucht sich nun Karli an einen Zug des Glimmstängels zu gelangen. »Weil du es bist, darfst du mal daran ziehen«, und reicht ihm die begehrte Zigarette hin. Anstatt zu ziehen, bläst Karli jedoch in den Glimmstängel. Ade grinst sich eines. »Da musst du ziehen – deshalb heißt es auch ZIgarette.« Karli befolgt den fachmännischen Rat und muss sogleich ebenfalls stark husten. »Pfui Teufel, das soll schmecken?«, und gibt die Zigarette mit einem gewissen Ekelgefühl schnell wieder an seinen Besitzer zurück. »Darf ich auch mal ziehen?«, fragt Simon ganz schüchtern. »Ich nehme doch nichts mehr in den Mund, an dem schon mal ein Jude gelutscht hat – wenn ich fertig bin, dann kannst du vielleicht die Kippe zu Ende rauchen«, kommt herabwürdigend als Antwort zurück. »Ich bin kein Jude«, entgegnet Simon empört. Ohne jegliche Vorzeichen steht Ade zornig auf und verpasst dem Geburtstagskind einen ordentlichen Kinnhaken. Ohne lange zu zögern, geht Karli dazwischen, um Ade von einem weiteren Wutausbruch abzuhalten. Wortlos steht Simon auf und rennt beleidigt nach Hause. Völlig unaufgefordert folgen ihm Karli und die beiden Mädchen.
Gut Holz
Ein wesentlicher kultureller Bestandteil in Ampersried ist das Dorfwirtshaus Zum schwarzen Hirschen. Neben der Einkehr und dem Stammtisch, ist die offene Kegelbahn im Wirtsgarten ein beliebter Treffpunkt. Auf einem gestampften Lehmboden ist über der Kegelbahn ein überdachter Holzständerbau als Wetterschutz errichtet. Am Ende der Bahn, dem Kugelfang, befindet sich eine hölzerne Rücklaufrinne, über die den Keglern die schweren Kugeln vom Kegelbuben zurückgerollt werden. Sonntags bessern hier Simon und Karli ihr Taschengeld auf. Die beiden wechseln sich stetig ab, am Vormittag gleich nach dem Frühschoppen stellen sie für die Stammtischbrüder auf und am Nachmittag für die Sonntagskegler. Das Kegeln ist immer noch ausschließlich den Männern vorbehalten, deshalb ist der Sonntagvormittag bei den beiden Buben nicht so besonders beliebt, schieben da doch meist ihre Väter die Kugel. Karli beherrscht seine Aufgabe perfekt, im Nu hat er die neun schweren Hartholzkegel aufgestellt und seine Kugel zurückgerollt. Bei Simon dagegen nimmt dieser Vorgang meistens eine gewisse Zeit in Anspruch. Er stellt seine Kegel penibel in der vorgegebenen Form auf, was die wartenden Kegler ziemlich nervt. Deshalb sind Simon die Durchläufer, die nichts treffen stets willkommen. Außer einer Reichsmark Lohn bekommen Simon und Karli zu Essen und Bierreste zu trinken – manchmal sogar auch einen klaren Obstbrand.
Gleich nach der Sonntagsmesse eilt Simon hinüber Zum schwarzen Hirschen, um seinen Kegeldienst abzuleisten. Heute warten auffallend viele Kegler ungeduldig auf den Kegelbuben. Deshalb bilden sich zwei Mannschaften, um gegeneinander anzutreten. Die Gruppe der Gemeinderäte wird von Karlis Vater, dem Bürgermeister Josef Euringer, Resis Vater Georg Emslander, Kathis Vater Georg Braunstätter, Simons Vater Samuel Sternberger, und schließlich noch Ades Vater Benedikt Meier gebildet. Sie kegeln gegen die Kleinbauern, in deren Gruppe sich mit dem Kleinbauern Blasius Sixt, dem Müller Korbinian Mayerhofer und dem Postboten Paul Oberhofer ebenfalls drei Gemeinderäte befinden. Ades Vater hat an diesen schwülen Sonntag im August schon einige Biere über den Durst getrunken. Seine Mitstreiter sind darüber nicht so sehr begeistert, da sie an seiner Treffsicherheit starke Zweifel hegen. Sternberger macht den ersten Schub und trifft sieben Kegel. Dann ist Braunstätter an der Reihe, bei ihm fallen fünf Kegel. Auch Emslander und Euringer machen ihre Schübe mit fünf und sieben Treffern recht gut. Nun ist Meier an der Reihe. Er nimmt die Kugel, doch sie gleitet ihm aus der Hand. Ein zweiter Versuch – wieder fällt die Kugel zu Boden. Nach kurzem Überlegen lallt er: »Die sind heute aber rutschig.« Beim dritten Versuch kann er die Kugel zwar halten, doch sein Schub geht völlig daneben an die Bande. Seinen Mitstreitern ist die Enttäuschung anzusehen. Der Kegeljunge Simon dagegen freut sich, hat er doch dieses Mal nichts aufzustellen. Nun sind die Gegenspieler der Gruppe Kleinbauern an der Reihe, sie übertreffen die erreichten 24 Punkte der Gemeinderäte um ein Vielfaches. Beim nächsten Durchlauf legt Sternberger mit 'allen Neunen' glänzend vor. Auch die Treffer der anderen sind nicht von der Hand zu weisen. Dann ist wieder Ades Vater an der Reihe, er kann zwar diesmal die Kugel halten, trifft jedoch, wie bereits beim ersten Durchlauf wieder nur ins Leere. Emslander spöttelt: »Siehst du überhaupt noch die Kegel da vorne?« Meier antwortet nicht und nimmt zur Erfrischung einen überaus kräftigen Schluck Bier zu sich. Die Kleinbauern überbieten mit stolzen drei Neunern in Folge abermals ihre Gegner, was die Stimmung der Gemeinderatsmitglieder merklich sinken lässt. Voller Ehrgeiz richtet nun Sternberger seine Kugel auf das Ziel und schafft mit acht Kegeln einen Kranz. Auch die anderen Teilnehmer geben ihr Bestes. Bevor Meier die Kugel nimmt, gönnt er sich zur Stärkung abermals einen Schluck Bier als Zielwasser. Dann schmeißt er die Kugel förmlich auf die Bahn, was sogar eine tiefe Mulde im gestampften Lehmboden verursacht. Der Kegelschub geht erwartungsgemäß wiederum an die Bande. Seine Kegelbrüder raufen sich verzweifelt die Haare, und bei den Gegnern bricht lautstarkes Gelächter aus. Sternberger bemerkt verärgert: »Mit diesem Deppen kann man doch nicht ernsthaft Kegeln.« Wutentbrannt entgegnet Ades Vater, »wer ist hier ein Depp?« Worauf Simons Vater lauthals zurückschreit: »Na du, oder siehst du hier noch irgendwo einen anderen Deppen?« Jetzt wird Meier wütend »Ja du Saujud, was glaubst du wer du bist?« Gleichzeitig zückt er ein Messer und greift seinen Kontrahenten wütend an, dabei wird Sternberger am rechten Arm leicht verletzt. Der Kegelbursche Simon schreit vom hinteren Kugelfang entsetzt. »Papa, Papa – bist du verletzt?« Um Schlimmeres zu verhindern, greifen die Kegelbrüder sofort in das Geschehen ein. Die fröhliche Stimmung der Kegelbrüder hat sich nun schlagartig gewandelt. Im Grunde genommen will keiner mehr mit dem 'braunen' Wegmacher etwas zu tun haben, deshalb wird er ab sofort vom Kegeln ausgeschlossen.
14 Tage nach jenem Vorfall trifft sich der Gemeinderat zu seiner turnusmäßigen Sitzung. Heute sollen am Stammtisch des schwarzen Hirschen verschiedene Tagesordnungspunkte, wie die alljährliche Reinigung des Dorfweihers, der zugleich als Löschteich genutzt wird, besprochen werden. Benedikt Meier betritt den Raum, als wäre nichts geschehen, von den anwesenden Gemeinderatsmitgliedern wird er jedoch völlig ignoriert. Alle erwarten nun, dass sich der Wegmacher bei Sternberger entschuldigt. Doch nichts dergleichen. Bürgermeister Euringer eröffnet die Sitzung...
Erscheint lt. Verlag | 28.10.2024 |
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Verlagsort | Berlin |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Romane / Erzählungen |
Schlagworte | Demokratie • Drittes Reich • Faschismus • Nationalsozialismus • Weimarer Republik • Zweiter Weltkrieg |
ISBN-10 | 3-8187-0539-9 / 3818705399 |
ISBN-13 | 978-3-8187-0539-8 / 9783818705398 |
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Größe: 1,1 MB
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