Trialog (eBook)
127 Seiten
epubli (Verlag)
978-3-8187-0600-5 (ISBN)
Schreiberling
Schreiberling
Kapitel 1 An der Bar
Die Bar ist voll. Ich möchte ein Bier bestellen, doch ich komm nicht an den Tresen. Ich bin ungeduldig, ich möchte nun ein Bier. In dritter Reihe stehe ich, meine Backe klebt am Mantel eines Gastes, im Rücken zieht die Kälte der Eingangstüre unter meinem Hemd den Rücken hinauf.
Wie komme ich an mein Bier? Kenne ich jemanden in der ersten Reihe?
Mein Blick scannt die Gäste. Im Normalfall kenne ich immer jemanden, heute nicht. Klar!
Ich versuche es mit allem Charme, Entschuldigung hier, Entschuldigung da, ich höre nur wie die Leute sich nerven, Drängler, wir wollen auch bestellen, steh hinten an du Ego.
Ok, in dem Fall muss ich mich wohl gedulden, irgendwie die Gäste mit Bier ignorieren und warten. Irgendwie warten. Ich könnte in die nächste Kneipe gehen, warum nicht? Hier kenne ich ja eh niemanden. Hier bekomme ich nicht mal ein Bier, was soll´s?
Geduldig stehe ich da, besser gesagt, lehne ich an irgend welchen Kleidungsstücken, welche mein Gesicht belästigen, Gelächter da, Gelächter dort, ich mitten drin, alleine, ohne Gelächter, ohne Bier, genervt.
Plötzlich höre ich meinen Namen, plötzlich durchflutet eine seltsame Wärme meinen Körper, mein Name! Ich kenne jemanden! Wer wird es wohl sein? Ein Freund, ein Feind, ein Irgendwer, der Kellner, der Taxifahrer, mein Chef, Arbeit macht Spass aber bitte nicht jetzt.
Weder noch. Ein entfernter Bekannter in erster Reihe hat meine Not erkannt und mir ein Bier bestellt. Leider einer, auf den ich kein Bock habe, bei dem ich nie weiss, was ich mit ihm sprechen soll.
Immerhin sitzt er auf einem Barhocker, er barhockt! In der ersten Reihe gibt es vier Hocker, alle besetzt, die anderen in der ersten Reihe, und in der zweiten Reihe und in der dritten sowieso, stehen, er hockt. Wahrscheinlich ist er schon im Nachmittag gekommen um seinen Sitzplatz zu verteidigen oder reservieren oder einfach nur, um den ganzen Nachmittag und den halben Abend Wein und Bier zu bestellen und der Barmaid schöne Augen machen. Schöne, trübe Augen, je später der Abend, desto, hmm, ungenierter.
Keiner will mit ihm sprechen, alle Stammgäste haben schon mit ihm gesprochen, alle kennen ihn, grüssen freundlich mit “Hallo Miki” und sind froh, wenn Miki sie nicht in ein Gespräch verwickelt. Miki kann sehr hartnäckig sein, auch wenn du deinen besten Freund triffst, wenn du mit Miki am Tresen stehst, dann stehst du mit Miki am Tresen und keine weitere Person hat Platz.
Ohje und nun muss ich, des Bieres wegen, zu Miki an die Bar, muss ich den Abend mit Miki dastehen und Alkohol konsumieren. Manchmal spendiert Miki einen Grappa, je nach Laune und Alkoholpegel.
Miki ist Gartenarbeiter, genaueres weiss ich nicht, er kommt jeden Tag sein Feierabendbier trinken, sein Feierabendbier dauert meist bis spät in die Nacht. Dann ist Miki müde und betrunken. Dann wankt er nach Hause.
“Hallo Miki, wie schön dich zu treffen, danke fürs Bier!”
“Gerne geschehen, du warst ja sowas von verloren da an der Türe, aber easy, hör mal, ich habe dir was zu erzählen!”
Und so kannst du deinen Abend, welchen du gerne vergnüglich verbringen würdest, abschreiben und Miki zuschreiben. Oder du bist megaunfreundlich und setzt dich ab. In die dritte Reihe zurück, zurück auf Feld 1.
Mein Gehirn wägt ab und nach langem Denkprozess, rund eine tausendstel Sekunde lang, finde ich die Lösung. Ich bleibe bei Miki in der ersten Reihe, die zweite und die dritte hasst mich sowieso schon, da ich mich zu Miki vorkämpfen musste.
Mein Plan, ich stehe so neben Miki, dass das Geschwätz der anderen Gäste so laut ist, dass Miki und ich bemerken, dass ein elegantes Gespräch wohl sinnlos ist!
Miki sieht dies anders! Ich hänge fest! Alarm! Wer kann mich retten?
Niemand!
Ich bin verloren! Ich muss mich meinem Schicksal fügen, und mich von Miki Zutexten lassen. Des Bieres wegen.
Hinter oder neben mir höre ich einem Gespräch zu. Um einiges spannender als der Text von Miki.
“Als ich heute durch die Stadt fuhr, auf dem Weg zur Arbeit, da ist mir was merkwürdiges passiert, das habe ich noch nie erlebt! Komische Sache!”
“Was denn?”
Oh Mann, wie geht die Geschichte wohl weiter? Ich werde es nie wissen, denn Miki erzählte und erzählte, und wurde ungeduldig, als er bemerkte, dass ich ihm nicht die volle Aufmerksamkeit schenkte. Er wollte mir von seinem heutigen Garten erzählen, konnte nicht anders als jedes noch so kleine Detail zu erzählen und bestellt Bier nach Bier. Das ist mir natürlich recht!
“Oh, das kenne ich, so ist das mir zwar noch nie passiert aber ich habe einmal eine Katze angefahren, mit dem Auto, sie war zwar nicht tot, aber ihre Besitzerin schrie wie wenn sie tot wäre. Diese Geschichte kostete mir einige Nachmittage Gespräche mit ihr und 1500.- für die Tierärztin! 1500.-! Schock, sag ich dir!”
“Aber du hast sicher einen guten Job, wenn ich dich so ansehe, teure Schuhe, Hose auch nicht aus dem Supermarkt und von deiner Jacke träume ich schon lange!”
Oh nein, bitte Miki, nicht noch einen Garten, ich kenne mittlerweile jeden Grashalm in der Stadt, auch in der Agglomeration, Miki, ist gut so, du bist der beste Gärtner weit und breit und erst noch der fleissigste!, denke ich mir, und sage nichts. Feigling denke ich noch, dann rumpelt mich jemand an, mein Bier verschüttet, über Miki´s Hose, Hemd. Miki ärgert sich, schnauzt mich an und ruft der Barmaid, er wolle bezahlen.
Miki geht, verärgert, mit nasser Hose. Gut so, denn Miki hatte schon genug getrunken, Miki sollte nun ins Bett gebracht werden.
Und ich kam langsam in Fahrt. Das Bier schmeckte immer besser, noch eines, war mein einziger Gedanke.
Kein Gedanke an Miki, vielleicht ein leichtes Schuldgefühl in der Magengegend. Meine leere Geldbörse hingegen hatte weniger Freude am Abgang von Miki.
“Dann kam ein Bär, frontal auf mich zu, ich schiss fast in die Hose, mein Handy steckte ich schnell in meine Tasche und rannte um mein Leben, der Bär nicht. Der blieb stehen, wie ich dann, in Sicherheit angekommen, bemerkte.”
“Ein Bär? Wo triffst du Bären an, hier im Wald, wohl kaum, oder?”
“Nein, nein, in Amerika war das, da war ich mit meinem besten Freund, im Wald bei den Bären, und wir haben uns beide fast in die Hosen gemacht, als dieser Bär andeutete, dass er nun losrennen würde!”
“Übrigens, ich heisse” abrupt wurde sein Satz von einem Bärengebrüll übertönt, ich konnte ihn nicht mehr hören. Stattdessen sah ich Miki reinkommen, betrunken und aggressiv.
Mikis Hände hatten die Grösse einer Schaufel, zwar nicht die einer Schneeschaufel, aber die einer normalen Bauschaufel. Zwar war Miki´s Körper verbraucht, geschunden von der schweren Handarbeit, aber Kraft hatte er wie ein wildes Tier.
Ein Bär!
Miki der Bär!
Es wurde stiller, nicht ganz still, einige Gäste waren so sehr mit sich selbst oder ihrem Gegenüber beschäftigt, dass sie gar nichts mitbekamen, andere gerieten in Panik und verliessen, ohne zu bezahlen, die Bar.
Miki stand da, um ihn herum war plötzlich viel Platz.
Reihe zwei und drei hat sich aufgelöst. Schnell!
Ich stand am Tresen, völlig schutzlos, und fühlte mich nackt. Miki bemerkte dies sehr schnell und bewegte sich in meine Richtung.
Bitte nicht, bitte, bitte nicht zu mir, ich möchte mich nicht schämen müssen, ich möchte nicht in Verbindung mit ihm gebracht werden! Morgen wird es heissen, dass er mein bester Freund sei und dass wir unsere ganze Freizeit zusammen verbringen würden.
Ich tat so, als ob ich ganz dringend auf die Latrine musste und ging pissen.
Wie gut kann das tun, war ich grad im Gedanken, als Miki ins Klo gewankt kam, den Spiegel fast von der Wand riss und sagte:
“So cool sehe ich dich heute noch, du bist mein liebster Mensch, das musst du wissen, ich mag dich tatsächlich sehr, auch wenn du nur ein kleiner Nichts bist! Hör mal, ich muss dir noch von dem Garten letzter Woche erzählen, du bist der einzige den meine Gärten interessiert, das spüre ich, so wie du zuhörst, bist du ein grosser Fan von mir!”
Dann torkelte er wieder raus. Ich blieb noch ein wenig, seine Bemerkung, dass ich ein grosser Fan von ihm sei, störte mich sehr.
Oh nein, das Gegenteil ist der Fall, mein lieber Schwan, du bist sowas von megaunwichtig für mich, ich finde dich so ein A, da gingen meine Gedanken nicht weiter, sie wurden unterbrochen, es wurde lauter in der Bar, an der Bar.
Miki liess sich nicht beruhigen.
Miki pöbelte alle an.
Frau,
Mann,
Kind, (nicht da, um diese Zeit)
Barmaid,
Barkeeper,
Chef.
Lass Miki in Ruhe, lass ihn seine Sucht befriedigen, lass ihn, Miki ist scheissaggressiv.
Der Bärentanz, bei uns im Quartier ein wiederbelebter uralter Brauch!
Das Bärengeflüster der Herren war verflogen, Bier hatten sie noch.
Miki, der Bär wütete! Was tun? Nicht mein Problem, nicht meine Verantwortung, und eben doch.
Abschiessen, keine Option, geschütztes Lebewesen!
Tot?
Tod?
Nicht mein Ding!
Miki auch nicht mein Bär!
Ich verlasse den Bärentanz, wanke nach Hause und starte in Gedanken in die neue Arbeitswoche. Mir graut es, wenn ich an meinen Arbeitsalltag denke, zu sehr zerrt er an meiner Energie, an meiner Persönlichkeit, an meinem Ich!
Eine Woche später komme ich wieder in meine Lieblingsbar, der Tresen ist leer, dahinter steht freudig winkend die Barmaid, ihre besten Jahre sind wohl schon Jahrzehnte her, dennoch freue ich mich immer, wenn ich sie sehe. Mit ihr kann ich ganze Abende, Nächte verbringen und einfach, vorbehaltlos, ich sein und...
Erscheint lt. Verlag | 28.10.2024 |
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Verlagsort | Berlin |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Romane / Erzählungen |
Schlagworte | Angst • Flucht • Freunde • Humor • Sinn des Lebens • Spannung und Abenteuer • Trialog • Waldnacht |
ISBN-10 | 3-8187-0600-X / 381870600X |
ISBN-13 | 978-3-8187-0600-5 / 9783818706005 |
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Größe: 119 KB
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