Dorian Hunter 162 (eBook)
64 Seiten
Verlagsgruppe Lübbe GmbH & Co. KG
978-3-7517-7251-8 (ISBN)
Alle starrten Abi Flindt an.
»Deine Behauptung, dass ein Verräter in unserer Mitte sei, ist ungeheuerlich«, sagte Hideyoshi Hojo schneidend. »Wer sollte das sein?«
»Wenn ich wüsste, wer der Verräter ist, wäre er schon nicht mehr am Leben«, antwortete Flindt. Er zückte ein Silberkreuz mit eingravierten Zeichen und einem Edelstein in der Mitte. »Wir führen jetzt einen Test durch. Jeder wird das Kreuz anfassen, und dann beträufle ich ihn mit Weihwasser. Das wollen wir doch einmal sehen, ob ich den Verräter nicht entlarve. Dann Gnade ihm Gott!«
2. Kapitel
Vergangenheit, 1629, Matthias Troger
Bei einbrechender Dämmerung an einem eiskalten Februartag erreichte ich das Dorf Schnaittenbach in der Oberpfalz. Ich war lange geritten und sehnte mich nach einem Obdach und Ruhe. Doch schon beim Einreiten in den Flecken, dessen Häuser sich unter dem Rothbühlberg im Hintergrund duckten, erkannte ich, dass es Schwierigkeiten geben könnte. Ich war vor wenigen Monaten bei meinem Truppenteil der Wallensteinschen Armee desertiert, von dem dämonischen Marchese Arras angewiesen und weil ich endlich das Geheimnis meiner Abstammung vollends ergründen wollte.
Doch zwei Seelen wohnten in meiner Brust. Die eine drängte mich nach Schloss Mummelsee im Schwarzwald, die andere hemmte mich. So hatte ich mich herumgetrieben, im Böhmerwald ein paar Abenteuer erlebt, und war jetzt erst endgültig auf dem Weg.
Eigentlich stand mir die Welt offen, doch es war eine Welt, in der gnadenlos der Große Krieg tobte, nun schon über zehn Jahre, und Teufelskulte und die Mächte der Finsternis ein Stelldichein feierten, während jede weltliche und kirchliche Ordnung völlig aus den Fugen zu geraten drohte. Eine Welt, in der Schlachtengetümmel und dämonische Vorzeichen wie unheimliche Kometen, Blutregen die Menschen in Schrecken versetzten. Ich trug einen Brustharnisch und hatte zwei Radschlosspistolen am Sattel und Degen und Flamberg, das gewaltige Schwert, das auch ein kräftiger Mann mit zwei Händen schwingen musste. Die Bewaffnung bis an die Zähne war in den unsicheren Zeiten unbedingt notwendig, gab es doch alle möglichen menschlichen und dämonischen Mordgesellen.
Ich hatte zwei Pferde und war durchaus nicht arm zu nennen. Ich pfiff vor mich hin, während ich in das Dorf ritt, damit mir niemand die Annäherung falsch auslegte und etwa gleich auf mich schoss.
Es war eisig kalt. Bei der Schenke Zum grünen Baum standen sechs Sattelpferde und ein Tragpferd im Freien am Zaun angebunden. Aus der Schenke drang wüstes Grölen. Ich erkannte gleich, dass ich Marodeurbrüder vor mir hatte, Gesindel, das zu den schlimmsten Plagen zählte. Mir blieb aber nur die Wahl, entweder im Wald zu nächtigen, unter freiem Himmel bei eisiger Kälte, oder mich mit den Marodeuren zu vergleichen, wie auch immer.
Ich stieg ab und führte meine Pferde zum Stall, wo ich einen wimmernden Knecht vorfand. Die Marodeure hatten ihn bis aufs Blut geschlagen. Ich gab ihm einen Dukaten und trug ihm auf, für die Pferde zu sorgen.
»Flieht, solange Ihr es noch könnt, Herr«, ermahnte mich der Knecht. »Die Marodeure sind außer Rand und Band. Sie haben gedroht, das ganze Dorf anzustecken, wenn wir ihnen nicht alles geben, was sie nur wollen. Dem Pfarrer haben sie schon den Schwedentrunk eingeflößt und dem Sohn des Dorfschulzen über den Schädel gehauen, dass er wohl daran sterben wird.«
»Soso«, sagte ich, zog schon einmal das Rad der Pistolen auf und schüttete frisches Pulver auf die Pfanne. Ich gürtete mich mit dem Degen. Das restliche Gepäck gab der Knecht hinten ins Heu, wo man es nicht gleich fand. »Ich will mir das einmal ansehen.«
Ich klopfte dem Knecht auf die Schulter und ging zum Haus.
»Ihr habt«, hörte ich eine prahlerische Stimme, als ich schon vor der Tür stand, »das Vergnügen, den Kugelfesten Berthold in Eurem Drecknest begrüßen zu dürfen. Heda, Spielmann, spiel auf, oder soll ich dich mit dem Messer kitzeln? Und nicht so traurig, Potzhunderttausendsakrament! Wer wird sich denn wegen dem Verlust von drei Zähnen, die ich dir ausschlug, so grämen? Sie haben ohnehin nichts mehr getaugt, sei froh, dass du den Bader sparst!«
Ich trat ein und grüßte freundlich. In der Stube sah es wüst aus. Von den sechs Galgenvögeln lag einer bezecht unterm Tisch. Die andern traktierten die Schankdirne und Frau und zwei Töchter des Wirts, dazu noch ein weiteres blutjunges Mädchen. Der Wirt selbst schlotterte hinterm Tresen. Der Spielmann saß mit der Fiedel am Ofen und hatte ein verschwollenes Gesicht. Ich wunderte mich, dass ihre Pferde in der eisigen Kälte standen, und schloss daraus, dass die sechs eigentlich bald hatten aufbrechen wollen. Im Moment hatte es aber nicht den Anschein, und dass die Pferde in der Eiseskälte vielleicht einen bleibenden Schaden davontragen würden, scherte die Marodeure wohl nicht.
»Wer ist das denn?«, fragte der Oberschreihals, der Kugelfeste Berthold, ein rothaariger, stämmiger Wüstling mit zerhauener Nase und einer kreuzförmigen Narbe im Gesicht. Er zog die Pranke aus dem geöffneten Mieder des Mädchens auf seinem Schoß. »Wie heißt du, und was willst du? Gib Parole!«
Auf die Art redete man bei Fremden nur Knechte, Trossbuben und Zigeuner oder Huren an. Ich zog gleich meine Radpistolen und hielt sie den Marodeuren unter die Nase.
»Da habt ihr meine Parole, ihr Kerle. Ich will mich hier einquartieren und suche keinen Streit. Euch rate ich, das genauso zu halten.«
Ein baumlanger Kerl mit einem extrem kleinen Kopf und ein Fettwanst waren neben Berthold die Rädelsführer. Bei den beiden andern handelte es sich mehr um Mitläufer, wie ich erkannte. Der Betrunkene unterm Tisch war ohnehin nicht zu rechnen. Es roch nach Mord und Gewalttat in der Schenke. Meine hellblauen Augen blitzten. Wenn sowieso abgeklärt werden musste, wer hier den Ton angab, dann konnte es auch gleich geschehen.
Der Kugelfeste Berthold lachte.
»Immer mit der Ruhe, Freund. Junge Pferde sind oftmals stürmisch und gehen leicht durch. Ihr braucht nicht gleich aus der Haut zu fahren, nur weil ehrliche Landsknechte, die zurzeit ohne Dienst sind, sich hier ein wenig verlustieren und ich Euch derb anredete. Ihr seid doch kein Spielverderber, oder?«
»Das hängt von dem Spiel ab. Wolltet ihr nicht bald abreiten? Ich sah eure Gäule.«
»Die anderen können das Nonnenkloster auch ohne uns überfallen«, maulte einer der Mitläufer. »Wozu hinaus in die Kälte und den langen Ritt machen? Wir haben auch hier unser Vergnügen und finden Beute.«
»Willst du wohl das ungewaschene Maul halten?«, brüllte ihn Berthold an. Schmeichlerisch wandte er sich an mich. »Wollt Ihr Euch vielleicht zu uns setzen und mit uns eine Kanne Bier auf Euer Wohl trinken, junger Herr?
Das sind meine guten Kameraden, der lange Spund und der dicke Schnappsack, wackere Landsknechte wie ich selbst.«
Berthold nannte auch die Namen der beiden andern. Ich ließ die Pistolen sinken und ahnte, worauf das hinauslaufen sollte. Die Marodeure wollten mich entweder betrunken machen oder aber im Spiel betrügen und mir alles abnehmen. Ich hatte genügend Lehrgeld bezahlt, um auf solche Tricks hereinzufallen. Ich hatte auch wohl gehört, was der Mitläufer wegen des Klosters gesagt hatte.
Obwohl ich nach all dem Blutvergießen um Glaubensfragen nicht mehr viel von Kirchen und Klöstern hielt, überlegte ich mir doch, dass es meine Pflicht sei, die Nonnen des Klosters zu warnen. Banden von Marodeuren hausten oft viehisch. Es war kaum zu glauben, in welche Bestien der Krieg Menschen zu verwandeln vermochte, und ich hatte den Verdacht, dass dabei die Mächte der Finsternis ein teuflisches Spiel trieben.
»Ich mag nicht mit euch trinken«, sagte ich kurz angebunden zu dem Pack und ging zum Tisch in der Ecke.
Berthold blinzelte seinen Kumpanen zu.
»Ihr verweigert uns einen Zutrunk, Ihr Geck? Das ist für redliche Landsknechte eine Beleidigung, die nur mit Blut abgewaschen werden kann.«
Ich sagte über die Schulter: »Nehmt es, wie ihr wollt, und wascht auch, womit ihr wollt. Ihr habt die Wahl. Seid gewarnt.«
Berthold sprang vor, ein langes Messer, das er aus der Scheide am Gürtel gerissen hatte, in der Faust. Der lange Spund und der dicke Schnappsack sprangen auf und warfen den Tisch um. Die Mädchen und die Wirtsfrau flohen kreischend, und dann war Mord und Totschlag im Gang. Nur der Betrunkene unterm Tisch wachte von alldem nicht auf.
Ich wirbelte herum. Bertholds Messerstich glitt an meinem Harnisch ab, und ich schoss mit der einen Radschlosspistole auf den Schnappsack, traf ihn, dass er fiel, stieß Berthold zurück und drückte auf ihn ab. Die vierzig Gramm schwere Kugel traf Berthold und stieß ihn über den Tisch.
Ich duckte mich unter den dröhnenden Pistolenschüssen des Spunds und eines Mitläufers weg und warf ihnen die leergeschossenen Pistolen ins Gesicht, packte die Kerle und schlug sie mit den Köpfen zusammen. Mir blieb keine Zeit, den langen Degen zu ziehen.
Der letzte Marodeur, ein blatternarbiger Kerl, stach mit dem Messer nach mir. Ich wehrte den Stich mit dem geharnischten Arm ab und versetzte dem Kerl mit dem gepanzerten Ellbogen einen derartigen Stoß, dass er taumelte. Der nächste Schlag folgte gleich und warf den Marodeur zurück. Der konnte so schnell nicht mehr kämpfen. Der Spund und sein Genosse hielten sich die Köpfe. Ich hatte ihnen den Schneid abgekauft. Sie waren zwar noch kampffähig, wagten aber nicht, gegen mich anzugehen.
»Der Bursche hat eine Hand aus Eisen!«, rief der Spund.
Eisenhand, dieser Name sollte in absehbarer Zeit an mir haften bleiben und mein Beiname werden. Ich glaubte schon, den Kampf siegreich für mich...
Erscheint lt. Verlag | 9.11.2024 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Horror |
Literatur ► Romane / Erzählungen | |
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ISBN-10 | 3-7517-7251-0 / 3751772510 |
ISBN-13 | 978-3-7517-7251-8 / 9783751772518 |
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