Wildwest-Roman – Unsterbliche Helden 57 (eBook)
64 Seiten
Bastei Lübbe (Verlag)
978-3-7517-7332-4 (ISBN)
Da, wo von Salina die alte Overlandstreet nach Greatbend führt, befindet sich am Nordufer des Cheyennebottom-Sees Mustang City. Jack Farland will hier wegen eines Unwetters nur kurz Station machen. Aber dann soll alles ganz anders kommen. Der Ohioman wird in eine tödliche Fehde zwischen einem skrupellosen Großrancher und einem kleinen Farmer verwickelt. Und plötzlich liegt das Leben des Farmers in Farlands Händen. Natürlich will er helfen, dafür müsste er aber vorgeben, ein ehrenwerter Richter zu sein. Und alles im Ohioman sträubt sich gegen diesen schwerwiegenden Betrug ...
Mustang
City
Von Jonny Kent
Da, wo von Salina die alte Overlandstreet nach Greatbend führt, befindet sich am Nordufer des Cheyennebottom-Sees Mustang City. Noch in den Neunzigerjahren ist die Stadt in den Annalen von Kansas vermerkt. Sie wurde nicht wie so viele der Kistenholzstädte des alten Westens durch einen Brand zerstört, sondern sie fand ein Ende, das kaum weniger grausig war: Anfang des Jahrzehnts brach eine lebensgefährliche Seuche über sie herein, die mehr als die Hälfte ihrer Bürger dahinraffte. Daraufhin flüchteten die restlichen Bewohner und ließen die Stadt leer stehen. Aber die alten Häuser hielten mit enormer Zähigkeit allen Witterungseinflüssen stand ...
Noch ein ganzes Menschenalter später konnte man am Seeufer, die Ruinen der inzwischen verlassenen Stadt sehen.
Zu der Zeit aber, zu der unsere Geschichte spielt, und das war dreiundzwanzig Jahre vorher, war Mustang City eine schöne, aufstrebende Stadt.
Der Regen rann schon seit Tagen aus schwarzgrauen Wolken aufs Land nieder. Von den Vorbaudächern goss es wie aus Eimern, und vor den Gehsteigen hatten sich fingertiefe Regenrillen in den harten Sand der Straße gefressen.
Man hätte meinen können, dass der Regen sämtliches Leben in Mustang City ausgelöscht hatte.
Aber das war ein Irrtum: Niemals hatte das Herz der Stadt stärker geschlagen als an diesem Tag. Drüben im Jail von Sheriff Henderson saß der Farmer Lee Hunter; er sollte bei Sonnenuntergang sterben.
Basil Rakoff, der Inhaber des City Hotels, das dem Sheriff's Office und dem Jail gleich gegenüberlag, stand hinter den dünnen Gardinen seiner Hotelhalle und blickte auf die Straße hinaus. Der dichte Regen verhinderte aber einen klaren Blick nach draußen.
»Bei Sonnenuntergang«, murmelte der grauhaarige Wirt vor sich hin.
Der Mann drüben an der Bartheke, der damit beschäftigt gewesen war, Gläser zu spülen, hielt in der Arbeit inne, hob den Kopf und meinte: »Wenn man es richtig nehmen wollte, Boss, müsste Holyoke warten, bis die Sonne wirklich untergeht. Heute wird er es kaum erleben.«
»Ja«, entgegnete Rakoff, wandte sich um und kam auf die Bar zu. Dann ließ er sich einen Whisky geben, kippte ihn die Kehle hinunter und schnarrte: »Nehmen Sie sich auch einen, Jim. Das ist ja ein ganz fürchterliches Wetter heute. Keinen Hund möchte man vor die Tür jagen. Und da will er Hunter hängen lassen.«
Der gefürchtetste Mann im ganzen County war der große Viehrancher But Holyoke. Er hatte mit seinen Brüdern Alec und Sid fünf Meilen nordöstlich der Stadt eine große Viehranch, auf der ein Dutzend Cowboys arbeiteten.
Viele Tausend Rinder, die an den Hängen der Gloves weideten, waren sein Eigen, ebenso das Land, das bis an die Stadt grenzte.
Obgleich Holyoke erst sechsunddreißig war, schien es den Bürgern von Mustang City doch so, als hätte es ihn schon seit einem halben Jahrhundert gegeben. Es war nicht Respekt, den die Bürger vor ihm empfanden, sondern echte Furcht.
Der reiche Viehzüchter tyrannisierte jeden, mit dem er in Berührung kam. Auch Leute, mit denen er nicht direkt zu tun hatte. Und wenn er etwas hasste, dann waren es die Small-Rancher, die sogenannten Farmer, die in die Nähe des Weidelandes kamen und da zu siedeln versuchten.
Es scherte Holyoke einen Dreck, ob sie das Land nach dem Heimstättengesetz rechtmäßig erworben hatten, ihre guten Dollars dafür gaben, Steuern zahlten und die gleiche Existenzberechtigung besaßen wie er selbst.
Er duldete einfach niemanden neben sich, wähnte, dass ein breiter Gürtel von Land zwischen seiner Weide und der nächsten Ranch liegen müsste. Ein Stück Niemandsland gewissermaßen. Ein Traum, den nur ein rigoroser Fantast hegen konnte.
Der Farmer Lee Hunter war vor Jahresfrist mit seiner Frau und seinen beiden Söhnen Dave und Cass nach Mustang City gekommen und hatte sich am Westrand der Holyoke-Weide angesiedelt.
Er hatte das Land durch das Heimstättengesetz erworben und war glücklich, dass er nach jahrelangem Suchen endlich eigenen Boden bekommen hatte. Er und seine beiden Söhne hatten bisher als Cowboys auf großen Viehranches gearbeitet und jeden Cent gespart; als sie nach Mustang City kamen, glaubten sie, endlich aufatmen zu können.
Aber sie hatten nicht mit Holyoke gerechnet. Der rücksichtslose Rancher machte Hunter schon am ersten Tag, als der sein Haus auf dem neuen Land absteckte, persönlich einen Besuch, dachte dabei aber nicht einmal daran, aus dem Sattel zu steigen, sondern herrschte den Eindringling, wie er ihn bei sich nannte, grob an: »Lassen Sie sich gar nicht erst hier nieder, Hunter. Daraus wird nichts!«
Hunter hatte sich um diese und um weitere Drohungen nicht geschert, sondern hatte sein Haus und seine Stallungen aufgebaut, und nachdem er sah, worauf es hier hinauslief, auch einen Weidezaun gezogen.
Wenige Tage nach Fertigstellung des kleinen Farmhauses und der Anbauten bekam Hunter den Besuch des Sheriffs. Der erklärte ihm, dass er wegen Landfriedensbruchs angezeigt worden wäre.
Als den aus England stammenden Farmer auch diese Nachricht nicht beeindruckte, griff Holyoke zu krasseren Mitteln. Er schickte an einem Vormittag, an dem die beiden Söhne des Farmers nicht auf dem Hof waren, Sheriff Henderson und dessen Vertreter, den alten Jim Flegger, zu Hunter, um ihn festnehmen zu lassen. Damit der Farmer keinen Versuch unternehmen konnte, sich zur Wehr zu setzen, hatte Holyoke seinen Bruder Alec und sieben Cowboys mitgeschickt.
Die Festnahme des Farmers schlug in der Stadt wie ein Blitzschlag ein. Zwar wagte niemand, etwas laut zu sagen, aber die Panik der Bürger war deutlich zu spüren. Zumal But Holyoke auf einem großen Schild hatte bekannt machen lassen, dass der Gefangene von ihm des Landraubes, des Viehdiebstahls und der Verschmutzung einer der wenigen Wasserstellen bezichtigt würde. – Holyoke hatte den Bürgern von Mustang City erklärt, dass der Small-Rancher Hunter mit dem Sinken der Sonne hängen würde.
Doch Henry Carter, ein grauhaariger Riese, den Basil Rakoff vor einem Jahrzehnt hatte bewegen können, sich in der Stadt niederzulassen, da Mustang City einen Arzt brauchte, war, nachdem er von der Bekanntgabe gehört hatte, auf den Bock seines kleinen zweirädrigen Wagens gestiegen und hinaus zur Ranch gefahren.
Die Holyoke-Ranch war eine gewaltige Viehfarm. Ein Hof, der wie ein riesiger Marktplatz wirkte, der gesäumt war von einem Dutzend großer Bauten und umschlossen von einer starken Palisade, die ihn gegen die Außenwelt abschirmte.
Das Ranchtor stand offen, und der blonde Cowboy, der Wache hatte, tippte grüßend an den Hutrand, als er den Arzt erkannte.
Carter lenkte seinen Wagen vor den winzigen Vorgarten, der von einem grünen Zaun umgeben war und zu dem zweigeschossigen Ranchhaus gehörte. Er nahm das Bleigewicht, hängte es an den Zügel und konnte sich sicher sein, dass sich der Gaul nicht von der Stelle bewegen würde. Dann bückte er sich nach der Gartenpforte, öffnete sie und schritt über den kleinen, mit weißem Kies bestreuten Weg auf die Veranda des Ranchhauses zu.
Ein junger Mensch mit blassem Gesicht, harten Wangenknochen und schiefergrauen Augen trat in diesem Augenblick aus der Haustür und blieb bei seinem Anblick stehen. Er rollte die Spitzen seiner weißen Stiefel nach innen, wippte auf den Zehen und meinte mit krächzender Stimme: »Ah, sieh da, der Knochenflicker ist gekommen. Was wollen Sie denn, Doc? Ist etwa jemand krank bei uns? Ich will nicht hoffen, dass sich einer der Kuhtreiber einfallen lässt, eigens den Knochenflicker kommen zu lassen.«
»Ich möchte mit Ihrem Bruder sprechen, Sid«, erklärte der Arzt.
»Augenblick, so geht das nicht. But hat jetzt keine Bauernsprechstunde«, entgegnete der Bursche frech.
Der Arzt, der ihn um halbe Haupteslänge überragte, ging vorwärts, schob ihn mit seiner prankenartigen Rechten zur Seite, stieß die Tür auf und betrat die Halle.
Sid, der ihm gefolgt war, bellte mit kreischender Stimme: »But!«
Im Hintergrund der Halle flog eine Doppeltür auf. In ihrem Rahmen stand ein langer, sehniger Mensch, dessen Gesicht die Merkmale von Sid Holyokes Gesicht noch stärker trug: blasse Haut, stark ausgeprägte Wangenknochen und tief in den Höhlen liegende graue Augen. Sein Haar wirkte wie gerupft, war aschblond, und sein ganzer Schädel erinnerte an einen Raubvogelkopf.
Er trug eng anliegende Levishosen, die in den hohen Schäften seiner Texasstiefel ausliefen. Um die Hüften hatte er einen breiten Doppelgurt mit zwei Revolvern; sein Hemd war weiß und seine Weste aus braunem Leder.
»Carter?«, schnarrte er mit einer heiseren Stimme. »Was wollen Sie denn?«
»Ich muss einen Moment mit Ihnen sprechen, Holyoke.«
»Ich habe aber jetzt keine Zeit.«
»Dann werden Sie sich eben Zeit nehmen.« Sid, der sich an dem Arzt hatte vorbeidrängen wollen, krächzte: »He, der nimmt sich aber eine Menge ›raus, But. Das sollten wir uns nicht gefallen lassen. Wie kommen wir denn dazu, uns von einem Knochenflicker ...«
»Halt's Maul!«, herrschte But...
Erscheint lt. Verlag | 16.11.2024 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror |
Literatur ► Romane / Erzählungen | |
Schlagworte | Bill • Caddo Hunter • Hal Warner • Italowestern • Jack Farland • Jack Morton • King-Miller-Rebellen • Old Jed & Jivaro • Revolverheld • Schlitzohr-Halunken • Teufelskerle • Tex Hondo • Western-Hit • Wilder Westen |
ISBN-10 | 3-7517-7332-0 / 3751773320 |
ISBN-13 | 978-3-7517-7332-4 / 9783751773324 |
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