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Das Haus Zamis 108 (eBook)

Teufelstaufe

(Autor)

eBook Download: EPUB
2024 | 1. Aufl. 2024
64 Seiten
Bastei Lübbe (Verlag)
978-3-7517-7293-8 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Das Haus Zamis 108 - Logan Dee
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Zwei als groteske Clowns verkleidete Freaks stolperten in das Rund. Sie stritten sich darum, wer mir die Peitsche reichen durfte. Dabei liefen ihre Finger in lange, scharfe Klingen aus, und sie brachten sich zur Gaudi des Publikums gegenseitig schreckliche Wunden bei, während sie miteinander balgten.
Einer ging aus dem als fröhliche Clownsnummer getarnten Gemetzel schließlich als vermeintlicher Sieger hervor. Mit letzter Kraft kroch er auf mich zu. Er hatte eine klaffende Halswunde davongetragen und würde nur noch Sekunden leben. Mit einem dankbaren Lächeln auf den Lippen reichte er mir die Peitsche, sackte zusammen und verendete.
Ich ahnte, dass die Hauptrolle im nächsten Auftritt mir vorbehalten sein würde ...

2. Kapitel


Ich hatte es geahnt. Und mehr noch als die Wahrheit verletzte mich das Mitleid, das aus Gundulas Worten sprach. Ich hasste es, bemitleidet zu werden.

Aber mich erwartete noch ein weiterer Faustschlag in die Magengrube. Als ich aufstand und verkündete, genug von Gundula zu haben und in meinen Wohnwagen zurückgehen zu wollen, sagte sie: »Du hast keinen eigenen Wagen mehr, Coco. Chacal wohnt jetzt darin.«

»Und wo soll ich schlafen?«, fragte ich empört.

»Heute Nacht stelle ich dir mein Bett zur Verfügung«, sagte Gundula. »Sobald du vollends genesen bist, wirst du auf dem Boden schlafen.«

Das musste ich erst mal verdauen. Von der Prinzessin war ich jäh zum Aschenputtel geworden.

Aber ich fügte mich. Eine andere Wahl hatte ich eh nicht.

Abends waren wir auf Menschenfang, indem wir für die Menschenkinder und Erwachsenen Vorstellungen gaben. Nachts gehörte die Manege unserem dämonischen Publikum.

Was mich betraf, so war meine Niederlage sogar noch viel vollkommener, als Gundula sie mir bei meinem Erwachen nahegebracht hatte. Mein Wohnwagen wurde von Chacal bezogen. Ich musste also bei Gundula bleiben und froh sein, dass ich nicht bei den Freaks im Stroh übernachten musste. Gundula mochte mich, aber dennoch ließ sie mich nicht umsonst bei sich wohnen. Sie degradierte mich mehr oder weniger zu ihrer Dienerin.

Chacals und meine Wege kreuzten sich mindestens einmal täglich. Das ließ sich in einem Zirkus nun mal nicht vermeiden. Zum Glück zog er sich fast den ganzen Tag in seinen Wohnwagen zurück. Meistens sah ich ihn erst abends in der Manege. Stumm gingen wir aneinander vorbei. Aber während er mich noch nicht einmal beachtete, waren meine Blicke voller Hass. Ich schwor, ihn für die Niederlage büßen zu lassen, und ich wusste, dass meine Stunde kommen würde.

Aber noch war es leider nicht so weit, obwohl ich Dragomir anflehte, mir eine Revanche zu verschaffen. Aber er lehnte es ab. »Willst du wirklich so bald sterben, kleine Coco?«

Ich hatte um eine Audienz gebeten, und nun saß ich da in seinem Wohnwagen und musste mich auch noch demütigen lassen. Dragomir war schon immer der Direktor gewesen. Der Zirkus war nach ihm benannt. Er war ein brillanter Hexer, obwohl man es ihm nicht ansah. Auf den ersten Blick hielt man ihn eher für einen Preisboxer oder Ringer. Sein kahler Schädel thronte auf breiten Schultern. Die Oberarmmuskeln drohten den Anzug zu sprengen. Dabei war er fast breiter als hoch.

»Du bist nur noch am Leben, weil ich die Vorstellung unterbrochen habe. Chacal ist dir überlegen, das musst auch du endlich akzeptieren. Und er ist mein bestes Pferd im Stall. Die Leute sind jedes Mal aus dem Häuschen, wenn er seine Gegner zerfetzt. Und jetzt troll dich. Die Vorstellung beginnt in einer Viertelstunde!«

Ich sah in seine Schweinsäuglein und spielte kurz mit dem Gedanken, ihm meinen Willen aufzuzwingen. Aber davor bewahrte mich mein gesunder Dämonenverstand. Allein für den Versuch hätte mich Dragomir wahrscheinlich getötet.

Also stand ich auf, und als ich seinen Wagen verlassen hatte und wieder draußen an der frischen Luft stand, war meine Wut eher noch gestiegen als verraucht.

Plötzlich legte sich eine Hand von hinten auf meine Schulter. Ich fuhr herum und erblickte Botosani.

»Was willst du?«, fuhr ich ihn an und fegte seine Hand beiseite.

»Ich habe euch belauscht«, gab er zu. »Du hast ganz schön schlechte Karten.«

»Na und? Was geht das dich an?«

»Dragomir hat recht. Allein wirst du Chacal niemals bezwingen. Aber ich kann dir helfen!«

»Du?«, höhnte ich. »Du kannst vielleicht Violine spielen, aber sonst? Oder willst du ihn mit deinem Klumpfuß in den Hintern treten?«

Botosanis sonst so bleiches Gesicht lief blutrot an. »Du solltest mein Angebot nicht ablehnen, Coco. Aber ich sehe ein, dass es vielleicht etwas zu plötzlich kommt. Beim nächsten Mal werde ich jedoch etwas dafür verlangen, dir zu helfen.«

»Ich brauche keine Hilfe!«, zischte ich und ließ ihn einfach stehen.

Ich marschierte zum Zelt. Umgezogen hatte ich mich schon vorher. Für die Nachmittagsvorstellung war ich in mein Rotkäppchen-Kostüm geschlüpft und verteilte Süßigkeiten an die Kinder. Die Süßigkeiten waren magisch präpariert und bescherten ihnen die fürchterlichsten Albträume. Wir hatten ein paar Traumgeister in unseren Reihen, die den Kindern in ihre Träume folgten und sich an deren Schrecken labten.

Nachher gab es noch eine Nummer, bei der ich in der Manege das Rotkäppchen spielen musste. Den bösen Wolf spielte einer unserer Werwölfe, Ludger. Die Kinder hielten jedes Mal den Atem an, wenn er die Manege betrat. Wenn er sich aufrichtete, war er über zwei Meter groß. Manche Kinder weinten vor Angst. Wenn sie gewusst hätten, dass Ludger kein Kostüm trug, wären sie alle schreiend rausgelaufen. Nicht nur die Kinder, sondern auch deren Eltern. Für die Nachtvorstellung vor unserem dämonischen Publikum musste ich erneut das Rotkäppchen spielen. Doch diesmal war alles blutrünstiger. Manchmal, wenn wir ein menschliches Opfer gefunden hatten, zerriss Ludger es vor der tobenden Menge. Ansonsten musste ich als Opfer herhalten. Natürlich war es in meinem Falle ein Trick. Im selben Moment, da mich Ludger anfiel, verfiel ich in den schnelleren Zeitablauf.

Diese spezielle Fähigkeit beherrschte kaum ein anderer Dämon, und daher glaubten sie alle, Ludger würde mich tatsächlich zerfetzen. Stattdessen nutzte ich die Zeit, in der sie alle wie versteinert dasaßen und meine Bewegungen niemand mehr verfolgen konnte, um eine magische hergestellte Kopie von mir an meine Stelle zu setzen. Wenn ich den schnelleren Zeitablauf wieder aufhob, war ich längst verschwunden und Ludger riss meiner Doppelgängerin die Gedärme aus dem Bauch. Für die Zuschauer war keine Sekunde vergangen.

Ich hasste meine Rolle in dieser Nummer. Erstens war ich das Opfer, und als solches stand ich in der Hierarchie der Zirkusleute noch weiter unten, auch wenn es nur gespielt war. Zweitens zehrte der schnellere Zeitablauf an meinen Kräften. Ihn fast jeden Abend aufs Neue anwenden zu müssen, war anstrengender, als ich gedacht hatte. Ich lernte meine Grenzen kennen. Und drittens erinnerte mich der schnellere Zeitablauf an die größte Niederlage meines noch jungen Lebens: an den Kampf mit Chacal. Das Wesen, das aus seinem Leib geschlüpft war, war gegen den schnelleren Zeitablauf gefeit gewesen. Aber wieso? Wie hatte dieser Schemen das geschafft? Und auf welche Weise war Chacal selbst mit ihm verbunden?

Die Nachmittagsvorstellung lief ab wie immer, doch bereits am Abend bekam ich Kopfschmerzen. Ich fühlte mich schwach und ausgelaugt. Vielleicht hatte das fruchtlose Gespräch mit Dragomir dazu beigetragen. Aber in erster Linie lag es wohl daran, dass ich mich in den Nächten zuvor schon schlecht gefühlt hatte. Schon seit einer Woche war es mir immer schwerer gefallen, mich in den schnelleren Zeitablauf zu versetzen. Vor unserem Auftritt bat ich Ludger, sich etwas anderes auszudenken und auf mich zu verzichten, aber er drohte damit, mich für alle Zeiten aus der Nummer zu werfen. Das hätte meinen weiteren Abstieg bedeutet. Also versuchte ich mich zusammenzureißen und schleppte mich mehr oder weniger lustlos durch den Abend. Wie immer spielte ich das Rotkäppchen, das vor dem bösen Werwolf flüchtete. Ich war so kraftlos, dass ich stolperte und das Sägemehl der Manege schmeckte. Zum Missfallen des Publikums zögerte Ludger, mich anzufallen. Zu diesem Zeitpunkt war das auch gar nicht vorgesehen.

»Steh auf und reiß dich zusammen!«, zischte Ludger wütend.

Ich rappelte mich auf und versuchte, meine Rolle so gut es ging, weiterzuspielen. Aber die Zuschauer blieben verärgert. Sie pfiffen und verlangten endlich Blut zu sehen.

Als ich das zweite Mal entkräftet hinfiel, drohte mir Ludger: »Was ist denn nur los mit dir, Mädchen? Wenn du noch einmal vorzeitig schlappmachst, tut es mir leid um dich ...«

Da drang die Melodie an meine Ohren. Für einen Moment schien die Zeit genauso stillzustehen, als hätte ich mich in den schnelleren Zeitablauf versetzt. Aber es war nur die magische Faszination, die von der Musik ausging und auch Ludger innehalten ließ. Selbst das Pfeifkonzert des Publikums verstummte.

Ich sah hoch zum Orchester und erkannte Botosani. Er hatte die Augen geschlossen, sein Gesicht hatte einen fast verzückten Ausdruck, aber die Schweißperlen auf seiner Stirn verrieten, wie sehr es ihn anstrengte, diese besonderen Töne seiner Violine zu entlocken.

Ich ahnte sofort, dass sein Spiel allein mir galt. So wie er mir damit vor einigen Wochen noch eine wohlige Gänsehaut beschert hatte, so verlieh er mir diesmal Kraft. Doch noch während ich mich wieder erhob, spürte ich, dass es nicht meine eigene Stärke war, die da in meinen Adern sprudelte. Es war, als sei jemand in meinen Körper geschlüpft. Ich hing wie an unsichtbaren Marionettenfäden und wurde entsprechend dirigiert. Es war die Musik, die das bewirkte. Und Botosani war ihr Erzeuger.

Das Gefühl war nicht unangenehm, und in meiner momentanen Lage hatte ich eh keine Wahl. Ich sprang auf und lief...

Erscheint lt. Verlag 30.11.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Horror
Literatur Romane / Erzählungen
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ISBN-10 3-7517-7293-6 / 3751772936
ISBN-13 978-3-7517-7293-8 / 9783751772938
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