Lassiter 2729 (eBook)
64 Seiten
Bastei Lübbe (Verlag)
978-3-7517-6954-9 (ISBN)
Olivia McNabbs spähte immer zum Haupthaus, als sie ihr Pferd durch den Torbogen auf die Rock-Fall-Ranch lenkte. Aber nirgendwo brannte Licht, und keiner der Bewohner war am Fenster zu sehen. Das Grundstück wirkte verlassen. Über ihr ballten sich beängstigend dunkle Wolken. In der Ferne sah der Himmel aus wie schwarze Dachpappe. Der Wind hatte merklich aufgefrischt.
Olivia zog das Kinnband ihres Cowboyhuts straffer. Sie fragte sich, ob es wirklich eine gute Idee gewesen war, so spät und bei so einem Wetter ihre Freundin Becky Panman zu besuchen. Wie auch immer, jetzt war sie da, aber wo waren die Bewohner?
Olivia saß ab, leinte das Pferd an einen Pfosten und ging zur Tür. Als sie über die Schwelle trat, erlitt sie den Schock ihres Lebens...
Totentanz
in Mesa Verde
von Tom Hogan
Olivia McNabbs spähte immer wieder zu den Fenstern des Haupthauses, als sie ihr Pferd durch den Torbogen auf die Rock-Fall-Ranch lenkte. Aber keiner der Bewohner war am Fenster zu erblicken. Nirgendwo brannte Licht. Das Grundstück wirkte verlassen. Über ihr ballten sich beängstigend dunkle Wolken. In der Ferne sah der Himmel aus wie schwarze Dachpappe. Der Wind hatte merklich aufgefrischt. Olivia zog das Kinnband ihres Cowboyhutes straffer.
Sie fragte sich, ob es wirklich eine gute Idee war, so spät und bei so einem Mistwetter ihre Freundin Becky Panman zu besuchen. Wie auch immer, jetzt war sie da, aber wo waren die Bewohner? Hockten sie ohne Licht im dunklen Haus? Seltsam. Olivia saß ab, leinte das Pferd an einen Pfosten und ging zur Tür. Als sie über die Schwelle trat, bekam sie den Schock ihres Lebens.
Der erste Tote lag nur drei Schritte hinter der Tür.
»O mein Gott!« Olivia war vor Schreck wie gelähmt.
Dicht hinter der Leiche der zweite entseelte Körper. Es waren Beckys Vater und einer der Ranchhelfer, den Olivia vom Sehen kannte. Beide lagen auf dem Rücken, in der Hemdbrust die Einschusslöcher einer großkalibrigen Waffe. Dass kein Leben mehr in den Männern war, sah Olivia auf den ersten Blick.
Der grausige Anblick trieb ihr die Tränen in die Augen. Ein jäher Schwindel überkam sie. Halt suchend stützte sie sich an dem Gobelin, der rechts unter der Garderobe hing.
Der Geruch von Blut stieg ihr in die Nase. Ihr Herz wummerte, als wolle es in tausend Stücke zerspringen.
Nur nicht umkippen!, dachte sie, während sie gegen die Ohnmacht ankämpfte. Es sind nicht die ersten Toten, die du gesehen hast, Liv!
Für einige Zeit konnte sie keinen klaren Gedanken fassen. Zu tief saß ihr der Schock in den Knochen.
Olivia zwang sich zur Ruhe. Ein paar Sekunden kniff sie die Augen zu. Bemüht, ganz ruhig und tief zu atmen, versuchte sie, ihr aufgewühltes Gemüt wieder unter Kontrolle zu bringen.
Jetzt!
Sie riss die Augen auf und ließ stoßweise die angehaltene Luft aus ihren Lungen.
Dann gab sie sich einen Ruck. Sie berührte die Leiche des Ranchhelfers am Hals.
Sie war noch warm.
Vorsichtig einen Fuß vor den anderen setzend, passierte sie Beckys toten Vater und die des Rancharbeiters. Ihr fiel ein, dass der Mann Smoky gerufen wurde, weil er beim Pfeiferauchen so kunstvolle Rauchringe blasen konnte.
Wo war ihre Freundin?
»Becky?« Olivia erschrak über den Klang ihrer verängstigten Stimme.
Sie räusperte sich und rief den Namen ihrer Freundin noch ein zweites Mal, diesmal aber mit viel kräftigerer Stimme.
Im Haus kein Laut.
Die Stille des Todes.
Bei dem Gedanken, dass sie Becky auch tot finden würde, kroch Olivia eine Gänsehaut über den Rücken. Sie zitterte am ganzen Leib.
»Nein, bitte nicht«, murmelte sie und ballte die Hände zu Fäusten. »Lieber Gott, bitte nicht Becky...«
Sie kam an die Tür, die zur Wohnstube führte. Es dauerte eine Weile, bis sie den Mut hatte, die Tür zu öffnen.
Was zum Kuckuck war hier eigentlich passiert? Dem Anschein nach ein Überfall auf die Rock-Fall-Ranch. Aber was gab es hier schon zu erbeuten? Olivia wusste, dass die bescheidenen Ersparnisse der Panmans in den Tresoren einer Bank in Durango deponiert waren. Das Wohnhaus der Ranch barg keine besonderen Reichtümer. Beckys Mutter trug weder extravagante Kleidung, noch behängte sie sich mit kostspieligen Klunkern. Dazu fehlte es den Panmans an Geld. Und Beckys Vater investierte seine Dollars lieber in den landwirtschaftlichen Betrieb, den er vor einigen Jahren aus dem Boden gestampft hatte. Die Miner im San Juan-Bergarbeiterdistrikt und die Bürger vom La Plata County waren dankbare Abnehmer seiner Produkte.
Bevor Olivia die Verbindungstür aufschob, warf sie einen Blick in den Flurspiegel.
Sie erblickte eine junge Frau von knapp zwanzig Jahren: mittelblondes Haar, zum Pferdeschwanz gebunden. Schreckhaft geweitete grüne Augen. Rot-weiß gestreifter Flanell-Blouson mit kakaobrauner Lederweste. Der speckige Filzhut mit der Adlerfeder an der Krone saß etwas schief, und sie rückte ihn schnell zurecht.
Dann drückte sie die Klinke hinunter.
Die Angeln knarrten leise, als die Tür aufging.
Sie ließ die Blicke durch die Stube schweifen. Massive Möbel aus Eichenholz, eine Truhe mit kunstvollen Intarsien und Eisenbeschlägen. Ein Vertiko mit Aufsatz, auf dem gerahmte Fotografien der Familienmitglieder standen. Neben dem aus gebrannten Ziegeln gemauerten Kamin gestapelte Holzscheite in einem käfigähnlichen Gebilde aus geflochtenem Draht. Eine lange Chaiselongue, zwei Schaukelstühle und ein Sessel im Chippendale-Stil, dazu ein Esstisch mit einem halben Dutzend Stühlen. An den Wänden ein farbenprächtiges Aquarell von dem Mesa-Verde-Bergmassiv und einem Personenzug der Denver and Rio Grande Western Railroad.
Von einem Menschen keine Spur.
Olivia atmete auf.
Sie wandte sich nach rechts, zum Durchgang, der in die Küche führte. Darin hatte sie mit Becky oft gesessen, Limonade getrunken, Karten gespielt und über die ansehnlichsten Burschen aus der Gegend geplaudert.
Die Tür war nur angelehnt, und als Olivia ihr einen Schubs gab, schwang sie auf, ohne ein Geräusch zu verursachen.
Niemand da.
»Becky?« Olivias Stimme hatte noch immer einen zittrigen Beiklang. »Becky?«
Keine Antwort.
Am Spülstein blieb Olivia stehen. In dem Becken war noch Wasser, darin einige Tassen und Teller. Zwei abgewaschene Töpfe standen mit der Öffnung nach unten auf dem Abtropfblech.
Olivia bewegte sich auf die Tür zu, die zum rückwärtigen Teil des Anwesens hinausging, auf den Stallhof und den Gemüsegarten, den Beckys Mutter vorbildlich in Schuss hatte.
Als Olivia vor das Haus trat, hörte sie in dem Scheunengebäude ein Pferd wiehern. Sie blieb stehen und lauschte angestrengt.
Auf einmal hatte das Gefühl, nicht mehr allein zu sein. Instinktiv griff sie nach ihrem Holster, in dem ein kurzläufiger Pocket-Colt steckte. Bevor sie zur Rock-Fall-Ranch aufgebrochen war, hatte sie die Trommel der handlichen Schusswaffe mit sechs Patronen bestückt. Ihr Vater hatte ihr eingeschärft, einen Ausritt nie ohne Waffe zu unternehmen. Seitdem Durango an die Eisenbahnlinie angeschlossen war, strömten nicht nur redliche Menschen nach Colorado.
Inzwischen war es ziemlich dunkel geworden.
Das Pferd im Stall wieherte nochmals.
Und im nächsten Augenblick hörte Olivia aus dem Stall die rauhalsige Stimme eines Menschen.
Ein Mann stieß einen Fluch aus.
✰
Olivia traf die Erkenntnis wie ein Schlag. Die Banditen, die Mr. Panman und Smoky erschossen hatten, lungerten noch auf der Ranch herum!
Aber wo waren Mrs. Panman, Becky und ihr Bruder Sam?
Den Revolver im Hüftanschlag, wich Olivia rückwärts zur Tür zurück. Sie kam mit dem rechten Hacken gegen eine Stufe und strauchelte. Aber sofort hatte sie sich wieder in der Gewalt.
»Holt sie euch!«, rief eine Stimme.
Olivia zögerte keine Sekunde. Jetzt wurde es brenzlig. So schnell sie konnte, rannte sie um das Haus.
Mach, dass du wegkommst, Liv. Ehe es zu spät ist!
Als sie um die Ecke kam, sah sie eine dunkle Gestalt hinter ihrem Pferd auftauchen. Ein finster dreinschauender Kerl, der ein Gewehr in den Händen hielt. Bei ihrem Anblick brachte er die Flinte in Anschlag.
Verdammt! Olivia bog ab und lief zur Remise, in der der Conestoga-Wagen und der kleine Einspänner der Panmans abgestellt waren.
Hinter ihr krachte ein Schuss, der ihr galt.
Dicht über ihrer Hutkrone schwirrte eine Kugel durch die Luft, die mit einem hässlichen Geräusch in einen Pfeiler des Wagenschuppens einschlug.
Sie ging hinter der aufgestellten Deichsel des Einspänners in Deckung.
Trampelnde Schritte wurden laut.
»Sie ist in der Remise!« Die Stimme des Mannes, der im Stall geflucht hatte.
Olivia brachte den Pocket-Colt hoch, zielte kurz und gab einen Schuss ab.
Der Mann mit dem Gewehr brüllte auf.
Treffer! Jetzt nur kühles Blut, Liv!, spornte sie sich an. Du bist eine gute Schützin. Sollen die Mistkerle nur kommen.
Doch die Eindringlinge zeigten sich nicht. Vermutlich hatte sie das Wehgeschrei ihres angeschossenen Kumpans verunsichert.
Feiglinge! Olivia warf einen Blick über die Deichsel hinweg. Der Mann, den sie getroffen hatte, war auf die Freitreppe an der Vordertür gesunken.
»Das Miststück hat ein Loch in mich geschossen«, jammerte er. »Kelly, Jason, ihr müsst mir helfen. Ich laufe aus wie eine gottverdammte Badewanne!«
Doch Kelly und Jason ließen sich nicht blicken.
Denkbar, dass die Halunken sie in die Zange nehmen wollten. Im Watschelgang bewegte sich Olivia aus der Remise hinaus, in Richtung Holzmiete. Zum Glück wurde es immer dunkler. Auf der Rock-Fall-Ranch gab es eine Menge Nebengelass, das man als Deckung nehmen konnte. Leider war der Weg zu ihrem Pferd versperrt. Der Rotbraune stand am Pfosten der Vordertür, und von dem...
Erscheint lt. Verlag | 2.11.2024 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror |
Literatur ► Romane / Erzählungen | |
Schlagworte | 2017 • 2018 • Abenteuer-Roman • Abenteurer • alfred-bekker • Bestseller • bud-spencer • buffalo-bill • Cassidy • Chaco • clint-eastwood • Country • Cowboy • Deutsch • e Book • eBook • E-Book • e books • eBooks • erotisch • Erwachsene • erwachsene Romantik • Exklusiv • für • g-f • GF • g f barner • g f unger • Indianer • jack-slade • Karl May • kelter-verlag • Kindle • Klassiker • Krimi • Laredo • larry-lash • lucky-luke • Männer • martin-wachter • Nackt • pete-hackett • peter-dubina • Reihe • Ringo • Roman-Heft • Serie • Sexy • sonder-edition • Unger • Western • Western-Erotik • Western-roman • Wilder Westen • Wilder-Westen • Winnetou • Wyatt Earp • Wyatt-Earp |
ISBN-10 | 3-7517-6954-4 / 3751769544 |
ISBN-13 | 978-3-7517-6954-9 / 9783751769549 |
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