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Vergiftete Sonne (eBook)

Ein DDR/BRD-Giftgasthriller von Stefan Piasecki, spielend zur Zeit des Golfkriegs 1980-1988. Nach wahren Ereignissen
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
699 Seiten
neobooks Self-Publishing (Verlag)
978-3-7565-8805-3 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Vergiftete Sonne -  Stefan Piasecki
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Das Frankfurter Bankhaus Praetorius feiert 1987 mit den Investments von Dr. Reza Sistani Rekordgewinne. Nur die Hamburger Journalistin Shila Abó Malungu fragt beharrlich nach der Herkunft märchenhafter Renditen. Sistanis wichtigster Mitarbeiter Svetozar Kron versteckt die im Westen verbliebene FDJ-Funktionärin Ada in der Hausbesetzerszene. Vor den Besuchen von US-Präsident Reagan und DDR-Staats- und Parteichef Honecker in der BRD sind die Sicherheitsdienste hochnervös. Als wichtige Großanleger Sistani unter Druck setzen, entgleitet ihm zunehmend die Kontrolle. Er macht Fehler und wird erpressbar. So gerät er zwischen die Fronten von Waffenschmugglern, Finanzjongleuren und Geheimdiensten aus Ost und West. Er wird gezwungen, einen Koffer mit Dokumenten in das Grenzgebiet zwischen Iran und Irak zu bringen, wo seit Jahren ein mörderischer Krieg herrscht. Ein Kampf auf Leben und Tod beginnt, als die Kleinstadt Sardascht mit Giftgas bombardiert wird... Die Handlung dieses realistisch erzählten Politthrillers aus dem Schattenreich des internationalen Waffenhandels führt von den sterilen Etagen Frankfurter Bankhäuser und mondänen Golfclubs bis in nordiranische Kurdendörfer. Sie spie-gelt die Hybris der Finanzwirtschaft und die Skrupellosigkeit von Geheimdiensten wider und fängt den Zeitgeist und die Popkultur der späten 80er Jahre präzise ein.

Prof. Dr. Dr. habil. Stefan Piasecki lehrt Religions- und Medienpädagogik, Soziologie und Politikwissenschaften an einer Hochschule in NRW. Er schreibt zeitgeschichtliche Romane, die sich mit spannenden und weniger beachteten Abschnitten und Themen der deutschen Geschichte befasst. Diese Romane sind stets präzise recherchiert. Sie werden von Fachleuten und Lesern aufgrund ihrer Detailtreue, atmosphärischen Schilderungen und bildhaften Szenenbeschreibungen gelobt.

Prof. Dr. Dr. habil. Stefan Piasecki lehrt Religions- und Medienpädagogik, Soziologie und Politikwissenschaften an einer Hochschule in NRW. Er schreibt zeitgeschichtliche Romane, die sich mit spannenden und weniger beachteten Abschnitten und Themen der deutschen Geschichte befasst. Diese Romane sind stets präzise recherchiert. Sie werden von Fachleuten und Lesern aufgrund ihrer Detailtreue, atmosphärischen Schilderungen und bildhaften Szenenbeschreibungen gelobt.

Sardascht, Nordwestiran. 28. Juni 1987

Yekshanbeh. Der zweite Tag in der persischen Woche war mit einem metallenen Glanz unter dem Grau der dicht gewebten Wolkendecke angebrochen. Sonntag in Deutschland. Nahezu widerwillig hatte sich das Tageslicht in die schläfrige Landschaft gestohlen, wie angelockt vom Gebetsruf zum Sonnenaufgang. Es war über die Gipfel der wilden kurdischen Berge gekrochen und hatte sich in den Tiefen der Täler gesammelt.

Rezas Blicke schweiften über den ruhig daliegenden Kreisverkehr. Ein paar wenige Autos verirrten sich auf den Sarchawe, drehten eine Runde und ließen sich in irgendeine Richtung auswerfen. Alte Männer standen vor der Moschee nebenan und plauderten. Bisweilen schaute jemand neugierig herüber. Er hatte so sehr gehofft, der ländlichen iranischen Einöde für immer entronnen zu sein. Dennoch hockte er hier, als wäre sein kometenhafter Aufstieg in Westdeutschland nichts als die Traumerzählung eines gehässigen Djinns gewesen.

Noch vor dem Gebetsruf dämmerte dieser Tag herauf wie vermeintlich jeder andere. Ohne große Ereignisse wälzte er sich in die Welt und würde spurlos versiegen, sobald die Sonne abends den Himmel wieder dem Mond auslieferte. Etwas anderes zu vermuten, bestand zu diesem Zeitpunkt keinerlei Veranlassung.

Kaum zwei Stunden später waren die Wolken verschwunden, aufgelöst, ohne jede Spur zu hinterlassen. Ein sattes Blau wölbte sich über eine beige-braune Welt – selbstbewusst, arrogant, als sei es immer schon da gewesen. Beige die Häuser, klebend an den Hängen des Talkessels. Grau-braun der ausgebleichte Asphalt der Hauptstraße, die durch die Kleinstadt Sardascht führte und 16.000 Menschen miteinander und der Welt verband. Grau auch die Mauern um Grundstücke und Gärten. Grau-beige die Kanäle und Zisternen, die länger kein Regenwasser mehr gesehen hatten.

Ein alter Mann und eine Horde Kinder sorgten in der Mitte des Sarchawe für ein wenig Abwechslung und Unruhe. Er unterhielt sie mit allerlei Späßen und ihr Gejohle verriet schnell, dass dieses Großväterchen Bari hieß.

In Deutschland wäre es jetzt wohl ein geruhsamer Sonntagnachmittag. Die Zeit, wenn Bauern das Heu auf den Weiden wendeten und andernorts die Kaffeetafeln mit Kuchen und Plätzchen hergerichtet wurden. Eiscafé-Wetter, kurz nach halb drei Uhr mitteleuropäischer Sommerzeit. Für Reza 16.01 Uhr Ortszeit im kurdischen Nordwesten der Islamischen Republik Iran.

Als Dr. Sistani hatte er sich hier vorgestellt und hockte auf einer brüchigen Mauer, die die Fahrbahn des Kreisverkehrs von der Innenfläche abgrenzte. Hier standen ein paar Blumenkübel und sonst nichts, nur asphaltierte Fläche erstreckte sich und sammelte die Sonnenhitze. Als Reza Naderi war er geboren, Iraner, und doch fremd in Kurdistan. Die Parsen trauten den Kurden nicht und diese selbst nur ihresgleichen. Zumal waren sie Sunniten in einem schiitischen Land.

Seine kohlefarbenen Augen zwinkerten aufmerksam, auch wenn seine Körperhaltung entspannt wirkte – so wirken sollte. Dichte schwarze Haare fielen leicht gewellt auf den Kragen seines Polo-Shirts.

Es war nicht ersichtlich, wofür das Mäuerchen im Inneren des Kreisverkehrs gebaut war, oder warum es überhaupt noch stand. Wenn er sein Gewicht verlagerte, brach es bestimmt zusammen, so erbärmlich war gemauert worden. Reza trug seine weiße Jeans. Nicht die beste Idee – die war später reif für eine Handwäsche im Spülstein des kargen und dunklen Hotelzimmers. Wieder so ein Ärgernis in diesem Kaff. Keine Bar, keine Partys, nur ein paar Teestuben und ein Café. Ein Restaurant hatte er gefunden, neben einer Annahmestelle für Milchkannen, die in einer unfassbar lauten Maschine gereinigt wurden.

Zu seinen Füßen stand der Koffer aus feinem Leder. Darin bloß ein Apfel und der heilige Koran. Der alte Bari hüpfte und tanzte mit einer Marionette zur Freude der Kinder um ihn herum. Autos innerhalb des Sarchawe störten nicht. Das Mäuerchen schützte, Bari hatte Zeit und Platz.

»Yekşemme Mandala xoşewistekan, emro Pinokioy xoşewist, çlon bawka Žępeṭoyi pir azar dedat?« Womit der liebe Pinocchio wohl den alten Geppetto ärgern mochte, fragte er die Kinder laut und die Puppe machte an ihren Fäden einen großen Sprung bis rüber zum Marktplatz. Beinahe jedenfalls. Die verstanden es richtig, sie grölten und schrien. Man sprach kurdisch im iranischen Nordwesten. Reza konnte trotzdem mühelos folgen.

»Ew be dro delę: dro dekat. ű kepoyi Hewa dedat!« Er lügt, er lügt, johlten die Kleinen. Auch Reza konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Bari hatte nur einen Arm und den setzte er gekonnt ein, um die Marionette alles möglich tun zu lassen, als hätte er derer gleich vier. Ein faszinierender Kerl. Auf dem Kopf trug er eine staubige Kappe, auf dem Leib ein schmutziges Hemd, das vielleicht einmal weiß gewesen war. Oder schon immer grau, so wie jetzt. Die Ballonhose schlackerte um seine Schenkel. Sie wirkte viel zu groß, vermutlich stammte sie aus wohlgenährteren Tagen. Bari bedeutete auf kurdisch ›Gestalter‹, und mit der Marionette hatte er seine neue Bestimmung gefunden. Jedenfalls größeres Glück als in seinem Hauptberuf als Hirte, denn den Arm verlor er bald nach Kriegsausbruch bei der Rettung eines Lämmchens, das sich in ein Minenfeld verirrt hatte. So erzählte es Isar, der Hotelportier des Puri. Sardascht war eine Kleinstadt, man kannte sich. Fast jeder jeden.

Bari rauchte, aber da er die Marionette führte, behielt er die Zigarette im Mund und verbarg so immer mal wieder einen Teil des hageren Kopfes in einer bläulichen Wolke, die kaum verflog, denn es war windstill.

Stöhnend reckte Reza sich und verlagerte den Oberkörper nach links, damit der Stoff des Jacketts nicht über seinem linken Bizeps spannte und die frische Wunde wieder aufrieb. Der Schmerz war nur erträglich, wenn die Stelle sich beruhigte. Den Oberarm mit Säure zu verätzen war töricht gewesen, dies mit Domestos zu verstärken sogar schierer Wahnsinn. Aber hier mochte es ihm das Leben retten. Und das machte die Pein fast wieder lohnend.

»Çirokey warçaka dezani? Debe hatmeni goey lê bgri. Katek ke Pinokio le Žêpeṭoyi pir dexwaze ke yarmeti warçaka bdat?« Bari wollte unbedingt das Abenteuer mit Pinocchio und dem Fuchs erzählen.

Ein kleines Mädchen, dessen reinweißes Kopftuch es vor der Sonne schützen mochte, hüpfte und winkte. Worte waren nicht nötig: Bitte, alter Bari. Bitte! Der Alte lachte laut.

Reza behielt die Straße im Blick. Wann sein Kontaktmann auftauchen sollte, wusste er nicht. Heute? Morgen? Es wurde jedenfalls Zeit: Am Montag – Doshanbeh, spätestens Dienstag musste er wieder zurück. Der Bus fuhr nur alle paar Tage.

Seit vorgestern war Reza in Sardascht. Bis gestern hatte sich eine Handvoll Deutsche in der Stadt aufgehalten. Touristen angeblich, fotografierten viel und redeten wenig. Reza drängte sich nicht auf, aber hörte ihnen zu. Sie hatten ihn nicht bemerkt, er war für sie nur irgendein weiterer Iraner. Die Männer hatten großes Interesse an jedem Winkel von Sardascht und waren ständig unterwegs. Wären sie eine geografische Expedition gewesen, hätte ihn das nicht gewundert, doch so? Ein Kaff auf dem Land, im unruhigen Kurdistan. Der Iran seit 1980 im Krieg mit dem Irak. Und man kam aus Deutschland hierhin? Um Fotos zu knipsen? Jedenfalls waren sie gestern Abend wieder verschwunden, still und heimlich abgereist. Er hätte sich ihnen gerne angeschlossen, doch er musste ja warten und diese verfluchten Unterlagen übergeben, die verschnürt im Karton hinter der Rezeption lagen. Wer wusste schon, was geschehen würde? Es schien sicherer, sie nicht bei sich zu haben. Und auch in seinem Zimmer würde man sie nicht finden. Der Junge an der Rezeption musste erst recht nicht wissen, was er da zu seinen Füßen aufbewahrte.

Es war Reza zwar verboten, aber er hatte hineingesehen. Zertifikate waren drin. Lieferdokumente, Warenlisten chemischer Bestandteile. Längst ahnte er, wofür die brauchbar waren, doch genau wollte er es lieber nicht wissen.

Daheim im Frankfurter Bankenviertel war er eine große Nummer. Der Mann des Bankhauses Praetorius, dessen Geldbringer. Erfolgreich, mächtig, unabhängig. Seit Jahren. Abgesehen von Direktor Praetorius selbst musste er sich von niemandem etwas sagen lassen. Er hatte sich wahrhaftig ein gutes Leben aufgebaut. Beeindruckend für einen geprügelten Waisenjungen aus dem westiranischen Kermanshah.

Dieser Vance war ihm zu nahegekommen, näher als beabsichtigt. Ein Amerikaner und langjähriger Bankkunde. Hatte Reza zu Beginn seiner Karriere einen entscheidenden Tipp gegeben und daraus war Vertrauen entstanden. Aber längst fühlte er sich von ihm benutzt. Sogar hintergangen. Und Reza schien machtlos dagegen. Seit ein paar Wochen empfand er sich nicht mehr unantastbar. Ganz im Gegenteil.

Wut ließ ihn den Körper straffen. Scharf sog er die Luft zwischen seinen Zähnen ein und bereute es augenblicklich. Das war unvorsichtig gewesen. Die frische Wunde sandte rasende Impulse durch die Nervenbahnen. Er hatte sie verbunden, dreimal täglich erledigte er das. Sie durfte nicht durchbluten, das könnte zu ausgesprochen unangenehmen Fragen führten. Gefährlichen Fragen, für ihn. Der Iran war seine Heimat, aber der Staat des Ayatollah Khomeini nicht sein Freund.

Seit heute früh war er zweimal Zeuge des Sieges über den Irak gewesen. Wenigstens wie die Kinder ihn spielten, bevor dann später Bari übernommen hatte.

Sie hatten Plastikflaschen an einem Brunnen gefüllt, der eigentlich nur aus einem Betonring bestand, mit dem ein Loch im Boden umfriedet wurde. Damit bewarfen sie sich und...

Erscheint lt. Verlag 24.9.2024
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte BRD • CIA • DDR • Giftgas • Golfkrieg • Stasi • Waffenschmuggel
ISBN-10 3-7565-8805-X / 375658805X
ISBN-13 978-3-7565-8805-3 / 9783756588053
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