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Schicksalswege -  Rüdiger Erler

Schicksalswege (eBook)

Das Grab einer Jugend - zwischen Dienst und Tragik
eBook Download: EPUB
2024 | 2. Auflage
166 Seiten
epubli (Verlag)
978-3-7598-8049-9 (ISBN)
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Der Autor dieses Buches wurde als 16-jähriger Jugendlicher in der DDR inhaftiert wegen Republikflucht und Grenzterror. Er wurde 1976 von der Bundesrepublik Deutschland freigekauft. Nach Jahren in verschiedenen Berufen begann er 1991 seinen Dienst als Justizbeamter bei der Justiz Baden-Württemberg. Hier erlebte er in über 30 Jahren Tätigkeit menschliche Tragödien, welche er im 2. Teil des Buches ausführlich beschreibt. Im ersten Teil des Buches Schicksalswege beschreibt er den Werdegang, der ihn als 16-jährigen in Konflikt mit dem DDR-Regime brachte. Er schildert die Umstände, die Repressalien und den schwierigen Weg eines jungen unbedarften Menschen. Politisch uninteressiert - durch Abenteuerlust und sicher auch durch westlichen Einfluss gerät er, in eine für ihn unüberschaubare Maschinerie eines sozialistischen Unrechtsstaates. Bis auf die Namen seiner Eltern und seiner Omi sind alle vorkommenden Personen fiktiv genannt. Dem geschuldet, dass keine Persönlichkeitsrechte verletzt, sowie der Datenschutz gewährleistet bleibt. Es ist ein Spagat voller Spannung und detailreichen Schilderungen, der viel interessantes bereit hält.

Geboren wurde ich am 25.01.1957 in Oppach. Ich wurde als 16-jähriger Jugendlicher in der DDR inhaftiert wegen Republikflucht und Grenzterror. 1976 wurde ich von der Bundesrepublik Deutschland freigekauft. Nach Jahren in verschiedenen Berufen begann ich 1991 meinen Dienst als Justizbeamter bei der Justiz Baden-Württemberg. Hier erlebte ich in über 30 Jahren Tätigkeit menschliche Tragödien, welche in meinem Buch ausführlich beschreibt werden.

Geboren wurde ich am 25.01.1957 in Oppach. Ich wurde als 16-jähriger Jugendlicher in der DDR inhaftiert wegen Republikflucht und Grenzterror. 1976 wurde ich von der Bundesrepublik Deutschland freigekauft. Nach Jahren in verschiedenen Berufen begann ich 1991 meinen Dienst als Justizbeamter bei der Justiz Baden-Württemberg. Hier erlebte ich in über 30 Jahren Tätigkeit menschliche Tragödien, welche in meinem Buch ausführlich beschreibt werden.

Bezirksgericht Dresden


Rüdiger kam das Innere des Gebäudes riesig vor, ähnlich einer Bahnhofshalle. Er war an einen Beamten gekettet, ebenso wie Erwin, sie sagten kurz hallo zueinander.

„Ruhe, hier wird nicht gesprochen"! Wurden beide sofort ermahnt. Dann als sie in den Gang vor dem Saal bogen, sahen beide ihre Eltern stehen. Anni schluchzte beim Anblick ihres Sohnes. Vor allem erschrak sie auf Grund der Fesselung, welche ihr die Möglichkeit versagte, ihn in den Arm zu nehmen. Rüdiger rief ihr zu:" Keine Angst Mutti, alles wird gut". Sofort zog sich die Kette straffer um sein Handgelenk. Es sollte nur ein bisschen tröstlich klingen, nicht nur für seine Mutter, auch ein klein wenig für sich selbst.

Das Gericht betrat den Saal, einer in der Mitte mit einem schwarzen Umhang und links und rechts zwei in normaler Kleidung. Rüdigers Puls war am Anschlag, er fühlte sich hilflos ausgeliefert.

Der Richter stellte die Beteiligten vor und Rüdiger bemerkte, dass auch die Pflichtverteidiger so etwas Schwarzes trugen, ebenso die Staatsanwältin. Die begann auch gleich die Anklage zu verlesen. Er musste an die Geschichte von Krabat denken, eine Gestalt aus der sorbischen Sage.

Die da vorne und neben ihm in Schwarz, das waren die Raben, natürlich verzaubert.

Der Vergleich gefiel ihm. Die Staatsanwältin hatte für seine Ohren, einen bissig klingenden Ton in ihrer Aussprache. Man hätte meinen können, sie wäre furchtbar böse auf Erwin und ihn. Naja, wahrscheinlich war sie es auch. All das, was er monatelang in den Verhören erdulden musste, wurde jetzt noch einmal vorgetragen und erörtert, wie sie es nannten. Auch Erwin und er wurden befragt, im Rahmen der Beweisaufnahme, wie der Rabe in der Mitte betonte, sie durften sich in ihren sogenannte Einlassungen zu den Vorwürfen äußern. Auch ihr Klassenlehrer wurde zur Einschätzung der bisherigen Entwicklung beider befragt. Beim letzten Wort versprachen dann beide, sich künftig an die Regeln halten zu wollen. So wie mit ihren Anwälten besprochen.

Die Verhandlung wurde daraufhin unterbrochen und auf den nächsten Tag, den 12.2. bestimmt. Urteilsverkündung um 15:30 Uhr.

Eine Kommunikation mit den Eltern, war auch am Ende des ersten Verhandlungstages nicht möglich. Ebensaowenig untereinander, bestand nicht die geringste Chance, auch nur ein einziges Wort zu wechseln. Bei Rüdiger waren seitens der Staatsanwältin 3 Jahre und bei Erwin 4 Jahre beantragt worden. Rüdiger sprach sich innerlich Mut zu, es sind „nur" noch 2 Jahre und knapp 2 Monate, falls die 3 Jahre Bestand haben. Das würde sich aushalten lassen, glaubte er.

Er winkte seiner Mutter, mit der ihm verbliebenen freien Hand zu, dann ging es wieder in den Barkas, zurück in die Bautzener Straße.

3 Jahre, das war verdammt viel Zeit. Er war jetzt 17, wieder kam ihn Angelika in den Sinn, dass wäre sicher richtig toll, so mit Spaß, Glück und Liebe. Doch das schien jetzt auf Ewigkeit einer sehr ungewissen Zukunft zu gehören. Er setzte sich auf die Pritsche-liegen durfte man tagsüber nicht- und hing aller möglichen Gedanken nach. Sah seine Mutter filmgleich zu Hause sitzen, in ihrer Nähstube und bitterlich weinen. Wut stieg in ihm auf, gnadenlose, fast nicht zu bändigende Wut. Auf sich, auf die Situation, auf die Stasi sowieso, auf das Land. Ihm war nicht klar, wo sie hinsteuert diese Wut. Alles geriet durcheinander, er hätte am liebsten um sich geschlagen, sich auf einen körperlichen Schmerz eingelassen. Immer noch besser, als die seelische Ohnmacht, die ihn zu übermannen drohte. Ich werde alles daransetzen, in den Westen zu kommen. Dieser immer wiederkehrende Gedanke, wirkte wie ein Rettungsanker, um seine Aggressivität herunterzufahren.

Durch die Klappe wurde das Abendbrot gereicht. Er begann zu essen, obwohl er weder Hunger noch Appetit verspürte. Aber essen bedeutet Kraft und die war jetzt bitter nötig. Irgendwann schlief er ein, wie spät es war, wusste er nicht, denn dieses Dasein war absolut zeitlos.

Am nächsten Morgen kam wieder der Schlauch durch die Klappe und Rüdiger hielt wie immer die gelbe Schüssel zum Wasserempfang hin. Ob Mutti und Vati heute auch da sein werden? Das war ja nun nicht ganz einfach. Der Trabbi, den sein Stiefvater bestellt hatte, schwirrte vermutlich gerade um die Sonne, deren Licht acht Minuten zur Erde benötigte. Die Fahrzeuge aus dem Sachsenringwerk Zwickau hingegen 10-15 Jahre in die Oberlausitz. Ein wahrlich fortschrittlicher Sozialismus, dass muss man schon sagen. Wieder ein Grund mehr dem Land den Rücken zu kehren.

Sein Stiefvater besaß lediglich ein Motorrad der Marke AWO, mit Beiwagen. Bus fuhren sie beide nicht. Wie immer sie auch nach Dresden kamen, er wünschte sich, dass sie heute nicht dabei wären. Er wollte einfach seine Mutter nicht weinen sehen. Denn sein Ziel und ihre fürsorglichen Vorstellungen passten nicht im Geringsten zusammen.

Der neue Tag verging im Schneckentempo. Gegen 10 Uhr war wieder Freiluftkäfig angesagt. Dann nur noch drückende Ungewissheit, was um 15:30 Uhr ausgesprochen würde.

Er sah sich nicht in der Lage, seine Konzentration auf einen Punkt zu lenken. Musste er, falls das Urteil 3 Jahre lautet, hier drinbleiben, noch über 2 Jahre? Ihm fielen die Worte des Beamten ein, der zu Beginn seiner Inhaftierung meinte;" Vielleicht ein Leben lang". Nun, zumindest dies schien nicht der Wirklichkeit zu entsprechen. Aber 2 Jahre so leben? 2 Jahre, vier Meter auf die Länge und drei auf die Breite, das waren 12 Quadratmeter. Das alles 25 Monate, eischließlich zwei Weihnachten, zwei Geburtstage, auch die von Mutti und Omi, dass klang fürchterlich.

„So Erler, fertig machen, es geht zum Gericht". Wieder in den Barkas, wie oft denn noch in dieses enge Verließ. Im Warteraum des Bezirksgerichtes Dresden, nahm ihn ein älterer Beamter am Arm und sagte:" Jungelchen, keine Angst, es gibt Schlimmeres". Erstaunt sah Rüdiger ihn an, war das jetzt als Trost gedacht, oder so etwas wie Mitleidsgefühle. Nun, der Blick schien für letzteres zu sprechen. Auf dem Gang vor Saal 272 standen sie wieder, Mutti, Vati und Röhls.

Rüdiger schenkte ihr ein Lächeln, so gut sich es eben lächeln lässt und sie tat erstaunlicherweise das Gleiche. Okay, sie hat sich gefangen und begriffen, der Realität ins Auge zu sehn. Er hoffte es inständig. Durch diese Gedankengänge fand er eine gewisse Beruhigung. Eine weinende Mutter, dazu noch die eigene, ist eine der schlimmsten Szenen, denen man im Leben lieber nicht begegnen möchte. so war seine Einstellung, seit er denken kann. Natürlich war sein Wunsch unumstößlich und ihm war klar, welche Reaktion das bei ihr wieder auslösen würde, aber er hatte doch auch ein Leben. Schuld daran sind diese elenden Kommunisten, die ihr Volk einsperren, die gehören ganz einfach weg. Manfred sagte in Waldheim einmal zu ihm:" Weißt du Rüdiger, eines ist sicher, nur ein toter Kommunist ist ein guter Kommunist". Sie hatten sich auch gefreut, als die Allende-Regierung in Chile von Pinochet hinweggefegt wurde. Rüdiger hatte von Politik nicht die geringste Ahnung, aber ein ganzes Volk einsperren und sich selbst als das menschlichste System der Welt zu bezeichnen, ging gar nicht.

Drei Jahre-er hörte den Urteilsspruch, nahm ihn zur Kenntnis und verzichtete auf-wie sein Anwalt es formulierte-Rechtsmittel. Mutti, mach dir keine Sorgen, dass sitz ich auf der Rasierklinge ab, hätte er am liebsten gerufen. Erst, ganz allein auf der Zelle, weinte er. Was für ein saublöder Tag, dieser Dienstag, der 12.2.1974.

Gleich am nächsten Morgen, wurde er aufgefordert seine paar Habseligkeiten zu packen.

„Dein Aufenthalt endet hier Erler". Wieder ging es in den Hof und ganz klar in den Barkas. Dieses hässliche Gefühl der Ungewissheit, ergriff erneut Besitz von ihm. Wo geht es denn jetzt schon wieder hin? Fragen brauchte man nicht, dies konnte man sich sparen, es gab keine Antwort. Die Fahrt erschien ihm kurz, so dass er annahm, nicht aus Dresden herausgekommen zu sein.

Als sich die Tür öffnete und er aus seinem Kämmerlein aussteigen durfte, empfing ihn ein riesiges, graues Gebäude, mit unzähligen vergitterten Fenstern. Es war angsteinflößend.

Durch eine offenstehende Tür wurde er ins Innere geführt. Es war sehr laut, im Gegensatz zur Stille in der Bautzener Straße. Außerdem roch es nach Schweiß und irgendwelchem Essen, genau zu definieren war das nicht. Seine Effekten wurden von den Stasianern einem uniformierten Beamten übergeben. Der durchsuchte ihn kurz, füllte Papiere aus und übergab ihn einem Kollegen, der ihn zu einer Zelle brachte. Als er die Tür aufschloss, erschrak Rüdiger, denn da waren schon drei Insassen anwesend. Ein Tisch, eine Toilette und zwei Doppelstockbetten, mehr war auf einen Blick an Inventar nicht zu erkennen. Sein Herz begann in wildem Takt zu schlagen, er konnte sich nicht vorstellen, in diesem Raum zu viert zu existieren. Die nächsten zwei Jahre? Bitte nicht, dass steh ich nicht durch, bitte lieber Gott, lass das nicht zu. Ja, er hatte Angst und das nicht wenig davon. Zum einen wusste er weder, wo er war, zum anderen, war ihm nicht klar, wie er sich verhalten sollte. Ganz zu...

Erscheint lt. Verlag 24.9.2024
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte DDR • Fesselnd • Gefängnis • Justiz • Leben • Schicksal • Tragik
ISBN-10 3-7598-8049-5 / 3759880495
ISBN-13 978-3-7598-8049-9 / 9783759880499
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