Nicht aus der Schweiz? Besuchen Sie lehmanns.de

Ein Sommerkuss (eBook)

eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
68 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7597-3236-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Ein Sommerkuss -  Hubert Kirchmair
Systemvoraussetzungen
6,99 inkl. MwSt
(CHF 6,80)
Der eBook-Verkauf erfolgt durch die Lehmanns Media GmbH (Berlin) zum Preis in Euro inkl. MwSt.
  • Download sofort lieferbar
  • Zahlungsarten anzeigen
Sind es nicht die Anekdoten im Leben, die haften bleiben in der Erinnerung und für kurze Momente, im Kreise der Freunde, für Lacher sorgen, oder ein paar Tränen. Natürlich ist diese Geschichte nie passiert. Ich bin nie verreist, um die Liebe zu finden. Und doch ist es eine Anekdote aus meinem Leben, die mich bewegt hat, diese Geschichte zu schreiben. Ein kurzer Moment, der, zugegeben, verschwommen, aber nach all den Jahren noch immer in meiner Erinnerung aufblitzt.

Geboren 1965 in Schwaz in Tirol Nach dem Besuch der Hauptschule Lehre als Maschinenschlosser Tätig als CNC Bediener bei einem Gasmotorenhersteller Fernstudium - Schule des Schreibens

Im Bahnhofsrestaurant


Er rührte in seiner Kaffeetasse, als wollte er die Milch, die er kurz zuvor in den Kaffee gekippt hatte, zu Butter schlagen. Es schien, als könnte er damit nicht aufhören. Ununterbrochen klingelte der Löffel am Porzellan. Nicht ein einziges Mal ließ er mich dabei aus seinen Augen, die milchig blau, hinter einer Brille lagen. Sein graues Jackett und seine helle Leinenhose wirkten mindestens zwei Nummern zu groß. Sein Körper war schlaksig, mager, als wären unter dem Jackett nur ein paar dünne Stangen versteckt, die seinen Körper aufrecht hielten. Regentropfen hatten kleine, graue Flecken auf dem Stoff hinterlassen, die aber sicher schon bald wieder verschwinden würden.

Gemeinsam mit anderen Reisenden war er auf der Flucht gewesen vor dem Sturm, der dicke Regentropfen an die riesigen Fenster des Bahnhofrestaurants geklatscht hatte. Im Restaurant war es schnell laut geworden. Ich saß allein, ganz hinten im Eck und träumte gerade von alten Zeiten, als er sich unaufgefordert an meinen Tisch setzte. Bemerkt hatte ich ihn dabei nicht, denn ich träumte gerade von einem Mädchen mit langem, braunem Haar, hellbrauner Haut und dem bezauberndsten Lächeln, das man sich nur vorstellen konnte. Am Bahnhofskiosk hatte sie, noch vor einer halben Stunde, genau mit diesem Lächeln den Zeitungsverkäufer angestrahlt. Grazie, hatte sie gesagt, als sie das Wechselgeld entgegennahm. Ich war danebengestanden und konnte meine Augen nicht von ihr lassen. Dieses Gesicht mit diesem Lächeln war mir schon einmal begegnet.

Jetzt saß sie zwei Tische von mir entfernt und las in einer Zeitung und das Gesicht mit den milchig blauen Augen saß zwischen uns. Als ich nicht aufhörte an ihm vorbei zu starren, drehte er seinen Kopf und folgte meinem Blick.

„Ist das eine Bekannte von Ihnen?“, fragte er gerade heraus.

„Was?“

„Ob das eine Bekannte von Ihnen ist. Sie könnte sich ja zu uns an den Tisch setzten.“

„Äh, Entschuldigung, kennen wir uns?“

Langsam kehrte ich von meinem Tagtraum zurück und bemerkte mein Gegenüber, das einfach weiterredete, als würden wir uns schon ewig kennen.

„Ich habe Sie drei Mal gefragt, ob ich mich zu Ihnen setzten darf. Nachdem Sie mich nicht beachtet hatten, nahm ich das als ein ja.“

Sein braunes Haar war mit grauen Strähnen durchzogen und wirkte ein wenig fettig. Es wuchs wild unter einer Mütze hervor. Ich wunderte mich, ob er darunter eine kleine Glatze verbarg.

„Soll sie sich jetzt zu uns setzten?“, fragte er wieder.

„Nein, nein. Ich dachte mir nur, ich kenne diese Frau.“

Ja, ich antwortete auf die Fragen des Unbekannten, als würden wir uns schon ewig kennen. Es war seltsam. Heute war ein Tag der vagen Bekanntschaften. Die Frau war neben mir am Zeitungskiosk gestanden und hatte den Verkäufer angelächelt. Das Lächeln war mir bekannt vorgekommen. Ich hatte es nicht gewagt sie anzusprechen, vielleicht irrte ich mich ja auch. Doch mein Herz schlug schneller, so schnell wie damals in Kroatien.

„Warum fragen Sie sie nicht einfach.“ Meine neue Tischbekanntschaft redete wieder.

„Weil ich mir sicher bin, dass ich mich irre.“, antwortete ich genervt.

Was will dieser Mensch eigentlich von mir, dachte ich, warum mischt er sich in meine Träume? Es waren meine Träume, meine Erinnerungen. Dann und wann wühlte ich in meinen Erinnerungen und dann kam sie mit zum Vorschein. Ich hatte mir immer vorgestellt, ich würde sie irgendwann wieder sehen. Doch die Bilder waren verschwommen im Laufe der Zeit. Würde ich sie nach all den Jahren erkennen? Wie oft ich mir diese Frage gestellt hatte. Würde sie mich erkennen, oder würde sie sich gar nicht mehr an diesen Sommer erinnern. Das wäre schlimm gewesen, denn ich erinnerte mich. Vielleicht waren die Farben nicht mehr dieselben, vielleicht hatten sich die Gerüche geändert, Häuser waren abgerissen und neu gebaut worden, aber das spielte ja keine Rolle. Wir waren da für eine kurze Zeit.

Flüchtig hatte sie von ihrer Zeitung aufgeschaut. Sie hatte sich wohl beobachtet gefühlt. Mit Recht. Sie schaute mich an und lächelte. Eigentlich war es eher ein Lachen, das eine kleine Zahnlücke zwischen den oberen Schneidezähnen enthüllte. In jenem Sommer hatte sie nie gelacht, immer nur gelächelt, als hätte sie sich für diese kleine Lücke geschämt.

„Diese Frau scheint Sie ja ziemlich zu beschäftigen.“ Der Herr schob sich seine Mütze aus der Stirn.

„Wie gesagt, sie erinnert mich an jemanden. Die alte Geschichte würde ich mal sagen.“ Meine Antwort klang schon beinah danach, als wollte ich mich dafür entschuldigen, dass ich nicht sicherer war, bestimmter. Ich klopfte nicht auf den Tisch und sagte, dass ich keinen Zweifel habe. Es ist genau diese Frau.

„Heute ist ein perfekter Tag für Geschichten. Draußen regnet es in Strömen und mein Zug geht erst in zwei Stunden.“, sagte mein Gegenüber.

Mein neuer, unbekannter Tischgenosse schaute mich auffordernd an. Er hatte recht. Es war wirklich der perfekte Moment für eine Geschichte. Wir hatten uns einander nicht vorgestellt. Ich für meinen Teil war zufrieden mit diesem Arrangement. Mir war dieser Kerl ohnedies zu aufdringlich und doch musste ich mir eingestehen, dass seine Art etwas Herausforderndes hatte. Er bot mir weder seinen Namen noch seine Hand. Er war damit zufrieden, dass er meine Aufmerksamkeit hatte. Ja, die hatte er, denn plötzlich gefiel mir der Gedanke, einem Fremden diese Geschichte zu erzählen.

Ich erzählte ihm von meinen Erinnerungen.

Er hatte mich nicht oft unterbrochen und dafür war ich ihm dankbar. Ich empfand die Geschichte am Anfang als gar nicht so aufregend. Doch während ich von den Ereignissen jenes Sommers berichtete, bemerkte ich, wie wertvoll sie mir doch war. Ich hätte sie nie teilen dürfen. War es doch meine Geschichte, mein Abenteuer. So unscheinbar es auch für jeden anderen war, so wertvoll war das Geheimnis für mich, aber mit jedem Wort das ich verriet, verlor es an Wert. Jetzt war es allerdings zu spät.

„War das jetzt nur eine Geschichte, oder eine wahre Geschichte?“, fragte er mich.

Ich konnte förmlich sehen, wie sich die Räder hinter seiner Stirn drehten, wie sie knirschten und arbeiteten. Endlich hatte er aufgehört, in seinem Kaffee zu rühren. Er steckte sich den kleinen Löffel in den Mund, schloss seine Lippen ganz fest und tat so, als würde er Nutella von seinem Löffel lecken, oder ein Eis, das sich nur widerwillig davon lösen wollte.

„Es war nur eine Geschichte.“, antwortete ich. „Eine Geschichte für regnerische Tage.“

Ich war froh über seine Frage, denn so konnte ich das Erzählte wieder zu meinem Schatz machen. Was er darüber dachte, war mir egal.

„Aber es gibt keine Erinnerung mehr an das Gesicht und auch keinen Namen?“, fragte er nach, dabei legte er seine Arme auf den kleinen Tisch und neigte sich über die Tischplatte.

„Ist das wichtig?“, fragte ich.

Mir war es nicht wichtig, denn was die Fantasie groß machte, rundete die Erinnerung ab. Sie siebte das Geschehene, entfernte die Brocken und zurück blieb der Geist von dem, was einmal bedeutend war. Ich konnte mich ja nach so vielen Jahren beim Namen irren. Gesichter veränderten sich. Wie konnte ich mir darüber sicher sein, wer dort am Nachbartisch saß. Doch die Erinnerung an diese Zeit kam immer wieder zurück und mit ihr das Glück.

„Ja es ist wichtig.“ Er richtete sich auf, als wollte er mich belehren.

Es musste ihm wichtig sein, warum sollte er sich sonst mit diesen Fragen beschäftigen, dabei klärte er mich gleich wieder auf.

„Wie sollte jemand über einen so langen Zeitraum noch immer Gefühle für jemanden haben, an dessen Gesicht er sich nicht erinnert. Und erfährt man den Namen nicht als Erstes, wenn man sich vorstellt. Und ist es nicht der Name, den man flüstert, wenn die Sehnsucht groß wird. Oh Ellen, oh Maria.“

Theatralisch unterstrich er die Frauennamen mit großen Gesten. Erst jetzt fiel mir auf, wie groß sein Mund war und wie gelb seine Zähne, die er, sichtlich zufrieden mit seiner kleinen Vorstellung, präsentierte. Sein Grinsen wirkte unheimlich, unecht.

„Clara, Sie hieß Clara“, schoss es aus mir heraus. Ich wollte dieses Thema endlich abschließen, was nicht im Interesse meines Gegenübers war, denn sofort bohrte er nach.

„Clara ist doch kein italienischer Name?“

„Doch“

„Ich glaube nicht.“

„Das heißt, dass Italiener nur italienische Namen haben dürfen.“

Mir war es so etwas von egal, woher der Name stammte. Es war der Name meiner Zeitungsausträgerin. Der war mir in der Schnelle eingefallen. Der Name platschte einfach aus meinem Mund, in der Hoffnung, ich könnte meinen Tischpartner endlich zufrieden stellen. Für ihn durfte aber nichts im Dunkeln bleiben, nichts durfte im Schatten sein. Alles musste seinen Platz haben, seine Bestimmung, alles hatte...

Erscheint lt. Verlag 23.9.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Comic / Humor / Manga Humor / Satire
Schlagworte abenteuerlustig • Glücklich • Melancholisch • unsicher • verliebt
ISBN-10 3-7597-3236-4 / 3759732364
ISBN-13 978-3-7597-3236-1 / 9783759732361
Informationen gemäß Produktsicherheitsverordnung (GPSR)
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
EPUBEPUB (Wasserzeichen)
Größe: 99 KB

DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasser­zeichen und ist damit für Sie persona­lisiert. Bei einer missbräuch­lichen Weiter­gabe des eBooks an Dritte ist eine Rück­ver­folgung an die Quelle möglich.

Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belle­tristik und Sach­büchern. Der Fließ­text wird dynamisch an die Display- und Schrift­größe ange­passt. Auch für mobile Lese­geräte ist EPUB daher gut geeignet.

Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise

Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.

Mehr entdecken
aus dem Bereich
Biografische Ermittlungen im privat-öffentlichen Milieu

von Mathias Richling

eBook Download (2024)
Westend Verlag
CHF 18,55