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Staatsfeind? (eBook)

Wie ich zum Kämpfer für echte Demokratie wurde
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
268 Seiten
tredition (Verlag)
978-3-384-15002-8 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Staatsfeind? -  Gabriele Gysi,  Ulrike Guérot,  Patrik Baab,  Werner Köhne,  Michael Meyen,  Ullrich Mies,  Hermann Ploppa
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Sind es spezielle Ereignisse oder eine längere Entwicklung, die die für ihre kritischen Ansichten bekannten Autoren, Patrik Baab, Ulrike Guérot, Gabriele Gysi, Werner Köhne, Michael Meyen, Ullrich Mies, Hermann Ploppa, Dirk Pohlmann, Werner Rügemer, zu Kämpfern für echte Demokratie werden ließen? Eine spannende aber auch unterhaltsame, teils sogar lustige Lektüre erwartet den Leser.

Ulrike Guérot

Vom Dissidententum im postdemokratischen Zeitalter

Oder: wie ich mein Land verlor…

„Der bestirnte Himmel über mir und das moralische Gesetz in mir.“

Immanuel Kant

Dissidentin?

Wie ich Dissidentin geworden sei, ist die Frage, die ich für diese Publikation beantworten soll. Den Text wollte ich erst gar nicht schreiben. Einmal, weil ich gerade dabei bin, die ganzen wirren Corona-Jahre, die mein Leben ziemlich geschreddert haben (Jobverlust, Geldverlust, Umzug, entfremdete Freunde, Probleme in der Familie und was da alles nicht nur mir, sondern vielen beschert wurde), endlich einmal abzubürsten und dringend in die Sommerfrische will; zum andern, weil meine Geschichte (Kündigung aus vorgeschobenen Gründen durch die Universität Bonn im Februar 2023 nach zwei kritischen Bestseller-Büchern zu den Corona-Maßnahmen und dem Ukraine-Krieg von 2022), also der „Fall Guérot“ gleichsam auserzählt ist und in unzähligen Texten und Videos besprochen wurde); zum dritten, weil ich keine Dissidentin bin.

Die Vermutung, ich könne Dissidentin sein – Dissidentin von was? Von der Bundesrepublik Deutschland etwa? Dissidententum bezieht sich ja meist auf den Staat, in dem man lebt, also auf die politische Existenz – kommt mir vor wie die Figur in dem legendären Roman von Max Fritsch, Stiller. Ich bin nicht euer Stiller. Ich bin nicht der, für den ihr mich haltet, sagt der Protagonist die ganze Zeit, und möchte der Welt (genauer: den Personen in seinem Heimatdorf, in das er zurückkehrt) klar machen, dass er nicht derjenige ist, für den alle ihn halten.

Das würde ich auch gerne! Zurückkehren in die Bundesrepublik, in eine Bundesrepublik, die ich irgendwie verloren habe, so wie schon andere ihre Zeitung62 oder ihre Universität63 verloren haben, weil sie sich so verändert haben, dass man sie nicht mehr erkennt. Wenn dieser Text – den ich, wie gesagt, eigentlich gar nicht schreiben wollte – einen einzigen Sinn hat, dann den, dass ich mit ihm nach seiner Veröffentlichung im Herbst 2024 – wie Stiller seinem Heimatdorf – meiner Bundesrepublik (wer das auch immer im Einzelnen wäre: Herr Steinmeier? Herr Scholz? Herr Haldenwang? Herr Precht? Herr Lanz?

Ich muss natürlich abstrahieren, wer für die Bundesrepublik steht, sie ist ja nur eine juristische Person, ohne Gesicht, Fleisch und Blut) erkläre: Ich bin nicht die, für die ihr mich haltet! Ich bin nicht eure Guérot! Nur du, liebe Bundesrepublik, du hast dich wirklich verändert, und nicht zum Besten! Du hast angefangen, auf einmal merkwürdige und grundgesetzwidrige Dinge zu tun und von mir zu verlangen: Lockdowns, Impfpflicht, Kriegsvorbereitungen. Ich wollte diese Dinge nicht mitmachen, da hast du angefangen, mich zu beschimpfen. Du hast dich bewegt, ich bin auf dem Boden des Grundgesetzes stehen geblieben. Wenn ich Dissidentin bin, dann nur, weil du zuvor Häretikerin geworden bist und alles verraten hast, was uns einmal lieb und teuer war: die Meinungsfreiheit, die Wissenschaftsfreiheit, das Recht auf den eigenen Körper, die Wohnung und die Privatsphäre, das Versammlungsrecht, die Friedenpflicht u.v. a.m., also die Grundfesten des Grundgesetzes. Nur in deiner neuen Realität, von deiner neuen Warte aus gesehen bin ich „falsch abgebogen“, wie es heute heißt. Dabei lautet der alte Spruch der Marxisten: „Linientreue beweist sich in der Kurve“. Wenn eine ganze Gesellschaft in die Kurve geht (oder in die Knie?), dann liegt vielleicht der richtig, der weiter gerade aus geht? Das aber wird geahndet. Der eigentliche Vorwurf der Mehrheitsgesellschaft ist nicht etwa, dass man falsch oder anders denkt. Um Argumente geht es schon lange nicht mehr. Sondern dass man keine Mitläuferin war. Niemanden ahnden Mitläufer gnadenloser als diejenigen, die nicht mitgelaufen sind, denn an ihnen werden sie permanent mit ihrem eigenen schlechten Gewissen konfrontiert, mit ihrem eigenen Versagen. Darum müssen diejenigen, die weiter geradeaus anstatt in die Kurve (oder in die Knie?) gegangen sind, entfernt und mit Schmutz beworfen werden. Das ist kein politischer Diskurs, sondern Gruppenpsychologie.

Spiel nicht mit den Schmuddelkindern

Ich bin kein Schmuddelkind. Bin nicht „rechts“. Keine „Aluhutträgerin“ - was für ein doofes Wort im Übrigen. Keine „Putin-Marionette“. Keine „Plagiatorin“64 oder was auch immer denjenigen gerade zu mir einfällt, die mich monatelang mit Hass und Häme bedacht haben, meist ganz ohne mich zu kennen und unabhängig davon, was ich gesagt habe. Jedes Wort wurde zum Gespött: es ging um die Preisgabe einer ganzen Person der Lächerlichkeit. Gespött ist das wirkungsvollste Mittel, jemanden aus der Gesellschaft zu entfernen, ohne Argumente oder die Person ernst nehmen zu müssen. Gespött ist das letzte Mittel einer Gesellschaft, der nichts anderes mehr einfällt. Die letzte Waffe aus dem Arsenal der Niedertracht sozusagen. Die Ausgrenzung derjenigen, die nicht mitgemacht haben, scheint ein Akt kollektiver Aggression zu sein: Fingerzeige, weil man sich vor sich selber schämt.

Hätte man mich (wenigstens) als Dissidentin beschimpft, dann wäre ja alles gut gewesen, denn im „Westen“ sind Dissidenten ja eigentlich etwas Positives. Es sind die mutigen Personen und Systemkritiker in Diktaturen, früher Alexander Solschenizyn, heute zum Beispiel Alexei Nawalny in Russland, Ai Weiwei in China oder Swetlana Tichanowskaja in Belarus. Per Definition kann es also in der Bundesrepublik – die keine Diktatur ist – keine Dissidenten geben. Darum bin ich auch keine.

Mit dem Gebrauch des Begriffes Dissidentin hätten meine Kritiker reflektieren müssen, in welche problematische Richtung sich die Bundesrepublik Deutschland seit Jahren entwickelt, durch Nancy Faesers’ „Demokratieförderungsgesetze“, die das Gegenteil von Demokratieförderung sind, sondern die der Demokratie und der Meinungsfreiheit den Garaus machen; oder durch die Haldenwang’sche Erweiterung der Paragraphen zum Verfassungsschutz, dem zufolge Regierungskritik jetzt „Delegitimierung des Staates“ ist, durch die also die für eine Demokratie charakteristische Trennung von Staat und Regierung durchbrochen wird: die Regierung ist jetzt der Staat und der darf nicht kritisiert werden. Basta!

Hatten wir nicht extra eine Bundeszentrale für Politische Bildung, um jedem die Pennäler-Grundsätze von Demokratie einzubläuen? Vielleicht sollten Innenministerin und Verfassungsschutzpräsident dort einmal einen Auffrischungskurs absolvieren: Kritik ist der Wesenskern einer funktionierenden Demokratie und keine „Delegitimierung“ des Staates! Dazu gehört auch, dass keine Zeitungen verboten werden, so abstoßend sie für einige auch sein mögen.65 Was kommt nach dem Zeitungsverbot? Die Bücherverbrennung?

In der Tatsache, dass der de facto wertschätzende Begriff „Dissidentin“ gerade nicht benutzt wurde, liegt jene himmelschreiende Doppelmoral begründet, der der selbsternannte „Werte-Westen“ gerade überall erliegt: Der penetrante Glaube an das eigene Gute, während die Bösen – im westlichen Demokratieverständnis66 - immer woanders sind: im Iran, in Russland oder China. Dissidenten und die Unterdrückung kritischer Medien und NGOs gibt es natürlich nur dort, nicht im guten Westen! Julian Assange zum Beispiel galt ja nicht als Dissident, sondern eher als Verräter, wobei sein „Verrat“ darin bestand, aufgezeigt zu haben, dass der Westen bei seinem Einmarsch im Irak, der natürlich nicht „Krieg“ genannt wurde, nicht ganz so gut war, wie er vorgab. Der Westen mag keine Nestbeschmutzer und den Hinweis darauf, dass – weil in Russland, Iran oder China alles ja noch viel schlimmer ist - man den Anfängen wehren oder vor der eigenen Türe kehren möge, mag er auch nicht. Im Westen gibt es darum nur dumme Kritiker, Personen, die die Zahlen oder die Wissenschaft oder die Simulationen nicht verstehen, oder die die politischen Lösungen nicht als alternativlos betrachten oder die irgendetwas leugnen, und die darum zum Gespött gemacht werden müssen. Im Zweifelsfall sind sie alle rechts und populistisch.67

Das Wort Dissident wäre ja eine Adelung! Und es stimmt ja: Die Methoden sind im „guten Westen“ (noch) sublimiert. Finanzielle Existenzvernichtung, Kontensperrung, Zugangsverbot zu öffentlichen Räumen, soziale Isolation oder Abdrängen ins Ausland reichen aus. Alles unauffällig und unblutig. Es fällt kaum auf und reicht nicht für breite gesellschaftliche Empörung. Das Internet ist hier insofern ein Geschenk für die Akteure in postdemokratischen Verhältnissen,68 als das die physische Vernichtung einer Person gar nicht mehr erforderlich ist: Es reicht, jemanden...

Erscheint lt. Verlag 15.9.2024
Mitarbeit Sonstige Mitarbeit: Annette van Gessel, Manuela Essig
Verlagsort Ahrensburg
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Baab • Guérot • Gysi • Köhne • Meyen • Mies • Philosophischer Salon • Ploppa • Pohlmann • Rügemer
ISBN-10 3-384-15002-3 / 3384150023
ISBN-13 978-3-384-15002-8 / 9783384150028
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