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Schrift-Gut (eBook)

Kurzgeschichten und Gedankensplitter
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
356 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7597-1123-6 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Schrift-Gut -  Johannes I. L. Pfeiffer
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Das Buch besteht aus zwei Teilen: Kurzgeschichten und Gedankensplittern. Die Sammlung von Kurzgeschichten aus verschiedensten Bereichen nehmen den Leser auf eine turbulente Reise in das Innere des Lebens mit. In den Gedankensplittern reflektiert der Autor seine Erfahrungen mit Büchern, Filmen, Musik und persönlichen Begegnungen.

Johannes I. L. Pfeiffer ist Ingenieur und schreibt seit seinem 12 Lebensjahr, vornehmlich Kurzgeschichten, aber auch Romane, Novellen und Lyrik.

Der Junge


Der Vater weckte die beiden Jungen am Morgen. Sie erhoben sich und verließen die Hütte. Draußen lag noch Nebel über der Landschaft. Hinter dem Haus stieg das Gelände sanft an. Hunderte von Olivenbäumen standen dort. Ihre Zweige ragten aus dem Nebel. Die beiden Jungs traten an die niedrige Mauer, die ihren Besitz vom Weg trennte. Der Weg führte von dem Hügelkamm, vorbei an Besitzungen anderer Bauern und ihrem Grundstück, bis hinab zum Hafen. Der Weg wurde auf der Meeresseite von einer niedrigen Mauer aus Felsbrocken eingefasst. Die Steine stammten aus den nahen Feldern. Von dort hatten die Bauern sie eingesammelt, um daraus die Mauer zu erbauen. Hinter ihr fiel die Felswand bis zum Meer steil ab.

Die beiden Jungs traten auf den Weg und stellten sich an die Mauer. Sie sahen hinunter zum Meer, als sie pinkelten. Der Nebel reichte weit auf das Meer hinaus. Am Kai lagen einige Schiffe vertäut, Kauffahrer aus dem nahen Tyros. Sie beobachteten ein Schiff, das sich aus dem Nebel auf dem Meer schälte und sich langsam dem Kai näherte. Es war ein phönizischer Kauffahrer. Sie beobachteten das Schiff, das die Segel einholte.

Der Vater rief die Jungs und sie beeilten sich.

Sie wuschen sich die Hände in einem Eimer und setzten sich an den Tisch in der Hütte. Sie erhielten von der Mutter einen Kanten Brot und einige Oliven und Ziegenkäse. Der Vater setzte sich hinzu. Schweigend aßen sie. Als sie fertig waren, hob der Vater die Hand.

„Wir werden gleich noch Oliven ernten. Jetzt ist es noch kühl genug. Später wird es zu warm werden.“

„Kann ich nicht 'runter zum Hafen gehen, Vater?“, sprudelte es aus dem Jüngeren. „Es ist ein neues Schiff angekommen! Das würde ich mir gerne ansehen!“

Der Vater sah ihn an.

„Erst ernten wir die Oliven. Keine Widerrede! Später werden wir sehen!“

„Mutter...“, fragte er.

Der Junge sah zu seiner Mutter hinauf. Sie zögerte, dann schüttelte sie den Kopf.

„Hör auf deinen Vater! Wenn die Arbeit erledigt ist, kannst du zum Hafen hinunter!“

Missmutig verließ der Junge das Haus. Sein älterer Bruder folgte ihm und begann ihn zu necken. Sie rauften kurz, bis der Vater erschien und sie beide ermahnte. Die Jungen nahmen die Körbe auf und folgten dem Vater den Hügel hinauf zu den Olivenbäumen. Sie nahmen sich die Bäume einzeln vor, der kleine Junge pflückte unten, der größere in der Mitte und der Vater oben. Hin und wieder unterbrachen sie die Tätigkeit und tranken etwas. Als der Vater einmal nach unten ging, um die Körbe zum Lagerhaus hinter der Hütte zu bringen, packte der größere Bruder den kleineren und band ihn mit einem Strick an einem der Bäume locker fest. Der Jüngere kannte das schon.

„Der an den Baum Gebundene!“, lachte der Größere. „Dein Spitzname passt!“

Er lachte. Er sah nicht den Vater, der hinter ihn trat und ihn am linken Ohr zog.

„Lass den Unsinn, Alexandros! Binde sofort dienen Bruder los. Wir müssen noch viel tun, bevor die Mittagshitze zu groß wird!“

Die Sonne hatte den Morgennebel vom nahen Hügel gewaschen, es würde ein heißer Tag werden. Sie pflückten weiter Oliven und besserten auch eine kleine Mauer am Rand ihres Grundstückes aus, die eingestürzt war. Der Vater erklärte ihnen, wie sie die Steine so miteinander verkeilen mussten, dass sie fest zusammenhielten. Zur Mittagszeit beendete der Vater die Arbeit. Es war heiß und die Sonne brannte vom Himmel. Sie gingen hinunter und trugen ihre Körbe in das Lagerhaus. Dann setzten sie sich in die Hütte, und tranken Wasser, der Vater etwas Wein, den er mit Honig süßte. Sie aßen Brot, Oliven und Käse.

„Kann ich jetzt runter zum Hafen, Vater? Du hast es gesagt!“, sprudelte es aus ihm hervor. Der Vater sah ihn an und nickte dann. „Aber sei bald wieder da.“

Der Junge eilte den Weg hinab zum Hafen. Er sah Sklaven, die hinter ihren Herren gingen und Ware trugen. Außerdem waren dort spielende Kinder und einige Händler, die direkt vor ihren niedrigen Häusern ihre Ware wie Käse, Früchte und Obst anboten. Er grüßte die Leute, die er kannte.

Am Beginn der Hafenanlage blieb er stehen und nahm alles in sich auf. Er liebte diesen Anblick: die Schiffe, die Seeleute und deren Geschäftigkeit. Die Schiffe lagerten hier in der natürlichen Bucht sicher vor den Unbillen des Meeres.

Der Hafen bestand aus dem Hafenbereich und dem Lagerhaus auf der Landseite. Der Junge wusste, dass alle Schiffe, sobald sie hier ankerten, die Waren ins Lagerhaus bringen mussten, um deren Wert schätzen zu lassen. Die örtlichen Händler hatten das Vorkaufsrecht an den Waren. Der Besitzer musste Steuern darauf zahlen und konnte mit den nicht verkauften Waren und weiteren, die er zu seiner Ladung hinzukaufte, weitersegeln. Bewacht wurden die Waren von Sklaven mit Knüppeln und Speeren.

Links hinter den Lagerhäusern befand sich die Agora, der Marktplatz des Ortes. Der Ort lag an der Küste und schmiegte sich entlang der Wände des Tales, das sich landeinwärts erstreckte.

Der Junge mochte die Hektik der Hafenanlage. Gerade wurde das heute Morgen angekommene Schiff entladen. Ein großer Mann mit Vollbart und phönizischer Kleidung stand neben dem Fallreep und notierte etwas in der doppelten aufgeklappten Tafel, die er in der linken Hand hielt.

Der Junge ging interessiert die Mole bis zum letzten Schiff entlang und schaute sich die hohen Bordwände, Takelage und Segel an. Seeleute standen an Bord, refften Segel, trugen Sachen hin und her oder schossen Seile auf. Der Junge nahm alles in sich auf und atmete die salzige Luft des Meeres ein. Er nahm eine Rute hoch, die im Staub am Rand lag und zeichnete Striche und Bögen in den Staub und Sand, der fingerdick auf dem Kai lag. Er blieb kurz stehen und zeichnete ein Schiff, dass er mit seinen Füßen wieder wegwischte.

Er schlenderte den Kai zurück entlang und blieb zufällig neben dem Schreiber des phönizischen Schiffes stehen. Der Mann sah kurz zum Fallreep hinauf, wo Seeleute Waren hinuntertrugen: Säcke mit Weizen, Amphoren, Teppiche. Die Seeleute riefen ihm etwas zu, er nickte und machte Striche in den Tafeln. Der Schreiber hielt die beiden Wachstafeln in der linken Hand und bewegte einen Metallgriffel darüber. Der Junge stellte sich neben ihn und schaute auf die Tafel. Der Schreiber sah ihn an.

„Was willst du, Griechenjunge?“

Er sprach Koiné mit starkem Akzent.

Der Junge sah zu ihm hoch.

„Was machst du da?“

Der Schreiber sah zum Fallreep und notierte mit dem Griffel in zwei Zeilen jeweils einen Strich.

„Wir laden gerade Ware aus und ich schreibe auf, was und wieviel wir ausladen!“

Der Junge stellte sich auf die Zehenspitzen, um besser sehen zu können. Der Schreiber senkte seine Wachstafeln und zeigte ihm, was er schrieb.

„Hier links steht, welche Ware es ist: Amphore mit Wein, Weizensäcke, Teppiche.“

Er deutete nach rechts.

„Dann mache ich daneben Striche. Siehst du?“

Der Junge sah auf die Zeichen und versuchte sie mit dem Stab im Sand nachzuzeichnen. Der Schreiber sah zum Fallreep. Einer der Seeleute winkte ihm und rief etwas. Der Schreiber winkte zurück, zum Zeichen, dass er verstanden hatte.

Dann wandte er sich an den Jungen.

„Kannst du lesen und schreiben, mein Junge?“

Der Junge sah beschämt nach unten und schüttelte den Kopf.

„Das ist nicht schlimm. Willst du es lernen?“

Der Junge sah wieder zu ihm auf und nickte langsam. Der Schreiber nahm ihm den Stab aus der Hand und begann in den Staub zu zeichnen.

„Das Geheimnis des Schreibens sind die Zeichen und deren Bedeutung. Siehst du, das hier sieht aus wie ein Stierkopf, nur auf die Seite gedreht. Dieses hier wie eine Peitsche, das hier wie Frauenbusen. Sie haben Bedeutungen und wenn du die einzelnen Bedeutungen zusammenschreibst, hast du Worte. Wie heißt du?“

Der Junge erinnerte sich an die Worte seines Vaters: „Wenn du jemanden nicht kennst, sag ihm nicht deinen Namen, sonst können Sie Macht über dich ausüben.“

Er nannte ihm seinen Spitznamen. Der Schreiber hielt kurz inne und lächelte. Dann schrieb er Zeichen in den Staub.

„Hier steht dein Name.“

Er deutete auf die einzelnen Buchstaben und nannte sie. Ein Matrose rief den Schreiber. Er wandte sich dem Rufer zu und hob die Hand mit den Tafeln.

Er reichte dem Jungen den Stab.

„Hier, übe. Ich muss weitermachen.“

Während der Junge mit dem Stab die Zeichen nachschrieb, klappte der Schreiber die Tafel wieder auf und notierte die ausgeladenen Tafeln. Nach einiger Zeit sah der Junge auf, bemerkte den hohen Sonnenstand, bedankte sich beim Schreiber und lief den Weg hinauf zur Hütte. Er stürzte in das Haus, wo seine Mutter das Essen bereitete.

„Mutter...!“, begann er. „Ich habe den Schreiber gesprochen und er hat mir Zeichen gezeigt! Schau mal!“

Er nahm den Stock und zeichnete vor dem Eingang ungelenk Zeichen in den...

Erscheint lt. Verlag 11.9.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Lyrik / Dramatik Lyrik / Gedichte
Schlagworte Anregungen zum Nachdenken • Aphorismen • Belletristik • Gedankensplitter • Kurzgeschichten
ISBN-10 3-7597-1123-5 / 3759711235
ISBN-13 978-3-7597-1123-6 / 9783759711236
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