Sie werden dich töten (eBook)
382 Seiten
tredition (Verlag)
978-3-384-30371-4 (ISBN)
Mein Name ist Berkan Arslan, Jahrgang 1965, geboren in Istanbul. Ich lebe seit 1971 in Bremen, bin verheiratet und habe zwei Töchter. Ich begann Mitte zwanzig mit dem Schreiben. 2016 beschloss ich dann, meine Arbeiten zu veröffentlichen. 2018 erschien 'Die Angst der Gejagten'. 'Sie werden dich töten' und 'Rettet Nora!', die durch Infinity Gaze Studios publiziert wurden, folgten. Mein letzter Roman ist 'Ich bin Lisa' - ein Thriller, auf den ich mich ganz besonders freue.
Mein Name ist Berkan Arslan, Jahrgang 1965, geboren in Istanbul. Ich lebe seit 1971 in Bremen, bin verheiratet und habe zwei Töchter. Ich begann Mitte zwanzig mit dem Schreiben. 2016 beschloss ich dann, meine Arbeiten zu veröffentlichen. 2018 erschien "Die Angst der Gejagten". "Sie werden dich töten" und "Rettet Nora!", die durch Infinity Gaze Studios publiziert wurden, folgten. Mein letzter Roman ist "Ich bin Lisa" - ein Thriller, auf den ich mich ganz besonders freue.
Kapitel 1
„Seit vier Monaten keinerlei Reaktion“, erklärte Martin Moosbach, Stationsarzt im Zentralkrankenhaus. Er zeigte ein bekümmertes Gesicht, als täte es ihm unsagbar leid, dass er nicht helfen konnte. „Ich weiß, wie furchtbar das klingt“, setzte er fort. „Aber es ist nur noch ein vergebliches Hoffen auf ein Wunder, verstehen Sie? Selbst wenn er aufwachen sollte, was ich nicht annehme, würde er kein normales Leben mehr führen können. Er würde nur noch vor sich hinvegetieren und auf Betreuung rund um die Uhr angewiesen sein. Er würde nicht mal mehr wissen, wer er ist oder wer er war.“
„Hören Sie auf, verdammt!“, knirschte Kadinski. Ein 1.95m großer, muskelbepackter Hüne mit strohblondem Haar. Er hatte seinen massigen Körper gegen die Tür gelehnt, als wenn er den Mediziner daran hindern wollte, durch diese zu verschwinden. Seine grünblau gesprenkelten Augen funkelten zornig. Es fehlte nicht allzu viel, bis er seine riesigen Pranken ausfuhr, um den dürren Hals seines Gegenübers zu ergreifen. „Sie dürfen ihn nicht sterben lassen!“, setzte er energisch nach. „Selbst dann nicht, wenn er nie mehr derselbe sein würde, der er war. Sie haben nicht das Recht dazu.“
„Hier geht es nicht um Recht oder Unrecht“, entgegnete Moosbach. Er hatte gerade zwei unsichere Schritte Richtung Tür gesetzt. „Sondern darum, dass keine Hoffnung mehr besteht. Vier Monate, das ist eine sehr lange Zeit, meinen Sie nicht auch?“
„Es sind keine vier Monate!“, widersprach Kadinski laut. Er war sich sicher, dass, wenn er jetzt Schwäche zeigte oder nur geringfügig nachgab, alle seine bisherigen Kämpfe, die er gegen die zahlreichen Bestimmungen des Krankenhauses ausgefochten hatte, für die Katz gewesen wären. Aber er war noch nicht bereit aufzugeben. Er hatte in den vergangenen Monaten so viel zusätzliche Energie aufbringen müssen, dass er an manchen Tagen das Gefühl hatte, zusammenzubrechen. Und jetzt, wo seine Kämpfer-Mentalität am dringendsten benötigt wurde und man sich auf ihn verließ, durfte er nicht einfach alles hinschmeißen. Dass er resignierte und aufgab, weil er am Ende war, würde ihm eh keiner glauben. Schon gar nicht sein bester Freund, um den es hier ging; um den es in den vergangenen Monaten ausschließlich ging. Er sah sich gezwungen, durchzuhalten, bis es vorbei war. Obwohl er nicht wusste, wann das sein würde. Natürlich konnte er sagen: In Ordnung, machen Sie es, ziehen Sie den Stecker raus! Das wäre der einfachste Weg, womöglich für alle Beteiligten. Aber das hätte auch bedeutet, dass er zuließ, dass man seinen Freund tötete, vor seinen Augen. Wie hätte er anschließend in seinen Alltag zurückkehren können, immerzu mit diesem grässlichen Wissen in seinem Hinterkopf, dass er letztendlich hinnahm, dass eine ganze Familie ausgelöscht wurde? Und Julia, seine Frau. Ihm war klar, dass diese Entscheidung, falls sie jemals ausgesprochen werden sollte, sie zu Grunde richten würde. Er hatte sie vor seinem geistigen Auge. Drei Köpfe kleiner, zart, sanft. Ihre kleinen Hände auf ihre Hüftknochen gestützt. Tränen, Trauer, Verständnislosigkeit, aber auch maßloser Zorn in ihren wunderschönen Augen.
„Gott Verfluchter, polnischer Bastard, wie konntest du nur!“
„Geben Sie bitte die Tür frei“, verlangte Moosbach, womit er Kadinski in die Gegenwart zurückholte.
„Ich sagte, es sind keine vier Monate!“, wiederholte er mit finsterer Stimme, ohne von seinem Standort abzurücken.
„Ich habe es vernommen“, gab der Mediziner zurück. „In einer Woche wären wir dann soweit. Lassen Sie mich Ihnen sagen, dass Sie mit Ihrem rebellischen Verhalten nicht viel erreichen werden“, erklärte er. Er hatte zuvor kurz innegehalten und sich gefragt, wie viel Fortkommen er wohl damit ernten würde.
„Es gibt Richtlinien für Fälle wie diese. Und wir sind gezwungen, uns an diese zu halten. Überreaktionen, tiefgreifende Emotionen können wir uns dabei nicht leisten, weil die Dinge, die sich aus jahrelanger Erfahrung und Wissen entwickelt haben und für uns richtungweisend sind, in einer Sackgasse enden würden. Und das wäre, weder für den Patienten, noch für den reibungslosen Ablauf in unserem Haus von Vorteil. Ich bitte Sie ernsthaft, uns keine unnötigen Schwierigkeiten zu machen. Jeder von uns möchte tadellose Arbeit präsentieren. Das können wir natürlich nur dann, wenn man uns gewähren lässt.“
„Wenn Sie tadellose Arbeit abliefern wollen, dann dürfen Sie auch nicht zulassen, dass er stirbt!“, betonte Kadinski auch jetzt ziemlich schroff.
„Ich habe es nicht mehr in meiner Hand“, gestand Moosbach. „Wenn ich hierzu die nötige Macht besäße, glauben Sie mir, hätte ich ihn wachgerüttelt und ihn dann nach Hause geschickt. Bedauerlicherweise gibt es Dinge, die wir, weder Sie, noch ich, trotz unseres guten Willens und unserer Fortschrittlichkeit, nicht beeinflussen können. Diese Tatsache habe ich bereits vor Jahren akzeptieren müssen, und fühlte mich in der Folgezeit sehr kränklich. Auch wenn es Ihnen in diesem Augenblick äußerst schwerfällt und es Ihnen schmerzvollen Kummer bereitet, sollten Sie dennoch Einsicht zeigen.“
Kadinski schwieg, wobei sein breites Gesicht einen seltsamen Ausdruck zeigte. Als hätte er Angst, etwas Falsches zu tun, das er später bereuen würde. Schließlich gab er seine Beharrlichkeit auf und bewegte sich, wenn auch zögerlich, zur Seite.
„Denken Sie über meine Worte nach“, empfahl ihm Moosbach. Er war inzwischen auf den Korridor getreten. „Und Sie werden erkennen, dass ich recht habe, mit dem, was ich sagte – und, dass ich keine herzlose Ratte bin, die nur ihr berufliches Abschneiden vor Augen hat. Das Leben ist eine verlogene Schlampe, mein Herr. Sie verspricht uns den Himmel auf Erden und im nächsten Augenblick tritt sie uns in den Hintern. Wissen Sie, was das Schlimme dabei ist? Dass wir gezwungen sind, den Weg zu gehen, den sie uns vorgibt und wir keine Möglichkeit haben, uns davonzustehlen.“
Moosbach war gegangen, als Kadinski sich gegen die Wand neben der Tür lehnte. Plötzlich registrierte er, wie kraftlos er doch war. Dazu kam, dass seine Füße geschwollen waren, sodass sie schmerzhaft kribbelten. Er stieß sich von der Wand ab. Näherte sich dem Stuhl, der am Kopfende des Bettes, in dem sein Freund lag, stand. Sein steifer Rücken veranlasste, dass er ein tiefes Stöhnen ausstieß, als er sich langsam niederließ. Ohne Frage, er wurde älter. Obwohl er noch zahlreiche Jahre vor sich hatte, freute er sich auf den Tag, an dem man ihn in Pension schickte. Seine Frau machte sich jedes Mal lustig über ihn, wenn er dieses Thema anschnitt.
„Es dauert nicht mehr lange und ich muss dir wohl lange Wollunterhosen besorgen“, hatte sie letztens gemeint. „Am besten eine mit einem Eingriff, damit der alte Mann seine Schnecke rechtzeitig herausbekommt, wenn er pinkeln muss.“
An anderen Tagen hätte er über solche oder ähnliche Sprüche Julias gelächelt. Dieses Mal jedoch nicht. In ihm war etwas, das periodisch seine Gedärme attackierte, wodurch er keine Ruhe fand. Hoffentlich hatte er keine Fehler gemacht, indem er dem Drängen Moosbachs nicht konsequenter entgegengewirkt hatte und sich zum Schluss wankelmütig verhielt, als würde er schon bald einknicken.
„Aber du weißt, dass ich bis zum letzten Atemzug um dich kämpfen werde, nicht wahr?“, sagte er. Sein Blick auf das magere, blasse Gesicht vor ihm gerichtet. Das blonde Haar, das man dem Liegenden vor der Operation abrasiert hatte, war wieder gewachsen. Auch die Eintrittsstelle auf seiner rechten Stirnseite, die die Kugel verursacht hatte, hatte sich komplett geschlossen. Lediglich eine kreisförmige Vertiefung wies auf die Geschehnisse hin, die ausschließlich Trauer und Schmerzen ausgelöst hatten. Längst vergessen geglaubte Erinnerungen kehrten zurück.
Kadinski wusste noch, wie sie sich zum ersten Mal begegneten. Es war an einem Montagmorgen gewesen.
Er hatte hinter seinem Schreibtisch gesessen, als Stahlberg zu ihm kam. Die Hände lässig in die Hosentaschen eingegraben. „Sag mal, guter Mann, wie kommt man in dieser Abteilung am schnellsten nach oben?“
Es war Stahlbergs erster Arbeitstag gewesen. Er hatte der Drogenfahndung den Rücken gekehrt und war bei der erst kürzlich ins Leben gerufenen Abteilung für die Sonderfälle eingestiegen. Kadinski lächelte. Auch deshalb, weil es ihm einfiel, dass es an diesem Julitag höllisch heiß gewesen war. Bereits um zehn Uhr vormittags hatte die Sonne einem das Hirn nahezu weichgekocht. Selbst an so einem Tag, trug Stahlberg ein weißes Hemd mit langen Ärmeln und eine Krawatte. Versnobter Lackaffe, hatten Kadinskis Gedanken damals gelautet und er hatte dem Frischling erklärt: „Aus der Tür raus, rechts halten, dann die Treppe nach oben. Du kannst natürlich auch den Fahrstuhl benutzen.“
Er wusste noch, dass Stahlberg daraufhin säuerlich reagiert hatte.
„Sehr witzig, wirklich!“, hatte er geknirscht.
„Du hast gefragt und ich habe dir, so freundlich wie ich bin, den Weg beschrieben“, hatte Kadinski ungerührt geantwortet. Und gleich im nächsten Atemzug hatte er versucht, den scheinbar übereifrigen jungen Mann auf die richtige Fährte zu lenken: „Heute ist dein erster Tag, und du willst wissen, wie du nach oben kommst? Bleibt erst einmal auf dem Teppich, ja? Mach langsamer, immer kleine Schritte. Zeig uns allen, was du draufhast, wie du tickst. Was sind deine Stärken oder Schwächen.“
„Habe ich nicht, ich meine, Schwächen.“
Verdammtes Großmaul!
Stahlberg hatte Schwächen, hatte Kadinski später erfahren. Zudem war er ein wenig großspurig, manches Mal voreilig und...
Erscheint lt. Verlag | 26.7.2024 |
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Verlagsort | Ahrensburg |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror |
Schlagworte | Alkohol • Freundschaft • Kampf • Leid • Liebe • Mord • Rache • Sehnsucht • Selbstmordgedanken • Tod • Trauer • Trauer Thriller |
ISBN-10 | 3-384-30371-7 / 3384303717 |
ISBN-13 | 978-3-384-30371-4 / 9783384303714 |
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Größe: 3,1 MB
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