G. F. Unger Western-Bestseller 2688 (eBook)
64 Seiten
Bastei Lübbe (Verlag)
978-3-7517-6919-8 (ISBN)
Es ist an einem Nachmittag, als die Younger-Bande von Osten her über die Hügel kommt und am Rande des Tals die Pferde zügelt.
Ed Clelly, der schon während des Krieges mit Kevin Younger für den Süden als Guerilla ritt, deutet hinunter und erklärt den Reitern: »Der Fluss und die Stadt heißen beide Wild River. Wenn die Stadt größer wäre, würde sie vermutlich Wild River City heißen. Aber noch ist sie so klein, dass wir sie sicherlich ohne Schwierigkeiten übernehmen können. Seht euch den Fluss an. Er kommt von Norden her aus dem Washakie-Needle-Land und ist auf fast hundert Meilen nirgendwo passierbar - nur dort unten bei dieser kleinen Stadt. Versteht ihr? Wenn wir uns auf der Westseite des Flusses festsetzen, ist der Weg zu uns nur an dieser Stelle des Flusses und durch die Stadt möglich. Wenn uns die Stadt gehört, sind wir sicher. So einfach wäre das.«
Kevin Younger, ihr Anführer, fragt ruhig: »Und drüben? Was ist drüben? Du warst doch auch drüben, Ed - oder?«
»Sicher«, erwidert Ed Clelly, »ich habe mich nicht einfach auf das verlassen, was mir der alte Bergläufer bei einer Flasche Feuerwasser über ein Land erzählte, in dem Geächtete sicher sein würden. Ich bin hinübergeritten und habe mich zwei Wochen lang umgesehen. Und es ist alles so, wie ich es euch berichtete. Ein paar Schafzüchter, einige Minen - sonst ist da nichts, was uns behindern könnte. Wir werden dort drüben einen weiten Schatten werfen. Und der Wild River schützt uns vor allen Verfolgern. Sie können nur durch diese Stadt zur einzigen Furt.«
Treck der Harten
Die Armee-Forts längs des Bozeman Trails mussten damals nach dem Krieg zwischen den Nord- und Südstaaten mit all den notwendigen Frachtgütern versorgt werden.
Die Armee selbst konnte das nicht bewerkstelligen. Ihr fehlten die erfahrenen Frachtfahrer, die mit den Maultier- oder Ochsengespannen umgehen konnten, welche oft zehn- oder zwölfspännig die schweren Murphy-Frachtwagen zogen, die oft noch kleinere Anhänger hatten.
Also nahm die Armee ganze Frachtwagenzüge unter Vertrag.
Die Fahrer und Maultiertreiber dieser langen Wagenschlangen waren die härtesten Exemplare der männlichen Gattung. Sie alle waren mehr oder weniger primitive Burschen, doch wahrscheinlich konnte nur diese Sorte das harte Leben ertragen, also frieren, in der Sonne rösten, Alkalistaub fressen und mit Maultieren oder Ochsen leben.
Ohne diese Sorte wäre die Armee in ihren Forts und Stützpunkten verhungert und der Westen und Nordwesten nicht erobert worden.
Und wahrscheinlich wäre auch der Völkermord an den Indianern nicht so schnell vorangegangen.
Lance Hackett und Reece Nelson waren die Eigner und Bosse eines solchen Wagenzuges. Und sie waren noch härter als ihre Fahrer.
Und dann war da auch noch der Revolvermann Henry Fisher ...
Als Lance Hackett auf dem Kamm der langen Hügelkette seinen Rappwallach anhält, da hat er weiten Blick über die wellige Ebene bis zum Laramie River.
Das Fort mit der Siedlung, die nur einen Steinwurf weit von den Palisaden entstand, liegt auf der anderen Seite des Flusses. Er kann erkennen, dass der kleine Ort im vergangenen Jahr gewachsen ist und fast schon eine kleine Stadt wurde.
Doch das war nur im Schutz des Forts möglich.
Lance Hackett versucht zu erkennen, wie der Wasserstand des Laramie River ist, den der Wagenzug durchfurten muss.
Der Wagenzug gehört ihm zur Hälfte, denn er hat einen gleichberechtigten Partner. Reece Nelson und er, Lance Hackett, sind Freunde, gewissermaßen Blutsbrüder.
Auf die noch große Entfernung kann Lance Hackett den Wasserstand der Furt noch nicht abschätzen. Und so beschließt er, dem Wagenzug vorauszureiten.
Doch zuvor will er Reece Nelson vom Hügelkamm aus ein Zeichen geben. Und so zieht er den Rappwallach herum und blickt nach Südosten zurück, wo die trockenen und staubigen Ebenen von Nebraska liegen, deren Alkalistaub sie auf den endlosen Meilen fraßen, die sie nun hinter sich wissen.
Denn der Wagenzug kommt vom Omaha, wo er von den Dampfbooten des Missouri die Ladung übernahm, und er weiß, dass ohne diese Fracht das Fort nicht existieren könnte. Es würde dort bald alles fehlen, vom Hufhagel bis zum Läusepulver.
Er blickt hinunter auf die meilenlange Wagenschlange, spürt dabei ein Gefühl des Stolzes. Bis zum letzten Wagen kann er die meilenlange Schlange überblicken.
Es sind siebenundfünfzig schwere Murphy-Schoner mit etwas kleineren Anhängern, also eigentlich einhundertundvierzehn Wagen. Und jeder Doppelwagen wird von einem Zwölfergespann gezogen, von je zwölf starken und zähen Maultieren also. Mit den Reservetieren gehören fast achthundert Maultiere und einige Dutzend Pferde zu dem Wagenzug.
Zwei Dutzend Begleitreiter schützen den Zug.
Diese Reiter sind überall rings um die lange Wagenschlange unterwegs und wechseln mehrmals am Tag ihre Sattelpferde.
Das Land hier in Wyoming ist nicht so trocken und staubig wie in Nebraska. Deshalb wirbelt der Wagenzug nicht viel Staub auf. Es hat auch am Vortag noch geregnet. Das Wasser steht zwar nicht mehr in den Furchen des Bozeman Trails, aber das Land ist noch nicht wieder völlig trocken geworden vom Wind und der Sonne.
Lance Hackett sieht Reece Nelson nun vom Ende der Wagenschlange nach vorn geritten kommen. Er wird sich einmal mehr bewusst, dass sie sich fast wie Brüder gleichen. Nur der texanische Sichelbart, den Reece trägt, unterscheidet sie, denn er – Lance Hackett – rasiert sich stets sorgfältig, leistet sich bewusst diesen besonderen Luxus unterwegs auf dem staubigen Bozeman Trail.
Ja, sie sind beide groß und trotz ihres schlanken Wuchses schwergewichtig.
Und das Leben hat sie hart gemacht. Längst verloren sie auf ihren Wegen den Glauben an die Welt und das Vertrauen zu den Menschen und begriffen irgendwann, dass die Guten nur überleben können, wenn sie von den Harten vor den Bösen beschützt werden.
Die dunklen Linien von Lance Hackett verändern sich. Auf seinem bisher hart geschlossenen Mund erscheint der Hauch eines Lächelns, als er Reece Nelson zuwinkt, denn dieser ist nun nahe genug an die Hügelkette herangekommen und reitet neben dem ersten Wagen, sodass er Lance auf dem Hügelkamm gut erkennen kann. Reece winkt zurück, gibt damit zu erkennen, dass er begriffen hat, was Lance will.
Und so zieht Letzterer seinen Wallach herum und reitet hinunter.
Bis zur Furt des Laramie River sind es noch fast zwei Meilen.
Als Reece Hackett unten auf der Ebene ist, muss er zwischen einigen Felsen hindurch, die wie eine graue, versteinerte Elefantenherde anmuten, die schon Jahrtausende der Erosion trotzen konnte. Denn es sind Granitfelsen.
Als er sie durchritten hat und wieder freie Sicht bekommt, sieht er vor sich eine uralte Burreiche und erkennt im Schatten der weit ausladenden Äste den Reiter, der dort ruhig im Sattel sitzt, eine Zigarette raucht und offenbar mit der Geduld eines Jägers auf ihn gewartet hat.
Lance reitet nur noch ein kurzes Stück vorwärts und hält dann an. Denn sein Instinkt für Unheil und Gefahr warnt ihn stark genug.
Der Reiter kommt aus dem Schatten der mächtigen Eiche herausgeritten. Da die Sonne zu dieser Tageszeit hoch am Himmel steht, wird keiner der beiden Reiter von ihr geblendet. Deshalb können sie sich gründlich betrachten, als sie ein Dutzend Yards voneinander getrennt verhalten.
Reece sieht einen Mann, der ihn ebenfalls hart betrachtet und der ihn an einen hageren Wolf aus der Apachenwüste denken lässt.
Der schmallippige Mund des Mannes wird noch schmaler. Seine Lippen wirken wie eine Messernarbe.
Der Mann spricht endlich: »Ich bin Jennison, Burt Jennison. Wenn ich Sie abschieße, bekomme ich tausend Dollar. So einfach ist das. Doch ich töte nicht aus dem Hinterhalt. Deshalb haben Sie eine Chance, Lance Hackett.«
»Sie kennen mich, Jennison?«
»Wer kennt Sie nicht, Hackett? Und wenn ich Sie im Duell besiegt habe, werde ich auch Ihren Partner Reece Nelson stellen. Ich sagte es schon vorhin, es ist alles ganz einfach zu verstehen.«
Als er verstummt, da schüttelt Lance Hackett leicht den Kopf.
»Nein, ich verstehe es nicht, noch nicht. Aber wenn Sie mir schon so offen mit Ihrem ganzen Revolverstolz entgegentreten, dann erklären Sie es mir. Wer will unseren Tod und zahlt dafür tausend Dollar Abschussprämie?«
Der breite, schmallippige Mund von Jennison verzieht sich ein wenig: »Ich sagte es doch schon, Hackett. Es ist einfach zu begreifen. Wenn dieser Wagenzug herrenlos wird, will die Bank in Omaha ihr Geld zurück, das Sie als Kredit für den Wareneinkauf bekamen. Meine Auftraggeber springen dann ein, und die Bank wird verdammt froh sein, erstklassige Schuldner zu finden. Oder glauben Sie, dass einer von Ihren Maultiertreibern an Ihre Stelle treten könnte?«
»Nein«, erwidert Hackett ruhig: »Es ist wirklich alles ganz einfach. Und wer sind Ihre Auftraggeber?«
»Aaah, das ist ein ganzer Trust, also eine Vereinigung von Unternehmen, die das Ziel haben, einen entstehenden Markt zu monopolisieren, also allein zu beherrschen. Er hat schon die Schifffahrt auf dem Missouri unter Kontrolle. Und nun geht es um die Versorgung des ganzen Landes bis hinauf zur kanadischen Grenze. Muss ich Ihnen noch mehr erklären?«
Hackett schüttelt stumm den Kopf.
Dann aber spricht er: »Und Sie glauben, dass Sie mich im fairen Duell schlagen und somit Ihre Revolverehre behalten könnten?«
»So ist es, Lance Hackett. Ich werde Sie schlagen. Im fairen Duell. Denn nur so kann ich Sie töten. Oder wollen Sie kneifen?«
Lance Hackett erwidert nicht gleich. Er lauscht erst tief in sich hinein, wo der Kern seines Wesens liegt und der Zorn, aber auch sanftere Gefühle geboren werden. Und da spürt er den aufsteigenden Zorn und weiß, dass es dagegen kein Ankämpfen geben kann.
Langsam spricht er: »Jennison, ich war vor dem Krieg daheim in Texas ein Revolvermann wie Sie. Aber nach dem Krieg schlug ich einen anderen Weg ein. Ich warne Sie.«
Aber Jennison schüttelt stumm den Kopf und sitzt mit einer geschmeidigen Bewegung ab, tritt dann drei Schritte seitwärts von seinem Pferd weg und wartet dann.
Und so seufzt Lance Hackett bitter und sitzt ebenfalls ab.
Sie stehen sich nun gegenüber und rücken ihre Revolverholster mit den schweren Waffen zurecht, verharren etwas breitbeinig stehend und sehen sich eine Weile schweigend an.
Dann spricht Jennison: »Wenn Sie bereit sind, Hackett, dann ziehen wir beim nächsten Falkenschrei am Himmel.«
»Einverstanden, Jennison.«
Sie müssen dann eine Weile angespannt und lauernd warten. Denn die Falken am Himmel stoßen eine ganze Minute keine Pfiffe aus.
Dann aber passiert es jäh und fast unerwartet.
Die...
Erscheint lt. Verlag | 31.8.2024 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror |
Literatur ► Romane / Erzählungen | |
Schlagworte | 2017 • 2018 • Abenteuer-Roman • alfred-bekker • Bestseller • bud-spencer • buffalo-bill • Cassidy • Chaco • clint-eastwood • Country • Cowboy • Deutsch • e Book • eBook • E-Book • e books • eBooks • Erwachsene • Exklusiv • für • GF • g f barner • Indianer • jack-slade • Jugend • Karl May • kelter-verlag • Kindle • Klassiker • Krimi • Laredo • larry-lash • Lassiter • lucky-luke • Männer • martin-wachter • pete-hackett • peter-dubina • Reihe • Ringo • Roman-Heft • Serie • sonder-edition • Western • Western-roman • Wilder Westen • Wilder-Westen • Winnetou • Wyatt Earp • Wyatt-Earp |
ISBN-10 | 3-7517-6919-6 / 3751769196 |
ISBN-13 | 978-3-7517-6919-8 / 9783751769198 |
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