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Wisteria (eBook)

Die Rebellion

(Autor)

eBook Download: EPUB
2024 | 2. Auflage
336 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7583-3526-6 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Wisteria -  Emrys Serry
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Das Königreich Eastwood wird von einem unfairen und machtgierigen Herrscher regiert, der seine eigenen Bedürfnisse über das Wohlergehen seines Volks stellt. Eine Untergrundorganisation bestehend aus Partisaninnen versucht gegen dieses Regime vorzugehen, indem es gezielt Adlige und andere Mitglieder der sozialen Oberschicht aus dem Weg räumt. Lou ist eine dieser Partisaninnen. Jahrelang befolgte sie die Befehle ihrer Anführerin, doch eines Tages weigert sie sich, ein Ziel auszuschalten und wird damit selbst zur Zielscheibe. Auf ihrer Flucht wird sie von anderen Partisaninnen gejagt und kann nur knapp entkommen, doch sie begegnet im angrenzenden Königreich anderen, die ihr von den wahren Absichten der Untergrundorganisation erzählen. Lou schöpft Verdacht, dass nichts so ist, wie es zu sein scheint, und plant nun einen Anschlag auf den König höchstpersönlich, um Eastwood endlich von seinem Leid zu befreien. Sie ahnt nicht, dass der König nicht allein dafür verantwortlich ist, was im Königreich geschieht.

Emrys Serry wurde 2004 in der Schweiz geboren. Von Literatur fasziniert, entschied sie sich, Germanistik und Anglistik an der Universität in Bern (Schweiz) zu studieren. Bevor sie das Studium aufnahm, beschloss sie jedoch, sich selbst an einem Roman zu versuchen. Aus dem Bedürfnis, sozialpolitische Themen zu diskutieren, entstand die «Wisteria» - Dilogie.

EINS


Nachdem ich meine dunkelbraunen, struppigen Haare zu einem Zopf geflochten und mir schnell ein dünnes Leinenkleid übergeworfen hatte, trat ich aus der Tür, wo schon meine frisch polierten Stiefel auf mich warteten. Während des Gehens zog ich das weiche Ziegenleder über meine Füsse und hielt nur kurz zum Zusammenbinden der Schnürung an. Als ich um die Kurve ging, liess ich meine Hand über die kalte Steinmauer streifen. Das Höhlengewölbe, in welchem wir lebten, wurde nur von Kerzen und kleinen Öffnungen in der Mauer beleuchtet. Gerade als ich um die letzte Ecke bog, kam mir eine schlanke, blonde Frau entgegen. Obwohl ich sie sicherlich schon über hundertmal gesehen hatte, blieb mir bei ihrem Anblick noch immer die Luft weg. Sie war wunderschön. Ihr Gesicht sah aus, als ob sie in meinem Alter war. Mir war klar, dass sie schon die Hälfte ihres Lebens hinter sich haben musste, doch dieser Gedanke entschlüpfte meinem Gedächtnis immer wieder. Hier im Dunkeln schienen ihre Haare hellbraun oder sogar blond zu sein, aber manchmal, wenn wir draussen trainierten, sah es fast so aus, als ob ihr Haar dunkler wurde. Die Farbe schien sich jeden Tag zu verändern und ich weiss nicht warum, aber es faszinierte mich.

«Wisteria. Ich habe mir schon Sorgen gemacht, dass du mich heute versetzt.» Obwohl ich «Wisteria» nicht als meinen Namen anerkennen wollte, antwortete ich darauf.

«Es gab ein paar kleine Schwierigkeiten, welche jedoch ohne Komplikationen beseitigt werden konnten.», sagte ich hastig und drehte während dem Gehen den Kopf, damit mein geschwollenes Kinn nicht zu viel Aufmerksamkeit auf sich zog.

«Ich musste ein Säuberungsteam hinschicken, weil du der Zielperson … ein Körperteil abgetrennt hast. Das Beseitigen der Blutflecke hat Stunden gedauert.» Ach ja, da war ja noch was.

«Kommt nicht wieder vor.» Ich wollte nicht noch mehr Zeit damit verschwenden, über meinen beschämenden Auftrag zu sprechen, also bog ich bei der nächsten Ecke in Richtung Ausgang ab.

«Ich war noch nicht fertig.», klang die Stimme mir hinterher und hallte noch bis zum Ende des Gangs weiter. Ich drehte den Kopf ein wenig, um zu signalisieren, dass ich zuhörte.

«Ist alles in Ordnung?» Mein Kinn pochte, als ich mit den Zähnen knirschte. Ich antwortete nicht. Dafür würde ich zwar ein andermal noch Probleme bekommen, aber sicherlich nicht, wenn die Hälfte der Höhlenbewohner sich hinter der nächsten Kurve versteckte und lauschte. Es kam nicht oft vor, dass ein Auftrag schiefging. Normalerweise waren wir immer zuverlässig. Sonst wären wir sicherlich schon aufgeflogen und hingerichtet worden. Unsere Arbeit konnte nicht gerade als ehrenhaft oder aufrichtig bezeichnet werden, obwohl wir versuchten, das Leben in Eastwood zu erleichtern, den Menschen mehr Freiheit zu geben.

«Erzählst du mir, was passiert ist?» Sie würde nicht Ruhe geben, das hatte sie noch nie, doch ich schwieg.

«Oder muss ich dich zuerst daran erinnern, dass das ein Befehl ist?» Dieser mütterliche Ton schickte einen kalten Schauer durch meine Wirbelsäule. Ich wusste, dass sie sich um ihre Mädchen sorgte, aber je mehr sie nachhakte, desto stärker wurde mir bewusst, dass wir keine Möglichkeit hatten, Geheimnisse zu haben.

«Ich musste den Notfallplan einleiten, weil eine Person aufgetaucht ist, mit der ich nicht gerechnet hatte.», sagte ich seufzend.

«Wenn das alles ist, wie ist dann das Glied des Beraters verschwunden?» Gute Frage. Nur ist sie unnötig, weil glasklar war, wie das passiert war. Als ich keine Anstalten mache, den Vorfall zu erklären, fixieren mich zwei ungeduldige Augen. Ich verschränkte die Arme wie ein trotziges Kind und liess meinen Kopf seufzend nach hinten fallen.

«Ich habe mich vom Moment mitreissen lassen.» Mir war bewusst, dass das eine schlechte Antwort war, denn ich durfte auf keinen Fall die Nerven verlieren. Das hatte man uns jahrelang eingebläut, doch ich stolperte in letzter Zeit immer wieder in emotionale Verwicklungen hinein. Ich fühlte, wie ein fragender Blick auf meiner Schulter lastete und wehrte mich gegen das Gewicht, doch es gelang mir nicht, das unwohle Gefühl abzuschütteln.

«Ich hätte besseres von dir erwartet, Wisteria.» Schon wieder dieser bescheuerte Name. Die anderen Anschuldigungen meines kindischen Verhaltens blendete ich aus, bis endlich wieder Stille einkehrte. Nachdem sie mit ihrem Vortrag fertig war, setzte ich mich erneut in Bewegung, doch schon nach kurzer Zeit wurde ich erneut aufgehalten. Mir entschlüpfte noch ein Seufzer, doch beim Anblick von Daphnes ernster Miene wurde mir eiskalt.

«Weisst du, was all unsere Decknamen gemeinsam haben?» Eine dramatische Pause folgte, um das, was gesagt werden würde, deutlicher zu machen. Selbstverständlich wusste ich, was unsere Namen bedeuteten. Es waren nicht unsere echten Namen, aber sie wurden uns gegeben und es wurde von uns erwartet, dass wir sie akzeptierten. So wie wir unser neues Leben akzeptieren sollten. Ich hatte mich noch nie sonderlich für Regeln interessiert, obwohl ich immer so tat, als ob sie mir am Herzen lagen.

«Es sind giftige Pflanzen, hauptsächlich Blumen. Wunderschön und tödlich zugleich. Zurzeit bist du nur eines davon.» Ich musste meine Hände vom Zittern abhalten, damit sie keinen Verdacht schöpfte. Wenn Daphne nur erahnen konnte, was ich vorhatte. Schon bald würde sie mich los sein, und zwar für immer.

«Ich ermahne dich ein letztes Mal daran, was du bist.» Was; nicht wer, sondern was. Nun war ich also nicht einmal mehr ein Mensch. Möglicherweise war ich es noch nie gewesen.

«Dein Name ist nicht Rose oder Daisy oder Poppy. Dein Name ist Wisteria. Also benimm dich auch so, wie dein Name es dir vorgibt. Ich werde dich nicht noch einmal warnen. Ich habe diese Rebellion gebildet, um unserem Land zu helfen. Wir sind eine Truppe, eine Familie und durch dein Verhalten gefährdest du diese Familie. Du weisst, dass ich das nicht zulassen kann.» Eine weitere Warnung würde ich nicht brauchen. Es kam nicht oft vor, dass Daphne ihre Position mit solch einer Rede demonstrierte, aber wenn es vorkam, dann wusste man, dass es ernst gemeint war. Obwohl ich diese Truppe nicht als Familie wahrnahm, hatte sie recht. Daphne hatte mich gerettet und aufgenommen. Sie hatte mir auf merkwürdige Weise ihre Aufmerksamkeit und Liebe geschenkt.

«Lass dich auf der Krankenstation von Ely untersuchen.» Mein mittlerweile wahrscheinlich blau verfärbtes Kinn blieb doch nicht unbemerkt. Der rasante Themenwechsel brachte mich kurz aus der Fassung, doch ich fing mich schnell wieder und realisierte, dass das Letzte, was ich wollte, ein Besuch auf der Krankenstation war. Besonders, wenn gerade das ganze Höhlengewölbe von meinem Versagen erfahren hatte.

«Unnötig. Mir geht’s gut.», antwortete ich knapp und lief schnell weiter, bevor ich noch ein drittes Mal aufgehalten werden konnte. Ich lief so schnell, dass man meinen konnte, ich würde nie mehr zurückkehren.

Warum sollte man Menschen mit ihrem Namen ansprechen? Besonders, wenn sie ihn nicht einmal selbst auswählen konnten. Namen waren nur Scheinheiligkeiten, die anderen Menschen ein falsches Bild über die Persönlichkeit vermittelten. Wenn man den Namen einer Person kannte, dann machte man sich nicht mehr die Mühe, einander kennenzulernen, weil man schon seine Schlüsse gezogen hatte. Jedenfalls in meiner Welt. Dazu kam noch der Titel einer Person, der weitaus mehr Einfluss auf die Meinung anderer hatte. Wenn man Lord vor seinem Namen stehen hatte, dann war man grundsätzlich schon mehr wert als das gemeine Volk. Wenn man Berater des Königs war, dann war man zwar nicht so viel wert wie ein Lord, aber immer noch mehr als das Volk. Und dann gab es noch den König. Dagegen waren wir nur Soldaten und Arbeitskräfte. Selbstverständlich war auch er wichtiger als das Volk. Im Grunde war in Eastwood jeder besser als das gemeine Volk. Dann gab es noch uns andere. Wir, die uns gegen dieses System zu wehren versuchten und dabei verdrängten, dass wir nichts anderes machten als der König und seine Gefolgschaft. Wir töteten irgendwelche Leute, die scheinbar dem System schadeten. So lange, bis alle Problemquellen ausgeschaltet waren und wir so leben konnten, wie wir es wollten. Aber unsere Aufgabe würde niemals erfüllt sein. Es würde immer neue Herrscher geben, die das bisherige System weiterführten.

«Was machst du da?» Ich drehte meinen Kopf um und blickte in zwei wunderschöne, eisblaue Augen.

«Nichts», erwiderte ich und schaute wieder auf den spiegelglatten See vor mir.

«Daphne macht sich Sorgen um dich. Du gibst es zwar nicht zu, aber du hast ziemlich etwas abbekommen.» Das hatte ich, aber das war noch lange kein Grund, um wie ein Schwächling auf die Krankenstation zu rennen und mich zu beklagen. In diesem Königreich wurde man als Frau nicht anständig behandelt; das mussten einige unter uns endlich akzeptieren. Genau das war es, wogegen ich zu kämpfen versuchte, aber ich hatte mich schon lange dazu entschieden,...

Erscheint lt. Verlag 29.7.2024
Reihe/Serie Wisteria
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Fantasy / Science Fiction Fantasy
Schlagworte Abenteuer • Lovestory • Low Fantasy • Pseudohistorische Fantasy • Young Adult
ISBN-10 3-7583-3526-4 / 3758335264
ISBN-13 978-3-7583-3526-6 / 9783758335266
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