Born to sing (eBook)
176 Seiten
Kampa Verlag
978-3-311-70517-8 (ISBN)
Martin Scholz, arbeitet nach Stationen bei der Frankfurter Rundschau und der Berliner Zeitung seit 2013 bei der Welt am Sonntag. Im Kampa Verlag sind von ihm Salon-Bände mit den Rolling Stones und mit Sting erschienen: Rocking and Rolling. 60 Jahre Bandgeschichte in Gesprächen und Message in a book. Ein Porträt in Gesprächen.
Martin Scholz, arbeitet nach Stationen bei der Frankfurter Rundschau und der Berliner Zeitung seit 2013 bei der Welt am Sonntag. Im Kampa Verlag sind von ihm Salon-Bände mit den Rolling Stones und mit Sting erschienen: Rocking and Rolling. 60 Jahre Bandgeschichte in Gesprächen und Message in a book. Ein Porträt in Gesprächen.
»So etwas kann man nicht lernen, man macht es einfach.«
Im Gespräch mit einem schwedischen Interviewer, 1975
Könnten Sie uns ein wenig über Asbury Park und die E Street erzählen?
Kennen Sie Küstenorte mit Kanälen? Uferpromenaden, cruisende Schlitten? So ist es da. Ein kleiner Ferienort, der seine besten Jahre hinter sich hat und in den vor allem ältere Leute kommen, die nicht genug Geld für die Fahrt in die größeren Küstenorte weiter südlich haben. Es ist okay dort, ich mochte es und habe längere Zeit da gelebt. Die E Street ist einfach eine Straße … in der der Pianist meiner ersten beiden Alben, Davey Sancious, damals wohnte. Wir haben die Band einfach nach der Straße benannt.
Was für Musik haben Sie in Ihrer Jugend und als Sie anfingen, in kleinen Bands zu spielen, gehört?
Zu der Zeit hörte ich alles, was die Mittelwellensender spielten. Es gab damals zwar noch kein UKW-Radio, aber es lief sehr gute Musik. In den frühen Sechzigern, als ich anfing, Musik zu machen … Elvis war damals groß, die Ronettes, die ganzen [Phil] Spector-Sachen und die Girlgroups aus New York, die waren für mich ziemlich wichtig. Die Ronettes, die Shirelles, die Crystals, die Chiffons, die brachten zu der Zeit eine Menge guter Musik raus. Und dann kam das große England-Ding, die Beatles, die Stones, Manfred Mann … Auf den MW konnte man gute Musik hören, bis etwa 1967, als sich der UKW-Rundfunk verbreitete und anfing, längere Stücke zu spielen, und damit das Ende der wirklich guten Drei-Minuten-Single einläutete. Geprägt hat mich also vor allem die Musik, die zwischen 1959 und 1965 im MW-Radio lief. Später habe ich dann die frühen fünfziger Jahre für mich entdeckt. Irgendwann gab es hier dann dieses große San-Francisco-Ding, damit hatte ich aber nicht viel zu tun. Meine musikalische Prägung war da im Wesentlichen schon abgeschlossen: Roy Orbison, die großen englischen Singles-Bands, die Girlgroups aus New York. Chuck Berry natürlich – die Klassiker.
Sie haben ziemlich jung angefangen, Musik zu machen. Wo sind Sie aufgetreten?
Überall. Highschool-Bälle, Bars, Hochzeiten. Ich weiß noch, wie ich mal die ganze Nacht aufgeblieben bin, um »Moon River« zu lernen, weil die Braut sich das Lied gewünscht hatte – »Moon River«! (Lacht.) So was haben wir eigentlich nicht gespielt, aber wir brauchten das Geld. Mein erster echter Auftritt war in einem Trailerpark, irgendwo auf dem Land. Es war Herbst, vor Leuten aus einem Trailerpark. In Schweden gibt es keine Trailerparks? Das sind mobile homes, Wohnanhänger, die man mit dem Auto zieht. Wissen Sie, in Amerika zieht jeder ständig um. Man parkt diese mobile homes dann in eigenen Siedlungen, eben Trailerparks. Dort lebt dann aber auch ein bestimmter Typ von Leuten. Da haben wir also gespielt, zusammen mit einer Countryband, bestehend aus einem Akkordeonspieler, einem Bassisten, einem Gitarristen und einer jungen Frau, die auf einem Hocker stand und in eines dieser riesigen RCA/Victor-Mikrophone sang, wie in einem dieser alten Shirley Temple-Filme … Dann kamen wir auf die Bühne und haben »Twist and Shout« und Songs von Ray Charles und Chuck Berry gespielt. Die Leute sind komplett durchgedreht … und wir haben an dem Tag ungefähr acht Stunden lang gespielt. Ich weiß noch, dass wir mittags angefangen und bis acht oder neun gespielt haben, bis wir aufhören mussten. Das war einer meiner ersten Auftritte.
Ich habe alles gemacht. Ich habe auf einem FeuerwehrBall gespielt, wo sie keine Ahnung hatten, was für eine Band sie da gebucht hatten, und dann sind wir hin und haben sie vom Hocker gehauen. Einmal auch bei den Pfadfindern, Highschool-Bälle, Clubs, alles, wir haben überall gespielt. In psychiatrischen Kliniken für die Patienten – überall.
Wer waren die anderen Musiker der Band? Waren das alles Leute, die Sie noch aus der Jugend kannten?
Miami Steve kannte ich, seit ich etwa fünfzehn war. Steve und ich hatten zuletzt jeder seine eigene Band. In meine jetzige Band habe ich ihn erst vor ein paar Monaten geholt, er hatte davor in allen meinen Bands gespielt. Es hat sich gut angefühlt, ihn wieder dabeizuhaben. Garry kenne ich seit etwa fünf Jahren, auch er war mit mir in anderen Bands. Danny kenne ich schon seit sechs oder sieben Jahren. Clarence habe ich vor etwa drei oder vier Jahren kennengelernt. Die meisten von ihnen sind Musiker aus der Gegend, außer Max und Roy. Roy kommt aus Long Island und Max aus North Jersey – was nicht als unsere Gegend gilt. (Lacht.) Dazu gehört deine Stadt und vielleicht noch ein Radius von zehn Meilen. North Jersey ist eine ganz andere Musikszene als die, in der ich lebe – es ist dort viel kommerzieller, eher wie New York.
Wenn Sie alle aus derselben Gegend kommen, fühlen Sie sich vermutlich auch durch ähnliche Interessen, Assoziationen und Witze verbunden?
Eigentlich nicht, nein; wir sind alle sehr verschieden. Wir haben ganz Unterschiedliches durchgemacht, sind unterschiedlich alt, haben unterschiedliche Erfahrungen. Aber wir harmonieren sehr gut, weil alle wissen, dass wir da eine ziemlich gute Sache am Laufen haben. Und es sind alles gute Jungs, unkomplizierte nette Typen, es läuft einfach sehr rund im Moment. Zu einem gewissen Grad stimmt es schon, alle kennen New Jersey – wenn man die Jungs aus der eigenen Gegend dabeihat, ist das schon unbezahlbar. Ich würde keinen von ihnen durch egal wen auf der Welt ersetzen wollen. Zum einen natürlich, weil es großartige Musiker sind, zum anderen aber eben auch, weil es noch diese zusätzliche Verbindung gibt.
Ich und Steve haben zum Beispiel diesen Rap für »E Street Shuffle« geschrieben, und genau so war es auch. Wir saßen um drei Uhr morgens an einem Tisch in einem Club und haben davon geträumt, dass irgendwann der Tag kommen würde, an dem wir Platten machen können. Das war die Hauptsache. Ich kenne Steve, seit er fünfzehn ist, und seitdem haben wir über nichts anderes geredet, wir wollten einfach nur eine Platte machen. Wir haben uns gefragt, was das Problem ist, wir sind so gut wie die und so gut wie die, warum haben wir keinen Plattenvertrag? Was ist da los? Neulich waren wir dann im Auto unterwegs, hier in der Gegend, und alle waren ganz aufgeregt: Es war so weit, unsere Musik wurde im Radio gespielt. Wir sind immer in diesem alten Van rumgebrettert, ich und Steve, die Ostküste rauf und runter, nach Virginia und Atlanta, in die verschiedensten Städte, und der verdammte Van blieb ständig liegen … und jetzt liefen wir im Radio. Ich habe nur »Steve« gesagt, und er: »Ja!« Und ich: »Es ist so weit! Erinnerst du dich an die zahllosen Städte, in die wir mit dem Van gefahren sind und wie wir immer gesagt haben: ›Wenn es so weit ist, wenn es endlich so weit ist …‹« – und dann musste ich die ganze Zeit denken: Es ist so weit. Steve ging es auch so. Aber ich würde das nie als selbstverständlich ansehen, nicht eine Sekunde. So wie gestern Abend, das Publikum in diesem vollen Saal, das würde ich nie als selbstverständlich ansehen. Auf jeden Abend wie gestern kommen hundert andere, an denen wir in irgendwelchen kleinen Bars in Jersey gespielt haben und niemand da war.
Was haben Ihre Familie und Ihre Lehrer in den ersten Jahren davon gehalten, als Sie in Bars Gitarre spielten?
Sie haben es natürlich gehasst. Meine Mutter … Mütter sind halt Mütter. Meine wollte hinter mir stehen und mich mein Ding machen lassen. Mein Vater hasste es und wollte, dass ich aufhöre. Er war immer dagegen. Er wollte, dass ich Anwalt werde, irgendwas Wichtiges, Arzt.
Festes Einkommen. Aber ich war ein trotziges und starkes Kind und machte, was ich wollte – ich dachte einfach, ich schaffe das schon irgendwie. Sie sind dann irgendwann weggezogen, und wenig später ging es richtig los.
Sie haben über Ihre Einflüsse gesprochen; wie sehr sehen Sie sich von R&B und lateinamerikanischen Songs beeinflusst?
Ich bin, glaube ich, ein Typ, der alles, was er hört, irgendwie in sich aufnimmt. Ich suche nicht groß rum, ich suche nicht nach bestimmten Sachen. Ich bin kein großer Plattensammler, ich kenne mich nicht gut aus mit den alten R&B-Musikern. Aber was ich höre, nehme ich sehr schnell in mich auf und nutze es direkt so, wie es für mich passt. Auf die ganzen Stax- und Atlantic-Sachen stehe ich sehr. Wilson Pickett, Sam Cooke, Sam and Dave, Eddie Floyd, [Booker T. &] the M.G.’s, Steve Cropper … also ja, die Band steht mit dem, was sie macht, immer wieder in der Tradition dieser Rhythm & Blues-Bands, vor allem aber darin, wie ich meine Band einsetze. Wenn Sie sich Otis Redding beim Monterey Pop Festival anschauen, wie er seine Band einsetzt; wie James Brown seine Band einsetzt – die meisten guten Bandleader waren Leader von Soulbands. Das liegt daran, dass weiße Typen oft dazu neigen, ein bisschen zu schlampig und zu faul zu sein; sie denken offenbar, es gehöre irgendwie zu ihrer Rolle, es nicht so genau zu nehmen, keine Ahnung. Die besten Bandleader der letzten zehn, zwanzig Jahre waren, nach allem, was ich mitbekommen habe, die Leader von Soulbands. Sie halten ihre Bands auf Zack, und so mache ich es auch. Ich mache andere Musik, stehe damit aber in deren Tradition … Keiner kann das besser als Soulmusiker. Wie Sam und Dave, James Brown. James Brown ist ein großes Idol, was das angeht … er schnippt mit dem Finger, und die...
Erscheint lt. Verlag | 17.9.2024 |
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Reihe/Serie | Kampa Salon |
Übersetzer | Georg Deggerich, Cornelius Reiber |
Verlagsort | Zürich |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Biografien / Erfahrungsberichte |
Schlagworte | Amerika • Geburtstag • Jubiläum • Rockmusik • USA |
ISBN-10 | 3-311-70517-3 / 3311705173 |
ISBN-13 | 978-3-311-70517-8 / 9783311705178 |
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