Nicht aus der Schweiz? Besuchen Sie lehmanns.de

Ava liebt noch (eBook)

Roman | Der ungewöhnlichste und schönste Liebesroman des Jahres

(Autor)

eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
304 Seiten
Ullstein (Verlag)
978-3-8437-3234-5 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Ava liebt noch -  Vera Zischke
Systemvoraussetzungen
17,99 inkl. MwSt
(CHF 17,55)
Der eBook-Verkauf erfolgt durch die Lehmanns Media GmbH (Berlin) zum Preis in Euro inkl. MwSt.
  • Download sofort lieferbar
  • Zahlungsarten anzeigen
»Ich bin gerade mal 43 Jahre alt, die letzten zwölf davon war ich eingefroren.«  Mutter werden und Frau bleiben. Über den Spruch kann Ava nur lachen. Ihr Leben wird schon seit Jahren komplett von der Familie bestimmt. Jetzt ist sie dreiundvierzig, das erste ihrer drei Kinder kommt in die Pubertät und ihr Mann macht Karriere. Und Ava? Funktioniert wie auf Autopilot. Als sie den neunzehn Jahre jüngeren Kieran kennenlernt, stürzt sie sich gegen alle Vernunft in eine Affäre. Zum ersten Mal seit langer Zeit erkennt sie die Frau wieder, die sie einmal war. Aber die heile Familie für ihr eigenes Glück opfern? Die Kinder dem Tratsch in der Kleinstadt aussetzen? Das kann Ava nicht. Und doch, die Liebe zu Kieran ist echt und die Sehnsucht nach Freiheit immer noch da.

Vera Zischke ist 1980 im Rheinland geboren und ausgebildete Journalistin. Nach vielen Jahren als Reporterin war sie sich sicher, dass ihr nichts Menschliches mehr fremd ist. Doch dann bekam sie drei Kinder und realisierte: Der Spaß hat erst begonnen. Auf Instagram schreibt sie als @verazischke unter anderem gegen das überzogene Mutterideal an. Sie lebt im Ruhrgebiet und ist noch immer Zeitungsredakteurin. Ava liebt noch ist ihr Debütroman.

Vera Zischke ist 1980 im Rheinland geboren und ausgebildete Journalistin. Nach vielen Jahren als Reporterin war sie sich sicher, dass ihr nichts Menschliches mehr fremd ist. Doch dann bekam sie drei Kinder und realisierte: Der Spaß hat erst begonnen. Auf Instagram schreibt sie als @schreiberlogik unter anderem gegen das überzogene Mutterideal an. Sie lebt im Ruhrgebiet und ist noch immer Zeitungsredakteurin. Ava liebt noch ist ihr Debütroman.

1
Endlose Kreise


Es ist ein Donnerstag im Mai, als ich merke, dass ich noch am Leben bin. Ich stehe am Babysachen-Regal, weil ich Windeln brauche. Eigentlich gehöre ich gar nicht mehr in diese Ecke des Supermarkts, aber mein Jüngster ist auch mit fünf Jahren nachts noch nicht trocken. Die Windel ist jeden Morgen so voll, dass sie sich wächsern anfühlt. Sie ist ein Sinnbild für alles, was mir an meinem Leben nicht passt. Es läuft nichts direkt schief, es geht einfach nur nicht weiter.

Ich spüre ein leichtes Bedauern, als ich den Mann in dem Supermarkt-Shirt bitte, zur Seite zu treten, damit ich mir eine Großpackung aus dem Regal ziehen kann. Eine Frau, die Windeln kauft, ist für einen Mann unsichtbar. Erst recht für einen wie ihn.

Er sieht aus, wie ich mir Adonis zu seinen besten Zeiten vorstelle: jung, schön, eine Silhouette, die man in Marmor meißeln möchte. Unter seinem T-Shirt zeichnen sich kräftige Schultern ab. Ich weiß nicht, ob mir jemals die Muskeln eines Mannes unter seiner Kleidung aufgefallen sind, aber seine kommen mir vor wie eine Erinnerung daran, dass es so etwas überhaupt gibt: schöne Männer, junge Männer. Frauen, die sich für Männer interessieren.

Dreh dich um, denke ich, und er tut es. Er ist vielleicht Mitte zwanzig, und alles an ihm wirkt so unbekümmert, so mühelos, seine Augen himmelblau. Mit zwanzig hätte ich mich Hals über Kopf in ihn verliebt und mich nie getraut, es zuzugeben. Nicht bei einem wie ihm. Und jetzt stehe ich in Leggings und XXL-Pullover an einem Windelregal vor ihm und werde vor seinen Augen verschwinden. Weil eine Frau wie ich für einen Mann wie ihn nicht existiert.

»Das sind andere«, sagt er.

»Was?«

»Diese Windeln.« Er deutet auf die Packung in meiner Hand. »Die sind anders. Zum Hochziehen.«

»Sie kennen sich mit Windeln aus?«

Er lacht, als fände er den Gedanken genauso abwegig wie ich. »Eben hat sich eine Kundin beschwert, dass es keine normalen Windeln mehr gibt. Es sind wohl die falschen geliefert worden. Ich sag’s nur, damit Sie sich nicht ärgern.«

Er sieht mich aufmerksam an, als würde es ihn ernsthaft interessieren, was ich über den Windel-Vorfall denke. Ich will nicht mit ihm über so ein Thema reden. Ich will nicht, dass er mich für eine Expertin auf diesem Gebiet hält. Ich überlege, ob ich mich als Au-pair ausgeben soll, das für eine fremde Familie einkauft. Aber wie viele dreiundvierzig Jahre alte Au-pairs kann es geben?

»Ach, das ist doch nicht wichtig.« Meine Hand macht eine alberne Abwärtsbewegung.

»Na, dann.« Adonis dreht sich um und schiebt Breigläschen ins Regal. Ich beiße mir in die Wangentasche und merke es erst, als es wehtut.

»Ich meine, vielen Dank. Das ist wirklich sehr nett von Ihnen.« Nett. Das schlimmste Kompliment von allen. Wann bin ich so eine Niete in Small Talk geworden? Vermutlich, seit ich Kinder erziehe und versuche, in kurzen Hauptsätzen zu reden. Verständlich. Unmissverständlich. Unspektakulär.

Ich betrachte seinen Rücken, diese Furche, die zwischen seinen Schultern entsteht, wenn er die Breigläschen vom Palettenwagen hebt. Ich möchte mit dem Finger daran entlangfahren.

»Schon gut«, sagt er.

Auf dem Weg zur Kasse reibt der Stoff auf meiner Haut, kitzeln die Haare in meinem Nacken. Ich spüre noch dem Kribbeln nach, als ich bereits an der Kasse stehe. Die Hitze pulsiert noch in meinen Wangen, als ich die Einkäufe ins Auto räume. Selbst als ich in der Küche stehe, kehrt die Erinnerung an die Begegnung zu mir zurück. Als Bild vor meinem inneren Auge und als Gefühl auf meiner Haut.

»Hey, wofür koche ich eigentlich?« Ich nehme Nico im Vorbeilaufen die Packung mit den Cornflakes ab, die er heimlich ins Wohnzimmer vor den Fernseher schleppen will.

»Ich hab Hunger«, mault er.

»Halbe Stunde, dann ist das Essen fertig«, rufe ich dem Rücken meines Fünfjährigen hinterher und kann spüren, wie er Grimassen schneidet.

Die Spülmaschine. Da war ich gerade. Ich ziehe die Besteckablage raus. Links sind die Gabeln aufgereiht, dahinter Servierbesteck. Rechts die Messer und die Löffel. Erst die großen, dann die kleinen. Ja, ich habe eine Ordnung in der Besteckablage meiner Spülmaschine, an die ich mich penibel halte. Ungefähr dreimal am Tag räume ich Sauberes aus und Schmutziges ein. Und ich sortiere mein Besteck nur deshalb so gewissenhaft, damit es schnell geht. Denn ich hasse es, die Spülmaschine auszuräumen.

Alles in diesem Haus ist ein Kreislauf ohne Anfang und ohne Ende. Es ist nie aufgeräumt, es ist nie sauber, es ist nie etwas erledigt. Schmutziges rein, Sauberes raus und wieder von vorn. Und jetzt stehe ich vor dem grauen Spülmaschinenkorb und habe das Gefühl, unendlich viel Lebenszeit in dieser Maschine wegzuwaschen. Wenn ich noch ein einziges Mal diese Spülmaschine ausräume, zerfalle ich zu Staub, denke ich. Ich kann es vor mir sehen, wie mein Körper sich in Partikel zersetzt, wie alles in Bewegung gerät, erst noch seine Form behält und dann in der Luft verwirbelt. Ich kann förmlich spüren, wie ich in winzigen Einzelteilen zu Boden sinke. Dann fange ich an. Die Gabeln zuerst.

»Scheiße!«

Mia reißt die Arme hoch und rückt mit dem Stuhl nach hinten. Sie hat ihren Orangensaft umgeschmissen. Klebriges Gelb läuft übers Schulheft und tropft auf den Boden.

»Mensch, Mia, du bist doch kein Baby mehr.« Ich schiebe meine Zwölfjährige mit der Hüfte beiseite und tupfe mit dem Spüllappen das Heft ab. Morgen werden die Seiten dick und wellig sein und sauer riechen. »Das ist hin!« Ich halte eine Hand unter das Papier, das gelb-nass vor sich hin tropft.

»Lass mich!« Meine Große rupft ein paar Küchentücher ab und tapeziert den Tisch damit. Dann setzt sie sich wieder hin, ohne einmal zu ihrem Tischnachbarn zu blicken.

Ich bereue sofort, dass ich geschimpft habe. Rufus ist zum ersten Mal bei uns. Nur wegen Mathe, hat Mia gesagt. Weil sie da noch Nachholbedarf hat. Ich hätte sie auch gleich vor seinen Augen nackt ausziehen können. Das wäre nur ein kleines bisschen peinlicher gewesen, als sie vor ihm zurechtzuweisen.

Lana kommt nahezu lautlos in die Küche geschlichen und holt sich etwas zu trinken. »Schön, dich mal wieder zu sehen«, sage ich, und das ist natürlich auch falsch, denn sie zieht die Oberlippe hoch und erwidert nichts. Lana ist zehn und verbringt die Tage neuerdings auf ihrem Zimmer. Manchmal habe ich bis zum Abend vielleicht drei Sätze mit ihr gesprochen. Ralf meint, dass ich sie stärker ins Familienleben einbinden soll. Wie immer überschätzt er meinen Einfluss maßlos.

»Was gibt’s zum Essen?« Sie nuschelt neuerdings. Ich kneife die Augen zusammen, als könnte ich dann besser hören. Bloß nicht nachfragen, dann kommt garantiert nichts mehr. Die Pubertät beginnt heute fünf Jahre früher.

Im Kühlschrank starrt mir der Reis von gestern entgegen. In dem Moment fällt mir ein, dass seit dem Morgen eine Ladung weiße Wäsche in der Maschine darauf wartet, in den Trockner verfrachtet zu werden. Ich habe sie komplett aus meinem Gedächtnis gestrichen, jetzt kann ich sie noch mal waschen. Und dabei denke ich nur an eins, immer und immer wieder: Ich bin für dieses Hausfrauendasein nicht geschaffen. Mein Kopf kann hundert Seiten im Speed-Reading-Verfahren in zehn Minuten durchscannen, aber ich kann mir nicht merken, dass ich eine Maschine Wäsche angeschmissen habe. Ich kann es einfach nicht. Mir fällt schwer, was doch eigentlich nicht schwer ist, was doch jeder machen kann, was alle anderen doch auch schaffen. Warum war mir nicht vorher klar, dass das Leben einer dreifachen Mutter in erster Linie das einer Haushälterin ist?

»Ich mache Nudeln«, sage ich und lasse die Tür vom Kühlschrank zufallen, ohne mir auch nur eine einzige Zutat gemerkt zu haben. Ich weiß nur, dass ich heute nichts mehr schälen werde, nichts fein raspeln, nichts auf irgendeinen Garpunkt bringen oder auf allen Platten kochen.

Lana verschwindet wortlos Richtung Treppe wie ein Geist.

»Rufus, willst du mitessen?«

Er winkt ab. »Kann ich Sie mal was fragen?«

Ich nicke und hoffe, dass er nichts über Mathematik von mir wissen will.

»Was ist Ihr Lieblingsfilm?«

»Mein was?« Ich blicke auf meine Finger, die mich seit Neuestem an die meiner Mutter erinnern. »Das müsste …« Ich überlege kurz, Dirty Dancing zu sagen, finde es aber albern, einen Film zu nennen, den ich seit fünfzehn Jahren nicht mehr gesehen habe. Mein letzter Kinofilm handelte von Hundewelpen auf einer Rettungsmission.

Welches Buch habe ich zuletzt gelesen? Welches Lied hat mich zuletzt berührt? Ich krame in meinem Kopf und finde nichts. Ich bin dreiundvierzig und weiß nichts über mich. Als wäre ich mit der Geburt meines ersten Kindes eingefroren. Und jetzt, wo meine Älteste zwölf, die Mittlere zehn und mein Jüngster fünf ist, taue ich wieder auf, ohne zu wissen, wer mein dreiundvierzigjähriges Ich überhaupt ist. Wer bin ich geworden in all der Zeit?

Die Begegnung mit dem...

Erscheint lt. Verlag 1.8.2024
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 40+ • Affäre • Ältere Frau jüngerer Mann • Befreiung • Beziehung • Beziehungsalter Unterschied • Care Arbeit • Emanzipation • Emotional • Empowerment • Familie • Familienroman neu • Geschenk Freundin • Krankheit • Krebs • Krise • Lebensmitte • Mental Load • Neuanfang • romantisch • Selbstfindung • Tabubruch • Ungewöhnliche Liebesgeschichte
ISBN-10 3-8437-3234-5 / 3843732345
ISBN-13 978-3-8437-3234-5 / 9783843732345
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
EPUBEPUB (Wasserzeichen)
Größe: 2,8 MB

DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasser­zeichen und ist damit für Sie persona­lisiert. Bei einer missbräuch­lichen Weiter­gabe des eBooks an Dritte ist eine Rück­ver­folgung an die Quelle möglich.

Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belle­tristik und Sach­büchern. Der Fließ­text wird dynamisch an die Display- und Schrift­größe ange­passt. Auch für mobile Lese­geräte ist EPUB daher gut geeignet.

Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise

Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.

Mehr entdecken
aus dem Bereich
Roman

von T.C. Boyle

eBook Download (2023)
Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG
CHF 20,50