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Das Weingut am Gardasee (eBook)

Eine Familiensaga

(Autor)

eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
368 Seiten
OKTOPUS by Kampa (Verlag)
978-3-311-70551-2 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Das Weingut am Gardasee -  Julia Bruns
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Viel ist es nicht, was dem Steinsetzer Biagio Macre zum Leben bleibt. Zumeist sind die Mägen leer in seinem bescheidenen Haus am Rand des kleinen Ortes Lonato oberhalb vom Gardasee. Immerhin drei der Töchter sind zufriedenstellend verheiratet - nur um die Zukunft seiner Jüngsten, bei deren Geburt die Mutter starb, sorgt sich Biagio. Ist es um Lucia, immerhin das schönste Mädchen im Dorf, wirklich so übel bestellt, dass sich in ganz Italien kein Heiratskandidat finden lässt? Auch Antonino Grazioli hätte mit seinen vierundzwanzig Jahren den elterlichen Hof lange verlassen sollen. Aber wohin gehen, wenn nichts auf einen wartet? Wenngleich es vor den Toren der Stadt nur eine Handvoll Bauernhöfe gibt, braucht es eine List der Frauen von Lonato, damit sich Lucias und Antoninos Wege kreuzen und sie ihr Glück finden - bis Antonino 1915 in den Krieg ziehen muss. Als der italienische Staat 1917 ein Dekret erlässt, nach dem die Soldaten aus der Armee entlassen werden, die bereit sind, einen Bauernhof zu pachten, nimmt die resolute Lucia ihr Schicksal selbst in die Hand: Antonino will Kühe halten und Getreide anbauen, Lucia jedoch träumt von einem Weingut - es wäre das erste der Region ...

Julia Bruns, geboren 1975 in einem Dorf in Thüringen, studierte Politikwissenschaft, Soziologie und Psychologie in Jena. Nach ihrer Promotion im Fach Politikwissenschaft arbeitete sie viele Jahre als Redenschreiberin und in der Öffentlichkeitsarbeit. Heute schreibt sie Romane, überwiegend Krimis, die in ihrer thüringischen Heimat, an der Ostsee, aber auch am Comer See oder in Amalfi spielen, und vertreibt sich ihre Freizeit mit Sport, Spaziergängen und dem Kochen leckerer Marmeladen. Julia Bruns lebt im Siegerland und in Thüringen.

Julia Bruns, geboren 1975 in einem Dorf in Thüringen, studierte Politikwissenschaft, Soziologie und Psychologie in Jena. Nach ihrer Promotion im Fach Politikwissenschaft arbeitete sie viele Jahre als Redenschreiberin und in der Öffentlichkeitsarbeit. Heute schreibt sie Romane, überwiegend Krimis, die in ihrer thüringischen Heimat, an der Ostsee, aber auch am Comer See oder in Amalfi spielen, und vertreibt sich ihre Freizeit mit Sport, Spaziergängen und dem Kochen leckerer Marmeladen. Julia Bruns lebt im Siegerland und in Thüringen.

Prolog Cantina Grazioli, 1986


Der Tanaro war zwei Tage blutrot.«

»Sie haben den Wein in den Fluss gekippt?« Rosa konnte es nicht glauben. »Onkel Fulvio, bist du sicher?«

Fulvio bejahte, ganz in Gedanken vertieft. »Das gepanschte Gesöff. Ja. Irgendwo müssen sie es ja loswerden. Filippo hat es gesehen. Er sagt, es wären mehr Fernsehteams und Fotografen dort gewesen als bei der Wahl von Papst Johannes Paul II

Rosas besorgter Blick fiel auf Bisnonna Lucia. Die leeren Augen der Greisin ruhten irgendwo auf der gegenüberliegenden Wand. Jeden Tag, der verging, schien sie sich mehr und mehr von dieser Welt zu verabschieden. Manchmal wusste sie nicht einmal mehr, wer sie war. Gerade verspürte Rosa jedoch erstmals so etwas wie Erleichterung darüber. Wie düster die Wolken über dem Weingut Grazioli auch aufziehen würden, die geliebte Urgroßmutter durfte davon nichts erfahren.

Tante Valentina bekreuzigte sich. »Die ganze Welt wird sich über uns totlachen. Der italienische Wein, nichts weiter als Zucker, Leitungswasser, Rinderblut und billiger Alkohol.« Ein höhnisches Lächeln huschte über ihr Gesicht.

»Nicht über die Graziolis«, widersprach Fulvio seiner Frau kategorisch.

»Wann begreifst du endlich, dass die großen Zeiten der Graziolis vorbei sind, sollte es die jemals gegeben haben?« Valentina funkelte ihn aus bösen Augen an. »Das halbe Leben hat man sich krummgeackert. Für was, frage ich dich? Seit zwanzig Jahren fahre ich mit der schäbigen Karre umher, Rimini kenne ich nur von Postkarten … Und wenn die alte Röhre nicht durchgebrannt wäre, hätte ich heute noch keinen Farbfernseher.« Sie verschränkte die Arme vor der Brust. »Ich denke, es ist ein guter Zeitpunkt, das Weingut zu verkaufen. Womöglich wartet irgendwo ein Dummkopf, der uns noch ein paar Lire dafür gibt. Deine Söhne sind übrigens auch einverstanden.«

Fulvio trank schweigend seinen Kaffee.

»Papa Angelo würde sich im Grabe herumdrehen. Gut, dass er das nicht mehr erlebt«, sagte Elena leise. »Unser schöner Wein! Die, die das zu verantworten haben, sollten sich schämen.«

Rosa fasste nach der Hand ihrer Mutter und drückte sie fest.

Valentina verdrehte die Augen. »Beschwer dich in Brüssel«, sagte sie lapidar.

»Womöglich sollten wir das tun«, entgegnete Elena gleichmütig. »Immerhin wollen die auch nicht, dass das viele Geld, das sie in den Weinbau geben, einfach so versickert.«

»Es versickert! Jeden Tag, wenn du einen Fuß in den beschissenen Weingarten setzt, ist es schon weg«, echauffierte sich Valentina. »Wann begreift ihr endlich, dass Landwirtschaft keine Zukunft hat!«

»Valentina!«, herrschte Fulvio seine Frau an. »Wir haben Verantwortung. Die Familie. Das Weingut ist unser Auskommen. Vergiss das nicht!«

»In den Sechzigern haben wir es auch geschafft. In der Weinwirtschaft gibt es immer Krisen«, warf Elena fast schon rebellisch ein. »Außerdem ist unser Wein sauber. Das müssen wir nur jedem erzählen.«

Valentina lächelte gekünstelt, dann sprang sie auf. »Ihr seid naiv! Euer Weingut liegt doch nicht auf dem Mond. Wenn die in München den Fernseher anmachen, kriegen die italienische Weinbauern hinter schwedischen Gardinen vorgeführt. Dazu drei Vergiftete, eine Liste an Toten und Flüsse voller Wein. Womöglich legen die irgendwo noch ein paar verendete Fische auf den Tisch. Das ist ein Skandal von unermesslichem Ausmaß. Und ihr werdet in Sippenhaft genommen. Was denn auch sonst!«

»Wir wissen das alles«, entgegnete Fluvio kalt.

Valentina stutzte.

»Und wir werden kämpfen. Ganz so, wie wir es immer getan haben«, ergänzte Elena.

»Die Geschwister Elena und Fulvio Grazioli retten die italienische Weinwirtschaft. Ein Halleluja auf die ewig gestrigen Romantiker.« Wutschnaubend stürzte Valentina aus dem Zimmer.

»Auch wenn ich noch keine Ahnung habe, wie wir das überstehen sollen«, sagte Fulvio mit gedämpfter Stimme. »Vorhin hat unser wichtigster Großhändler aus Deutschland angerufen. Die Bestellung ist bis auf Weiteres storniert. Damit brechen langsam, aber sicher unsere Einnahmen weg.«

»Ich möchte in den Weinkeller«, sagte Lucia in das nun entstandene Schweigen hinein.

Fulvio schaute seine Großmutter aus müden, aber gütigen Augen an.

»Ich komme mit.« Rosa erhob sich eilig. Sie warf ihrer Mutter und ihrem Onkel einen fragenden Blick zu. Niemand schien etwas dagegen zu haben. Dann löste sie die Bremsen von Lucias Rollstuhl.

»In den richtigen«, sagte die Nonna beim Hinausfahren.

»Aber Nonna, da unten tummeln sich seit Jahren nur noch die Mäuse. Unser Wein liegt doch drüben, im Neubau.« Fulvio war nun ebenfalls aufgestanden.

»In den alten Schafstall der Familie Macre. Dort lagert der Wein«, widersprach Lucia erzürnt.

»Aber die Treppe … wie willst du?« Fulvio startete einen weiteren Versuch. Nachdem Lucia ihn nicht einmal ansah, ließ er es bleiben und gab sich geschlagen. Alte Leute und ihr Starrsinn.

Wenig später stand Rosa vor dem kleinen heruntergekommenen Haus. Es musste gut und gern zwanzig Jahre her sein, dass sie das letzte Mal hier gewesen war. Als Kind hatte es keinen besseren Ort für die Versteckspiele mit ihren Brüdern gegeben. Das ehemalige Wohnhaus ihrer Urgroßeltern lag etwas abseits vom Trubel des Weingutes und damit auch aus dem Sichtfeld ihrer Eltern. Irgendwann in den fünfziger Jahren hatte Nonno Angelo ein neues Haus gebaut, inklusive eines großen Wirtschaftsbereiches. Von da an war der alte Schafstall der Macres mehr und mehr als Abstellplatz für alles Mögliche verkommen, was man nicht mehr benötigte. Schließlich verfiel er zusehends. »Ich habe keinen Schlüssel«, sagte Rosa und betrachtete eine Eidechse, die es sich auf dem sonnigen Fensterbrett gemütlich gemacht hatte.

»Biagios Haus ist offen, schon immer«, entgegnete Lucia und quälte sich keuchend aus dem Rollstuhl. Mit zittrigen Beinen, Rosa stützte sie, überwand sie die beiden Stufen am Eingang. Die Tür knarzte, ließ sich aber ohne Probleme öffnen. Lucia lehnte zwischen Rosa und dem Türrahmen. Sie sah traurig aus. Rosa betrachtete die kleine, im Dunkeln liegende Küche. Ein vom Ruß der Jahrzehnte schwarz gefärbter Herd, eine schmale Bank, ein Tisch, zwei Stühle. Dass es mal einen Schrank gegeben hatte, verrieten nur die helleren Stellen, gegen die sich der Kalkputz abhob. Dafür türmten sich leere Weinkisten und allerlei Krimskrams in den Ecken. »Komm, weiter!«, sagte Lucia irgendwann.

Rosa erblickte die Kellerluke, die ihr als Kind wie der Eintritt in ein fürchterliches Verlies vorkommen war. Nicht ein einziges Mal war sie da unten gewesen, obwohl ihre Brüder sie sogar mit Bonbons gelockt hatten.

Lucia hatte sichtbar Mühe, ihre Füße über den staubigen Holzboden zu schieben. »Gib mir einen Stuhl, bitte«, sagte sie nach Luft ringend.

Rosa beeilte sich.

»Jetzt öffne die Klappe für mich«, bat Lucia.

Rosa tat auch das. Mit dem Aufnehmen der schmalen Brettertür stieg kühle, ein wenig feuchte Luft zu ihnen herauf. Lucias Brust entfuhr ein leiser Seufzer.

»In der hintersten Ecke im Keller, unter dem Regal, steht eine Holzkiste«, sagte Lucia schwerfällig und griff an die Kette um ihren Hals. Kraftlos zog sie das daran hängende Amulett unter ihrer Schürze hervor und hielt es ihrer Urenkelin entgegen. Rosa zögerte kurz. Dann fasste sie behutsam nach dem Anhänger, klappte das winzige Häkchen um und öffnete ihn. Ein vergilbtes und mit feinen Rissen übersätes Foto ihres Urgroßvaters Antonino erschien. Darauf lag ein Schlüssel. Sie schaute Lucia fragend an, doch die Bisnonna schien wieder weit weg zu sein. Mit einem mulmigen Gefühl im Bauch kletterte Rosa die schmale Stiege hinunter und suchte nach dem Lichtschalter. Schließlich fand sie ihn, und eine nackte an der Decke baumelnde Glühbirne begann zu glimmen. Der Raum war nicht halb so gruselig, wie sie sich ihn immer vorgestellt hatte. Vielleicht ein bisschen ekelig. Sie schlug mit den Händen die Spinnweben weg, um sie nicht ins Gesicht zu bekommen. Fast wäre sie gegen ein paar leere Weinflaschen getreten, die auf der Erde herumlagen. »Hier ist kein Regal mehr«, rief sie nach oben.

»Unter der Treppe. Ganz hinten«, hörte sie Lucias schwache Stimme.

Rosa drehte sich um. Irgendjemand hätte einmal die Glühbirne wechseln sollen. Heutzutage gab es welche, die wesentlich stärker waren. Mit zusammengekniffenen Augen und ausgestreckten Händen fand sie schließlich etwas, was sich wie ein Regal anfühlte. Sie hockte sich hin. Um sie herum lag nichts als Dunkelheit. Widerstrebend tastete sie über das klamme Erdreich unter dem Möbel. Es dauerte etwas, bis sie einen Gegenstand aus Holz zu fassen bekam. Das Teil war größer als vermutet und ließ sich nur äußerst schwer bewegen. Schließlich gelang es ihr, die Kiste unter den Lichtschein der Lampe zu schieben. Sie wischte mit ihrer Handfläche eine dicke Staubschicht weg. Das Holz wies hier und da ein paar Stockflecken auf, ansonsten schien es intakt. Der Schlüssel passte. Mit etwas Druck schnappte der Deckel auf.

»Das ist Wein«, rief sie zu Lucia hinauf. »Sechs Flaschen.« Sie nahm eine auf. Es war ein Barolo aus dem Jahr 1914. Ungläubig betrachtete sie das Etikett. Daneben lag noch einer. Auch von 1914. Cantine Volpi. Zwei weitere Flaschen stammten aus dem Jahr 1917. Die letzte jedoch trug die Jahreszahl 1890. Rosa verfügte über genug Sachverstand, um zu wissen, dass hier im Keller des alten Macre-Schafstalls ein Vermögen schlummerte. Eine ganze Weile hockte sie einfach nur so da und betrachtete den Schatz. Welche Katastrophe nun...

Erscheint lt. Verlag 10.10.2024
Reihe/Serie Die Weinfamilie Saottini
Verlagsort Zürich
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 20. Jahrhundert • Brecia • Erster Weltkrieg • Familie • Gardasee • Italien • Liebe • Maguzzano • Norditalien • Saga • Sage • Wein • Weinberg • Weingut • Winzer • zwanzigstes Jahrhunder
ISBN-10 3-311-70551-3 / 3311705513
ISBN-13 978-3-311-70551-2 / 9783311705512
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