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Trans-Atlantik (eBook)

eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
220 Seiten
Kampa Verlag
978-3-311-70514-7 (ISBN)
Systemvoraussetzungen
19,99 inkl. MwSt
(CHF 19,50)
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Als neuer Star der polnischen Literatur hat Witold Gombrowicz im Herbst 1939 die Ehre, an der Jungfernfahrt des Transatlantikliners Chobry nach Buenos Aires teilzunehmen. Einige Tage will er bleiben - es werden vierundzwanzig Jahre. Denn während seiner Überfahrt überfällt die deutsche Wehrmacht Polen. Bis hierhin stimmen Wirklichkeit und Handlung des Romans überein, in dem Gombrowicz die ersten Wochen nach seiner Ankunft in Argentinien verarbeitet. Ob die realen Erlebnisse weniger skurril, befremdlich und kurios gewesen sind als die Fiktion, die Gombrowicz daraus spinnt, vermag niemand zu sagen. Die hundert Dollar in Witolds Tasche - Protagonist und Autor tragen denselben Namen - werden nicht lange reichen, also wendet er sich an seine Landsleute vor Ort. Aber guter Rat ist teuer oder manchmal eben auch keinen Pfifferling wert: »Ich bin nicht so irrwitzig, dass ich in den heutigen Zeiten etwas meine oder nicht meine«, sagt Herr Cieciszowski, ein entfernter Bekannter. Der polnische Gesandte ist hin­ und hergerissen, ob die Diplomatie ihre Literaten im Krieg verehren oder beleidigen soll. Im Exil sieht sich der Schriftsteller einem hohlen, archaischen und grotesken Patriotismus gegenüber, von dem er gehofft hatte, ihn mit seiner Heimat hinter sich zu lassen. Und dann wird er in undurchsichtige Aktivitäten hineingezogen, die nach etlichen bizarren Wendungen auf ein Duell zusteuern. Transatlantik ist eine urkomische Parodie auf das Denken in Nationalismen und ein lustvolles Spiel mit dem Absurden und Paradoxen.

Witold Gombrowicz wurde 1904 als Sohn eines Landadeligen in Ma?oszyce in Polen geboren. 1915 übersiedelte die Familie nach Warschau, wo Gombrowicz nach Abschluss der Schule Jura studierte. Von 1928 bis 1934 arbeitete er an einem Warschauer Gericht, widmete sich jedoch bald ausschließlich der Literatur. 1933 veröffentlichte er den Erzählungsband Memoiren aus der Epoche des Reifens. 1938 erschien Ferdydurke und löste eine heftige literarische Debatte aus. Im Sommer 1939 wurde Gombrowicz auf einer Reise in Buenos Aires vom Ausbruch des Krieges überrascht. Er blieb 24 Jahre lang in Argentinien, das für ihn zur zweiten Heimat wurde. In dieser Zeit entstanden fast alle seine Werke, die ab 1950 auf Polnisch in Paris und später auch in Warschau veröffentlicht wurden. 1963 kehrte Gombrowicz nach Europa zurück. 1964 ließ er sich, mit Unterbrechung durch einen einjährigen Aufenthalt in Berlin, im französischen Vence nieder, wo er 1969 starb.

Witold Gombrowicz wurde 1904 als Sohn eines Landadeligen in Małoszyce in Polen geboren. 1915 übersiedelte die Familie nach Warschau, wo Gombrowicz nach Abschluss der Schule Jura studierte. Von 1928 bis 1934 arbeitete er an einem Warschauer Gericht, widmete sich jedoch bald ausschließlich der Literatur. 1933 veröffentlichte er den Erzählungsband Memoiren aus der Epoche des Reifens. 1938 erschien Ferdydurke und löste eine heftige literarische Debatte aus. Im Sommer 1939 wurde Gombrowicz auf einer Reise in Buenos Aires vom Ausbruch des Krieges überrascht. Er blieb 24 Jahre lang in Argentinien, das für ihn zur zweiten Heimat wurde. In dieser Zeit entstanden fast alle seine Werke, die ab 1950 auf Polnisch in Paris und später auch in Warschau veröffentlicht wurden. 1963 kehrte Gombrowicz nach Europa zurück. 1964 ließ er sich, mit Unterbrechung durch einen einjährigen Aufenthalt in Berlin, im französischen Vence nieder, wo er 1969 starb.

I »Haltet euer Gelächter zurück«


Vorwort zu den ersten in Kultura
abgedruckten Auszügen aus dem Roman


(1951)

Ich lebe jetzt in Argentinien. Es ist mir dort gelungen, meinen Roman Ferdydurke in spanischer Übersetzung zu veröffentlichen; dort ist auch, gleichfalls in spanischer Übersetzung, das Drama Die Trauung erschienen, das nach dem Krieg entstanden ist; dagegen ist auf polnisch von mir seit über zehn Jahren nichts herausgekommen.

Ich war, wenn ihr euch erinnert, immer ein »schwieriger« Autor und nur für besonders kulturerfahrene Leute zugänglich. Jedoch habe ich in der letzten Zeit die Gewohnheit angenommen, meine Werke mit Vorworten zu versehen, die auch dem weniger erfahrenen Leser ein Verhältnis zu meiner Literatur ermöglichen – und diese Methode erscheint mir überaus praktisch. In diesem Fall ist aber nun ein Vorwort besonders angezeigt, denn dieses neue Buch schneidet heikle Probleme an … ihr aber wisst nichts oder fast nichts von mir. In völliger Einsamkeit kämpfe ich mich durch das verworrene Dickicht der Kunst. Ich werde von keinem Lager, keiner Gruppe, keiner Propaganda unterstützt, und meine Schreibweise ist von der Art, die sich wahrlich nicht zur Unterstützung eignet, denn sie ist einerseits ziemlich »exzentrisch« und andererseits vielleicht ziemlich »unernst«, außerdem sogar reichlich »überraschend«, und zwar zumindest insofern, als sie keine getreue Kopie der allgemein anerkannten Schreibweisen darstellt. Aber Vorsicht! Ich würde euch raten, gut zu überlegen, bevor ihr mich gering schätzt, denn ich bin vielleicht kein so solides Phänomen wie eure Großdichter, aber immerhin ist meine Schriftstellerei bisher nicht abgestorben, vielmehr gewinnt sie auf ihrer Wanderung durch fremde Länder ihre Anhänger; deren Unterstützung ist heute ehrlich und aufrichtig, es sind Menschen von so beträchtlicher Qualität, dass ich mich sicher auf den Beinen fühlen kann, auch wenn ich keine Literaturpreise erhalte. Die Siege der wahrhaft anspruchsvollen Kunst, die ein wirklich schöpferischer Akt sein will, werden mit anderer Elle gemessen … und wenn ein solches andersartiges und eigentümliches Buch sich in der Literatur zu halten vermag, dann bedeutet das mehr und zieht tiefere Konsequenzen nach sich als der ganze Rummel der Massenproduktion. Und ganz gleich, ob meine »Kunst« dumm oder klug, geschickt oder ungeschickt oder sonst etwas ist, fest steht, dass in ihr etwas Eigenes und Unbestechliches, Entschiedenes und Scharfes ist, das nicht so leicht bagatellisiert werden kann.

Aber mir liegt nicht so sehr daran – in diesem Vorwort – eure Anerkennung für meine schriftstellerische Tätigkeit zu gewinnen, als daran, euch als Mensch etwas vertrauter und vertrauenswürdiger zu werden. Denn diejenigen, die mich nicht aufmerksam genug lesen oder für die meine Welt nicht klar genug ist, täuschen sich leicht über meine Person. Darum will ich hier, in dieser Einleitung, einfach mit euch sprechen und zeigen, dass ich vielleicht nicht ganz so verrückt bin, wie es scheinen mochte, und dass man mir nicht notwendigerweise gleich von Anfang an und auf der Stelle die trivialsten und ordinärsten Charaktermerkmale wie z.B. »Originalitätssucht«, »Pose« oder wahnsinnig struktive und anarchistische Neigungen nachsagen muss. Nicht einmal der aus biedersten und edelsinnigsten Antrieben entstandene Text hat Bestand, wenn er mit stumpfem Misstrauen, mit jener Tendenz zur trivialsten und plattesten Interpretation all dessen gelesen wird, was eine Daumesbreite vom Schema abweicht. Wenn wir uns an den unendlichen Schund auf allen Gebieten von Kunst und Kultur gewöhnt haben, dann ist das noch kein Anlass zu der Annahme, auf diesem Felde könnte es überhaupt keine halbwegs anständigen und ehrlichen Leute mehr geben, und ihr Mundwerk sei bloß zum Mosern und Faseln da.

Ich nehme an, dass das Buch, das ihr in Händen habt, euch auf den ersten Blick ziemlich erschreckend vorkommt: Es berührt und reizt nicht nur eure peinlichsten Stellen und unverheilten Wunden, sondern tut dies auch noch in einem Plauderstil … sein Inhalt ist derart schmerzlich, dass er sogar das Bild einer bodenlos tragischen Ödnis heraufbeschwören könnte, in der eure Nation sich mit sich selbst balgt und ringt, doch wird kein Drama daraus, denn das verhindert jene altadlige Herzenseinfalt und Scherzhaftigkeit, die wie die Taube über den Wassern fliegt … Aber wenn ihr euch die Geheimnisse dieses scherzhaften Werkes näher angesehen habt, dann dünkt es euch vielleicht, dass ein weltlicher, ja sogar ketzerischer Geist in eure Frömmigkeit eingebrochen ist, jene Frömmigkeit, die immer den Kanon eurer verehrlichen Kunst abgegeben hat, mit Mickiewicz[2] und Chopin an der Spitze. Aber das erschreckende Trans-Atlantik ist mit meinen früheren Werken sehr eng verbunden, es ist eigentlich nur ein Kapitel eines größeren Buches, an dem ich schon lange schreibe, und es ist kein bisschen sonderbarer als z.B. Die Trauung oder Ferdydurke. Wenn wir uns also überhaupt verständigen wollen, müsste zunächst einmal geklärt werden, auf welchem Hintergrund die Unterschiede entstanden sind, die heute verursachen, dass mein Ton und mein Denken für euch eine schwer zu knackende und noch schwerer zu schluckende Nuss ist.

 

In der Tat, ich habe mich weit von euch entfernt. Die polnische Intelligenz der Vorkriegszeit hielt sich mehr oder weniger im Geleise früherer Generationen, während ich, vielleicht aus Zufall, mich in andere Gegenden verirrt habe. Mein Abweichen von ausgetretenen Pfaden ist euch als Abweichung erschienen, d.h. als Anomalie und Kauzigkeit, und wie weit das ging, zeigt das Schicksal von Ferdydurke: Das Buch ist nahezu zum Skandal geworden, und es musste etwas Zeit vergehen, ehe wir uns ausreden konnten, dass diese wenigen unerwarteten Ideen und Situationen bloßer »Surrealismus« (welch bequemes Wort) wären. Ich habe mir oft überlegt, wie man die Divergenz zwischen mir und euch definieren kann und meine, dass sie in meiner Auffassung vom Menschen beschlossen ist: Am meisten hat mich von euch entfernt, dass ich – sehr viel extremer und weitergehend als ihr – die Abhängigkeit des Menschen vom Menschen annehme und dass für mich der Mensch fortwährend vom Menschen erschaffen wird. Diese Vision (denn das ist keine Philosophie) ist der Ausgangspunkt meiner Welt: Hier ist der Mensch mit dem Menschen verbunden; hier strebt der Mensch zum Menschen; hier erschafft sich in jedem Augenblick der Mensch unter dem fortwährenden Druck des Menschen und schafft sich um; hier kann schwerlich von einem festgelegten, statischen menschlichen Wesen gesprochen werden – vielmehr geht es um die »zwischenmenschlichen« Spannungen und Überspannungen, die uns Menschen in jedem Augenblick determinieren und definieren. Hier also ist der Mensch dem untertan, was sich zwischen den Menschen abspielt, und von allen Naturelementen ist dieses Element der zwischenmenschlichen Erschaffung das heftigste, es ist menschlich, aber zugleich unmenschlich und übermenschlich.

Wenn ihr diese Worte lest, vergesst nicht, dass ich ein Künstler bin und kein Philosoph. Doch auch diese wenigen nebelhaften Sätze reichen hin, um euch den Abgrund zu zeigen, der zwischen eurem »Menschen« und dem meinen besteht. Die heute in der Welt herrschende Psychologie (ich übergehe die Psychologie, die in den wissenschaftlichen Abteilungen heranreift) sieht das alles bereits erheblich ruhiger als meine Konzeption, aber nirgends ist das Problem des Menschen wohl idyllischer angegangen worden als in Polen – und fast unsere ganze Literatur strahlt die Überzeugung aus, dass dieser Kasus sich ganz einfach lösen lässt und überhaupt keine besonderen Schwierigkeiten bereitet. Für die gläubigen Menschen existierte dieses Problem schon gleich gar nicht: Der Mensch hat eben eine klar bestimmte Seele und ebenso klare Pflichten gegenüber Gott und der Gesellschaft und ist kein Rätsel für sich selbst – aber sogar für die unter euch, denen der heilige Glaube Mickiewiczs zweifelhaft geworden war, für die »Modernen« und »Fortschrittlichen«, gab und gibt es hier ebenfalls kein allzu kompliziertes Problem. Ganz gleich, ob ihr Individualisten oder Kollektivisten seid, euer Mensch ist ein hinlänglich festgelegtes und ausgeglichenes Wesen, ausgestattet mit dem und dem Charakter, den und den Meinungen, Gefühlen, Neigungen, und er handelt, wie es ihm seine Instinkte oder auch Überlegungen diktieren. Ihr wart immer geneigt – vielleicht wegen der idyllischen Traditionen eurer Kultur –, den Menschen ganz einfach zu verstehen, und ihr habt mer an die erlösende Macht der Schlichtheit und Natürlichkeit geglaubt.

Deswegen ist meine »Künstlichkeit« für euch zum Stein des Anstoßes geworden. Seht nur, wie groß die Unterschiede sind: Ihr meint, der Mensch sei im Allgemeinen so, wie er sich nach außen in seinen Handlungen und Worten bekundet, ich dagegen meine, dass er in seiner ganzen Bekundung fortwährend verunstaltet wird; ihr meint, er lebe nach seinen Gefühlen, habe eigene Gedanken und Ansichten, ich dagegen bin überzeugt, dass er überhaupt nichts ganz Eigenes hat, nichts, was rein von ihm selbst ist … denn er verwirklicht sich im Ringen mit der äußeren Wirklichkeit; ihr meint, trotzdem sei irgendwo in ihrer Tiefe die Welt des Menschen wahrhaftig und authentisch, für mich dagegen ist sie ihrem Wesen nach Fiktion, Lüge und Deformation (und es hält sich darin lediglich unser bloßer unüberwindlicher Durst nach...

Erscheint lt. Verlag 14.11.2024
Übersetzer Rolf Fieguth
Verlagsort Zürich
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Argentinien • Autofiktion • Buenos Aires • Diplomatie • Exil • Flucht • Groteske • Heimat • Komik • Krieg • Parodie • Patriotismus • Polen • Postmoderne • Schriftstellerei • Überfall • Zweiter Weltkrieg
ISBN-10 3-311-70514-9 / 3311705149
ISBN-13 978-3-311-70514-7 / 9783311705147
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