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Olga Benario (eBook)

Ein kurzes Leben im Dienst der Weltrevolution | Jüdin, Kommunistin, Agentin – ein außergewöhnliches Leben im »Zeitalter der Extreme«
eBook Download: EPUB
2025 | 1., Originalausgabe
350 Seiten
Suhrkamp Verlag
978-3-518-78118-0 (ISBN)
Systemvoraussetzungen
21,99 inkl. MwSt
(CHF 21,45)
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In Westdeutschland war sie praktisch unbekannt, in der DDR benannte man Schulen, Kindergärten und Straßen nach ihr: Olga Benario. 1908 in eine jüdische Münchener Familie geboren, engagierte sie sich in den 1920er Jahren bei der Kommunistischen Jugend in Berlin-Neukölln. 1928 floh sie in die Sowjetunion, wurde Agentin der Komintern, die sie nach Paris und London und schließlich nach Rio de Janeiro entsandte. Nach einem gescheiterten Aufstand lieferte Brasilien Benario an Nazideutschland aus, wo sie 1942 ermordet wurde.

Der Historiker Christopher Kopper schildert diese Lebensgeschichte erstmals in einer wissenschaftlichen, auf bislang unbekannten Quellen basierenden Biografie. Er entwickelt ein faszinierendes Porträt einer mutigen Frau, die viele Grenzen sprengte und nur ein Ziel kannte - die Weltrevolution.



Christopher Kopper, geboren 1962, ist Professor an der Universität Bielefeld. Seine Forschungsschwerpunkte sind die deutsche und europäische Wirtschaftsgeschichte, insbesondere während des Nationalsozialismus.

7

Einleitung


Olga Benario war eine außergewöhnliche Persönlichkeit. Sie war keine Intellektuelle wie Rosa Luxemburg, keine exponierte Vorkämpferin für die Gleichberechtigung der Frauen wie ihre Genossin Clara Zetkin, und sie hatte nie eine Führungsposition in der kommunistischen Bewegung inne. Doch die Geschichte ihres kurzen Lebens ist ebenso beeindruckend wie fesselnd. Benario setzte sich über die engen Grenzen hinweg, mit denen sich politisch engagierte Frauen in den 1920er und 1930er Jahren konfrontiert sahen. Seit ihrem 16. Lebensjahr trat sie für die Sache des Kommunismus ein. Durch ihren ersten Freund Otto Braun kam sie im Alter von 18 Jahren mit der militärpolitischen und nachrichtendienstlichen Arbeit der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) in Berührung. Mit 20 befreite sie Braun in einem kühnen Coup aus dem Gefängnis und musste in die Sowjetunion fliehen. Mit 22 setzte die Kommunistische Internationale (Komintern) sie als Instrukteurin im Ausland ein. Und als sie 27 war, bereitete sie eine Revolution in Brasilien vor.

Seit ihrer Jugend war Olga Benario eine politische Aktivistin. Dabei nahm sie die typischen Risiken und Entbehrungen jener Frauen und Männer auf sich, die in der Weimarer Republik für kommunistische Zeitungen, die Partei oder deren Jugendorganisationen tätig waren. Wegen ihrer Fundamentalopposition zum politischen System hatten selbst führende KPD-Politiker kaum eine Chance auf gut dotierte Posten als städtische Dezernenten, Ministerialbeamte oder als leitende Ange8stellte von Ortskrankenkassen. Der Aufstieg in den sozialdemokratisch dominierten Konsumgenossenschaften, in Gewerkschaften und gewerkschaftseigenen Unternehmen blieb ihnen in der Regel ebenfalls versperrt. Die kommunistischen Aktivisten hätten sich Ende der 1920er Jahre wohl kaum vorstellen können, dass sie 20 Jahre später in der DDR beruflich von ihrem Bekenntnis zum Kommunismus profitieren würden. Zudem sahen sie sich permanenten Repressalien seitens einer konservativen und stramm antikommunistischen Justiz ausgesetzt. KPD-Abgeordnete waren nur durch ihre parlamentarische Immunität vor den Nachstellungen der Staatsanwaltschaften geschützt. Selbst junge Kommunisten standen, bildlich gesprochen, mit einem Bein im Gefängnis. Auch Olga Benario kam aufgrund ihrer Agitationstätigkeit bereits als 16-Jährige mit der Polizei in Berührung. Mit 18 wurde sie wegen angeblicher Vorbereitung zum Hochverrat verhaftet und musste zwei Monate in Untersuchungshaft verbringen.

Während die Repressalien des Weimarer Staates die Funktionäre, aber auch die einfachen Mitglieder der KPD wie Benario vor erhebliche Probleme stellten, forderte die innere Logik der kommunistischen Bewegung bedingungslose Hingabe von ihnen.1 Abgeordnete mussten zum Beispiel uneingeschränkt mobil sein und ihre Diäten an die Partei abführen, die sie jederzeit zwingen konnte, ihr Mandat niederzulegen.

In Olga Benario fanden die Kommunisten eine besonders loyale Genossin. Sie trug auch Beschlüsse mit, an denen sie selbst nicht mitwirkte. Sie war zwar nicht an der verhängnisvollen Entscheidung der Komintern beteiligt, im Sinne der These des »Sozialfaschismus« statt 9der NSDAP in erster Linie die SPD beziehungsweise die europäischen Sozialisten zu bekämpfen,2 aber es ist nicht bekannt, dass sie gegen diese Politik Widerspruch eingelegt hätte.

Dennoch wurde sie innerhalb der kommunistischen Bewegung nicht ohne Weiteres als ebenbürtige Mitstreiterin akzeptiert. Frauen hatten trotz des programmatischen Bekenntnisses zur Gleichberechtigung in der KPD und in der Komintern viel geringere Chancen, in Führungspositionen aufzusteigen. Mitarbeiterinnen dieser Organisationen erhielten deutlich seltener Aufgaben, die mit einer besonderen Verantwortung verbunden waren und eine hohe Risikobereitschaft erforderten. Man muss Klaus-Michael Mallmann zustimmen, wenn er auf den weitverbreiteten Antifeminismus in der KPD hinweist, auch wenn sich sein Befund nicht uneingeschränkt auf den kommunistischen Jugendverband übertragen lässt.3 Für Benario dürfte das besonders schmerzlich gewesen sein, wollte sie doch seit ihrer Kindheit alles tun, was Jungen erlaubt, aber Mädchen aufgrund traditioneller patriarchalischer Erziehungsmuster und gesellschaftlicher Vorgaben verboten war. Auch später kämpfte sie dafür, dass Frauen die gleichen Möglichkeiten zur Entfaltung ihrer Persönlichkeit und ihrer Talente bekommen wie Männer. Sie brach die damals akzeptierten weiblichen Rollenbilder auf, ob im Nachrichtendienst der KPD, als angehende Offizierin oder als Instrukteurin der Komintern.

In Moskau gehörte Benario nach ihrer Flucht zunächst zum technischen Personal der Komintern, das im Hintergrund den Verwaltungsapparat am Laufen hielt. Als einer von wenigen Frauen gelang es ihr dann, 10die gläserne Decke zu durchbrechen und von einer technischen zur politischen Mitarbeiterin zu avancieren: 1930 beförderte man sie zur selbstständig handelnden Instrukteurin. Nach langem Drängen konnte sie 1933 sogar eine militärische Ausbildung beginnen. Sie war die erste in Deutschland geborene Frau in Waffen, wenn auch nicht in der deutschen, sondern der sowjetischen Armee. Erst 70 Jahre später verklagte die Elektronikerin Tanja Kreil das Bundesverteidigungsministerium vor dem Europäischen Gerichtshof und erstritt das Recht der Frauen auf eine militärische Ausbildung.4 Lediglich Benarios Einsatz bei der Vorbereitung einer Revolution in Brasilien hinderte sie daran, die Qualifikation zur Politoffizierin abzuschließen. Dort übernahm sie wiederum eine Funktion, die für Frauen bis dahin unvorstellbar war: Sie begleitete als eine Art Bodyguard den Kommunisten Luiz Carlos Prestes, dem sie bei der Verhaftung durch die brasilianische Polizei das Leben rettete. Aber auch in Brasilien musste sie dafür kämpfen, dass ihre männlichen Genossen sie als gleichberechtigte und gleichbefähigte Kampfgefährtin anerkannten.

Viele deutsche Kommunisten wurden ab 1933 Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung. Wenn sie für ihre Überzeugung offen eintraten, riskierten sie nicht nur ihre Freiheit: Keine Gruppe des politischen Widerstands gegen das »Dritte Reich« verlor im Verhältnis zur Zahl ihrer Mitglieder so viele Menschen wie die Kommunisten. Auch Benario wurde von den Nationalsozialisten 1942 in einer Tötungsanstalt ermordet, nachdem sie 1936 von Brasilien an Deutschland ausgeliefert worden war und mehrere Jahre im Gefängnis und in 11Konzentrationslagern verbracht hatte. Doch auch in Moskau wäre Benario zu jener Zeit nicht in Sicherheit gewesen – zwischen 1936 und 1939 fielen allein 1700 kommunistische Emigranten aus Deutschland den stalinistischen Säuberungen zum Opfer.5 In der Abteilung für Internationale Verbindungen der Komintern, in der Benario arbeitete, wurden besonders viele Männer und Frauen ermordet, etliche von ihnen waren zuvor aus Nazideutschland geflohen. Und so hatten die Säuberungen für Benario ganz direkte Konsequenzen: Durch die Verfolgungen gelähmt, vertat die Komintern die 1937 noch realistische Chance, sie aus der Haft herauszuholen. Die Nationalsozialisten verfolgten sie als Jüdin und Kommunistin, doch aus der Sowjetunion, dem Land ihrer politischen Hoffnungen, erhielt sie keine Unterstützung.

Wenn man sich mit Benarios Lebensgeschichte befasst, fühlt man sich an den vielzitierten Satz des deutschen Kommunisten Eugen Leviné erinnert, der kurz vor seiner Hinrichtung nach der Niederschlagung der Münchener Räterepublik 1919 notierte: »Wir Kommunisten sind alle Tote auf Urlaub.«6

Nicht nur Benarios Leben, sondern auch die Erinnerung an sie ist aufschlussreich. In der Erinnerungskultur der DDR nahm sie einen festen Platz ein. Die Autorin Ruth Werner veröffentlichte 1961 den historischen Roman Olga Benario, in dem sie – freilich äußerst selektiv und ideologisch gefärbt – Die Geschichte eines tapferen Lebens (so der Untertitel) erzählte. Das Buch wurde ein großer Erfolg und erlebte zahlreiche Auflagen. Straßen und Schulen wurden nach Olga Benario be12nannt. Vielen Ostdeutschen über 50 ist ihr Name daher ein Begriff; jüngere hingegen können selten etwas mit ihm verbinden. Und in Westdeutschland war ihre außergewöhnliche Biografie vor der Wiedervereinigung weitgehend unbekannt. Dafür erlangte...

Erscheint lt. Verlag 23.2.2025
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Biografien / Erfahrungsberichte
Schlagworte aktuelles Buch • Brigitte Studer • Bücher Neuerscheinung • DDR • edition suhrkamp 2838 • Erinnerungskultur • ES 2838 • ES2838 • Getúlio Vargas • Holocaust • Komintern • Kommunismus • Konzentrationslager • KPD • Luís Carlos Prestes • Nationalsozialismus • Neuerscheinung 2025 • neues Buch • Neukölln • Otto Braun • Reisende der Weltrevolution • Revolution • Ruth Werner • Schoa • Shoah • Sowjetunion • Weimarer Republik
ISBN-10 3-518-78118-9 / 3518781189
ISBN-13 978-3-518-78118-0 / 9783518781180
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