Tatort Hafen - Tod im Schatten der Elbflut (eBook)
384 Seiten
Verlagsgruppe Droemer Knaur
978-3-426-46799-2 (ISBN)
Angélique Kästner wurde 1966 in Hamburg geboren. Nach ihrem Studium der Psychologie arbeitete sie in der Psychiatrie, bevor sie sich 2005 als promovierte Psychotherapeutin mit eigener Praxis selbstständig machte. Bei ihrer ehrenamtlichen Arbeit im Kriseninterventionsteam des DRK lernte sie ihren heutigen Ehemann Andreas Kästner kennen. Andreas Kästner, 1963 in Wismar geboren und in Rostock aufgewachsen, lebt seit seiner Ausbürgerung aus der ehemaligen DDR im Juni 1989 in Hamburg. Er ist gelernter Vollmatrose der Handelsflotte, fuhr in der DDR zur See und arbeitete von 1992 bis November 2023 als Hauptkommissar der Wasserschutzpolizei im Hamburger Hafen. Er kennt den Hafen wie kein anderer und ist seiner Frau kompetenter Fachberater. Seine Erlebnisse und detaillierten Insiderkenntnisse fließen in die Serie ein.
Angélique Kästner wurde 1966 in Hamburg geboren. Nach ihrem Studium der Psychologie arbeitete sie in der Psychiatrie, bevor sie sich 2005 als promovierte Psychotherapeutin mit eigener Praxis selbstständig machte. Bei ihrer ehrenamtlichen Arbeit im Kriseninterventionsteam des DRK lernte sie ihren heutigen Ehemann Andreas Kästner kennen. Andreas Kästner, 1963 in Wismar geboren und in Rostock aufgewachsen, lebt seit seiner Ausbürgerung aus der ehemaligen DDR im Juni 1989 in Hamburg. Er ist gelernter Vollmatrose der Handelsflotte, fuhr in der DDR zur See und arbeitete von 1992 bis November 2023 als Hauptkommissar der Wasserschutzpolizei im Hamburger Hafen. Er kennt den Hafen wie kein anderer und ist seiner Frau kompetenter Fachberater. Seine Erlebnisse und detaillierten Insiderkenntnisse fließen in die Serie ein.
Prolog
Global Endeavour, Nordsee, Deutsche Bucht – 01.22 Uhr
Der Sturm nahm keine Rücksicht auf ihr Leben. Mit dem Mut des Verzweifelten hangelte sich Tarik hinter Ebo die Ankerkette hinauf.
Der Westwind hatte seit Tagen stetig zugenommen und sich zu einem Unwetter mit beachtlichem Seegang ausgewachsen. Der Bug des riesigen Frachters schraubte sich mit jeder Welle steil in die Höhe, bevor er zurück in das Wellental krachte. Tarik krallte sich, so fest er konnte, an die Metallschäkel der Ankerkette.
Ebo, der über ihm hing, hob vorsichtig die Luke an und versuchte, sich im Dunkel der Nacht zu orientieren. Das Oberdeck lag verlassen da. Tarik beschleunigte seine Bemühungen, hochzuklettern. Er sehnte sich danach, endlich wieder einen sicheren Stand zu haben. Brecher überrollten die Reling, eisiger Wind schlug ihm ins Gesicht. Bis zum Deckshaus, das Schutz und Wärme versprach, waren es nur wenige Meter – zum Greifen nah und doch unerreichbar.
Seit zehn Tagen hatten sie eng aneinandergeschmiegt auf der Ankerkette gehockt, waren abwechselnd aufgestanden und hatten sich, so gut es ging, bewegt, um in der Kälte nicht zu erstarren. Sie hatten all die Qualen erduldet, weil ihnen keine andere Wahl blieb.
Dann war der Sturm aufgezogen. Und was für ein Ungetüm! Schnell wurde es unerträglich in dem engen Kettenkasten.
Das Wetter hatte Tariks Berechnungen über den Haufen geworfen. Sie hätten schon vor Tagen den Hamburger Hafen erreichen müssen, stattdessen war ihnen das Trinkwasser ausgegangen. Reflexhaft blickte er auf seine Uhr, doch in der Dunkelheit war das Ziffernblatt nicht zu erkennen.
Die Nacht tauchte den Himmel und die Nordsee in undurchdringliche Schwärze. Der Wind toste, und krachend schlugen die Wellen gegen die Bordwand, um ihn daran zu erinnern, dass sie schnellstmöglich ins Schiffsinnere gelangen mussten. Er wusste, dass es hier draußen im vorderen Deckbereich für sie lebensgefährlich war. Die Reling war niedrig, und jeder Brecher hatte das Potenzial, sie über Bord zu spülen.
Ebo schloss hinter Tarik die Luke und taumelte ein paar Schritte zur Seite, als eine Windböe ihn erfasste. In der tiefen Finsternis erkannte Tarik ihn vor allem an seinen blendend weißen Zähnen. Ebo lachte. Für ihn war die Flucht ein einziges Abenteuer.
Tarik griff nach ihm und schob ihn am Schanzkleid entlang vor sich her. Sie stemmten sich gegen den Wind und setzten tastend einen Fuß vor den anderen. Die Gischt der Wellen hatte sie in wenigen Sekunden durchnässt, und die Erschöpfung zwang ihn in die Knie. Er krabbelte weiter mittschiffs, was sich nicht nur sicherer anfühlte, sondern auch schneller war als im aufrechten Gang.
Bis zu den Aufbauten war es ein ganzes Stück. Sie robbten keuchend voran. Tarik hatte sich die Bauweise des Frachters eingeprägt, bevor sie ihre Flucht gewagt hatten. Er hatte alle Informationen gelesen, die er über das Schiff bekommen konnte, und für Essen, Trinken und Medikamente gesorgt. Er hatte das Risiko eingehen müssen. Es gab keinen Plan B, er hatte keine andere Wahl mehr gehabt, als sein Land zu verlassen, wenn er nicht sterben wollte.
Dann kam Ebo.
Und dann kam der Sturm.
Es war nur zu wahr: Wer Wind sät, wird Sturm ernten. Warum hatte er …
Sie erreichten ein Schott, das sie direkt ins Innere des Containerriesen führte. Sie schafften es nur zu zweit, den langen Stahlriegel nach oben zu drücken und die Eisentür so behutsam wie möglich aufzuziehen. Drinnen blendete sie das Neonlicht, doch wohltuende Wärme und Ruhe umfingen sie. Erleichtert atmete Tarik tief ein. Es roch nicht mehr nur nach salziger Meeresluft, sondern nach Diesel und Rost. Bis hierher hatten sie es geschafft. Dann sah er auf die Uhr. Ein Uhr sechsundzwanzig – mitten in der Nacht. Weiter, nur weiter! Wenn jemand von der Crew in diesem Moment um eine Ecke biegen würde, stünden sie im Rampenlicht wie bei einer Oscarverleihung. Und ganz sicher kämen sie zu trauriger Berühmtheit.
Aber sie mussten das Wagnis eingehen, um Wasser und Nahrung aufzutreiben. Ebo und er hatten entschieden, ihr Versteck heute Nacht zu verlassen. Tarik hatte noch nie in seinem Leben einen solchen Durst verspürt. Sie brauchten dringend etwas zu trinken, sonst würden ihre letzten Kräfte schwinden! Die Seekrankheit hatte dazu geführt, dass sie sich erbrachen, und viel Flüssigkeit verloren. Tarik fror erbärmlich und wünschte sich nichts sehnlicher als eine heiße Dusche, eine Wolldecke, etwas zu trinken – Dinge, die noch vor Kurzem zu Hause selbstverständlich gewesen waren.
Das verdammte Wetter … das Schiff hätte längst in Hamburg sein sollen!
Ebo stoppte so plötzlich ab, dass Tarik auf ihn auflief und erschrocken keuchte. Er hielt sich die Hand vor den Mund. Das durfte nicht noch einmal passieren, sie mussten leise sein.
Rechts stand eine Tür offen. Das Schild warnte: Restricted Area – Authorized Personal Only. Ebo wagte einen Blick durch den Türspalt und hob den Daumen. Niemand da. Glück gehabt.
Hinter der Tür versteckte sich eine Art Materialdepot, in dem neben Werkzeugen aller Art, Ersatzteilkisten, zahllosen Farbeimern und sonstigem Schiffsbedarf auch drei orangefarbene Overalls hingen. Tarik drängte sich an Ebo vorbei, riss zwei der Anzüge vom Haken und reichte Ebo einen. Schweigend zogen sie ihre durchnässte Kleidung aus und streiften die Arbeitsoveralls mit dem Logo der Reederei über. Wärme und Schutz zugleich – zumindest aus der Ferne hätte man sie für Mitglieder der Crew halten können. Vorsichtshalber steckte Tarik einen schweren Schraubenschlüssel ein. Sollte ihnen jemand von der Crew begegnen, könnte er sich verteidigen – auch wenn es ihm schwerfiel, sich das vorzustellen. Er hatte den hippokratischen Eid darauf geleistet, Menschenleben zu retten, nicht ein solches zu zerstören.
Er sah sich um und knüllte ihre Kleidung hinter eine dicht an der Wand stehende Kiste. Da würde sie so schnell niemand finden.
Es gab, welche Enttäuschung, weit und breit nichts Essbares, keine Getränke, auch keinen Wasserhahn. Ebo setzte sich einen der Helme auf, die im Regal lagen, und lächelte. So war sein Schwager. Den Schalk im Nacken. Er reichte Tarik schweigend einen Helm. Ihre Verkleidung wurde immer besser. Sicherheitsschuhe fanden sie keine, aber Ebo angelte nach Arbeitshandschuhen. Leider nur ein Paar. Tarik winkte ab, sollte Ebo sie nehmen, er drängte weiter.
Hier drinnen ächzte und zitterte der Containerfrachter in der schweren See. Das Vibrieren des Schiffsrumpfs war deutlich zu spüren. Welch Hohn, wenn der Kahn nach all den erlittenen Strapazen so kurz vor dem Ende ihrer Reise auseinanderbräche und sie ein Opfer der Wellen würden. Als Arzt wusste Tarik, dass es kaum einen qualvolleren Tod gab, als zu ertrinken. Rasch schob er den Gedanken von sich.
Er warf einen Blick in den Gang und winkte Ebo, ihm zu folgen. Links und rechts des Ganges hingen in regelmäßigen Abständen Feuerlöscher und Anschlagtafeln mit Hinweisen in englischer Sprache. Verhaltensregeln im Gefahrenfall. Tarik, der sein Studium auf Englisch absolviert hatte, streifte sie mit einem flüchtigen Blick. Er hatte keine Zeit, sich damit aufzuhalten. Linker Hand trafen sie auf eine Tür, die mit einem Treppensymbol markiert war. Sollten sie es ein Deck höher probieren? Je näher sie den Aufenthaltsräumen kamen, desto eher mussten sie mit unangenehmen Begegnungen rechnen. Auch nach Mitternacht lebte ein solches Schiff, dessen Maschinen niemals schliefen. Aber nur so konnten sie hoffen, auf Nahrung und Wasser zu stoßen.
Ebo hatte Tariks Gedanken erraten, er öffnete vorsichtig die Tür und schlüpfte ins Treppenhaus. Die Wände waren gelb gestrichen, der steile Niedergang nach oben und unten hatte an jeder Seite runde Handläufe aus Stahl. Ebo stoppte und hob warnend die Hand. Über ihnen waren Stimmen zu hören.
Tariks Puls raste. Sie durften nicht entdeckt werden. Er lauschte für eine Sekunde und identifizierte eine weibliche und eine männliche Stimme, die in englischer Sprache heftig stritten. Was in Gottes Namen hatte eine Frau auf einem Containerschiff zu suchen? Die beiden Streitenden versuchten, ihre Erregung zu unterdrücken, denn sie pressten ihre Argumente zwischen den Zähnen hervor.
Tarik hielt noch immer die Tür in der Hand. Er drängte darauf umzukehren, doch Ebo starrte wie paralysiert nach oben.
Sie, so konnte Tarik verstehen, wollte es auf keinen Fall auf sich beruhen lassen. Er würde das zu verhindern wissen.
Was warf sie ihm vor? Sie klangen nicht wie ein Liebespaar, eher so, als wären sie sich fremd und doch aufeinander angewiesen.
Er drohte, dass ihre Karriere beendet sei, bevor sie überhaupt mit ihrem Studium angefangen habe. Ob es das sei, was sie wolle? Es sei gängige Praxis, und sie würde sich schon daran gewöhnen. Es ginge schließlich um Geld, viel Geld. Apropos Geld, er brauche seinen Job, dringender, als sie es sich vielleicht vorstellen könne. Sie sei ja so verdammt naiv.
Wenn es ums Geld geht, hört Freundschaft auf, dachte Tarik. Das war überall auf der Welt so. Und diese beiden Streithähne waren soeben zu erbitterten Feinden geworden, denn die Frau hatte für den Appell ihres Gegenübers kein Verständnis. Sie verlangte Gerechtigkeit.
Das ist wirklich naiv, dachte Tarik und atmete leise durch den Mund ein und aus. Gerechtigkeit war auf dieser Welt nicht zu haben. Davon konnte er ein Lied singen, aber das war nicht der geeignete Zeitpunkt. Er wollte zurück, doch Ebo stand zu weit entfernt, um ihn am Overall zu packen und mit sich zu ziehen. So blieb ihm nichts anderes übrig, als...
Erscheint lt. Verlag | 2.12.2024 |
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Reihe/Serie | Wasserschutzpolizei Hamburg |
Verlagsort | München |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
Schlagworte | Andreas Kästner • Angélique Kästner • Angélique Mundt • blinde Passagiere • Deutsche Krimis • Hafen-Atmosphäre • Hafen Hamburg • Hafenpolizei • Hamburger Hafen • hamburg hafen krimi • Hamburg Krimi • hamburg krimi buch • Hamburg Roman • Jonna Jacobi • Kommissarin Jonna Jacobi • Krimi Hamburg • Krimi Hamburger Hafen • Krimis aus dem Norden • Krimis deutsche Autoren • Krimi Serien • krimis in hamburg • krimis mit weiblichen ermittlern • krimis wie notruf hafenkante • krimis wie wapo elbe • neue Krimiserie Hamburg • Regiokrimi Hamburg • Regionalkrimi Hamburg • regionalkrimi neuerscheinungen • Regionalkrimi Norddeutschland • Sturmflut • Tod auf Containerschiff • Tom Bendixen • True Crime • Umweltdelikt • wapo hamburg • wapo hamburg krimi • wapo hamburg serie • Wasserschutzpolizei • wasserschutzpolizei hamburg |
ISBN-10 | 3-426-46799-2 / 3426467992 |
ISBN-13 | 978-3-426-46799-2 / 9783426467992 |
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