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Ein Schimmern am Berg (eBook)

Ein Fall für Commissario Grauner
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
272 Seiten
Verlag Kiepenheuer & Witsch GmbH
978-3-462-31147-1 (ISBN)

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Eine tote Bildhauerin, verhängnisvolle Marillen und ein gespaltenes Dorf: In seinem zehnten Fall folgt Südtirols beliebtestes Ermittlerduo den Spuren des weißen Goldes von Laas im Vinschgau bis nach New York. Die Felsen vor dem Marmorsteinbruch leuchten in den ersten Strahlen der Augustsonne. Doch Commissario Grauner hat nur Augen für die grausam zugerichtete Leiche zu seinen Füßen. Das Opfer war Bildhauerin in Laas, einem kleinen Ort im Vinschgau, in dem seit Jahrhunderten Marmor abgebaut und in die ganze Welt verschifft wird. In der Mordnacht wurden im Tal Marmorblöcke mit dem Fruchtfleisch von Marillen beschmiert, die als regionale Delikatesse gelten. Staatsanwalt Belli lässt es sich nicht nehmen, zum Tatort zu fahren, um davon zu kosten - und erleidet prompt Vergiftungserscheinungen. Wie hängen die Vorfälle zusammen? Ispettore Saltapepe und Silvia Tappeiner reisen derweil durch die USA und genießen die Zweisamkeit. Als die Spuren zu einem Architekten in New York führen, der den Südtiroler Marmor importiert haben soll, ist es vorbei mit der romantischen Ruhe.

Lenz Koppelstätter, Jahrgang 1982, ist in Südtirol geboren und aufgewachsen. Er arbeitet als Medienentwickler und als Reporter für die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung und Salon. 2015 startete bei Kiepenheuer & Witsch die Krimireihe um den Südtiroler Commissario Grauner, die ein großer Erfolg bei Leser:innen und Presse ist.

Lenz Koppelstätter, Jahrgang 1982, ist in Südtirol geboren und aufgewachsen. Er arbeitet als Medienentwickler und als Reporter für die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung und Salon. 2015 startete bei Kiepenheuer & Witsch die Krimireihe um den Südtiroler Commissario Grauner, die ein großer Erfolg bei Leser:innen und Presse ist.

4. August



Der schimmernde weiße Streifen im dunklen Wald sah aus wie eine Skipiste, die sich im Zickzackkurs durch die Tannen und Fichten zog.

Soweit Grauner bekannt war, gab es im Vinschgau keine Piste, die bis ins Tal führte. Und überhaupt: Schnee? Jetzt, Anfang August? Der letzte Schnee war im März über Südtirol gefallen. Da hatte der Winter dem beginnenden Frühling noch einmal die Stirn geboten.

Als der Commissario den Waldrand erreicht hatte und mit dem Fiat Panda die Straße entlangfuhr, die nach oben führte, verstand er. Marmorstaub hatte sich auf die Erde, das Moos, die Steine und die Fichtenstämme gelegt. Wie Puderzucker sah er aus. Ein besseres Navigationssystem gab es nicht. Er musste nur den weißen Spuren folgen.

Zwischen den Bäumen blinkte ein blaues Licht, Grauner bremste. Die Kollegen waren bereits vor Ort.

Weiter vorne entdeckte er ein geöffnetes Tor im Maschendrahtzaun, dahinter parkten die Polizeiwagen, auch die Limousine von Staatsanwalt Belli sah er. Um eine Holzhütte stapelten sich Dutzende weiße Steinquader. Grauner schaltete den Motor aus. Klopfte seinem Panda – Automatik, Vierradantrieb – aufs Armaturenbrett.

»Brav, Panda, brav«, flüsterte er ihm zu, liebevoll, so wie er sonst nur mit seinen Kühen sprach.

Der Panda stöhnte noch ein bisschen. Dieses Stöhnen, ach, es klang so schön, es erinnerte ihn an das leise Muhen der Mitzi, der Josefina, der Mara, wenn er ihnen die Bäuche massierte.

Grauner stieg aus. Ein lauter Fluch mischte sich in das Rauschen des Waldes.

»Was ist los?«

Bellis Fahrer schimpfte mit hochrotem Kopf: »Oschtia, oschtia, oschtiamadonniga! Ich habe dem Herrn Staatsanwalt hundertmal gesagt, dass sich diese Lancia-Limousinen nicht dafür eignen, so steil bergauf zu fahren. In jeder Kurve komme ich ins Rutschen. Ab zwanzig Prozent Steigung muss ich in den ersten Gang zurückschalten. Mit einer Limousine im ersten Gang fahren! Das ist unwürdig.«

Grauner nickte.

»Hundertmal habe ich Belli gebeten, den Fuhrpark der Staatsanwaltschaft doch um so einen schönen, kleinen, kräftigen Panda zu erweitern …«, er zeigte auf Grauners Auto.

»Aber?«, fragte der Commissario.

»Dieser eingebildete Esel will nichts davon wissen. Er sagt, das könne er nicht riskieren. Wenn die Presse davon Wind bekäme! Man stelle sich das einmal vor: die Schlagzeilen! Die Staatsanwaltschaft von Südtirol fährt Panda! Im Kurier. Oder gar im Corriere. Die ganze Kollegenschaft würde sich über ihn lustig machen, von Mailand bis Palermo, sagt er.«

Grauner lehnte sich neben dem Chauffeur an die Hintertür des Lancia.

Der Mann fluchte leise weiter. Grauner stimmte mit ein.

»Porcoschtrigga, zittinziga, zoschzoschtrigga!«

Vor ihm in der Felswand klaffte ein riesiges schwarzes Loch. Polizisten und Spurensicherer in Schutzanzügen standen davor und steckten die Köpfe zusammen. Da drin lag sie wohl, die Tote, von der der Kollege am Telefon gesprochen hatte. Da drin wartete er wohl, der nächste Fall, von dem Grauner geglaubt hatte, ihn nicht mehr erleben zu müssen. Es war doch alles anders gekommen.

 

Grauner ließ den Chauffeur zurück, trat an den schwarzen Schlund heran. Ein Ziehen in seinem Magen ließ ihn innehalten. Er schluckte und ging schnellen Schrittes weiter, es blieb ihm nichts anderes übrig. Mit voller Kraft meldete sie sich erneut zurück, die alte Angst, wie vor zwei Jahren, nachdem er im hintersten Ridnauntal in einem Bergwerkstollen einen ersten Rückfall gehabt hatte. Es war töricht zu denken, er hätte sie für immer besiegt.

Er spürte, wie ihm die Luft wegblieb, beachtete die weißen Quader nicht, die sich links und rechts von ihm auftürmten, hastete voran, hatte bereits zweihundert Meter hinter sich gebracht. Er dachte an Alba, seine Frau, verfluchte sich selbst. Er hatte ihr nicht sagen wollen, dass diese verdammte Platzangst der Grund dafür gewesen war, dass er sie gestern Abend nicht hatte begleiten wollen. Zum alljährlichen Stollenklang, einem Konzert im Marmorbruch von Laas. Das berühmte Linzer Johannes-Brahms-Quartett war aufgetreten. Nun war sie sauer. So sauer wie noch nie.

Sie hatte bereits vor Wochen die Karten besorgt. Er hatte sich erst gefreut, dann war die Panik gekommen. Schließlich hatte er ihr gesagt, dass er nicht mitkommen wolle. Sie hatten gestritten. Das erste Mal seit … Nein, sie hatten sich auch vorgestern schon gestritten. Und am Tag davor auch. Und auch am Montag. Seit einigen Wochen stritten sie sich ständig. Dabei hatten sie sonst nie gestritten. Ihr ganzes gemeinsames schönes Leben lang nicht. Was war bloß los mit ihr? Mit ihm?

Einer der Polizisten trat an ihn heran. »Commissario?«

Grauner atmete langsam ein und aus. »Bringen Sie mich zum Fundort der Leiche.«

»Der ist gleich da vorne.« Der Mann zeigte im Schein der Neonröhren auf eine große Maschine mit einem runden Schneideblatt an einem Metallarm; das Ungetüm versperrte den Blick ins Innere des Bruchs. Neben ihr gingen ein paar der Spurensicherer eilig umher, einige knieten auf dem Boden, einer fotografierte.

Der Commissario entdeckte den Chef der Scientifica, Max Weiherer, dieser winkte ihn zu sich heran. Als Grauner ihn erreichte, zeigte der Mann auf die schwarze Plane, die neben ihm lag. Weiherer bückte sich, hob einen der Zipfel an. Der abgetrennte Kopf einer Frau kam zum Vorschein. Der Spurensicherer zog die Plane nun vollends beiseite. Da lagen der Torso der Frau, zwei abgetrennte Arme und zwei Beine.

»Was ist hier bloß geschehen?«, murmelte Grauner entgeistert.

»Das ist einfach zu beantworten«, antwortete der Spurensicherer unterkühlt. »Über die ist einer mit der Säge des Marmorschneidegeräts drübergefahren.«

Er zeigte auf die Maschine hinter ihnen.

Grauner lief ein Schauer über den Rücken, so kalt, dass er beinahe seine Platzangst vergaß. »Wo ist Belli?«, fragte er.

»Wer bin ich?«, fragte Weiherer zurück.

Der Commissario hob die Augenbrauen.

»Bin ich dein Assistent?«

»Du …« Nun verstand er.

Es kam einfach alles zusammen in diesen Wochen. Belli? Der Staatsanwalt war nach wie vor beleidigt. Alba? Sprach nicht mehr mit ihm. Und Ispettore Saltapepe? War mit Grauners Assistentin Tappeiner im Urlaub. Der Commissario hielt die Stellung. Was in Ordnung gewesen wäre, wenn es keinen Mord gegeben hätte. Aber so? Das war alles viel zu viel.

»Er ist irgendwo dahinten im Schlund«, sagte Weiherer nun doch.

»Danke«, hörte Grauner sich flüstern und bereute es sogleich. Er hatte sich doch nicht zu bedanken. Wofür denn? Für eine selbstverständliche Auskunft?

Der Commissario ließ Weiherer stehen, stampfte weiter. Vorbei an den Polizisten, vorbei an einer Vielzahl kleiner Maschinen und weißer Klötze, die vor der schwarzen Gesteinswand standen. Schon spürte er wieder, wie es ihm die Kehle zuschnürte, wie die Panik in ihm hochkroch.

Ein Schritt nach dem anderen. Schneller, noch schneller, als könnte er die Panik abhängen. Einatmen, ausatmen. Grauner biss sich auf die Lippen. Schmerz. Manchmal half das. Doch heute half es nicht. Ihm wurde schwindelig.

Der Tunnel beschrieb eine Kurve, dahinter standen Polizisten und Männer in dunkler Arbeitskleidung in einem Grüppchen zusammen. Auf dem Boden waren Holzplatten ausgelegt, hier hatte das Konzert stattgefunden. Die Stühle hatte jemand an der Seite aufeinandergestapelt. Vor einer der Wände standen Vespas. Grün, gelb, blau, orangefarben, schwarz. Fünf Stück.

Belli hatte dem Commissario den Rücken zugedreht. Der Staatsanwalt sprach mit erhobener Stimme, auf die weißen Klötze schauend, beinahe wie ein Priester in der Kirche.

»Das Schöne. Und das Hässliche. So nah beieinander. Das Böse, der Tod. Die Reinheit dieses Gesteins.«

Er drehte sich nun um, ging mit ernster Miene auf den Commissario zu. »Grauner. Gut, dass Sie da sind.«

Es war das erste Mal seit einer Ewigkeit, dass er etwas Nettes zu ihm sagte. Seit jenem verfluchten Missverständnis vor einem Jahr hatte der Staatsanwalt ihn, so gut es ging, ignoriert. Grauner hatte ihm damals beizubringen versucht, dass er in Frühpension gehen wolle. Belli hatte alles falsch verstanden, er hatte gedacht, der Commissario wolle sich nur beruflich verändern, aufsteigen, den nächsten Karriereschritt machen. So war eines zum anderen gekommen, und Grauner hatte an einem Nachmittag im letzten Herbst einem gewissen Manfredo Panebianco in Verona gegenübergesessen, dem scheidenden Leiter der Abteilung Polizia dell’immigrazione e delle frontiere, IV zona, Friuli Venezia Giulia, Veneto, Trentino-Alto Adige. Und noch ein paar weiteren hohen Viechern, deren Namen ihm Belli eingetrichtert hatte, die er sich aber nicht hatte merken können. Sie hatten ihn gefragt, warum er denn glaube, der Richtige für diesen höchst verantwortungsvollen Job zu sein.

Das Bewerbungsgespräch hatte der Staatsanwalt ihm vermittelt, Grauner hatte nicht gewusst, wie er aus der Sache rauskommen sollte. Absagen war keine Option gewesen, also hatte er beschlossen, einen möglichst schlechten Eindruck zu hinterlassen.

Er hatte sich morgens nach der Stallarbeit nicht geduscht. Er holte während des Gesprächs einen holzigen...

Erscheint lt. Verlag 1.12.2024
Reihe/Serie Commissario Grauner ermittelt
Verlagsort Köln
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Bildhauerei • Der Tote am Gletscher • internationaler Fall • Krimi für den Urlaub • Krimi Neuerscheinung 2025 • Mamor • Marmorabbau • neuer Koppelstätter • neuer Krimi • neuer Südtirol Krimi • Regionaler Mordfall • Südtiroler Krimi • Urlaubskrimi
ISBN-10 3-462-31147-6 / 3462311476
ISBN-13 978-3-462-31147-1 / 9783462311471
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