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Das brennende Gewissen (eBook)

Petry ermittelt
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
384 Seiten
Kampa Verlag
978-3-311-70529-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Das brennende Gewissen -  Christof Weigold
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Zum ersten Mal seit dem plötzlichen Tod seiner Freundin vor zwei Jahren hat der Münchener Fallanalytiker Felix Petry sich zu einem Blind Date durchgerungen. Doch das romantische Abendessen im Shalom, dem jüdischen Restaurant seines Stiefvaters, wird von einem Anruf aus der Mordkommission gestört: Die fünfundsiebzig­ jährige Buchhändlerin Erica Mrosko ist in ihrer Schwabinger Altbauwohnung erstochen worden, am Tatort wurde ein an Petry adressierter lee­rer Briefumschlag gefunden. Dieser kannte die Frau nicht - was hatte sie ihm mitzuteilen? Petry forscht nach und ermittelt mit seiner Methode der Operativen Fallanalyse, bei der er den Tathergang Schritt für Schritt rekonstruiert und intuitiv ein Täterprofil entwickelt. Dabei gerät er ständig mit der ehrgeizigen jungen Hauptkommissarin Alina Schmidt aneinander, die die Ermittlungen lei­tet. Aber bald schon haben die beiden zwei heiße Spuren: Eine führt in eine Alt­68er-­Kommune, eine andere zu einem hochbrisanten und ungeklärten Fall aus dem Jahr 1970: dem Brandanschlag auf das jüdische Seniorenheim, bei dem sieben Bewoh­nerinnen und Bewohner ermordet worden sind.

Christof Weigold, 1966 in Mannheim geboren, schrieb Theaterstücke, war fester Autor der Harald-Schmidt-Show und arbeitet heute als freier Drehbuchautor für Film und Fernsehen. 2018 erschien der erste Band der Reihe um den deutschen Privatermittler Hardy Engel, Der Mann, der nicht mitspielt. Weigold gewann damit den Preis des Mordsharz-Festivals für das beste deutschsprachige Debüt und war für den Glauser-Preis nominiert. Es folgten drei weitere Teile: Der blutrote Teppich, Die letzte Geliebte und Der böse Vater. In Das brennende Gewissen ermittelt zum ersten Mal der Fallanalytiker Felix Petry, der wie Christof Weigold in München lebt.

Christof Weigold, 1966 in Mannheim geboren, schrieb Theaterstücke, war fester Autor der Harald-Schmidt-Show und arbeitet heute als freier Drehbuchautor für Film und Fernsehen. 2018 erschien der erste Band der Reihe um den deutschen Privatermittler Hardy Engel, Der Mann, der nicht mitspielt. Weigold gewann damit den Preis des Mordsharz-Festivals für das beste deutschsprachige Debüt und war für den Glauser-Preis nominiert. Es folgten drei weitere Teile: Der blutrote Teppich, Die letzte Geliebte und Der böse Vater. In Das brennende Gewissen ermittelt zum ersten Mal der Fallanalytiker Felix Petry, der wie Christof Weigold in München lebt.

1


Zum ersten Mal seit Langem fühlte Petry sich an diesemAbend gut. Er war aufgeregt, ja geradezu beschwingt.

Nicht dass er in der letzten Nacht besser geschlafen hätte als in den vielen zuvor. Zum ersten Mal war er um zwei Uhr siebenundzwanzig aufgewacht, später noch einmal um vier Uhr achtundfünfzig, und danach hatte er gar nicht mehr schlafen können. Er hatte wach gelegen und sich im Dunkeln den schmerzlichen Gedanken hingegeben, die ihn nachts unweigerlich überkamen. Petry hatte beschlossen, stattdessen lieber gleich das Licht anzumachen, aufzustehen und sich in die Arbeit zu stürzen, selbst mitten in der Nacht. Er hatte schließlich beileibe genug zu tun, und wie stets ging er so in seiner Arbeit auf, dass sie ihn tatsächlich ablenkte. Petry hatte es mit Schlaftabletten versucht, doch sie machten ihn auch tagsüber benebelt und beeinträchtigten seine Wahrnehmung, also hatte er sie abgesetzt und lebte lieber mit dem Schlafdefizit.

Trotzdem war ihm bewusst, dass er etwas ändern musste. Also hatte er sich darauf eingelassen, was ihm seine Freunde und seine Eltern nun seit anderthalb Jahren nahegelegt hatten. Immer wieder hatte er es abgelehnt und gesagt, dass er sich noch nicht so weit fühlte. Jetzt hatte er nachgegeben, sie meinten es ja gut. Und nun hatte er sich mit Sophie zum Abendessen im Shalom verabredet und fühlte sich mit einem Mal wirklich anders.

Petry war neununddreißig, und dies war sein erstes Blind Date. Sophie und er hatten sich auf einem Datingportal kennengelernt, sie hatten sich erst Chatnachrichten geschrieben, dann zunehmend längere Mails ausgetauscht. Dann hatte sie gefragt, ob sie sich zum Essen treffen wollten, und er hatte das Shalom vorgeschlagen, an der Ecke Adalbert-/Türkenstraße in der Maxvorstadt.

Der Gastraum war nüchtern eingerichtet, mit einfachen Tischen und Stühlen, blassgelben Decken und einer Vase pro Tisch, in der jeweils eine Blume stand, darüber hinaus kein Schnickschnack. Dies erlaubte es den Gästen, sich auf das Wichtigste zu konzentrieren: die Freundlichkeit der Wirtsleute, den Wohlgeschmack der liebevoll zubereiteten Speisen und ihr jeweiliges Gegenüber. Petry nahm das Ambiente gar nicht mehr bewusst wahr, doch es hatte stets eine beruhigende Wirkung auf ihn, erzeugte das Gefühl, zu Hause zu sein.

Er hatte auch heute Wiener Schnitzel bei Daniel bestellt, natürlich. Sein Date hatte sich ihm prompt angeschlossen, doch gerade waren sie noch bei der gemischten Vorspeisenplatte für zwei, die er vorgeschlagen hatte. Eine gute Einführung in die jüdische Küche, er war gespannt darauf, ob Sophie sie zu schätzen wusste, und hoffte, sie so ein wenig kennenzulernen.

Sophie war in seinem Alter, sie trug einen nachtblauen Hosenanzug, hatte mittellange braune Haare und ein nettes, offenes Lachen wie auf den Fotos. Sie gefiel ihm auf Anhieb. Er hatte beide Smartphones auf »stumm« geschaltet, das dienstliche und das private.

»Was ist das nun alles?«, fragte Sophie.

»Das hier ist zweimal Hummus, klassisch und mit Rote-Bete-Meerrettich, dann Baba Ganoush, das ist geräuchertes Auberginenpüree, Latkes mit Räucherlachs, ›Gefillte Fisch‹, dann frittierte Zucchini mit Dattel-Labneh und Za’atar, und hier noch eingelegte Peperoni mit Krautsalat.« Petry hob sein Glas, und sie prosteten sich zu. Er hatte den Shiraz aus Gamla auf den Golanhöhen bestellt. »Guten Appetit!«

»Das meiste davon kenne ich, aber was sind Labneh und Za’atar?«, fragte Sophie. Neugierig und impulsiv, war seine erste Einschätzung. Dabei sehr selbstbewusst und ein unabhängiger Geist, doch sie schien gerne und oft mit Menschen zu tun zu haben.

»Das Erste ist ein Joghurt mit Dattel- und Granatapfelsirup, das Zweite ein Gewürz aus Thymian, geröstetem Sesam, Oregano und Meersalz. Sehr lecker – musst du probieren.«

Sie pikte mit der Gabel erst in das eine, dann in das andere hinein, führte sie jeweils zum Mund und schob ein Stück von dem Pitabrot hinterher.

»Ja, fein«, sagte sie kauend. »Und woher weißt du so viel darüber, Petry? Aus den Kochbüchern von Ottolenghi?«

Es sprach für sie, dass sie diesen kannte – was der populäre israelische Spitzenkoch für die jüdische Küche getan hatte, war nur vergleichbar mit dem, was der Erfinder des Schweinsbratens für Bayern hatte bewirken können.

»Ich bin praktisch im Shalom zu Hause«, sagte er, wischte etwas von dem leuchtend roten Hummus mit Pita auf und biss davon ab. »Meine Mutter ist mit dem Inhaber Daniel Baumann zusammen, seit ich dreizehn war, und hilft hier immer mit. Gleich wird sie uns unsere Schnitzel servieren.«

»Und ihr seid auch …?« Die übliche Frage, die jeder Gast stellte.

»Nein, wir selbst sind keine Juden – meine Mutter heißt Ingrid und ist konfessionslos, aber Daniel ist Jude, und er ist so etwas wie mein Ziehvater.« Petry zeigte auf den großen Mann, den er zur Begrüßung herzlich umarmt und bei dem er dann bestellt hatte. Daniel war siebzig und sah freundlich aus. Er trug die langen grauen Haare zu einem Pferdeschwanz gebunden und hatte einen kugelrunden Bauch. Nun saß er in dem zur Hälfte gefüllten Restaurant alleine an einem hinteren Tisch und sandte ihnen durch seine Nickelbrille immer wieder einen neugierigen Blick herüber.

Sophie kicherte leise und aß mit Appetit weiter. »Hast du dann auch gelernt, so prima zu kochen?«

Petry grinste und wiegte den Kopf. »Ich bin nicht so gut wie der Koch oder meine Eltern, aber besser als die meisten Männer. Ich habe hier früher manchmal als Aushilfe gejobbt und alle Rezepte kennengelernt. Und immerhin koche ich wirklich gern. Du auch?«

Sie lächelte zurück. »Es geht so, würde ich sagen, doch ich esse sehr gern.«

Sie nahm einen weiteren Bissen, diesmal von den Latkes. Die jüdischen Kartoffelpuffer waren eine besondere Spezialität des Hauses.

»Auf die Idee würde man nicht kommen, wenn man dich so anschaut«, sagte Petry charmant mit seinem Münchner Einschlag. »Aber dann könnten wir ja gut zueinanderpassen.«

»Danke.«

Sie grinste ihm zu, und er sah, dass er ihr gefiel. Er konnte natürlich einschätzen, was sie auf den ersten Blick an ihm wahrnahm: einen schlanken, doch muskulösen Mann von einem Meter achtzig mit kurz geschnittenen schwarzen Locken und türkisgrünen Augen, der mit seinem jungenhaften Grinsen meist jünger geschätzt und gleich als soft und empathisch empfunden wurde.

Sophie nahm sich von den Fischklößchen in Gelatine und Sud, zu denen es roten Kren gab. »Der Gefillte Fisch ist übrigens vorzüglich. Ich hatte schon davon gehört, aber noch nie welchen gegessen. Mal was ganz anderes als das Kantinenessen.«

Petry schenkte ihnen beiden Wein nach.

»Wo arbeitest du denn?«, fragte er. Dieses Thema hatten sie in ihrem Chat noch nicht angeschnitten, ebenso wenig wie die Nachnamen.

»Ich bin Personalchefin«, sagte sie und beobachtete Petrys Reaktion. »Bei Schwabinger Bräu.«

»Aha. Interessant«, antwortete Petry. »Dann gehst du ein Date vermutlich so systematisch an wie ein Einstellungsgespräch, was?«

»Natürlich, und nach dem, was ich da bisher erlebt habe, ist das auch besser so«, meinte Sophie und steckte die Gabel in das beige Hummus, von dem noch am meisten übrig geblieben war. »Du bist also gebürtiger Münchner, Single im besten Alter, Felix …« Sie schob sich die Gabel in den Mund.

»Felix Petry«, ergänzte er und strich sich die schwarzen Haare aus der Stirn. »Eigentlich sagen alle Petry zu mir.«

»Verrätst du mir auch noch, was du beruflich machst, Petry?«

»Ich bin Festangestellter im öffentlichen Dienst«, sagte Petry.

»Bei der Stadt?«

»Genau. Ich bin Psychologe.«

Beide maßen sich mit einem Blick.

»Also bist du auch vom Fach.«

Sie mussten gleichzeitig grinsen, dann hob Petry sein Glas und prostete ihr wieder zu. Sie stießen klangvoll an, beinahe komplizenhaft, und tranken.

Derweil trat Daniel an den Tisch, um abzuräumen. Petry wusste, Daniel hatte seine Gäste immer genau im Blick und passte seine nächsten Auftritte genau ab. Und heute war er besonders aufmerksam. Schließlich hatten Daniel und Petrys Mutter Ingrid sogar sein Online-Profil für ihn ausgefüllt und die diversen Schritte bis zu diesem Treffen begleitet. Sie hatten sicherstellen wollen, dass Petry nicht wieder absprang.

»War es denn recht?«, fragte Daniel Sophie freundlich, mit den weichen Lauten, die er von seiner Kindheit in Zürich her behalten hatte.

»Ausgezeichnet«, antwortete sie und dankte ihm lächelnd. »Ist das jetzt alles koscher gewesen?«

Daniel stapelte die Teller auf seiner rechten Hand. »Wir haben keine streng koschere Küche hier. Dann müssten wir ja beim Lagern das Milchige und das Fleischige strikt trennen. Und ein Rabbiner müsste kommen und es zertifizieren, aber darauf lege ich keinen Wert, ich bin nicht religiös. Es gibt außerdem zu wenige Juden in München, und kaum orthodoxe. Wir sind zwar ein jüdisches Restaurant, aber die Gäste sollen...

Erscheint lt. Verlag 17.9.2024
Verlagsort Zürich
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte 1968 • Ermittlung • Fallanalyse • Hippies • Judentum • Jüdisch • Kommune • Krimi • Kriminalroman • Mord • München • Operative Fallanalyse • Schwabing • Singles • True Crime • wahre Fälle
ISBN-10 3-311-70529-7 / 3311705297
ISBN-13 978-3-311-70529-1 / 9783311705291
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