Die Rose von Katuna (eBook)
554 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7597-9031-6 (ISBN)
Anna Hellmich, Fantasy-Autorin und Krankenhausseelsorgerin, erzählte schon als Kind sehr gerne spontan entstehende Geschichten. Ob Hogwarts oder Mittelerde, Anna Hellmich sieht hier keine Grenzen und fühlt sich in jeglicher Fantasy-Welt zu Hause. Hauptsache, da ist "Orm", um mit Walter Moers zu sprechen: die Magie des Erzählens. Als evangelische Pfarrerin hat Anna Hellmich ihre eigene Perspektive auf das Leben. Der Syrienkonflikt und seine Auswirkungen 2015/16 haben bei Hellmich einen bleibenden Eindruck hinterlassen. "Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung" sind keine Worthülsen für sie, sondern eine ständige Sehnsucht, an der sie trotz der aktuellen Entwicklungen festhält.
Die Geburt
Hitze flimmerte über den Wiesen und Feldern. Wie eine schwere Decke fühlte sie sich an, die alles erstickte, das atmen wollte. Die Krüge waren leer und die Brunnen trockneten aus. Ja, die Sonne schien sonst auch viel im Spätsommer. Aber doch nicht ununterbrochen! Ihr gleißendes Licht, an einem wolkenlosen Himmel, hatte etwas Gnadenloses.
Sina stellte ihren Wäschekorb für einen Moment beiseite, um sich den Schweiß von der Stirn zu wischen. Auf keinen Fall sollte in den frühen Morgenstunden schon eine solche Hitze herrschen. Die kühlenden Gewitter waren seit Wochen ausgeblieben. Häufig am Nachmittag oder Abend schüttelten Sturmböen die Bäume. Aber es blieb nur Wind ohne Regen, so als ob die südlichen Wüsten ihren heißen Atem übers Meer sandten, um das Land mit rotem Staub zu überziehen.
Sina steckte ihr Taschentuch weg und nahm den Wäschekorb wieder hoch, um ihn ins Nebengebäude zu den Wäscherinnen zu bringen. Der Korb war schwer, und Sina war zierlich. Während sie sich mit ihrer Last abquälte, fragte sie sich, wer im Schloss überhaupt Fürst Harolts Anweisung umzusetzen versuchte, Kleidung und Bettwäsche länger zu verwenden als üblich. Wie überall im Land wütete auch im Schloss des Fürsten die Seuche. Sogar Sina als oberste Kammerzofe der Fürstin musste mit den Wäschetransporten aushelfen, weil so viele Zofen und Mägde erkrankt waren.
Der Schweiß lief ihr bereits wieder übers Gesicht, während sie mit dem Ellenbogen die Tür zur Waschküche aufstieß. Drinnen wurde es nicht besser. In dichten Schwaden hüllte der Dampf sie ein. Sina schnappte nach Luft. Obwohl sie nach fünf Stunden Wäschedienst schon darauf gefasst war, reagierte ihr Körper mit heftiger Gegenwehr auf das Gefühl, nicht mehr atmen zu können. Lichtpunkte tanzten vor ihren Augen. Das Gewicht auf ihrer Brust war schier unerträglich. Sina nahm sich vor, erst einmal eine kurze Pause einzulegen, sobald sie den Raum wieder verlassen konnte. Niemand hatte etwas davon, wenn sie vor Anstrengung zusammenbrach, so wie gestern Roda, eine ältere Magd. Sie war wegen ihres Alters mit leichteren Tätigkeiten beauftragt worden, hatte sich aber aufgrund der Notsituation bereit erklärt, doch wieder in der Waschküche auszuhelfen.
»Schluss für heute!«, ertönte zu Sinas Erleichterung eine Stimme aus einer Ecke der Waschküche. »Kein Wasser mehr!«
Mistress Mathilda, die oberste Wäscherin, scheuchte ihre Mägde mit energischen Handbewegungen zur Tür. Sie alle hatten hochrote Wangen, und unter ihren weißen Haarnetzen war ihr Haar schweißnass. Ihre Augen waren glasig vor Erschöpfung.
Sina nickte Mathilda zu und stellte den Korb zu der anderen Wäsche, die nun bis morgen dort stehen würde. Sie folgte den Wäscherinnen zu Tür.
Es war jeden Tag dasselbe: Sie schafften ihre Arbeit nicht mehr. Es gab zu wenig Mägde, und das Wasser wurde streng rationiert. Was dies für die Weiterverbreitung der Seuche bedeutete, mochte sich Sina gar nicht ausmalen.
Die Erkrankten bekamen Fieber und rote Pusteln überall am Körper und lagen tagelang, manchmal mehrere Wochen darnieder. Tote gab es selten. Was die Seuche so bedrohlich machte, waren ihre Folgen: Arbeit blieb liegen, Felder konnten nicht bestellt werden, und die wenigen Gesunden hatten doppelt zu tun mit der Pflege ihrer kranken Angehörigen und der größeren Arbeitslast. Da ohnehin aufgrund der Dürre eine Missernte drohte, würden viele Bauern- und Handwerkerfamilien ihren Lebensunterhalt nicht mehr selbstständig bestreiten können.
In den Fürstentümern leerten sich die Kassen dadurch, dass aufgrund des drohenden Krieges mobil gemacht werden musste, dass zugleich aber Nahrungsmittel aus den Nachbarländern zu hohen Preisen eingekauft wurden, um den Mangel auszugleichen. Überall schossen die Zeltlager des Heeres wie weiße Pilze aus dem Boden und zerstörten nicht nur die Wiesen, auf denen sie standen, sondern auch die Lebensgrundlage der Menschen.
Mistress Mathilda schloss hinter Sina die Tür. Beide schwiegen, zu erschöpft, um ein Gespräch zu beginnen.
In diesem Moment erscholl ein Schrei aus Richtung des Nordflügels. Sie fuhren herum.
»Die Lady!«, rief Sina erschrocken.
»Der Tag der Geburt war schon überfällig. Bestimmt ist sie von der Krankheit geschwächt. Und dazu noch diese Hitze!«, kommentierte Mathilda besorgt.
Sina war das Blut aus den Wangen gewichen. Sie musste sofort zu ihrer Herrin. Nicht auszudenken, was alles geschehen konnte, wenn die Lady bei der Geburt ohne fachkundige Hilfe blieb. Trotz aller Vorsichtsmaßnahmen hatte sich Lady Hesiane mit der Seuche angesteckt. Zu allem Überfluss war auch noch die Hebamme erkrankt, so dass Sinas heilkundliche Fähigkeiten und ihr Wissen über Kräuter gefragt waren.
»Ich muss los!«, stieß Sina knapp hervor. Mistress Mathilda bedeutete ihr mit einer Handbewegung, dass sie schnell gehen sollte. Worte waren hier nicht notwendig.
Als Sina wenig später mit ihrer Tasche über der Schulter die Treppenstufen zu den Gemächern der Lady empor eilte, kam ihr Randolf, seit kurzem der Oberste Kammerdiener des Fürsten, entgegen. Sein Gesicht glänzte vor Schweiß. Sein sonst so ordentlich frisiertes Haar war zerzaust, als sei er mehrmals mit den Händen hindurchgefahren.
»Mistress Sina, dich schickt der Himmel! Komm schnell!«
Gemeinsam begaben sie sich, so schnell sie konnten, zum Schlafzimmer der Lady. Dort angekommen, nickte ihr Randolf kurz zu und eilte davon, um weitere Aufträge zu erfüllen.
Ganz außer Atem blieb Sina stehen, um sich kurz zu sammeln. Lady Hesiane hatte nichts davon, wenn diejenigen, die ihr beistehen sollten, selbst kopflos wurden. Es würde nicht leicht werden. Sina wollte alles dafür tun, damit Mutter und Kind am Leben blieben.
So leise und ruhig, wie sie konnte, betrat sie das Schlafzimmer.
Die Wangen bleich, mit roten Fieberflecken darauf, den Körper angespannt in Erwartung der nächsten Schmerzwelle, so lag Lady Hesiane da.
Bei Sinas Anblick trat ein dankbarer Glanz in ihre Augen, die vor Angst und Schmerz geweitet waren.
»Hilf mir!«, flüsterte sie.
Ihre Lippen waren rissig, die Haut aufgesprungen vor Trockenheit. Roter Ausschlag bedeckte ihre Arme, und Sina hatte in den letzten Tagen auch schon ihre Beine und ihren Bauch behandeln müssen. Sie hoffte, dass Lady Hesiane trotz der Krankheit genug Kraft für die Aufgabe besaß, die vor ihr lag.
Sina wandte sich an die Magd, die am Bett der Fürstin stand und ihre Hand hielt.
»Sind die anderen unterwegs, heißes Wasser und saubere Tücher holen? Hattet ihr einen Vorrat an Wasser beiseitegestellt?«, fragte sie die junge Frau.
»Ganz genau, so wie du uns angewiesen hast. Sie müssen jeden Augenblick da sein«, bestätigte die Magd. Sina warf ihr einen anerkennenden Blick zu. Die junge Magd hatte die Zeichen richtig gedeutet und vorausgeplant. »Gut.«
Dann trat sie an das Bett heran und schaute ihrer Fürstin ins Gesicht. »Ich untersuche Euch jetzt«, kündigte sie an. »Dann sehen wir weiter. Habt Ihr ausreichend getrunken?«
»Ja«, stöhnte Lady Hesiane, »aber alles, was ich zu mir nehme, spucke ich bald wieder aus!«
Sina nickte.
»Ich weiß, es ist nicht leicht. Versucht es trotzdem wieder. Die Übelkeit geht vorüber.«
Das stimmte nicht ganz. Die Übelkeit konnte durch die Schmerzen zunächst auch schlimmer werden. Aber Sina hoffte, dass die beruhigenden Worte ihre eigene Wirkung entfalteten.
Lady Hesiane krümmte sich, als die nächste Wehe kam, und krallte ihre bleichen Hände in die Seidenlaken. Dabei gab sie keinen Ton von sich.
»Schreit laut, wenn Ihr es braucht«, wies Sina sie an. »Nur vergesst dabei nicht zu atmen.«
Die Fürstin tat ihr Bestes, aber das Fieber hatte sie geschwächt. Das war ihr deutlich anzusehen. Sina stählte sich innerlich. Sie wollte sich ihre Sorge nicht anmerken lassen.
Mägde kamen ins Zimmer und brachten frische Tücher sowie Bottiche mit abgekochtem, noch heißem Wasser.
Sina streifte ihre Ärmel hoch und wusch sich gründlich die Hände in einem Bassin. Innerlich fluchte sie, weil sie in der Hast nur einen sauberen Kittel hatte überwerfen können. Besser, sie hätte ihre gesamte Kleidung gewechselt.
Sanft legte sie ihre Hände auf Lady Hesianes geschwollenen Leib und tastete nach dem Kind. Mit dessen Lage schien alles in Ordnung. Dann prüfte Sina, wie weit die Geburt vorangeschritten war.
Sie runzelte die Stirn. Lady Hesiane war kein zartes Pflänzchen, wenn sie auch mit ihrem vornehm blassen Gesicht und ihren blonden Locken ganz danach aussah. Nur bei sehr heftigen Schmerzen würde sie die Kontrolle verlieren und zulassen, dass ihr ein Schrei entfuhr.
Die Laken waren feucht vom Fruchtwasser....
Erscheint lt. Verlag | 27.6.2024 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Fantasy / Science Fiction ► Fantasy |
ISBN-10 | 3-7597-9031-3 / 3759790313 |
ISBN-13 | 978-3-7597-9031-6 / 9783759790316 |
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